MLWerke | 9. Kapitel | Inhalt | 11. Kapitel | Franz Mehring

Seitenzahlen nach: Franz Mehring - Gesammelte Schriften, Band 3. Berlin/DDR, 1960, S. 272-321.
1. Korrektur
Erstellt am 30.10.1999

Franz Mehring: Karl Marx - Geschichte seines Lebens

Zehntes Kapitel: Dynastische Umwälzungen


1. Der italienische Krieg

|272| Die Krise von 1857 war nicht in die proletarische Revolution ausgelaufen, die Marx und Engels von ihr erhofft hatten. Aber sie entbehrte deshalb nicht der revolutionären Wirkungen, mochten sich diese auch nur in der Form dynastischer Umwälzungen vollziehen. Ein Königreich Italien entstand und danach ein deutsches Kaiserreich, während das französische Kaiserreich spurlos in der Versenkung verschwand.

Diese Wandlung der Dinge erklärte sich aus der doppelten Tatsache, daß die Bourgeoisie niemals selbst ihre revolutionären Schlachten schlägt, aber daß sie seit der Revolution von 1848 ein Haar darin gefunden hatte, sie durch das Proletariat schlagen zu lassen. In dieser Revolution und namentlich in den Pariser Junikämpfen, hatten die Arbeiter der althergebrachten Gewohnheit entsagt, bloß als Kanonenfutter der Bourgeoisie zu dienen, und mindestens einen Anteil an den Früchten des Sieges beansprucht, den sie mit ihrem Blut und ihren Knochen erfochten hatten.

So war die Bourgeoisie schon in den Revolutionsjahren auf den schlauen Gedanken verfallen, sich von einer anderen Macht, als dem mißtrauisch und unzuverlässig gewordenen Proletariat, die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen: zumal in Deutschland und in Italien, das heißt in denjenigen Ländern, in denen selbst nur erst der nationale Staat zu schaffen war, dessen die kapitalistischen Produktivkräfte für ihre wirksame Entfaltung bedürfen. Es lag nahe, einem Teilfürsten die Herrschaft über das ganze Land anzubieten, wenn er als Gegengabe der Bourgeoisie freien Spielraum für ihre Ausbeutungs- und Ausbreitungsbedürfnisse verschaffte. Allerdings mußte die Bourgeoisie dabei ihre politischen Ideale in den Rauchfang schreiben und sich an der Befriedigung ihrer nackten Profitinteressen genügen lassen, denn indem sie die Hilfe des Fürstentums anrief, unterwarf sie sich selbst seiner Herrschaft. Es waren denn auch die reaktionärsten Teilstaaten, mit denen die Bourgeoisie schon in den Revolutionsjahren zu liebäugeln versucht hatte: |273| in Italien das Königreich Sardinien, jener »militär-jesuitische« Teilstaat, wo nach dem Fluche des deutschen Dichters »Söldner und Pfaffen zumal saugten am Marke des Volks«, in Deutschland das Königreich Preußen, das unter dem dumpfen Druck des ostelbischen Junkertums stand. Zunächst kam man aber weder dort noch hier zum Ziele. Der König Karl Albert von Sardinien machte sich zwar zum »Schwerte Italiens«, allein auf dem Schlachtfelde unterlag er dem österreichischen Heere und starb als landflüchtiger Mann in der Fremde. In Preußen aber wies der vierte Friedrich Wilhelm die deutsche Kaiserkrone, die ihm die deutsche Bourgeoisie auf dem Präsentierteller anbot, als einen imaginären Reif zurück, der aus Dreck und Letten gebacken sei, und versuchte lieber einen unsauberen Leichenraub an der Revolution, was ihm dann freilich auch, nicht einmal durch das österreichische Schwert, sondern durch die österreichische Geißel, in Olmütz gründlich versalzen wurde.

Dieselbe industrielle Prosperität, an der sich die Revolution von 1848 erschöpft hatte, war nun aber ein mächtiger Hebel geworden, die Bourgeoisie in Deutschland und in Italien zu fördern und ihr die nationale Einheit zu einer immer dringlicheren Notwendigkeit zu machen. Als dann die Krise von 1857 an die Vergänglichkeit aller kapitalistischen Herrlichkeit erinnerte, kam die Kugel ins Rollen. Zunächst in Italien, was sich jedoch nicht daraus erklärt, daß hier die kapitalistische Entwicklung weiter vorgeschritten gewesen wäre als in Deutschland. Vielmehr im Gegenteil! In Italien war die große Industrie noch gar nicht vorhanden, und der Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat noch nicht so schroff ausgeprägt, um gegenseitiges Mißtrauen zu erwecken. Nicht minder schwer fiel in die Waagschale, daß die Zersplitterung Italiens auf einer Fremdherrschaft beruhte, deren Abschüttelung ein gemeinsames Ziel aller Klassen war. Österreich herrschte unmittelbar in der Lombardei und Venetien, mittelbar auch über Mittelitalien, dessen kleine Höfe den Befehlen der Wiener Hofburg gehorchten. Der Kampf gegen diese Fremdherrschaft hatte seit den zwanziger Jahren schon ununterbrochen gewährt und zu den grausamsten Unterdrückungsmaßregeln geführt, die die erbitterte Rache der Unterdrückten hervorriefen; der italienische Dolch war die unvermeidliche Folge des österreichischen Stocks.

Aber alle Attentate, Aufstände und Verschwörungen kamen nicht auf gegen die habsburgische Übermacht, und an ihr waren auch in den Revolutionsjahren die italienischen Erhebungen gescheitert. Die Verheißung, daß Italien sich selbständig machen werde (Italia fara da se), hatte sich als eine Illusion erwiesen. Italien bedurfte der auswärtigen |274| Hilfe, um sich von der österreichischen Fremdherrschaft zu befreien, und richtete sein Augenmerk auf die französische Schwesternation. Freilich bildete die Zersplitterung Italiens wie Deutschlands einen alten Grundsatz der französischen Politik, aber der Abenteurer, der zur Zeit auf dem französischen Throne saß, war ein Mann, der mit sich handeln ließ. Das zweite Kaiserreich wurde zur Posse, wenn es sich in den Grenzen hielt, die das Ausland nach dem Sturze des ersten Kaiserreichs dem französischen Gebiete gezogen hatte. Es bedurfte der Eroberungen, die der falsche Bonaparte nicht auf den Wegen des echten Bonaparte machen konnte. Er mußte sich daran genügen lassen, seinem angeblichen Oheim das sogenannte »Nationalitätsprinzip« abzumausen und sich als Messias der unterdrückten Nationen aufzuspielen, unter der Voraussetzung, daß seine guten Dienste mit reichlichen Trinkgeldern an Land und Leuten bezahlt werden würden.

Dabei durfte er, seiner ganzen Lage nach, keine großen Sprünge machen. Er konnte keinen europäischen, geschweige denn einen revolutionären Krieg führen, sondern höchstens mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung Europas auf den allgemeinen Sündenbock losschlagen, wie es im Anfang der fünfziger Jahre Rußland gewesen und an ihrem Ende Österreich war. Dessen Schandwirtschaft in Italien war zu einem europäischen Skandal ausgeartet, und mit den alten Genossen der Heiligen Allianz war das Haus Habsburg tödlich verfeindet, mit Preußen wegen Olmütz und mit Rußland wegen des Krimkriegs: namentlich der russischen Hilfe war Bonaparte bei einem Angriff auf Österreich sicher.

Dazu drängten die inneren Zustände Frankreichs zur Auffrischung des bonapartistischen Prestiges durch eine auswärtige Aktion. Die Handelskrise von 1857 hatte die französische Industrie gelähmt, und durch die Manöver der Regierung, den akuten Ausbruch der Krise zu hindern, war das Übel chronisch geworden, so daß sich die Stockung des französischen Handels jahrelang hinzog. Dadurch wurden Bourgeoisie wie Proletariat gleichermaßen rebellisch, und auch die bäuerliche Klasse, die eigentliche Stütze des Staatsstreichs, begann zu murren; der tiefe Fall der Getreidepreise von 1857 bis 1859 entriß ihr die Klage, daß der französische Ackerbau bei den niedrigen Preisen und den hohen, auf ihm ruhenden Lasten unmöglich werde.

In dieser Lage wurde Bonaparte eifrig umworben von Cavour, dem leitenden Minister des Königreichs Sardinien, der die Überlieferungen Karl Alberts wieder aufgenommen hatte, aber sie mit ungleich größerem Geschick zu vertreten wußte. Jedoch beschränkt auf die ohnmächtigen Mittel der Diplomatie, kam er nur langsam vom Flecke, zumal da der |275| brütend unentschlossene Charakter Bonapartes einen schnellen Entschluß erschwerte. Dagegen verstand es die italienische Aktionspartei, diesen Völkerbefreier schnell auf die Beine zu bringen. Am 14. Januar 1858 warfen Orsini und seine Mitverschworenen in Paris ihre Handgranaten auf den kaiserlichen Wagen, der von 76 Bombensplittern durchsiebt wurde. Die Insassen blieben zwar unverletzt, und nach Art solcher Leute antwortete der Dezembermann auf den Todesschrecken mit der Errichtung eines Schreckensregiments. Dadurch offenbarte er aber nur, daß seine Herrschaft nach siebenjähriger Dauer immer nur erst auf tönernen Füßen stand, und ein Brief, den Orsini aus dem Gefängnis an ihn richtete, jagte ihm neue Angst in die morschen Gebeine. Es hieß darin: »Vergessen Sie nicht, daß die Ruhe Europas und die Ihrige so lange nur eine Chimäre sein wird, solange Italien nicht unabhängig sein wird.« Noch deutlicher soll Orsini in einem zweiten Briefe geworden sein. Bonaparte war auf den Irrfahrten seines abenteuerlichen Lebens auch einmal unter die italienischen Verschwörer geraten und wußte wohl, daß mit deren Rache nicht zu spaßen sei.

So ließ er im Sommer 1858 Cavour in das Bad Plombieres kommen und verabredete mit ihm den Krieg gegen Österreich. Sardinien sollte die Lombardei und Venetien erhalten und sich zu einem oberitalienischen Königreich abrunden, wofür es Savoyen und Nizza an Frankreich abzutreten hatte. Es war ein diplomatischer Schacher, der mit der Freiheit und Unabhängigkeit Italiens im Grunde wenig zu tun hatte. Über Mittel- und Süditalien wurde gar nichts abgemacht, wenn auch beide Teile ihre Hintergedanken hatten. Bonaparte konnte die Überlieferungen der französischen Politik nicht soweit preisgeben, um ein einiges Italien zu fördern; er wünschte - schon mit Rücksicht auf die Erhaltung der päpstlichen Herrschaft - einen Bund der italienischen Dynastien, die sich gegenseitig lahmlegen und dadurch dem französischen Einfluß das Übergewicht sichern sollten, wobei er noch mit dem Gedanken spielte, seinem Vetter Jerôme ein mittelitalienisches Königreich zu schaffen. Cavour dagegen rechnete auf die nationale Bewegung, die ihm ermöglichen würde, alle dynastisch-partikularistischen Bestrebungen niederzuhalten, wenn erst einmal Oberitalien in eine größere Macht zusammengefaßt sei.

Am Neujahrstage des Jahres 1859 enthüllte Bonaparte durch eine Ansprache an den österreichischen Botschafter in Paris seine Pläne, und wenige Tage später erklärte der König von Sardinien, daß er gegen den Schmerzensschrei Italiens nicht taub sei. Die drohenden Worte wurden in Wien verstanden, und der Krieg trieb schnell voran, wobei die österreichische Regierung ungeschickt genug war, sich in die Rolle des Angreifers |276|* drängen zu lassen. Halb bankrott wie sie war, befand sie sich, von Frankreich angegriffen und von Rußland bedroht, in einer schwierigen Lage, aus der sie durch die laue Freundschaft der englischen Torys nicht befreit werden konnte. Wohl aber suchte sie den Deutschen Bund für sich zu gewinnen, der zwar vertragsmäßig nicht verpflichtet war, für die außerdeutschen Besitzungen eines Bundesstaats einzutreten, aber der durch das militärisch-politische Schlagwort geködert werden sollte, daß am Po der Rhein verteidigt werden müsse, mit anderen Worten, daß die Aufrechterhaltung der österreichischen Fremdherrschaft in Oberitalien ein nationales Lebensinteresse Deutschlands sei.

In Deutschland hatte ebenfalls seit der Krise von 1857 und ihren Wirkungen eine nationale Bewegung eingesetzt, die sich jedoch nicht zu ihrem Vorteil von der italienischen unterschied. Ihr fehlte der Stachel der Fremdherrschaft, und der deutschen Bourgeoisie steckte von 1848 eine heillose Angst vor dem Proletariat in den Knochen, das ihr damals doch noch recht wenig gefährlich geworden war. Allein die Pariser Junischlacht hatte sie belehrt. War bis 1848 die französische Entwicklung ihr Ideal gewesen, so schwor sie seitdem aufs Vorbild Englands, wo sich Bourgeoisie und Proletariat so hübsch gemütlich zu vertragen schienen. Die Vermählung des preußischen Thronfolgers mit einer englischen Prinzessin erregte schon ihr höchstes Entzücken, und als nun gar im Herbst 1858 der geistig erkrankte König die Regierung seinem Bruder übergeben mußte und dieser ein schwach liberales Ministerium einberief, aus nichts weniger als liberalen Gründen, brach jener »Krönungsochsenjubel« der Bourgeoisie aus, den Lassalle nicht bitter genug verspotten konnte. Diese würdige Klasse verleugnete ihre eigenen Helden von 1848, um den Prinzregenten nicht zu reizen, und sie drängte nicht etwa vorwärts, als das neue Ministerium so gut wie alles beim alten ließ, sondern gab vielmehr die famose Parole aus: Nur nicht drängeln!, aus reiner Angst, daß die Ungnade des neuen Herrn die »Neue Ära«, die nur von seinen Gnaden existierte, wie ein Schattenspiel an der Wand verschwinden lassen könne.

Mit dem Heraufziehen des Kriegsgewitters begannen nun in Deutschland die Wogen höher zu schlagen. Die Art wie Cavour die italienische Einheit betrieb, hatte für die deutsche Bourgeoisie viel Verlockendes, denn sie hatte die Rolle, die Sardinien übernahm, längst dem preußischen Staate zugedacht. Jedoch der Angriff des französischen Erbfeindes auf die Vormacht des Deutschen Bundes rief Besorgnisse und Erinnerungen wach, die sie wieder kopfscheu machten. Nahm dieser falsche Bonaparte nicht die Überlieferungen des echten auf? Sollten die Tage |277| von Austerlitz und Jena wiederkehren, sollten die Ketten der Fremdherrschaft abermals in Deutschland rasseln? Die österreichischen Soldfedern wurden nicht müde, diese Schreckgespenster an die Wand zu malen und das paradiesische Zukunftsbild einer »mitteleuropäischen Großmacht« zu entwerfen, die, unter dem vorwiegenden Einfluß Österreichs, den Deutschen Bund, Ungarn, die slawisch-rumänischen Donauländer, Elsaß-Lothringen, Holland und der Himmel weiß was noch umfassen sollte. Gegenüber dieser Propaganda ließ natürlich auch Bonaparte seine Tintenkulis los, die darauf schwören mußten, daß der arglosen Seele ihres Soldzahlers nichts fremder sei als ein Gelüste nach den Rheinufern, und daß er mit dem Kriege gegen Österreich nur die erhabensten Zwecke der Zivilisation verfolgte.

In solchem Wirrwarr der Meinungen fand sich der Spießbürger schwer zurecht, doch begann er allmählich den habsburgischen Lockungen ein geneigteres Ohr zu schenken als den bonapartistischen. Sie kamen seinem Bierbankpatriotismus schmeichelnd entgegen, während ein allzu robuster Glaube dazu gehörte, an den zivilisatorischen Beruf des Dezembermanns zu glauben. Indessen war die Sachlage doch so verwickelt, daß wirkliche und noch dazu revolutionäre Politiker, die in allen grundsätzlichen Fragen vollkommen übereinstimmten, sich nicht einigen konnten über die praktische Politik, die Deutschland gegenüber dem italienischen Kriege zu befolgen habe.

2. Der Streit mit Lassalle

Im Einverständnis mit Marx trat Engels zunächst auf den Plan mit seiner Flugschrift »Po und Rhein«[1], für die ihm Lassalle in Franz Duncker einen Verleger verschaffte. Zweck der Abhandlung war die Zerstörung der habsburgischen Parole, wonach der Rhein am Po verteidigt werden mußte. Engels wies nach, daß Deutschland kein Stück von Italien zu seiner Verteidigung brauche, und daß Frankreich, wenn bloß militärische Gründe gelten sollten, allerdings noch viel stärkere Ansprüche auf den Rhein habe, als Deutschland auf den Po. Wenn aber Engels die österreichische Herrschaft in Oberitalien militärisch als für Deutschland entbehrlich erklärte, so verwarf er sie politisch als für Deutschland überaus schädlich, da diesem die unerhörte Mißhandlung der italienischen Patrioten durch den österreichischen Stock den Haß und die fanatische Feindschaft von ganz Italien zuzöge.

|278| Allein, so meinte Engels, die Frage um den Besitz der Lombardei sei eine Frage zwischen Italien und Deutschland, nicht aber zwischen Louis-Napoleon und Österreich. Gegenüber einem Dritten wie Bonaparte, der sich um seiner eigenen, in anderer Beziehung antideutschen Interessen willen einmische handle es sich um die einfache Behauptung einer Provinz, die man nur gezwungen abtrete, einer militärischen Position, die man nur räume, wenn man sie nicht mehr halten könne. Gegenüber der bonapartistischen Drohungen habe also das habsburgische Stichwort seine volle Berechtigung. Wenn der Po für Louis-Napoleon der Vorwand sei, so müsse der Rhein unter allen Umständen sein Endziel sein. Nur die Eroberung der Rheingrenze könne die Herrschaft des Staatsstreichs in Frankreich dauernd sichern. Es sei der Fall des alten Sprichworts: man schlage den Sack und meine den Esel. Finde Italien sich veranlaßt, den Sack vorzustellen, so habe Deutschland doch diesmal keine Lust, den Esel abzugeben. Wenn es sich am letzten Ende um der Besitz des linken Rheinufers handle, so könne Deutschland in keiner Weise daran denken, den Po und damit eine seiner stärksten, ja geradezu seine stärkste Position ohne Schwertstreich aufzugeben. Am Vorabend des Krieges, wie im Kriege selbst, besetze man jede benutzbare Stellung, von der aus man den Feind bedrohen und ihm schaden könne, ohne moralische Reflexionen darüber anzustellen, ob dies mit der ewigen Gerechtigkeit und dem Nationalitätsprinzip vereinbar sei. Man wehre sich eben seiner Haut.

Marx war mit diesen Ausführungen vollkommen einverstanden. Als er das Manuskript der Flugschrift gelesen hatte, schrieb er dem Verfasser: »Außerordentlich tüchtig; auch das Politische famos behandelt, was verdammt schwer war. Das Pamphlet wird einen großen Erfolg haben.« Dagegen erklärte Lassalle, daß er diese Auffassung überhaupt nicht begreife. Er veröffentlichte gleich darauf, ebenfalls im Verlage Franz Dunckers, unter dem Titel »Der italienische Krieg und die Aufgabe Preußens«, eine Flugschrift, die von ganz anderen Voraussetzungen ausging und demgemäß zu ganz anderen Ergebnissen gelangte, von Marx aber als ein »ungeheurer Fehlschluß« betrachtet wurde.

Lassalle sah in der nationalen Bewegung Deutschlands, die unter den Anzeichen des drohenden Krieges entstand, nur »absolute Franzosenfresserei, Franzosenhaß (Napoleon nur Vorwand, die revolutionäre Entwicklung Frankreichs der wirkliche geheime Grund)«; ein deutsch-französischer Volkskrieg, worin sich die beiden großen Kulturvölker des Festlandes um nationaler Trugbilder willen zerfleischten, ein populärer |279| Krieg gegen Frankreich, der keine nationale Lebensfrage hinter sich hätte, sondern seine geistige Nahrung aus krankhaft überreiztem Nationalgefühl, aus verstiegenem Patriotismus und kindischer Franzosenfresserei söge, war in den Augen Lassalles die furchtbarste Gefahr für die europäische Kultur, für alle nationalen wie revolutionären Interessen, der weitaus ungeheuerste und unabsehbarste Sieg, den das reaktionäre Prinzip seit dem März 1848 erfochten habe. Einem solchen Kriege sich mit aller Gewalt entgegenzuwerfen, hielt Lassalle für eine Lebensaufgabe der Demokratie.

Eingehend legte er dar, daß der italienische Krieg keine ernstliche Bedrohung Deutschlands sei. An dem Gelingen der italienischen Einheitsbewegung habe die deutsche Nation das dringendste Interesse, und eine gute Sache werde dadurch noch nicht schlecht, daß ein schlechter Mann sie in die Hand nehme. Wolle Bonaparte sich durch den italienischen Krieg einige Pfennige Popularität erschleichen, so verweigere man ihm diese Pfennige und mache so die Leistung, zu der er sich aus persönlichen Zwecken entschließe, unnütz für diese Zwecke. Aber wie könne man deshalb kämpfen gegen das, was man bisher wollte und wünschte? Auf der einen Seite habe man einen schlechten Mann mit einer guten Sache. Auf der anderen Seite eine schlechte Sache und - »Nun ja, der Mann?« Lassalle erinnerte an die Ermordung Blums, an Olmütz, Holstein, Bronzell, an all die Frevel, womit sich nicht der bonapartistische, sondern der habsburgische Despotismus an Deutschland versündigt hatte. Eine Schwächung Österreichs zu hindern, habe das deutsche Volk um so geringeres Interesse, als vielmehr die gänzliche Zerschlagung Österreichs die erste Vorbedingung der deutschen Einheit sei. An dem Tage, wo Italien und Ungarn selbständig würden, seien die zwölf Millionen Deutsch-Österreicher dem deutschen Volke wiedergegeben, erst dann könnten sie sich als Deutsche fühlen, erst dann sei ein einiges Deutschland möglich.

Aus der ganzen historischen Lage Bonapartes entwickelte Lassalle, daß dieser beschränkte, in Europa so allgemein überschätzte Mensch gar nicht an Eroberungen denken könne, nicht einmal in Italien, geschweige denn in Deutschland. Würde er aber wirklich in phantastischen Eroberungsplänen schwelgen, weshalb läge dann für die Deutschen eine Ursache vor, sich so unanständig zu fürchten? Lassalle verhöhnte die wackeren Patrioten, die in den Tagen von Jena das normale Maß der nationalen Kraft erblickten und aus lauter Furcht tollkühn würden, die aus Angst vor einem höchst unwahrscheinlichen Angriff Frankreichs zum Angriff gegen Frankreich trieben. Es liege auf der Hand, daß Deutschland |280|* in der Abwehr eines französischen Angriffs ganz andere Kräfte entfalten könne und werde, als in einem Invasionskriege, der zudem die französische Nation um Bonaparte scharen und dessen Thron nur befestigen müsse.

Krieg gegen Frankreich forderte Lassalle für den Fall, daß Bonaparte die den Österreichern abgejagte Beute für sich behalten oder auch nur seinem Vetter einen mittelitalienischen Thron errichten wolle. Trete keiner dieser Fälle ein und die preußische Regierung wolle dennoch in einen völkerverhetzenden Krieg mit Frankreich treiben, so müsse sich die Demokratie dem widersetzen. Aber auch die bloße Neutralität genüge nicht. Die geschichtliche Aufgabe, die Preußen im Interesse der deutschen Nation zu lösen habe, bestehe vielmehr darin, sein Heer gegen Dänemark zu senden mit der Proklamation: »Ändert Napoleon die europäische Karte nach dem Prinzip der Nationalitäten im Süden, so tun wir dasselbe im Norden. Befreit Napoleon Italien, so nehmen wir Schleswig-Holstein.« Fahre Preußen fort, zu zaudern und nichts zu tun, so werde nur aber und aber bewiesen sein, daß die Monarchie in Deutschland einer nationalen Tat nicht mehr fähig sei.

Um dieses Programms willen ist Lassalle sozusagen als nationaler Prophet gefeiert worden, der die spätere Politik Bismarcks vorhergesagt habe. Jedoch hatte der dynastische Eroberungskrieg, den Bismarck im Jahre 1864 um Schleswig-Holstein führte, mit dem revolutionären Volkskriege, den Lassalle im Jahre 1859 um Schleswig-Holstein geführt wissen wollte, gar nichts zu tun oder ähnelte ihm höchstens wie ein Kamel dem Pferde. Lassalle wußte recht gut, daß der Prinzregent die Aufgabe nicht erfüllen werde, die er ihm stellte, allein deshalb war es doch sein gutes Recht, einen Vorschlag zu machen, der den nationalen Interessen entsprach, auch wenn dieser Vorschlag sofort in einen Vorwurf gegen die Regierung umschlug; es war sein gutes Recht, die aufgeregten Massen von einem falschen Wege abzurufen, indem er ihnen den richtigen Weg zeigte.

Allein außer dem, was er in seiner Schrift sagte, hatte Lassalle seine »unterirdischen Argumente«, die er in seinen Briefen an Marx und Engels aussprach. Er wußte, daß der Prinzregent drauf und dran war, in dem italienischen Kriege für Österreich einzutreten, und er hatte insofern auch nichts dagegen einzuwenden, als er annahm, daß der Krieg schlecht geführt werden würde, so daß sich aus seinen unvermeidlichen Wechselfällen revolutionäres Kapital schlagen ließe. Aber diese Möglichkeit war nur dann gegeben, wenn der Krieg des Prinzregenten von vornherein der nationalen Bewegung als ein dynastischer Kabinettskrieg |281|* erschien, der durch nationale Interessen in keiner Weise geboten wäre. Ein unpopulärer Krieg gegen Frankreich war nach Lassalles Auffassung ein »immenses Glück« für die Revolution, während er von einem populären Krieg unter dynastischer Leitung alle die konterrevolutionären Folgen voraussah, die er in seiner Schrift so beredt auseinandersetzte.

Danach mußte ihm aber die Taktik, die Engels in seiner Schrift empfohlen hatte, mehr oder weniger unverständlich sein. So glänzend der Nachweis war, daß Deutschland zu seiner militärischen Machtstellung des Po nicht bedürfe, so anfechtbar erschien die Schlußfolgerung, daß im Kriegsfall zunächst der Po gehalten werden müsse und also die deutsche Nation verpflichtet sei, Österreich gegen den französischen Angriff zu unterstützen. Denn es lag auf der Hand, daß die erfolgreiche Abwehr des bonapartistischen Angriffs durch Österreich nur konterrevolutionäre Folgen haben konnte. Siegte Österreich, gestützt auf seinen oberitalienischen Besitz und unterstützt durch den Deutschen Bund, so konnte es niemand daran hindern, auch ferner an seiner Herrschaft über Oberitalien festzuhalten, die Engels doch so scharf verurteilte; so wäre die habsburgische Hegemonie über Deutschland befestigt und die elende Bundestagswirtschaft galvanisiert worden, und selbst wenn Österreich den französischen Usurpator gestürzt hätte, so würde es an dessen Stelle das altbourbonische Regiment gesetzt haben, womit weder dem deutschen, noch dem französischen, und am allerwenigsten dem revolutionären Interesse gedient gewesen wäre.

Um die Auffassung, die Engels und Marx vertraten, richtig zu verstehen, muß man berücksichtigen, daß auch sie ihre »unterirdischen Argumente« hatten, so gut wie Lassalle, und beide aus dem gleichen Grunde, den Engels in einem Briefe an Marx angab: »Direkt politisch und polemisch in Deutschland selbst im Sinn unsrer Partei auftreten, ist rein unmöglich.« Nur liegen die »unterirdischen Argumente« der Londoner Freunde nicht so offen da, da zwar Lassalles Briefe an sie, aber nicht ihre Briefe an ihn, erhalten sind. Sie lassen sich jedoch erkennen, wenn man einen Gesamtblick auf ihre damalige publizistische Tätigkeit wirft. In der zweiten Flugschrift: »Savoyen, Nizza und der Rhein«[2], die Engels ein Jahr später herausgab, um die Annexion Savoyens und Nizzas durch Bonaparte zu bekämpfen, gab er deutlich die Voraussetzungen an, von denen er bei der ersten Flugschrift ausgegangen war. Es waren ihrer wesentlich zwei oder im Grunde drei.

Zunächst glaubten Marx und Engels, die nationale Bewegung in Deutschland sei von echtem Schrot und Korn; sie sei »naturwüchsig, |282| instinktiv, unmittelbar« entstanden und könne die widerstrebenden Regierungen mit sich fortreißen. Die österreichische Fremdherrschaft in Italien und die italienische Unabhängigkeitsbewegung sei ihr zunächst gleichgültig gewesen; der Volksinstinkt habe den Kampf gegen Louis-Napoleon, gegen die Überlieferungen des ersten französischen Kaiserreichs verlangt, und er habe Recht gehabt.

Dann aber nahmen Marx und Engels an, daß Deutschland durch das französisch-russische Bündnis ernstlich bedroht sei. Marx führte in der »New-York Daily Tribune« aus, daß die finanziellen und inneren politischen Zustände des zweiten Kaiserreichs auf einem kritischen Punkte angelangt seien, wo nur noch ein auswärtiger Krieg die Herrschaft des Staatsstreichs in Frankreich und damit die Gegenrevolution in Europa verlängern könne. Er befürchtete, daß die bonapartistische Befreiung Italiens nur ein Vorwand sei, Frankreich unterjocht zu halten, Italien dem Staatsstreich zu unterwerfen, die »natürlichen Grenzen« Frankreichs nach Deutschland zu verlegen, Österreich in ein russisches Instrument zu verwandeln, und die Völker in einen Krieg der legitimer und der illegitimen Gegenrevolution hineinzuzwingen. Engels aber sah, wie er in seiner zweiten Flugschrift ausführte, in dem Eintreten des Deutschen Bundes für Österreich den entscheidenden Augenblick, wo Rußland auf dem Schlachtfelde erscheinen werde, um für Frankreich das linke Rheinufer zu erobern und selbst freie Hand in der Türkei zu bekommen.

Endlich nahmen Marx und Engels an, daß die deutschen Regierungen und besonders die Berliner »Superklugheit«, die dem Baseler Frieden zugejubelt habe, der das linke Rheinufer an Frankreich abtrat, die in stillen die Hände gerieben habe, als die Österreicher bei Ulm und Austerlitz geschlagen wurden, Österreich im Stiche lassen würden. Nach ihrer Meinung mußten die deutschen Regierungen durch die nationale Bewegung vorangetrieben werden, und was sie dann erwarteten, sprach Engels in einem Briefe an Lassalle mit einem Satze aus, den dieser in seiner Antwort wörtlich wiederholte: »Es lebe der Krieg, wenn Franzosen und Russen zugleich uns angreifen, wenn wir dem Ertrinken nahe sind, dann in dieser verzweifeltsten Situation müssen sich alle Parteien von der jetzt herrschenden bis zu Zitz und Blum abnutzen und die Nation, um sich zu retten, sich endlich an die energischste Partei wenden.« Wozu Lassalle bemerkte, das sei sehr richtig, und er töte sich in Berlin ab zu beweisen, daß die preußische Regierung, wenn sie den Krieg mache, der Revolution in die Hände arbeite, aber freilich nur unter der Bedingung, daß der Krieg der Regierung vom Volk als konterrevolutionärer |283|* Heiliger-Allianz-Krieg verabscheut werde. Jedenfalls aber, wenn es kam, wie Engels meinte, so war die deutsche Bundeswirtschaft, die österreichische Fremdherrschaft in Oberitalien und der französische Staatsstreich gleichermaßen geliefert, und erst in diesem Zusammenhange wird die von ihm vorgeschlagene Taktik völlig verständlich.

Aus alledem ergibt sich, daß irgendwelche grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den streitenden Teilen nicht bestanden, sondern nur »gegensätzliche Urteile über tatsächliche Voraussetzungen«, wie Marx ein Jahr später sagte. Weder in ihrer nationalen noch in ihrer revolutionären Gesinnung unterschieden sie sich irgendwie. Ihnen allen war die Emanzipation des Proletariats das oberste Ziel, und eine unentbehrliche Voraussetzung für dieses Ziel die Bildung großer Nationalstaaten. Als Deutschen lag ihnen die deutsche Einheit am nächsten, und deren unentbehrliche Voraussetzung war die Beseitigung der dynastischen Vielherrschaft. Deshalb hatten sie, eben um ihrer nationalen Gesinnung willen, für die deutschen Regierungen gar nichts übrig und wünschten deren Niederlage; der glorreiche Gedanke, daß im Fall eines zwischen den Regierungen entbrannten Krieges die Arbeiterklasse auf jede eigene Politik verzichten und ihr Schicksal unbesehen in die Hände der herrschenden Klassen zu befehlen habe, ist ihnen niemals auch nur von fern aufgedämmert. Ihre nationale Gesinnung war viel zu wurzelecht, um durch dynastische Schlagworte betört zu werden.

Schwierig wurde die Lage nur dadurch, daß sich das Erbe der Revolutionsjahre in dynastischen Umwälzungen zu liquidieren begann. In dieser Mischung revolutionärer und reaktionärer Ziele die richtige Scheidung zu finden, war keine Frage der Grundsätze, sondern eine Frage der Tatsachen. Eine praktische Probe ist weder auf das eine noch das andere Exempel gemacht worden, aber gerade die Entwicklung, die das verhinderte, zeigte deutlich genug, daß Lassalle die »tatsächlichen Voraussetzungen« im wesentlichen richtiger beurteilt hatte als Engels und Marx. An diesen rächte es sich nun doch, daß sie die deutschen Zustände einigermaßen aus den Augen verloren hatten und, wenn nicht die Eroberungsgelüste, so doch die Eroberungsmöglichkeiten des Zarismus einigermaßen überschätzten. Lassalle mochte übertreiben, wenn er die nationale Bewegung schlechthin auf den Franzosenhaß von Anno dazumal zurückführte, aber daß sie nichts weniger als revolutionär war, zeigte das Kindlein, mit dem sie endlich niederkam: die Mißgeburt des deutschen Nationalvereins.

Auch die russische Gefahr mochte Lassalle unterschätzen; er behandelte sie in seiner Schrift nur ganz nebensächlich. Allein daß sie noch in |284| weitem Felde stand, zeigte sich, als der Prinzregent von Preußen genau so, wie Lassalle vorausgesagt hatte, das preußische Heer mobilisierte und beim Deutschen Bunde die Mobilisierung der mittel- und kleinstaatlichen Truppenteile beantragte. Diese militärische Kundgebung genügte, um sowohl den Dezembermann wie den Zaren sehr friedlich zu stimmen. Unter der heftigen Ermunterung eines russischen Generaladjutanten, der sofort im französischen Hauptquartier erschien, bot Bonaparte dem besiegten Kaiser von Österreich den Frieden an, mit halbem Verzicht selbst auf sein öffentliches Programm; er begnügte sich mit der Lombardei, und Venetien blieb unter habsburgischem Zepter. Auf eigene Faust konnte er keinen europäischen Krieg führen, und Rußland war lahmgelegt durch die Gärung in Polen, die Schwierigkeiten der Leibeigenenemanzipation und die noch lange nicht überwundenen Nackenschläge des Krimkrieges.

Mit dem Frieden von Villafranca war der Streit über die revolutionäre Taktik gegenüber dem italienischen Kriege erledigt, doch kam Lassalle in seinen Briefen an Marx und Engels wiederholt darauf zurück, immer dabei beharrend, daß seine Ansicht richtig gewesen und durch den tatsächlichen Verlauf der Dinge bestätigt worden sei. Da die Antworten fehlen, auch Marx und Engels ihre Ansichten nicht, wie sie planten, in einem öffentlichen Manifest kundgegeben haben, so fehlt die Möglichkeit, Gründe und Gegengründe gegeneinander abzuwägen. Auf den tatsächlichen Verlauf der italienischen Einheitsbewegung, die Beseitigung der mittelitalienischen Dynastien durch die Erhebung ihrer mißhandelten »Untertanen«, die Eroberung Siziliens und Neapels durch Garibaldis Freischaren und den dicken Strich, den alles das durch die bonapartistischen Pläne machte, durfte Lassalle sich mit Recht berufen, wenn es auch am letzten Ende dabei blieb, daß die savoyische Dynastie den Rahm von der Milch schöpfte.

Leider wurde der Streit mit Lassalle einigermaßen verschärft durch die Unüberwindlichkeit des Mißtrauens, das Marx gegen ihn hegte. Nicht als ob Marx nicht gewünscht hätte, den »Mann mit Haut und Haaren« zu gewinnen! Er nannte ihn einen »energischen Kerl«, der mit der Bourgeoispartei nicht kramen könne; er meinte selbst, Lassalles »Heraklit«, obgleich ungeschlacht geschrieben, sei besser als irgend etwas, womit die Demokraten renommieren könnten. Aber so offen ihm Lassalle Herz und Hand entgegentrug, so glaubte Marx doch immer diplomatisieren zu müssen, eines »klugen Managements« zu bedürfen, um Lassalle bei der Stange zu halten, und der erste beste Zwischenfall genügte, um seinen Argwohn von neuem zu erwecken.

|285| Als Friedländer sein Angebot an Marx, für die »Wiener Presse« zu schreiben, und diesmal ohne alle Bedingungen, durch Lassalle wiederholen, aber die Sache dann einschlafen ließ, vermutete Marx, daß Lassalle ihm diese Aussicht vereitelt habe, und als sich die Drucklegung seiner »Politischen Ökonomie« vom Anfang Februar bis Ende Mai verschleppte, sah er darin einen »Streich« Lassalles, den er ihm nicht vergessen würde. Tatsächlich war die Verzögerung durch den saumseligen Verleger verschuldet worden, der sich immerhin noch damit entschuldigen konnte, daß er den Flugschriften von Engels und Lassalle um ihrer auf an den Tag berechneten Wirkung willen den Vortritt hätte gewähren müssen.

3. Neue Emigrantenkämpfe

Der zwiespältige Charakter des italienischen Krieges rief in der Emigration alte Gegensätze und neuen Wirrwarr hervor.

Während die italienischen und französischen Flüchtlinge die Verquickung der italienischen Einheitsbewegung mit dem französischen Staatsstreich bekämpften, war ein großer Teil der deutschen Flüchtlinge bereit, die Torheiten zu wiederholen, deren erste Auflage ihnen eine zehnjährige Verbannung eingetragen hatte. Von den Gesichtspunkten Lassalles waren sie dabei weit entfernt; sie schwärmten vielmehr für die Neue Ära von der Gnade des Prinzregenten, von der auch sie einen Strahl zu erhaschen hofften; sie barsten vor »Amnestiewütigkeit«, wie Freiligrath spottete, und waren zu jeder patriotischen Tat erbötig, wenn die »Königliche Hoheit« Deutschland mit dem Schwerte in Eins schmieden wollte, wie es Kinkel schon vor dem Kriegsgericht in Rastatt verheißen hatte.

Kinkel machte sich denn auch jetzt wieder zur Posaune dieser Richtung und gab seit dem 1. Januar 1859 den »Hermann« heraus, eine Wochenschrift, deren vorsintflutlicher Titel schon verriet, wes Geistes Kind sie sei. Sie wurde das richtige Organ der, um noch einmal Freiligrath zu zitieren, »Heimwehbläserei«, die nicht eilig genug in dem »liberalen Unteroffiziersschwindel« untertauchen konnte. Aber deshalb kam die Wochenschrift um so schneller auf und schlug alsbald »Die Neue Zeit« tot, ein kleines Arbeiterblatt, das Edgar Bauer im Auftrage des Arbeiterbildungsvereins herausgab. »Die Neue Zeit« lebte wesentlich vom Kredit des Druckers und war deshalb geliefert, als Kinkel diesem den profitableren und solideren Druckauftrag des »Hermann« anbot. |286| Der Streich fand jedoch selbst in der bürgerlichen Emigration nicht ungeteilten Beifall: sogar der Freihändler Faucher bildete ein Finanzkomitee, um »Die Neue Zeit« fortzusetzen, was denn auch geschah, indem sie sich in »Das Volk« umtaufte. Die Redaktion übernahm Elard Biscamp, ein kurhessischer Flüchtling, der von der Provinz aus an der »Neuen Zeit« mitgearbeitet hatte und jetzt seine Lehrerstelle aufgab, um seine Arbeitskraft dem wiedergeborenen Blatte zu widmen.

Gemeinsam mit Liebknecht suchte Biscamp alsbald Marx auf, um dessen Mitarbeit zu gewinnen. Marx stand seit dem Krache von 1850 in keiner Verbindung mit dem Arbeiterbildungsverein. Er war sogar unzufrieden, als Liebknecht für seine Person diese Verbindung wieder anknüpfte, obgleich Liebknechts Ansicht, daß eine Arbeiterpartei ohne Arbeiter schließlich ein Widerspruch in sich selbst sei, viel für sich hatte. Immerhin war es begreiflich genug, daß Marx über all die bösen Erinnerungen nicht so schnell hinwegkommen konnte und eine Deputation des Vereins durch die Erklärung »verblüffte«, er und Engels hätten ihre Bestellung als Vertreter der proletarischen Partei von niemand als sich selbst, und sie sei beglaubigt durch den allgemeinen und ausschließlichen Haß, den alle Parteien der alten Welt ihnen widmeten.

Auch der Aufforderung, am »Volk« mitzuarbeiten, stand Marx zunächst sehr zurückhaltend gegenüber. Er billigte zwar sehr, daß dem Treiben Kinkels nicht freie Bahn gelassen werden sollte und erklärte sich auch damit einverstanden, daß Liebknecht die redaktionelle Tätigkeit Biscamps unterstützen wollte. Aber er selbst mochte sich direkt weder an einem kleinen Blatte, noch überhaupt nur an einem Parteiblatt beteiligen, das nicht von Engels und ihm redigiert würde. Nur soviel versprach er, für die Verbreitung des Blattes tätig zu sein, ihm von Zeit zu Zeit gedruckte Tribune-Artikel zur Benutzung zu überlassen und ihm auch sonst mündliche Notizen und Winke über dies und jenes zu geben. An Engels schrieb er, er betrachte »Das Volk« als ein Bummelblättchen, wie es zu ihrer Zeit der Pariser »Vorwärts!« und die »Deutsche-Brüsseler-Zeitung« gewesen seien. Es könne aber ein Augenblick kommen, wo es entscheidend wichtig sei, daß sie über ein Londoner Blatt verfügten. Biscamp verdiene um so mehr Unterstützung, als er unentgeltlich arbeite.

Indessen war Marx eine viel zu unbändige Kampfnatur, um sich nicht für das »Bummelblättchen« ins Zeug zu legen, als es dem Treiben Kinkels unbequem zu werden begann. Er verwandte viel Kraft und Zeit daran, es über Wasser zu halten, weniger durch seine Mitarbeit, die sich nach seiner Angabe auf eine Anzahl kleinerer Notizen beschränkt zu |287| haben scheint, als durch seine Bemühungen, die materiellen Existenzbedingungen des - übrigens in großem Format vierseitig erscheinenden - Organs so weit sicherzustellen, daß es wenigstens von der Hand in den Mund leben konnte. Wer von den wenigen Parteifreunden ein Scherflein spenden konnte, wurde angespannt, in erster Reihe Engels, der auch fleißig mit der Feder mitarbeitete, militärische Artikel über den italienischen Krieg schrieb und namentlich eine wertvolle Abhandlung über das eben erschienene wissenschaftliche Werk seines Freundes beisteuerte, von der jedoch der dritte und letzte Artikel nicht mehr erschienen ist. Denn Ende August hatte das Blatt ausgeatmet und das praktische Ergebnis seiner Bemühungen war für Marx, daß der Drucker, ein gewisser Fidelio Hollinger, ihn für die noch fälligen Druckkosten haftbar machte. Es war eine grundlose Forderung, aber »da die Kinkelbande nur auf die Geschichte wartete, um öffentlich Skandal zu machen und das ganze Personal, was um die Zeitung herumhing, für Schaustellung vor Gericht unpassend war« so kaufte sich Marx mit etwa 5 Pfund los.

Ungleich größere Opfer und Sorgen sollte ihm eine andere Erbschaft kosten, die ihm »Das Volk« hinterließ. Am 1. April 1859 hatte Karl Vogt aus Genf an Londoner Flüchtlinge, darunter Freiligrath, ein politisches Programm über die Haltung der deutschen Demokratie in dem italienischen Kriege gesandt, mit der Aufforderung, im Sinne dieses Programms an einer neuen schweizerischen Wochenschrift mitzuarbeiten. Vogt, ein Schwestersohn der Gebrüder Follen, die in der Burschenschaftsbewegung eine namhafte Rolle gespielt hatten, war in der Frankfurter Nationalversammlung neben Robert Blum der Führer der Linken gewesen und im letzten Augenblick des sterbenden Parlaments zu einem der fünf Reichsregenten ernannt worden. Er lebte jetzt als Professor der Geologie in Genf, das er gemeinsam mit Fazy, dem Führer der Genfer Radikalen, im schweizerischen Ständerat vertrat. In Deutschland hielt er sein Andenken lebendig durch eine eifrige Agitation für einen beschränkt-naturwissenschaftlichen Materialismus, der sofort in die Irre taumelte, wenn er aufs historische Gebiet geriet. Obendrein vertrat Vogt ihn, wie Ruge nicht unzutreffend meinte, mit »ungezogener Jungenhaftigkeit«, er suchte durch zynische Schlagworte die Philister zu kitzeln, und als ihm das namentlich mit dem Satze gelang: »Die Gedanken stehen in demselben Verhältnis zu dem Gehirn, wie die Galle zur Leber oder der Urin zu den Nieren«, lehnte selbst sein engster Gesinnungsgenosse Ludwig Büchner diese Sorte von Volksaufklärung ab.

Freiligrath erbat nun von Marx ein Urteil über das politische Programm |288|*, das ihm Vogt vorgelegt hatte, und erhielt die lakonische Antwort: Kannegießerei. Etwas ausführlicher schrieb darüber Marx an Engels: Deutschland gibt seine außerdeutschen Besitzungen auf. Unterstützt nicht Östreich. Der französische Despotismus ist vorübergehend, der österreichische bleibend. Man erlaubt beiden Despoten zu verbluten. (Sogar gewisse Hinneigung zu Bona[parte] sichtbar.) Deutschland bewaffnete Neutralität. An revolutionäre Bewegung in Deutschland ist, wie Vogt ›aus bester Quelle weiß‹, nicht zu denken, solange wir leben. Folglich, sobald Östreich ruiniert durch Bona[parte], beginnt von selbst eine reichsregentschaftlich gemäßigt liberalnationale Entwicklung in dem Vaterland, und Vogt wird vielleicht noch preußischer Hofnarr.« Der Argwohn, den Marx schon in diesen Zeilen andeutete, wurde ihm zur Gewißheit, als Vogt zwar noch nicht die geplante Wochenschrift, aber Studien zur gegenwärtigen Lage Europas herausgab, eine Schrift, deren geistiger Zusammenhang mit den bonapartistischen Schlagworten nicht mehr zu verkennen war.

Außer an Freiligrath hatte sich Vogt auch an Karl Blind gewandt, einen badischen Flüchtling, der mit Marx seit den Revolutionsjahren befreundet gewesen war und noch einen Beitrag in die »Neue Rheinische Revue« gestiftet hatte, aber doch nicht zu seinen engsten Gesinnungsgenossen gehörte. Blind zählte vielmehr zu jenen »ernschten« Republikanern, denen der »Kanton Badisch« immer noch der Nabel der Welt war. Namentlich Engels hatte seinen lustigen Spott mit diesen »Staatsmännern«, deren Gesinnung sich bei all ihrer düsteren Erhabenheit gewöhnlich in einer unermeßlichen Ehrfurcht vor dem eigenen Ich auflöste. Blind trat nun an Marx mit Enthüllungen über Vogts landesverräterische Umtriebe heran, für die er Beweise zu haben behauptete. Vogt erhalte bonapartistische Subvention für seine Agitation; er habe einen süddeutschen Schriftsteller mit 30.000 Gulden bestechen wollen; auch in London seien Bestechungsversuche vorgefallen; schon im Sommer 1858 sei in Genf, in einer Zusammenkunft zwischen dem Prinzen Jerôme Napoleon, Fazy und Konsorten, der italienische Krieg beraten und der russische Großfürst Konstantin als künftiger König von Ungarn bezeichnet worden.

Diese Mitteilungen erwähnte Marx gesprächsweise, als Biscamp ihn besuchte, um seine Mitarbeit für »Das Volk« zu gewinnen, indem er hinzufügte, es sei süddeutsche Manier, das Kolorit hoch aufzutragen. Ohne Marx zu fragen, benutzte Biscamp einige von Blinds Angaben, um in einem witzelnden Artikel des »Volks« den »Reichsregenten als Reichsverräter« zu denunzieren und ein Exemplar dieser Nummer an |289| Vogt zu senden. Vogt antwortete im »Bieler Handelscourier« mit einer »Warnung« der Arbeiter vor jener »Clique von Flüchtlingen«, die ehedem in der schweizerischen Emigration unter dem Namen der »Bürstenheimer« oder der »Schwefelbande« bekannt gewesen wären und sich nunmehr in London unter ihrem Chef Marx gesammelt hätten, um sich mit dem Anspinnen von Verschwörungen unter den deutschen Arbeitern zu beschäftigen, von Verschwörungen, die von Anfang an den geheimen Polizeien des Festlandes bekannt wären und die Arbeiter ins Unglück stürzten. Marx ließ sich dies »Sauartikelchen« nicht weiter anfechten und begnügte sich damit, es im »Volk« niedriger hängenzulassen.

Als er sich dann aber Anfang Juni nach Manchester begab, um unter den dortigen Parteifreunden für das »Volk« zu sammeln, fand Liebknecht in der Druckerei der Zeitung den Korrekturbogen eines anonymen, gegen Vogt gerichteten Flugblattes vor, das die Enthüllungen Blinds enthielt und, wie der Setzer Vögele bezeugte, von Blind in einem eigenhändigen Manuskript zum Druck übergeben worden war, wie denn auch die Korrekturen des Bogens Blinds Handschrift trugen. Von Hollinger selbst erhielt Liebknecht ein paar Tage darauf einen Abzug und sandte ihn der »Allgemeinen Zeitung« in Augsburg ein, für die er seit einigen Jahren korrespondierte. Er fügte hinzu, das Flugblatt habe einen der ehrbarsten deutschen Flüchtlinge zum Verfasser, und die darin vorgebrachten Tatsachen könnten sämtlich bewiesen werden.

Als das Flugblatt in der »Allgemeinen Zeitung« erschienen war, klagte Vogt wegen Verleumdung. Die Redaktion verlangte nun zu ihrer Verteidigung die verheißenen Beweise von Liebknecht, und dieser wandte sich an Blind. Aber Blind lehnte ab, sich in die Angelegenheiten einer ihm fremden Zeitung zu mischen, und bestritt überhaupt seine Verfasserschaft, wenn er auch zugeben mußte, den tatsächlichen Inhalt an Marx mitgeteilt und zum Teil auch in der »Free Press«, einem Organ Urquharts, veröffentlicht zu haben. Marx ging die Sache zunächst gar nichts an, und Liebknecht selbst war vollkommen darauf gefaßt, von ihm verleugnet zu werden. Gleichwohl glaubte Marx, sein Bestes tun zu sollen, um Vogt zu entlarven, der ihn bei den Haaren in die Sache gezogen hatte. Allein auch seine Versuche, Blind zum Geständnis zu bringen, scheiterten an dessen Hartnäckigkeit, und Marx mußte sich mit dem schriftlichem Zeugnis des Setzers Vögele begnügen, wonach das Manuskript des in der ihm bekannten Handschrift Blinds geschrieben und in Hollingers Druckerei gesetzt wie gedruckt worden sei. Für die Schuld Vogts war damit freilich noch nichts bewiesen.

Ehe es indessen zur gerichtlichen Verhandlung in Augsburg kam, |290| führte das Schillerfest, der hundertste Geburtstag des Dichters am 10. November 1859, zu neuem Streit in der Londoner Emigration. Man weiß, wie dieser Tag von den Deutschen in der Heimat und in der Fremde gefeiert wurde, um mit Lassalle zu sprechen, als ein Zeugnis für die »geistige Einheit« des deutschen Volkes und als »ein fröhliches Unterpfand seiner nationalen Auferstehung«. Auch in London wurde eine Feier geplant. Sie sollte im Kristallpalast stattfinden, und ihre Überschüsse waren bestimmt, eine Schilleranstalt zu gründen, mit einer Bibliothek und jährlichen Vorträgen, die immer an Schillers Geburtstag beginnen sollten. Leider aber wußte sich die Fraktion Kinkel der Vorbereitungen zu dem Feste zu bemächtigen und in gehässig-kleinlichem Sinne für sich auszubeuten. Während sie einen Beamten der preußischen Gesandtschaft, der sich in den Tagen des Kölner Kommunistenprozesses einen sehr üblen Namen gemacht hatte, zur Teilnahme aufforderte, suchte sie die proletarischen Elemente der Flüchtlingsschaft abzuschrecken; ein gewisser Bettziech, der sich als Schriftsteller Beta nannte und den literarischen Handlanger Kinkels spielte, machte in der »Gartenlaube« die geschmackloseste Reklame für seinen Herrn und Meister, während er in ebenso geschmackloser Weise die Mitglieder des Arbeiterbildungsvereins verhöhnte, die sich an dem Schillerfest zu beteiligen beabsichtigten.

Unter diesen Umständen empfanden es Marx und Engels peinlich, daß Freiligrath sich herbeiließ, bei der Feier im Kristallpalast neben oder nach dem Festredner Kinkel als Festdichter aufzutreten. Marx warnte den alten Freund vor jeder Beteiligung an der »Kinkeldemonstration«. Freiligrath gab nun auch zu, daß die Sache ihr Bedenkliches habe und möglicherweise irgendwelchen persönlichen Eitelkeiten dienen solle, aber er meinte, als deutscher Poet könne er sich füglich nicht ganz fernhalten. Das spreche doch für sich selbst. Bei der Schillerfeier komme es doch zuletzt nicht auf die Nebenzwecke einer Fraktion an, wenn sie überhaupt welche habe. In den Vorbereitungen des Festes machte er dann freilich »merkwürdige Erfahrungen« und glaubte (trotz seiner eingewurzelten Narrheit, Menschen und Dinge von der besseren Seite aufzufassen), daß Marx mit seiner Warnung recht haben möge. Aber er blieb dabei, durch seine Anwesenheit und das eine Zeichen seiner Beteiligung trüge er mehr zur Durchkreuzung gewisser Absichten bei, als wenn er sich fernhielte.

Damit war Marx jedoch nicht einverstanden und noch weniger Engels, der sich in sehr zornigen Worten über Freiligraths Poeteneitelkeit und Literatenzudringlichkeit, verbunden mit Pantoffelkriecherei« |291|* ausließ. Das hieß den Bogen überspannen. Die damalige Schillerfeier war in der Tat etwas anderes als einer der üblichen Festrummel, womit der deutsche Spießer die Denker und Dichter zu feiern pflegt, die wie die Kraniche über seine Schlafmütze geflogen sind. Sie fand auch in der äußersten Linken ihren Widerhall.

Als sich Marx bei Lassalle über Freiligrath beschwerte, antwortete Lassalle: »Es mag sein, daß Freiligrath besser getan hätte, dem Feste nicht beizuwohnen. Aber die Kantate zu dichten, hat er jedenfalls gut getan. Sie war von allem, was zu dieser Gelegenheit erschien, bei weitem das Schönste« In Zürich dichtete Herwegh das Festlied, und in Paris hielt Schily die Festrede. In London beteiligte sich auch der Arbeiterbildungsverein an der Feier im Kristallpalast, nachdem er am vorhergehenden Tage durch eine Robert-Blum-Feier, bei der Liebknecht sprach, sein politisches Gewissen salviert hatte. Ja, in Manchester betrieb Siebel, ein junger Poet aus dem Wuppertal, in erster Reihe die Feier, ohne daß Engels, der mit ihm entfernt verwandt war, daran besonderen Anstoß nahm. Er schrieb zwar an Marx, er habe mit der ganzen Sache nichts zu tun, jedoch Siebel mache den Epilog, »natürlich ordinäre Deklamation, aber in anständiger Form«; »außerdem dirigiert dieser Bummler die Aufführung von ›Wallensteins Lager‹; ich war zweimal in der Probe, wenn die Kerle frech sind, kann es passabel werden«. Später ist Engels selbst Vorsitzender der Schilleranstalt geworden, die bei diesem Anlaß in Manchester gegründet wurde, und Wilhelm Wolff hat dieselbe Anstalt in seinem Testament mit einem namhaften Legat bedacht.

In denselben Tagen nun, wo die gereizte Stimmung zwischen Freiligrath und Marx entstand, verhandelte das Bezirksgericht in Augsburg die Klage Vogts gegen die »Allgemeine Zeitung«. Vogt wurde kostenpflichtig abgewiesen, aber die juristische Niederlage gestaltete sich für ihn zu einem moralischen Triumph. Die angeklagten Redakteure vermochten nicht den geringsten Beweis für Vogts Bestechlichkeit beizubringen und ergingen sich, wie Marx allzu milde urteilte, in einem »politisch geschmacklosen Kauderwelsch«, das die schärfste Verurteilung nicht etwa nur vom politischen, sondern auch vom moralischen Standpunkt aus verdiente. Sie trumpften mit dem Satz auf, daß die persönliche Ehre eines politischen Gegners vogelfrei sei; wie könnten bayrische Richter einem Manne sein Recht geben, der die bayrische Regierung heftig angegriffen habe und wegen seiner revolutionären Umtriebe im Auslande leben müsse! Die ganze sozialistisch-demokratische Partei Deutschlands, die vor elf Jahren die Morgenträume ihrer Freiheit durch den Mord der |292| Generale Latour, Gagern und Auerswald und des Fürsten Lichnowskl eingeweiht habe, würde einen wahren Jubel aufschlagen, wenn die verklagten Redakteure verurteilt würden. Glücke der Versuch Vogts, so entstehe die tröstliche Aussicht, daß auch Klapka, Kossuth, Pulszki, Teleki, Mazzini vor dem Augsburger Bezirksgericht als Kläger erscheinen würden.

Trotz ihrer gemeinen Pfiffigkeit oder vielmehr gerade wegen ihrer imponierte diese Verteidigung den Richtern. Ihr juristisches Gewissen reichte zwar noch so weit, um die Verklagten nicht freizusprechen, die mit ihren Beweisen so ganz und gar ausgefallen waren, aber es reichte nicht weit genug, um einem Manne, der bei der bayrischen Regierung wie bei der bayrischen Bevölkerung äußerst verhaßt war, sein Recht zu geben. So ergriffen sie begierig den rettenden Gedanken, den ihnen der Staatsanwalt unter den Fuß gab: aus formalen Gründen verwiesen sie die Sache an das Schwurgericht, wo Vogt seiner Verurteilung um so sicherer sein konnte, als hier kein Beweis der Wahrheit zulässig war und die Geschworenen keine Gründe für ihr Urteil anzugeben brauchten.

Wenn sich Vogt auf dies ungleiche Spiel nicht einließ, so ließ sich ihm daraus kein Vorwurf machen. Im Gegenteil konnte er sich im Glanze des doppelten Märtyrers sonnen: er war nicht nur ins Blaue hinein verdächtigt, sondern ihm war auch sein Recht verweigert worden. Mancherlei Nebenumstände kamen hinzu, seinen Triumph zu erhöhen. Es machte einen sehr fatalen Eindruck, als seine Prozeßgegner einen Brief Biscamps vorzeigten, worin dieser erste öffentliche Ankläger Vogts, unter dem Eingeständnis, keine wirklichen Beweise zu haben, einige vage Vermutungen äußerte, die er mit der Frage krönte, ob ihn die »Allgemeine Zeitung« nach dem Eingehen des »Volks« nicht als zweiten Londoner Korrespondenten neben Liebknecht anstellen wolle. Auch die Redaktion der »Allgemeinen Zeitung« setzte noch nach Beendigung des Prozesses ihr Gefasel fort, Vogt sei ja von seinesgleichen gerichtet worden, von Marx und von Freiligrath; von alter Zeit her sei bekannt, daß Marx ein schärferer und konsequenterer Denker sei als Vogt und Freiligrath diesem an politischer Sittlichkeit überlegen sei.

Bereits in einer schriftlichen Verteidigung, die der Redakteur Kolb dem Gericht eingereicht hatte, war Freiligrath als Mitarbeiter des »Volks« und Ankläger Vogts genannt worden; Kolb hatte eine briefliche, nicht ganz klare Äußerung Liebknechts in diesem Sinne mißverstanden. Sobald der Bericht der »Allgemeinen Zeitung« über den Prozeß in London eingetroffen war, sandte ihr Freiligrath eine kurze Erklärung des Inhalts, daß er niemals Mitarbeiter des »Volks« gewesen und sein Name ohne sein Wissen und Willen unter die Ankläger Vogts |293| aufgenommen worden sei. Aus dieser Erklärung hat man unliebsame Schlußfolgerungen insoweit gezogen, als Vogt zu den Intimen Fazys gehörte, von dem Freiligraths Stellung an der Schweizer Bank abhing, aber diese Schlußfolgerungen wären erst dann berechtigt gewesen, wenn Freiligrath irgendwie verpflichtet gewesen wäre, gegen Vogt aufzutreten. Davon konnte gar keine Rede sein. Freiligrath hatte sich um die ganze Sache bis dahin durchaus nicht bekümmert, und er konnte sich mit allem Fug verbitten, daß Kolb sich hinter seinen Namen verstecken wollte, sobald der Karren schief ging. Freilich konnte man aus der lakonisch trockenen Form Freiligraths auch eine mittelbare Absage an Marx herauslesen; Marx selbst vermißte an der Erklärung eine noch so leise Andeutung, die ihr den Schein benommen hätte, als sei sie ein persönlicher Bruch mit ihm oder eine öffentliche Lossagung von der Partei. Und dieser Mangel mochte sich wohl aus einer gewissen Mißstimmung Freiligraths erklären: ihm wollte Marx von Parteiwegen verbieten, ein harmloses Gedicht zu Ehren Schillers zu veröffentlichen, aber er sollte sofort zum Einspringen bereit sein, wenn Marx einen Streit begonnen hatte, zu dem ihn niemand zwang.

Der böse Schein wurde noch dadurch verstärkt, daß gleichzeitig Blind eine Erklärung in der »Allgemeinen Zeitung« veröffentlichte, worin er zwar Vogts Politik »unbedingt verurteilte«, aber die Behauptung, daß er das gegen Vogt gerichtete Flugblatt verfaßt habe, für eine platte Unwahrheit erklärte. Er fügte zwei Zeugnisse bei, eins, worin Fidelio Hollinger die Behauptung des Setzers Vögele, als sei das Flugblatt in seiner Druckerei gedruckt und von Blind verfaßt worden, eine »böswillige Erdichtung« nannte, und ein anderes, worin der Setzer Wiehe dies Zeugnis Hollingers als richtig bestätigte.

Zudem häufte ein unglücklicher Zufall den Zündstoff, der sich zwischen Freiligrath und Marx zu sammeln begann. Eben jetzt erschien in der »Gartenlaube« ein Aufsatz Betas, worin der literarische Troßbube Kinkels in bombastischem Stil den Dichter Freiligrath verherrlichte, um mit einer pöbelhaften Schimpferei über Marx zu schließen. Dieser unglückselige Virtuose giftspritzenden Hasses habe Freiligrath um Stimme, um Freiheit, um Charakter gebracht; der Dichter habe nicht oft mehr gesungen, seitdem Marx ihn angehaucht habe.

Alle diese Dinge schienen jedoch nach einigen brieflichen Häkeleien zwischen Freiligrath und Marx mit dem bewegten Jahre 1859 ins Meer der Vergessenheit zu sinken. Aber mit dem neuen Jahre tauchten sie wieder auf, denn der biedere Vogt wollte durchaus das alte Sprichwort erhärten, daß der Esel aufs Eis geht, wenn ihm zu wohl wird.

4. Zwischenspiele

|294| Um die Jahreswende veröffentlichte Vogt eine Schrift unter dem Titel »Mein Prozeß gegen die Allgemeine Zeitung«. Sie enthielt den stenographischen Bericht über die Verhandlung vor dem Augsburger Bezirksgericht und eine Sammlung der Erklärungen oder sonstigen Urkunden, die bei dem Streit ans Licht gekommen waren, beides ganz vollständig und wortgetreu.

Dazwischen aber befand sich eine noch ausführlichere Wiedergabe des alten Klatsches über die »Schwefelbande«, den Vogt schon im »Bieler Handelscourier« niedergelegt hatte. Insbesondere wurde Marx als Haupt einer Erpresserbande geschildert, die davon lebe, »Leute im Vaterlande« so zu kompromittieren, daß sie das Schweigen der Bande durch Geld erkaufen müßten. »Nicht einer«, hieß es wörtlich, »Hunderte von Briefen sind von diesen Menschen nach Deutschland geschrieben worden, welche die unverhüllte Losung enthielten, daß man die Beteiligung an diesem oder jenem Akte der Revolution denunzieren werde, wenn nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine gewisse Summe an eine bezeichnete Adresse gelange.« Es war die ärgste, aber weitaus nicht die einzige Verleumdung, die Vogt gegen Marx schleuderte. Wie durch und durch verlogen aber die ganze Darstellung sein mochte, so war sie doch mit allerlei halbwahren Tatsachen aus der Geschichte der Emigration so gemischt, daß sie eine genaue Kenntnis aller Einzelheiten voraussetzte, um nicht auf den ersten Blick zu verblüffen und diese Kenntnis war am wenigsten bei dem deutschen Philister vorauszusetzen.

Die Schrift machte denn auch ein beträchtliches Aufsehen und wurde namentlich von der liberalen Presse in Deutschland mit lautem Jubel begrüßt. Die »Nationalzeitung« brachte zwei lange Leitartikel daraus, die, als sie Ende Januar in London eintrafen, auch im Hause von Marx großen Aufruhr erregten und namentlich seine Frau tief erschütterten. Da die Schrift selbst in London nicht zu haben war, so eilte Marx zu Freiligrath mit der Anfrage, ob dieser nicht von seinem »Freunde« Vogt ein Exemplar erhalten habe. Freiligrath antwortete verletzt, weder sei Vogt sein »Freund«, noch besitze er ein Exemplar der Schrift.

Über die Notwendigkeit einer Antwort war sich Marx von vornherein klar, sowenig er sonst geneigt sein mochte, auf noch so massenhafte Schimpfereien zu antworten; er meinte, die Presse besäße das Recht, Schriftsteller, Politiker, Komödianten und andere öffentliche Charakter zu beleidigen. Noch ehe die Schrift Vogts in London eintraf, entschloß |295| Marx, die »National-Zeitung« gerichtlich zu belangen. Sie beschuldigte ihn einer Reihe krimineller und infamierender Handlungen, und zwar vor einem Publikum, das, aus Parteivorurteilen ohnehin geneigt, die größte Ungeheuerlichkeit zu glauben, bei seiner elfjährigen Abwesenheit aus Deutschland, ohne den geringsten Anhaltspunkt zu seiner persönlichen Beurteilung war. Er schuldete es nicht nur politischen Rücksichten, sondern auch seiner Frau und seinen Kindern, die ehrenrührigen Anklagen der »National-Zeitung« einer gerichtlichen Prüfung zu unterwerfen, wobei er sich eine literarische Antwort auf Vogt vorbehielt.

Zunächst rechnete Marx mit Blind ab, von dem er immer noch annahm, daß Blind Beweise gegen Vogt in der Tasche habe und nur aus Gevatterschaftsrücksichten, wie sie am letzten Ende ein vulgärer Demokrat dem andern vulgären Demokraten schulde, nicht damit herausrücken wolle. Anscheinend hat Marx darin geirrt, und Engels war auf richtigerem Wege, wenn er annahm, Blind habe sich aus alberner Wichtigtuerei die Einzelheiten über Vogts Bestechungsversuche aus den Fingern gesogen und sich, sobald die Sache brenzlich wurde, aufs Ableugnen gelegt, wobei er immer tiefer in den Sumpf geriet. Am 4. Februar erließ Marx in englischer Sprache ein an den Redakteur der »Free Press« gerichtetes Rundschreiben, worin er öffentlich die Erklärung Blinds, Wiehes und Hollingers, wonach das anonyme Flugblatt nicht in Hollingers Geschäftslokal gedruckt worden sei, eine infame Lüge, und obgenannten Karl Blind somit einen infamen Lügner nannte, der sich, wenn er sich durch diese Beschuldigung beschwert fühle, bei einem englischen Gerichtshofe sein Recht holen könne. Davor hütete sich Blind wohlweislich und versuchte sich aus der Affäre zu ziehen, indem er ein langes Inserat in der »Allgemeinen Zeitung« erließ, worin er sich scharf gegen Vogt aussprach und ihn durch die Blume der Bestechlichkeit zieh, aber die Verfasserschaft des Flugblattes nach wie vor ableugnete.

Damit gab sich Marx keineswegs zufrieden. Es gelang ihm, den Setzer Wiehe vor das Polizeigericht zu stellen und zu einem Affidavit zu veranlassen (einer Erklärung an Eides Statt, die, wenn falsch, alle gesetzlichen Folgen des Meineids nach sich zog), worin Wiehe nunmehr bestätigte, daß er selbst den Satz des Flugblattes in Hollingers Druckerei für den Wiederabdruck im »Volk« umbrochen, auch auf dem Korrekturbogen mehrere Druckfehler in Blinds Handschrift verbessert gesehen habe, und daß ihm sein früheres entgegengesetztes Zeugnis durch Hollinger und Blind abgelockt worden sei, von Hollinger durch Geldversprechungen, von Blind durch Zusicherung künftigen Dankes. Damit |296| war Blind dem englischen Gerichtsbann verfallen, und Ernest Jones erklärte sich bereit, sofort auf Wiehes Affidavit hin einen Verhaftsbefehl gegen Blind zu erwirken, fügte jedoch hinzu, wenn die Sache einmal angezeigt sei, könne sie als kriminelle Aktion nicht rückgängig gemacht werden, und er selbst würde sich als Advokat strafbar machen, wenn er dann noch irgendeinen Ausgleich versuchen wollte.

Soweit wollte es Marx, aus Rücksicht auf Blinds Familie, nicht kommen lassen. Er sandte das Affidavit Wiehes an Louis Blanc, der mit Blind befreundet war, mit einem Brief, worin er sagte, nicht um Blinds willen, der es reichlich verdient hätte, sondern um Blinds Familie willen würde er bedauern, wenn er gezwungen werden sollte, eine Kriminaluntersuchung gegen Blind einzuleiten. Das wirkte. Am 15. Februar 1860 erschien im »Daily Telegraph«, der inzwischen die Schmähungen der »National-Zeitung« wiederholt hatte, eine Notiz, worin sich ein gewisser Schaible, ein Hausfreund Blinds, als Verfasser des Flugblatts nannte. Dabei ließ es Marx bewenden, so durchsichtig das Manöver war; er war jetzt frei von jeder Verantwortung für den Inhalt des Flugblatts.

Ehe er gegen Vogt selbst vorging, suchte er sich mit Freiligrath auszusöhnen, dem er sowohl das Rundschreiben gegen Blind, wie das Affidavit Wiehes zugesandt hatte, ohne eine Antwort zu erhalten. Er wandte sich zum letzten Male an ihn, um ihm darzulegen, welche Wichtigkeit der Fall Vogt für die geschichtliche Rechtfertigung der Partei und ihre spätere Stellung in Deutschland gewonnen habe. Er bemühte sich, die Beschwerden zu widerlegen, die Freiligrath etwa gegen ihn haben könne; »worin ich irgendwo gegen Dich gefehlt habe, so bin ich jeden Augenblick bereit, meine Fehler einzugestehn. Nihil humani a me alienum puto [Mehring übersetzt: Nichts Menschliches halte ich mir fremd]«. Er begreife wohl, daß für Freiligrath in dessen jetziger Stellung die Affäre nur widerwärtig sein könne, aber Freiligrath werde einsehen, daß es unmöglich sei, ihn ganz aus dem Spiele zu lassen. »Wenn wir beide das Bewußtsein haben, daß wir, jeder in seiner Weise, mit Hintansetzung aller Privatinteressen und aus den reinsten Motiven, jahrelang das Banner für die ›classe la plus laborieuse et la plus misérable‹ hoch über den Philisterköpfen schwangen, so würde ich es für eine kleinliche Sünde gegen die Geschichte halten, sollten wir uns wegen Lappalien - alle in Mißverständnisse auflösbar - entzweien.« Der Brief schloß mit der Versicherung der aufrichtigsten Freundschaft.

Freiligrath schlug in die dargebotene Hand ein, aber doch nicht so herzlich, wie der »herzlose« Marx sie geboten hatte. Er wollte der classe |297| la plus laborieuse et la plus misérable treu bleiben, wie er ihr stets treu geblieben sei, und ebenso seinem persönlichen Verhältnis zu Marx als einem Freunde und Gesinnungsgenossen. Aber, so fügte er hinzu: »Der Partei habe ich diese sieben Jahre hindurch (seit Aufhörung des Kommunistenbundes) fern gestanden, ihre Versammlungen sind von mir unbesucht, ihre Beschlüsse und Handlungen sind mir fremd geblieben. Faktisch also war mein Verhältnis zur Partei längst gelöst, wir haben uns gegenseitig darüber nie getäuscht, es war das eine Art stillschweigender Vereinbarung zwischen uns. Und ich kann nur sagen, daß ich mich wohl dabei befunden habe. Meiner, und der Natur jedes Poeten, tut die Freiheit not. Auch die Partei ist ein Käfig, und es singt sich, selbst für die Partei, besser draus als drin. Ich bin Dichter des Proletariats und der Revolution gewesen, bevor ich Mitglied des Bundes und Mitglied der Redaktion der ›Neuen Rheinischen Zeitung‹ war. So will ich denn auch ferner auf eigenen Füßen stehen, will nur mir selbst gehören und will selbst über mich disponieren.« Darin kam Freiligraths alte Abneigung gegen den Kleinkram der politischen Agitation zu lebhaftem Ausdruck; sie ließ ihn selbst Dinge sehen, die niemals gewesen waren; die Versammlungen, die er nicht besucht haben, die Beschlüsse und Reden, denen er immer fremd geblieben sein wollte, hatten niemals stattgefunden.

Darauf wies Marx in seiner Antwort hin und nachdem er abermals alle noch möglichen Mißverständnisse aufgelöst hatte, schrieb er, an ein Lieblingswort Freililgraths anknüpfend: »›Trotz alledem und alledem‹ wird Philister über mir für uns stets ein beßrer Wahlspruch sein, als Unter dem Philister. Ich habe offen meine Ansicht gesagt, die Du hoffentlich im wesentlichen teilst. Ich habe ferner das Mißverständnis zu beseitigen gesucht, als ob ich unter ›Partei‹ einen seit acht Jahren verstorbnen ›Bund‹ oder eine seit zwölf Jahren aufgelöste Zeitungsredaktion verstehe. Unter Partei verstand ich die Partei im großen historischen Sinn.« Es war ein so treffendes wie versöhnendes Wort, denn im großen historischen Sinne gehören beide Männer zusammen - trotz alledem und alledem. Das Wort ehrte Marx um so mehr, als er nach den bubenhaften Angriffen, die Vogt gegen ihn gerichtet hatte, wohl beanspruchen konnte, daß Freiligrath nunmehr öffentlich jeden Schein der Gemeinsamkeit mit Vogt zerstören würde. Jedoch Freiligrath begnügte sich damit, den freundschaftlichen Verkehr mit Marx wiederaufzunehmen; sonst beharrte er in seiner Zurückhaltung, die ihm Marx gerade dadurch erleichterte, daß er fortan nach Möglichkeit vermied, Freiligraths Namen in die Sache zu ziehen.

|298| Anders verlief eine Auseinandersetzung, in die Marx mit Lassalle wegen des Falles Vogt geriet. Marx hatte zuletzt im November des Vorjahres an Lassalle wegen ihrer italienischen Streitfrage geschrieben, und zwar, wie er selbst sagte, »bohnengrob«, so daß er sich das Schweigen Lassalles auf diesen Brief aus verletzter Empfindlichkeit erklärte. Nach den Angriffen der »National-Zeitung« wünschte Marx begreiflicherweise eine Verbindung in Berlin zu haben und bat Engels die Sache mit Lassalle wieder einzurenken, der doch, verglichen mit anderen, immer noch eine »Pferdekraft« sei. Das bezog sich darauf, daß ein preußischer Assessor Fischel sich bei Marx als Urquhartit eingeführt und zu allen guten Diensten in der deutschen Presse erboten hatte. Lassalle, dem Fischel Grüße von Marx überbracht hatte, wollte freilich von dem »unfähigen und unwissenden Subjekte« nichts wissen, und wie immer sich dieser bald darauf tödlich verunglückte Mann in London gebart haben mochte, so gehörte er in Deutschland jedenfalls zur literarischen Leibgarde des Herzogs von Coburg, die mit Recht den übelsten Ruf genoß.

Ehe jedoch Engels sein Gewerbe bei Lassalle anbringen konnte, schrieb dieser selbst an Marx, erklärte sein längeres Schweigen aus Mangel an Zeit und forderte lebhaft, daß in der »höchst fatalen Geschichte« mit Vogt etwas geschehe, da sie große Wirkung in der Öffentlichkeit mache; bei denen, die Marx kennten, werde diesem die Schilderung Vogts nicht schaden, wohl aber bei allem, die ihn nicht kennten, denn sie sei künstlich genug mit halben Tatsachen belegt, um jedem unscharfen Auge alles als ganze Wahrheit erscheinen zu lassen. Im besonderen hob Lassalle zwei Punkte hervor. Einmal sei Marx selbst nicht ohne Schuld, da er einen so erbärmlichen Lügner, als der sich Blind wenigstens nachträglich herausgestellt habe, die schwersten Beschuldigungen gegen Vogt aufs Wort geglaubt habe; besitze Marx sonst keine Beweise, so müsse er seine Verteidigung damit beginnen, die Anklage auf Bestechlichkeit gegen Vogt zurückzunehmen. Lassalle erkannte an, es gehöre eine wirklich starke Selbstüberwindung dazu, jemandem, von dem man so maßlos und ungerecht angegriffen worden sei, gerecht zu werden, aber Marx müsse diesen Beweis von gutem Glauben geben, wenn er seine Verteidigung nicht von vornherein unwirksam machen wolle. Dann aber nahm Lassalle den stärksten Anstoß an Liebknecht Tätigkeit für ein so reaktionäres Blatt, wie die »Allgemeine Zeitung« sei; das werde im Publikum einen Sturm von Verwunderung und Unwillen gegen die Partei erregen.

Marx besaß noch nicht die Schrift Vogts, als er diesen Brief erhielt, |299| und konnte deshalb die Sache noch nicht richtig übersehen. Aber es war begreiflich, daß ihn die Zumutung wenig erbaute, mit einer Ehrenerklärung für Vogt zu beginnen, für dessen bonapartistische Umtriebe er noch andere Zeugnisse hatte als Blinds Klatschereien. Auch dem scharfen Urteil über Liebknechts Tätigkeit für die »Allgemeine Zeitung« konnte er nicht beistimmen. Er war am wenigsten ein Freund dieses Blattes, mit dem er zur Zeit der beiden Rheinischen Zeitungen in heftigster Fehde gelegen hatte, aber kontrerevolutionär, wie die Augsburgerin sonst sein mochte, so ließ sie auf dem Gebiete der auswärtigen Politik die verschiedensten Standpunkte gelten. In dieser Beziehung nahm sie von jeher eine Ausnahmestellung in der deutschen Presse ein.

Marx antwortete also verdrießlich, die »Allgemeine Zeitung« sei in seinen Augen so gut wie die »Volks-Zeitung«; er werde die »National-Zeitung« verklagen und gegen Vogt schreiben, aber in der Vorrede erklären, er frage den Teufel nach dem Urteil des deutschen Publikums. Diese unwilligen Worte legte nun wieder Lassalle zu sehr auf die Waagschale; er verwahrte sich dagegen, daß ein vulgärdemokratisches Blatt, wie die »Volks-Zeitung« mit dem »verrufensten Schandblatt Deutschlands« in einem Atem genannt würde. In der Hauptsache aber warnte er vor der gerichtlichen Prozedur gegen die »National-Zeitung«, wenigstens solange bis die literarische Widerlegung Vogts da wäre, und sprach schließlich die Hoffnung aus, daß Marx aus diesem Briefe keinen verletzenden Eindruck, sondern nur den Eindruck »redlicher, herzlicher Freundschaft« empfangen würde.

Darin irrte Lassalle. Marx schrieb über den Brief in den stärksten Ausdrücken an Engels, und gegen Lassalle spielte er selbst die »offiziellen Anklagen« aus, die Levy seiner Zeit gegen Lassalle nach London gebracht hatte. Es geschah freilich in der Form, daß Marx seinen Mangel an vorzeitigem Mißtrauen dadurch beweisen wollte. Er wollte zeigen, daß er sich durch diese »offiziellen Anklagen« und ähnliches Gerede an Lassalle nicht habe irre machen lassen. Aber bei dem Kaliber der Denunziationen konnte Lassalle in ihrer Nichtbeachtung kein besonderes Verdienst entdecken, und er rächte sich in einer seiner würdigen Weise, indem er eine so schöne wie überzeugende Schilderung der Aufopferung und Treue entwarf, die er in den Tagen der wüstesten Reaktion den rheinischen Arbeitern erwiesen hatte.

Lassalle war von Marx anders behandelt worden als Freiligrath, aber so handelte er auch anders als dieser. Er riet nach seinem besten Wissen und Gewissen, aber er half nicht weniger mit der Tat, weil sein Rat mißachtet wurde.

5. »Herr Vogt«

|300| Alsbald bewährte sich die Warnung Lassalles vor der Anrufung der preußischen Gerichte. Durch die Vermittelung Fischels hatte Marx den Justizrat Weber beauftragt, seine Klage gegen die »National-Zeitung« bei dem dortigen Stadtgericht einzureichen, erreichte aber nicht einmal so viel, wie Vogt vor dem Augsburger Bezirksgerichte erreicht hatte, nämlich daß seine Klage überhaupt verhandelt wurde.

Das Stadtgericht erklärte, die Klage sei wegen »mangelnden Tatbestandes« abzuweisen, da die beleidigenden Äußerungen nicht von der »National-Zeitung« selbst gemacht worden wären, sondern nur in »bloßen Zitaten anderer Personen« beständen. Diesen platten Blödsinn wies nun allerdings das Kammergericht zurück, aber nur um ihn durch den höheren Blödsinn zu übertrumpfen, es sei überhaupt keine Beleidigung für Marx, wenn er als das »zügelnde und überlegene« Haupt einer Erpresser- und Falschmünzerbande dargestellt werde. In dieser famosen Auslegung vermochte das Obertribunal einen »Rechtsirrtum« nicht zu entdecken, und so war Marx mit seiner Klage bei allen Instanzen abgeblitzt.

Es blieb ihm noch die literarische Widerlegung Vogts, die ihn fast das ganze Jahr beschäftigte. Um all den Klatsch und Kram zu widerlegen, den Vogt aufgewühlt hatte, war ein weitläufiger Briefwechsel nötig, der sich über drei Weltteile erstreckte; erst am 17. November 1860 konnte Marx die Schrift abschließen, die er einfach »Herr Vogt« betitelte. Es ist die einzige seiner selbständigen Schriften, die bisher noch in keinem Neudruck erschienen [3] ist und nur noch in wenigen Exemplaren vorhanden sein mag, was sich daraus erklärt, daß sie - an sich schon umfangreich: zwölf Bogen engen Drucks, so daß Marx selbst meinte, in gewöhnlichem Druck würde sie den doppelten Umfang haben - heute noch obendrein eines weitläufigen Kommentars bedürfte, um in allen Anspielungen und Beziehungen verstanden zu werden.

Das lohnt sich aber nicht durchweg. Viele der Emigrantengeschichten, auf die Marx eingehen mußte, weil der Angreifer ihn dazu zwang, sind heute mit Recht verschollen, und man wird schwer ein Gefühl des Unbehagens los, wenn man diesen Mann sich verteidigen hören muß gegen verleumderische Angriffe, die nicht einmal den Saum seiner Schuhsohlen beflecken konnten. Daneben bietet die Schrift dann freilich auch wieder für literarische Feinschmecker einen seltenen Genuß. Gleich auf der ersten Seite schlägt Marx das Thema an, das er mit dem Witz eines Shakespeare durchzuführen weiß, von »Karl Vogts Urtyp, dem unsterblichen |301|* Sir John Falstaff, der in seiner zoologischen Wiedergeburt keinesfalls an Stoff eingebüßt«[4] habe. Doch weiß er sich vor jeder Eintönigkeit zu hüten; seine gewaltige Belesenheit in alter und neuer Literatur lieferte ihm Pfeil auf Pfeil, um sie mit tödlicher Sicherheit auf den dreisten Verleumder abzuschnellen.

Die »Schwefelbande« entpuppte sich als eine kleine Gesellschaft lustiger Studenten, die nach dem Scheitern des badisch-pfälzischen Aufstandes im Winter von 1849 auf 1850 durch ihren Galgenhumor die Genfer Schönen bezaubert und die Genfer Spießer erschreckt hatte, aber seit zehn Jahren zerstoben war. Von ihrem harmlosen Treiben entwarf einer aus ihrer Mitte, der nun als wohlbestallter Kaufmann in der City von London lebte, Sigismund Borkheim, ein heiteres Bild, das Marx gleich im ersten Kapitel seiner Schrift ausstellte. Er gewann in Borkheim einen treuen Freund, wie er überhaupt die Genugtuung hatte, daß ihm viele Mitglieder der Emigration nicht nur in England, sondern auch in Frankreich und der Schweiz, mochten sie ihm sonst fernstehen oder selbst ganz unbekannt sein, ihre Hilfe gewährten, so namentlich auch Johann Philipp Becker, der kampferprobte Veteran der schweizerischen Arbeiterbewegung.

Doch es ist unmöglich, hier im einzelnen aufzuzählen, wie Marx die Ränke und Schwänke Vogts aufdeckte, so daß von ihnen auch nicht das armseligste Bröcklein übrigblieb. Wichtiger war ohnehin der vernichtende Gegenstoß, den er führte, indem er nachwies, daß Vogts Propaganda gleichermaßen in ihrer Perfidie wie in ihrer Unwissenheit ein Echo der Stichworte war, die der falsche Bonaparte ausgegeben hatte. In den Tuilerienpapieren, die nach dem Sturze des zweiten Kaiserreichs von der Regierung der nationalen Verteidigung herausgegeben worden sind, hat sich denn auch die Quittung über den Sündenlohn von 40.000 Franken gefunden, die Vogt im August 1859 aus den geheimen Fonds des Dezembermannes erhalten hatte: vermutlich durch Vermittelung ungarischer Revolutionäre, wenn man anders die für Vogt mildeste Auslegung gelten lassen will. Er war besonders mit Klapka befreundet und hatte nicht begriffen, daß die deutsche Demokratie anders zu Bonaparte stand als die ungarische. Dieser mochte erlaubt sein, was für jene ein schmählicher Verrat war.

Wie es aber immer um Vogts Antriebe stehen mochte, und selbst wenn er kein bares Geld aus den Tuilerien empfangen hätte, so hat Marx in der schlüssigsten und unwiderleglichsten Weise den Beweis geführt, daß Vogts Propaganda ganz auf die bonapartistischen Stichworte eingestellt war. Diese Kapitel sind mit den blendenden Schlaglichtern, die sie auf |302| die damaligen europäischen Zustände werfen, die wertvollsten Abschnitte der Schrift, die heute noch reiche Belehrung gewähren; Lothar Bucher, der damals eher feindliche als freundliche Beziehungen zu Marx hatte, nannte sie bei ihrem Erscheinen ein Kompendium der Zeitgeschichte. Lassalle aber bekannte in seiner ehrlichen und offenen Weise, indem er die Schrift »als ein in jeder Beziehung meisterhaftes Ding« begrüßte, er finde es jetzt ganz gerechtfertigt und in der Ordnung, daß Marx von Vogts Bestechlichkeit überzeugt sei. Marx habe den »inneren Beweis mit einer immensen Evidenz« geführt. Engels stellte die Schrift sogar über den »Achtzehnten Brumaire«; sie sei einfacher im Stil und wenn nötig, ebenso effektvoll, überhaupt die beste polemische Arbeit, die Marx geschrieben habe. Die historisch bedeutsamste seiner Polemiken ist sie jedenfalls nicht geworden; sie ist mehr und mehr im Schatten verschwunden, während der »Achtzehnte Brumaire« und nun gar die Streitschrift gegen Proudhon mehr und mehr ins Licht getreten sind. Zum Teil liegt das an dem Stoff, denn schließlich war der Fall Vogt doch nur eine verhältnismäßig unbedeutende Episode, zum Teil aber auch an Marx selbst, an seiner großen Art und auch an seinen kleinen Schwächen.

Es war ihm nicht gegeben, auf die niedrige Stufe der Polemik herabzusteigen, auf der man den Philister überzeugt, obgleich es sich in diesen Falle gerade doch auch darum handelte, die Vorurteile der Spießbürge auf den Kopf zu schlagen. Überzeugt hat die Schrift nur, wie es Frau Marx in einem Brief etwas naiv, aber um so treffender ausdrückte, »alle bedeutenden Leute«, das heißt mit anderen Worten, alle Leute, die gar nicht erst überzeugt zu werden brauchten, daß Marx nicht der Kujon sei, den Vogt aus ihm machen wollte, aber die Geschmack und Verstand genug besaßen, die literarischen Vorzüge der Schrift zu genießen; »selbe der alte Feind Ruge nannte sie eine gute Schnurre«, meinte Frau Marx. Aber für die vaterländischen Biedermänner war die Schrift viel zu hoch, und in ihre Kreise ist sie kaum gedrungen; noch in den Tagen des Sozialistengesetzes haben so anspruchsvolle Schriftsteller, wie Bamberger und Treitschke, die »Schwefelbande« Vogts gegen die deutsche Sozialdemokratie aufmarschieren lassen.

Dazu kam dann das ausgesuchte Pech, das Marx in allen geschäftliche Angelegenheiten, und wenigstens in diesem Falle nicht ohne eigene Schuld, hatte. Engels drängte darauf, die Schrift in Deutschland drucken und verlegen zu lassen, was unter den damaligen Preßverhältnissen schon möglich war, und Lassalle riet ebenfalls dazu. Dieser allerdings nur wegen der geringeren Kosten, während Engels noch triftigere Gründe ins Feld zu führen wußte: »Wir haben die Erfahrung mit der |303| Emigrationsliteratur nun schon hundertmal gemacht, immer dieselbe Effektlosigkeit, stets Geld und Arbeit in den Dreck geworfen, und den Arger dazu ... Was kann uns eine Antwort an Vogt nützen, die niemand zu sehen bekommt?« Marx aber bestand darauf, die Schrift einem jungen deutschen Verleger in London zu geben, auf Teilung von Gewinn und Verlust, und mit einem Vorschuß von 25 Pfund für die Druckkosten, zu dem Borkheim 12 und Lassalle 8 Pfund beisteuerten. Die neue Firma stand jedoch auf so schwachen Füßen, daß sie nicht nur den Vertrieb der Schrift nach Deutschland ungenügend besorgte, sondern sich alsbald selbst auflöste, und Marx hat nicht nur von seinem Vorschuß keinen Heller wiedergesehen, sondern auf eine gerichtliche Klage, die ein Sozius des Verlegers gegen ihn anstrengte, fast ebensoviel nachzahlen müssen, da er versäumt hatte, einen schriftlichen Vertrag abzufassen, und nun für die gesamten Unkosten des Unternehmens haftbar gemacht wurde.

Als der Streit mit Vogt begann, schrieb ihm sein Freund Imandt: »Ich möchte nicht dazu verurteilt sein, darüber zu schreiben, und ich werde mich höchlichst wundern, wenn es Dir möglich sein wird, in eine solche Sauce Deine Hand zu stecken.« Ähnliche Abmahnungen wurden von russischen und ungarischen Emigranten an Marx gerichtet. Heute wäre man versucht zu wünschen, daß er auf diese Stimmen gehört hätte. Der Teufelskrakeel hat ihm einige neue Freunde geworben und ihn namentlich wieder mit dem Londoner Arbeiterbildungsverein, der sofort mit aller Wucht für ihn eintrat, in freundliche Beziehungen gebracht. Aber das große Werk seines Lebens hat er eher gehemmt als gefördert, trotz oder vielmehr wegen der kostbaren Opfer an Kraft und Zeit, die er ohne rechten Gewinn verschlang, und auch im eigenen Hause hat er ihm schweres Ungemach geschaffen.

6. Häusliches und Persönliches

Härter als Marx selbst war seine Frau, die mit ihrer ganzen Seele an ihm hing, durch »den schrecklichen Ärger mit dem infamen Angriff« Vogts getroffen worden. Er kostete ihr viele schlaflose Nächte, und wie tapfer sie immer aushielt und das umfangreiche Manuskript für den Druck abschrieb, so brach sie doch zusammen, als sie kaum den letzten Federzug getan hatte. Der herbeigerufene Arzt erklärte, sie sei in den Pocken erkrankt und die Kinder müßten sofort das Haus verlassen.

|304| Es kamen furchtbare Tage. Die Kinder wurden von Liebknechts aufgenommen und Marx selbst übernahm mit Lenchen Demuth die Pflege seiner Frau. Sie litt Unsägliches an brennenden Schmerzen, an Schlaflosigkeit, an Todesangst um ihren Mann, der nicht von ihrem Bette wich, an dem Verlust aller äußeren Sinne, während ihr Bewußtsein stets klar blieb. Nach einer Woche erst trat die rettende Krisis ein. Dank dem Umstande, daß Frau Marx zweimal geimpft worden war. Und schließlich erklärte der Arzt die schreckliche Krankheit noch für ein Glück. Die nervöse Überreizung, in der Frau Marx seit vielen Monaten gelebt hatte, war die Ursache gewesen, daß sie das Gift in einem Laden oder Omnibus oder sonstwo aufgenommen hatte, aber ohne diese Krankheit hätte ihr Nervenzustand zu einem noch gefährlicheren Nervenfieber oder ähnlichem geführt.

Kaum begann sie zu genesen, als Marx selbst durch übergroße Angst, Sorge und Quälereien aller Art aufs Krankenlager geworfen wurde. Zum ersten Male trat sein chronisches Leberleiden in akuter Form auf. Auch hier sah der Arzt die Ursache in der ewigen Aufregung. Während Marx für die mühsame Arbeit an »Herrn Vogt« nicht einen Heller einnahm, setzte die »New-York Daily Tribune« ihn wieder einmal auf Halbsold, und die Gläubiger stürmten das Haus. Nach seiner Genesung entschloß sich Marx, wie seine Frau an Frau Weydemeyer schrieb, »einen Raubzug nach Holland, ins Land der Väter, des Tabaks und des Käses zu machen«; er wolle sehen, ob er seinem Onkel einige Spezies ablocken könne.

Dieser Brief ist vom 11. März 1861 datiert, und wie er von sonnigem Humor durchleuchtet ist, legt er beredtes Zeugnis ab für die »Schwungkraft der Natur«, die Jenny Marx in ihrer Art nicht weniger besaß als ihr Gatte. Weydemeyers, denen im amerikanischen Exil auch ihr Päckchen an Sorgen beschieden gewesen war, hatten sich nach langen Jahren des Schweigens wieder gemeldet, und Frau Marx schüttete »der tapferen, treuen Leidensgefährtin, Kämpferin und Dulderin« sofort ihr ganzes Herz aus. Was sie in allem Elend und Jammer aufrecht erhielt, »der Glanzpunkt unseres Daseins, die Lichtseite unseres Lebens«, war die Freude an ihren Kindern. Die siebzehnjährige Jenny ähnelte mehr dem Vater, »mit den dunkeln, glänzenden, reichen Haaren und den ebenso dunkeln, glänzenden, sanften Augen und dem dunkeln Kreolenteint, der aber echt englische blühende Tinten angenommen hat«. Die fünfzehnjährige Laura war mehr das Ebenbild der Mutter, »mit dem wellenförmigen, sich kräuselnden, kastanienbraunen Haar und den grünlich schillernden Augen, die wie ewige Freudenfeuer flackern«. »Ein wahrhaft |305|* blühendes Kolorit zeichnet beide Schwestern aus, die wirklich beide so wenig eitel sind, daß ich mich oft im stillen über sie wundere um so mehr, als ich von ihrer Frau Mama aus ihren jüngeren Jahren, als sie noch im Flügelkleide war, nichts gleiches berichten kann.«

Aber soviel Freude die beiden älteren Töchter den Eltern machten, so war »der Abgott und Verzug des ganzen Hauses« doch das jüngste Töchterchen Eleanor oder Tussy, wie ihr Kosename lautete. »Das Kind wurde gerade geboren, als mein armer lieber Edgar von uns schied, und alle Liebe zum Brüderchen, alle Zärtlichkeit für ihn wurde nun auf das kleine Schwesterchen übertragen, das die älteren Mädchen mit fast mütterlicher Sorgfalt gehegt und gepflegt haben. Es gibt aber auch wohl kaum ein lieblicheres Kind, bildhübsch und launigen Humors. Besonders zeichnet sich das Kind durch sein allerliebstes Sprechen und Erzählen aus. Das hat es von seinen Brüdern Grimm gelernt, die Tag und Nacht seine Begleiter sind. Wir alle lesen uns stumm und dumm an den Märchen, aber wehe uns, wenn im Rumpelstilzchen oder im König Drosselbart oder im Schneewittchen auch nur eine Silbe ausgelassen wird. Durch diese Märchen hat das Kind neben dem Englischen, das in der Luft liegt, auch das Deutsche gelernt, das es mit besonderer Regelrichtigkeit und Pünktlichkeit spricht. Das Kind ist Karls wahrer Liebling und lacht und schwatzt ihm manche Sorge weg.« Dann wird auch des treuen Hausgeistes Lenchen gedacht. »Fragen Sie Ihren lieben Mann nach ihr; er wird Ihnen sagen, welch einen Schatz ich an ihr habe. Sie ist seit sechzehn Jahren durch Sturm und Wetter mit uns gesegelt.« Der köstliche Brief schließt mit einem Bericht über die Freunde, die, wo sie sich ihrem Karl nicht ganz bewährt haben, nach echter Frauenart strenger beurteilt werden als von ihm selbst. »Ich liebe halbe Maßnahmen nicht«; so hat Frau Jenny mit dem weiblichen Teil der Familie Freiligrath ganz gebrochen.

Derweil war der »Raubzug« in Holland beim Onkel Philips leidlich geglückt. Von da ging Marx nach Berlin, um einen Plan zu verfolgen, den Lassalle wiederholt angeregt hatte, die Gründung eines eigenen Parteiorgans, dessen Notwendigkeit sich in der Krise des Jahres 1859 besonders fühlbar gemacht hatte und dessen Möglichkeit durch die Amnestie geschaffen worden war, die der nunmehrige König Wilhelm im Januar 1861 bei seiner Thronbesteigung erlassen hatte. Sie war schäbig genug, voller Falltüren und Hintertreppen, aber sie gestattete den ehemaligen Redakteuren der »Neuen Rheinischen Zeitung« immerhin die Heimkehr nach Deutschland.

In Berlin wurde Marx von Lassalle »mit großer Freundschaft« aufgenommen, allein der »Platz« blieb ihm »persönlich widrig«. Keine |306| hohe Politik, sondern nur Zank mit der Polizei und der Gegensatz zwischen Militär und Zivil. »Der Ton, der in Berlin herrscht, ist frech und frivol. Die Kammern sind verachtet.« Selbst im Vergleich mit der Vereinbarern von 1848, die sicher auch keine Titanen gewesen seien, sah Marx in dem preußischen Abgeordnetenhaus mit seinen Simsons und Vinckes »ein sonderbares Mixtum von Beamten- und Schulstube«; die einzigen wenigstens anständig aussehenden Figuren in diesem Pygmäenstall seien Waldeck auf der einen Seite, auf der anderen Wagener und Don Quichotte von Blankenburg. Immerhin aber glaubte Marx einen allgemeinen Aufklärungsduft und in einem großen Teil des Publikums große Unzufriedenheit mit der bürgerlichen Presse zu spüren; Leute von jedem Range betrachteten eine Katastrophe als unvermeidlich. Bei den im Herbst bevorstehenden Wahlen würden die ehemaligen Vereinbarer, die der König als rote Republikaner fürchte, unbedingt gewählt werden, und über die neuen Militärvorlagen könne es zum Klappen kommen. So hielt Marx diesen Zeitungsplan Lassalles an und für sich für erwägenswert.

Aber doch nicht in der Ausführung, wie sie Lassalle plante. Lassalle wollte neben Marx Chefredakteur sein und als dritten Chefredakteur auch Engels zulassen, unter der Bedingung, daß Marx und Engels nicht mehr Stimmen haben dürften als er, da er sonst jedesmal überstimmt werden würde. Vermutlich hat Lassalle diesen abenteuerlichen Plan, der die geplante Zeitung von vornherein zum totgeborenen Kinde gemacht hätte, nur im Laufe eines flüchtigen Gespräches hingeworfen, indessen kommt es darauf um so weniger an, als Marx überhaupt nicht geneigt war, ihm einen irgend bestimmenden Einfluß einzuräumen. Geblendet durch das Ansehen, das er in gewissen Gelehrtenkreisen durch seinen »Heraklit« und in einem andern Kreise von Schmarotzern durch guten Wein und Küche habe, wisse Lassalle - so urteilte Marx - natürlich nicht, daß er im großen Publikum verrufen sei. »Außerdem seine Rechthaberei; sein Stecken im ›spekulativen Begriff‹ (der Bursche träumt sogar von einer neuen hegelschen Philosophie auf der 2ten Potenz, die er schreiben will), seine Infektion mit altem französischem Liberalismus, seine breitspurige Feder, Zudringlichkeit, Taktlosigkeit usw. Lassalle könnte als einer der Redakteure, unter strenger Disziplin, Dienste leisten. Sonst nur blamieren.« So berichtete Marx an Engels über die Verhandlungen mit Lassalle, mit dem Hinzufügen, er habe, um den Gastfreund nicht zu kränken, seinen endgültigen Beschluß verschoben, bis er mit Engels und Wilhelm Wolff beraten habe. Engels hatte ähnliche Bedenken wie Marx und winkte ab.

|307| Im übrigen war der ganze Plan ein spanisches Luftschloß, wie ihn Lassalle einmal vorahnend genannt hatte. Zu den Tücken der preußischen Amnestie gehörte auch, daß sie den Flüchtlingen der Revolutionsjahre, soweit sie ihnen die straflose Heimkehr unter halbwegs annehmbaren Bedingungen gewährte, doch keineswegs das Heimatsrecht wiedergab, das sie nach den preußischen Gesetzen durch mehr als zehnjährigen Aufenthalt im Auslande verloren hatten. Wer von ihnen heute heimkehrte, konnte morgen wieder durch die üble Laune irgendeines Polizeipaschas über die Grenze gejagt werden. Für Marx kam noch hinzu, daß er schon mehrere Jahre vor der Revolution, allerdings unter dem Druck preußischer Polizeiplackereien, aber doch durch ausdrücklichen Antrag, seine Entlassung aus dem preußischen Staatsverbande genommen hatte. Als sein bevollmächtigter Vertreter setzte nun Lassalle Himmel und Hölle in Bewegung, um ihm das preußische Staatsbürgerrecht zu erwerben; er machte zu diesem Zweck dem Berliner Polizeipräsidenten von Zedlitz wie dem Grafen Schwerin, dem Minister des Innern, einer Hauptsäule der Neuen Ära, die schönsten Tänze, aber vergebens! Zedlitz erklärte, es läge kein anderer Grund gegen die Naturalisation von Marx vor, als dessen »republikanische oder mindestens nicht royalistische Gesinnung«, und Schwerin antwortete auf Lassalles nachdrückliche Vorstellungen, er möge doch nicht dieselbe »Gesinnungsinquisition und Verfolgung wegen politischen Gesinnungen« treiben, die er an seinen Vorgängern Manteuffel und Westphalen so scharf getadelt habe, mit dem trockenen Bescheide, es seien »zur Zeit wenigstens durchaus keine besonderen Gründe vorhanden, die für die Erteilung der Naturalisation an den p. Marx sprechen könnten«. Ein Staatswesen wie das preußische, konnte den p. Marx allerdings nicht ertragen; darin hatten diese obskuren Minister schon recht, der Graf Schwerin wie seine Vorgänger Kühlwetter und Manteuffel.

Von Berlin unternahm Marx noch einen Abstecher in die Rheinlande, besuchte alte Freunde in Köln und seine betagte Mutter in Trier, die ihrer Auflösung entgegenging; in den ersten Tagen des Mai war er wieder in London. Er hoffte jetzt, dem gehetzten Leben der Familie ein Ende zu machen und sein Buch zu vollenden. In Berlin war ihm die wiederholt gescheiterte Anknüpfung mit der »Wiener Presse« gelungen, die ihm den Leitartikel mit einem Pfund und die Korrespondenz mit der Hälfte zu honorieren versprach; auch die Verbindung mit der »New-York Daily Tribune« schien sich wieder zu beleben. Sie druckte wiederholt seine Artikel mit ausdrücklichen Hinweisen auf ihre Vortrefflichkeit ab; »sonderbare Manier dieser Yankees«, meinte Marx, »ihren eignen |308| correspondents testimonia zu erteilen«. Auch die »Wiener Presse« machte »großes Wesen von seinen Beiträgen«. Aber die alten Schulden waren nie ganz abgetragen worden, und der Ausfall aller Einnahmen in den Tagen der Krankheit und der deutschen Reise half »den alten Dreck wieder aufschwemmen«; den Neujahrsgruß an Engels kleidete Marx in den Fluch, für sein Teil wünsche er das neue Jahr zum Teufel, wenn es dem alten Jahre gleichen sollte.

Das Jahr 1862 glich seinem Vorgänger nicht nur, sondern übertraf ihn noch an Schrecknissen. Die »Wiener Presse« erwies sich trotz aller Reklame, die sie mit Marx trieb, womöglich noch ruppiger als das amerikanische Blatt. Bereits im März schrieb Marx an Engels: »Es ist mir gleichgültig, daß sie die besten Artikel nicht drucken (obgleich ich immer so schreibe, daß sie drucken können). Aber pekuniär geht das nicht, daß sie auf 4-5 Artikel einen drucken und nur einen zahlen. Das setzt mich tief unter die penny-a-liner [Mehring übersetzt: Zeilenreißer].« Mit der »New-York Daily Tribune« hörte im Laufe des Jahres überhaupt jede Verbindung auf, aus Gründen, die sich im einzelnen nicht mehr feststellen lassen, im allgemeinen aber auf den amerikanischen Sezessionskrieg zurückzuführen sind.

Obgleich ihn dieser Krieg so in das größte Pech brachte, begrüßte Marx ihn mit der lebhaftesten Sympathie. »Man muß sich nicht darüber täuschen«, schrieb er einige Jahre später in der Vorrede seines wissenschaftlichen Hauptwerks; »wie der amerikanische Unabhängigkeitskrieg des 18. Jahrhunderts die Sturmglocke für die europäische Mittelklasse läutete, so der amerikanische Bürgerkrieg d. 19. Jahrh. für die europäische Arbeiterklasse.«[5] In seinem Briefwechsel mit Engels verfolgte er den Verlauf des Krieges mit eingehendem Interesse. Über die militärischen Einzelheiten ließ er sich, da er sich nur als Laien in der Kriegswissenschaft betrachtete, gern von Engels belehren, und was Engels darüber zu sagen hatte, ist noch heute von hohem, nicht nur historischem, sondern auch politischem Interesse; so leuchtete er der Militär- und Milizfrage bis auf den Grund mit dem tiefen Worte: Erst eine kommunistisch eingerichtete und erzogene Gesellschaft kann sich dem Milizsystem sehr nähern, und auch da noch asymptotisch [Mehring übersetzt: ohne es zu erreichen].« Aber in anderem Sinne, wie es der Dichter gemeint hat, bewährte sich hier das Wort, daß sich in der Beschränkung erst der Meister zeige.

Die Meisterschaft, die Engels im militärischen Urteil besaß, schränkte seinen allgemeinen Gesichtskreis ein. Die elende Kriegführung der Nordstaaten ließ ihn mitunter an ihre Niederlage glauben. »Was mich |309| bei den Yankees an allem Erfolg irremacht«, schrieb er im Mai 1862, »ist nicht die militärische Sachlage an und für sich. Sie ist es nur als Resultat der Schlaffheit und Stumpfheit, die sich im ganzen Norden zeigt. Wo ist die revolutionäre Energie irgendwo im Volk? Sie lassen sich durchhauen und sind ordentlich stolz auf die Keile, die sie kriegen. Wo ist im ganzen Norden auch nur ein einziges Symptom, daß es den Leuten Ernst ist mit irgend etwas? Mir ist so was noch nicht vorgekommen, in Deutschland in der schlimmsten Zeit nicht. Die Yankees scheinen sich im Gegenteil am meisten schon darauf zu freuen, daß sie ihre Staatsgläubiger prellen werden.« So meinte er im Juli, es sei für den Norden alles aus, und im September, die Kerle im Süden, die wenigstens wüßten, was sie wollten, kämen ihm der schlappen Wirtschaft im Norden gegenüber wie Helden vor.

Dagegen hielt Marx unerschütterlich am Siege des Nordens fest. Er antwortete im September: »Was die Yankees angeht, so bin ich sicher nach wie vor der Ansicht, daß der Norden schließlich siegt ... Die Art, wie der Norden Krieg führt, nicht anders zu erwarten von einer bürgerlichen Republik, wo der Schwindel so lange souverän gethront hat. Der Süden, eine Oligarchie, paßt besser dazu, namentlich eine Oligarchie, wo die ganze produktive Arbeit den niggers zufällt und die 4 Millionen ›white trash‹ flibustiers [Mehring übersetzt: weiße Freibeuter] von Profession sind. Trotz alledem wollte ich meinen Kopf dagegen wetten, daß diese Burschen den Kürzern ziehn ...« Marx siegte mit der Auffassung, daß auch der Krieg in letzter Instanz durch die ökonomischen Zustände bestimmt wird, worin die Kriegführenden leben.

Diese wundervolle Klarheit war um so bewundernswerter, als derselbe Brief zeigt, in wie pressender Not Marx damals lebte. Wie er an Engels schrieb, hatte er sich zu einem Schritt entschlossen, zu dem er sich weder vor- noch nachher hat entschließen können: er hatte sich um einen bürgerlichen Beruf beworben und besaß einige Aussicht, in einem englischen Eisenbahnbüro angestellt zu werden. Die Sache zerschlug sich - er wußte nicht, ob er es ein Glück oder Unglück nennen sollte - an seiner undeutlichen Handschrift. Aber die Not stieg höher und höher. Marx selbst kränkelte fortwährend; neben neuen Anfällen seines alten Leberleidens begannen ihn, auf lange Jahre hinaus, schmerzhafte Karbunkeln und Furunkeln zu plagen, und seine Frau drohte, unter der gänzlichen Aussichtslosigkeit der Lage, wieder zusammenzubrechen. Den Kindern mangelten selbst die für den Schulbesuch nötigen Kleider und Schuhe; während ihre Kameradinnen sich in dem Jahre der Weltausstellung |310| amüsierten, ängstigten sie sich in ihrem Elende vor jedem Besuch. Die älteste Tochter, die nun erwachsen genug war, die ganzen Verhältnisse zu durchschauen, begann schwer zu leiden; hinter dem Rücken der Eltern machte sie den Versuch, sich fürs Theater ausbilden zu lassen.

So befreundete sich Marx mit einem Gedanken, den er schon lange erwogen, aber mit Rücksicht auf die Erziehung der Töchter immer wieder aufgeschoben hatte. Er wollte dem Landlord, der ihm schon den Pfänder ins Haus geschickt hatte, seine Möbel überlassen, allen übrigen Gläubigern gegenüber sich für bankrott erklären, den beiden älteren Töchtern durch die Vermittlung einer befreundeten englischen Familie Stellen als Gouvernanten besorgen, Lenchen Demuth in einen anderen Dienst entlassen, selbst aber mit seiner Frau und dem jüngsten Töchterchen in eine der Mietskasernen ziehen, die für die Bedürfnisse der armen Volksklassen eingerichtet waren.

Engels wandte dies Äußerste ab. Er hatte im Frühjahr 1860 seinen Vater verloren, danach eine günstigere Stellung, freilich auch mit größeren Repräsentationspflichten, in der Firma Ermen & Engels erhalten und dazu die Anwartschaft, später als Teilhaber einzutreten. Aber die amerikanische Krisis drückte schwer und beschränkte seine Einnahmen empfindlich. In den ersten Tagen des Jahres 1863 traf ihn das Unglück, Mary Burns zu verlieren, das irische Volkskind, dem er seit zehn Jahren durch freie Liebe verbunden war. Tief erschüttert schrieb er an Marx: »Ich kann Dir nicht sagen, wie mir zumute ist. Das arme Mädchen hat mich mit ihrem ganzen Herzen geliebt.« Marx aber antwortete - und das zeigte schlagender als alles andere, wie hoch ihm das Wasser bis an den Hals stand - nicht so teilnehmend, wie Engels erwarten durfte; er ging mit einigen, innerlich kühlen Worten über den Todesfall hinweg und schilderte eingehend die verzweifelte Lage, worin er sich befand; könne er keine größere Summe erheben, so dauere die Wirtschaft kaum zwei Wochen mehr. Freilich fand er es selbst »scheußlich egoistisch«, dem Freund in diesem Augenblick mit solchen Dingen zu kommen. »Und, au bout du compte [Mehring übersetzt: Aber schließlich], was soll ich machen? In ganz London ist kein einziger Mensch, gegen den ich mich auch nur frei aussprechen kann, und in meinem eignen Hause spiele ich den schweigsamen Stoiker, um den Ausbrüchen von der andern Seite das Gegengewicht zu halten.« Gleichwohl fühlte sich Engels durch die »frostige Auffassung« seines Unglücks durch Marx verletzt, und er machte kein Hehl daraus in seiner Antwort, die er um einige Tage verzögerte. Über eine größere Summe könne er nicht verfügen, doch machte er mehrere Vorschläge, Marx dem Pech zu entreißen.

|311| Dieser zögerte seine Erwiderung ebenfalls hin, doch nur, um die Gemüter sich beruhigen zu lassen, nicht weil er sich in seinem Unrecht versteifte. Er bekannte es vielmehr ehrlich und lehnte nur den Verdacht der »Herzlosigkeit« ab: was ihn den Kopf hatte wirbeln machen, sprach er in diesem und einem späteren Briefe offen aus und zugleich in taktvoll versöhnender Form, denn es lag nahe, daß Engels sich am tiefsten gekränkt fühlen mußte, weil Frau Marx ihm kein Wort der Teilnahme an dem Tode seiner Geliebten hatte zukommen lassen. »Die Weiber sind komische Kreaturen, selbst die mit viel Verstand ausgerüsteten. Morgens weinte meine Frau über die Marie und Deinen Verlust, so daß sie ihr eignes Pech, was grade an dem Tage kulminierte, ganz vergaß, und abends glaubte sie, daß außer uns kein Mensch in der Welt leiden könne, der nicht den broker [Mehring übersetzt: Pfänder] im Hause und Kinder habe.« Engels war aber schon durch das eine Wort der Reue versöhnt. »Man kann nicht solange Jahre mit einem Frauenzimmer zusammenleben, ohne ihren Tod furchtbar zu empfinden. Ich fühlte, daß ich mit ihr das letzte Stück meiner Jugend begrub. Als ich Deinen Brief erhielt, war sie noch nicht begraben. Ich sage Dir, der Brief lag mir eine Woche lang im Kopf, ich konnte ihn nicht vergessen. Never mind [Mehring übersetzt: Gleichviel]. Dein letzter Brief macht ihn wett, und ich bin froh, daß ich nicht auch mit der Mary gleichzeitig meinen ältesten und besten Freund verloren habe.« Es war die erste, aber auch die letzte Spannung in dem Verhältnis der beiden Männer.

Durch einen »höchst gewagten Streich« brachte Engels 100 Pfund Sterling auf, durch die Marx soweit über Wasser gehalten wurde, daß er auf die Übersiedlung in eine Mietskaserne verzichten konnte. Er schlug sich dann mühsam durch das Jahr 1863, gegen dessen Schluß seine Mutter starb. Was er von ihr erbte, mag freilich nicht bedeutend gewesen sein. Einige Ruhe verschafften ihm erst die 800 bis 900 Pfund, die ihm als Haupterben Wilhelm Wolff testamentarisch vermachte.

Wolff starb im Mai 1864, tief betrauert von Marx und Engels. Er zählte noch nicht 55 Jahre; im Sturm und Wetter eines bewegten Lebens hatte er sich nie geschont, und wie Engels klagte, durch eigensinnige Pflichttreue in seinem Lehrerberufe sein Ende beschleunigt. Durch seine große Beliebtheit bei den Deutschen in Manchester war er, nachdem ihm das Exil zunächst arg mitgespielt hatte, in ganz behagliche Lebensverhältnisse gekommen, und es scheint auch, daß ihm sein väterliches Erbe nicht lange vor seinem Tode zugekommen ist. Marx hat später »seinem unvergeßlichen Freunde, dem kühnen, treuen, edlen Vorkämpfer des Proletariats« [6] den ersten Band seines unsterblichen Meisterwerks |312|* gewidmet, an dem ungestört zu arbeiten ihm der letzte Freundschaftsdienst Wolffs wesentlich erleichtert hat.

Auf die Dauer war die Sorge freilich nicht verscheucht, aber in so herz- und hirnzerreißender Form wie in diesen letzten Jahren, trat sie an Marx nicht wieder heran, da Engels im September 1864 auf fünf Jahre mit den Ermens einen Kontrakt abschloß, der ihn zum Teilhaber der Firma machte, so daß er mit denselben nimmermüden, aber nun mehr volleren Händen helfen konnte, wo Hilfe not tat.

7. Die Agitation Lassalles

In den Tagen schwerster Bedrängnis, im Juli 1862, stattete Lassalle seinen Gegenbesuch in London ab.

»Um gewisse dehors dem Burschen gegenüber aufrechtzuerhalten hatte meine Frau alles nicht Niet- und Nagelfeste ins Pfandhaus zu bringen«, schrieb Marx an Engels. Lassalle hatte keine Ahnung von diesen traurigen Verhältnissen; er nahm den Schein, den Marx und seine Frau um sich verbreiteten, für Wirklichkeit; als sorgsame Schaffnerin des Hauses hat Lenchen Demuth den gesegneten Appetit dieses Besuchs niemals vergessen. So entstand eine »scheußliche Position«, und es wirf keinen Schatten auf Marx, wenn er sich, zumal bei Lassalles Auftreten, das niemals an übermäßiger Bescheidenheit litt, nicht völlig jene Stimmung ferngehalten hat, in der Schiller einmal von Goethe sagte: Wie leicht ist diesem Menschen alles geworden und wie schwer muß ich um alles ringen!

Erst beim Abschied, nach mehrwöchigem Aufenthalt, scheint Lassalle die Lage der Dinge durchschaut zu haben. Er bot seine Hilfe an und wollte bis zum Jahreswechsel 15 Pfund liefern; auch dürfe Marx bis zum beliebigen Betrage Wechsel auf ihn ziehen, wenn ihm die Zahlung von Engels oder anderen versprochen würde. Mit Hilfe Borkheims versuchte Marx sich auf diese Weise 400 Taler zu verschaffen, doch machte Lassalle nunmehr sein Akzept brieflich davon abhängig, daß »zur Ausschließung aller unvorhergesehenen Umstände und um Lebens oder Sterbens willen« Engels sich schriftlich verpflichten müsse, ihn acht Tage vor Verfall des Wechsels in den Besitz der Deckungssumme zu setzen. Das Mißtrauen an seiner persönlichen Versicherung konnte Marx nicht angenehm berühren, doch bat ihn Engels, sich nicht über »diese Eseleien« zu ereifern, und stellte sofort die gewünschte Bürgschaft aus.

|313| Der weitere Verlauf dieser finanziellen Angelegenheit ist nicht ganz klar; am 29. Oktober schrieb Marx an Engels, Lassalle, der »sehr erzürnt« auf ihn sei, verlange die Deckung an seine persönliche Adresse geschickt, da er keinen Bankier habe, und am 4. November, Freiligrath sei bereit, die 400 Taler an Lassalle zu übermitteln. Am nächsten Tage antwortete Engels, er werde »morgen« 60 Pfund an Freiligrath schicken. Zugleich aber sprachen beide von einer »Erneuerung« des Wechsels, und dabei muß es irgendwie gehapert haben; wenigstens äußerte Lassalle am 24. April 1864 gegen eine dritte Person, er schreibe seit zwei Jahren nicht mehr an Marx, weil er »aus finanzieller Veranlassung« mit ihm gespannt sei. In der Tat hat Lassalle Ende 1862 zuletzt an Marx geschrieben und ihm seine Flugschrift »Was nun?« übermittelt. Der Brief ist nicht erhalten, doch gab Marx in einem Schreiben an Engels 1863 als seinen Inhalt die Bitte um Rücksendung eines Buches an, und am 12. Juni schrieb er ebenfalls an Engels nach einer scharfen Kritik an Lassalles Agitation: »Ich habe mich seit Anfang dieses Jahrs nicht entschließen können, dem Kerl zu schreiben«, wonach Marx den Briefwechsel aus politischem Verdruß abgebrochen hat.

Deshalb braucht kein eigentlicher Widerspruch zwischen beiden Angaben zu sein; es mag eben eins zum anderen gekommen sein. Die äußerst unbehaglichen Umstände, unter denen die beiden Männer sich zum letzten Male persönlich begegnet sind, haben wohl beigetragen, politischen Meinungsverschiedenheiten zu verschärfen. Diese Meinungsverschiedenheiten waren ohnehin mindestens nicht geringer geworden seit dem Besuche, den Marx in Berlin abgestattet hatte.

Im Herbste 1861 hatte Lassalle eine Reise nach der Schweiz und Italien gemacht, war in Zürich mit Rüstow und auf der Insel Caprera mit Garibaldi bekannt geworden; auch in London suchte er Mazzini auf. Er scheint sich für einen etwas phantastischen und niemals ausgeführten Plan der italienischen Aktionspartei interessiert zu haben, wonach Garibaldi mit seinen Freischaren nach Dalmatien übersetzen und von hier aus Ungarn insurgieren sollte. Von Lassalle selbst liegt darüber nichts Urkundliches vor, und es kann sich im schlimmsten Falle nur um einen vorübergehenden Einfall gehandelt haben. Denn Lassalle trug ganz andere Dinge im Kopfe, mit deren Ausführung er schon, ehe er nach London kam, durch zwei Vorträge begonnen hatte.

Für diese Pläne in Marx einen Gefährten zu gewinnen, lag ihm ungleich mehr am Herzen als all die italienischen Geschichten. Aber Marx erwies sich noch unzugänglicher als im Vorjahre. Für ein Blatt, das Lassalle noch immer plante, wollte er wohl gegen gute Bezahlung als |314| englischer Korrespondent tätig sein, aber ohne irgendwie irgendeine Verantwortung oder politische Teilhaberschaft zu übernehmen, da er mit Lassalle in Nichts übereinstimme als einigen weit abliegenden Endzwecken. Nicht minder ablehnend stellte er sich zu dem Plan einer Arbeiteragitation, den ihm Lassalle entwickelte. Lassalle lasse sich zu sehr durch die unmittelbaren Zeitumstände beherrschen; er wolle einen Gegensatz gegen einen Zwerg wie Schulze-Delitzsch zum Zentralpunkt seiner Agitation machen: Staatshilfe gegen Selbsthilfe. Damit erneuere Lassalle die Parole, womit der katholische Sozialist Buchez in den vierziger fahren die wirkliche Arbeiterbewegung in Frankreich bekämpft habe. Wenn er den Chartistenruf des allgemeinen Wahlrechts wieder aufnehme, so übersehe er die Verschiedenheit zwischen den deutschen und den englischen Zuständen sowie die Lektionen des zweiten Kaiserreichs über dies Wahlrecht. Indem er allen natürlichen Zusammenhang mit der früheren Bewegung in Deutschland verleugne, verfalle er in die Fehler der Sektenstifter, den Fehler Proudhons, die reelle Basis nicht in den wirklichen Elementen der Klassenbewegung zu suchen, sondern dieser nach einem gewissen doktrinären Rezept ihren Verlauf vorschreiben zu wollen.

Lassalle ließ sich dadurch nicht abschrecken, sondern setzte seine Agitation fort, seit dem Frühjahr 1863 als ausgesprochene Arbeiteragitation. Er gab nicht einmal die Hoffnung auf, Marx dennoch von der Güte seiner Sache zu überzeugen, denn auch nachdem ihr Briefwechsel eingeschlafen war, sandte er seine Agitationsschriften regelmäßig an Marx. Sie fanden freilich eine Aufnahme, die Lassalle nicht erwartet haben mochte. Marx urteilte über sie in seinen Briefen an Engels mit einer Schärfe, die sich bis zur bittersten Ungerechtigkeit steigern konnte. Es erübrigt hier, in die unerfreulichen Einzelheiten einzugehen, die in dem Briefwechsel zwischen Marx und Engels nachgelesen werden können; genug, daß Marx diese Schriften, die seitdem Hunderttausenden von deutschen Arbeitern ein neues Leben geschenkt haben, als die Plagiate eines Sextaners abtat, wenn er sie las, oder wenn er sie nicht las, als Schülerpensa, mit deren Lesen sich nicht lohne, seine Zeit zu töten.

Nur ein flachköpfiges Pharisäertum kann darüber hinweggehen mit der albernen Redensart, als Lassalles Lehrer habe Marx so über Lassalle sprechen dürfen. Marx war kein Übermensch, und wollte selbst nicht mehr sein als ein Mensch, dem nichts Menschliches fremd war; gedankenlose Nachbeterei war gerade das, was er vertragen konnte! In seinem Sinne ehrt man ihn nicht minder, wenn man das Unrecht |315| das er getan hat, als wenn man das Unrecht sühnt, das ihm widerfahren ist. Und er selbst gewinnt mehr, wenn man seinem Verhältnis zu Lassalle mit unbefangener Kritik auf den Grund geht, als wenn man den buchstabengläubigen Nachbetern folgt, die, nach dem Lessingischen Vergleich, mit seinen Pantoffeln in der Hand, den von ihm gebahnten Weg daherschlendern.

Marx war der Lehrer Lassalles, und er war es auch wieder nicht. Unter einem bestimmten Gesichtspunkte hätte er von Lassalle sagen können, was Hegel auf seinem Sterbebett von seinen Schülern gesagt haben soll: Nur einer hat mich verstanden, und der eine hat mich mißverstanden. Lassalle war der unvergleichlich genialste Anhänger, den Marx und Engels gewonnen hatten, aber das A und O ihrer neuen Weltanschauung, den historischen Materialismus, hat er nie mit völliger Klarheit erfaßt. Er wurde in der Tat den »spekulativen Begriff« der Hegelschen Philosophie niemals los, und so sehr er die weltgeschichtliche Bedeutung des proletarischen Klassenkampfs begriff, so vollzog sich dies Begreifen doch erst in den idealistischen Denkformen, die in erster Reihe dem bürgerlichen Zeitalter eigentümlich waren, in den Denkformen der Philosophie und der Rechtswissenschaft.

Damit hing zusammen, daß er als Ökonom nicht entfernt an Marx heranreichte und dessen ökonomische Ansichten unzulänglich auffaßte oder auch ganz mißverstand. Marx selbst hat ihn darin gelegentlich zu milde, häufiger freilich zu scharf beurteilt. Wenn Marx in der Wiedergabe seiner Werttheorie durch Lassalle nur »bedeutende Mißverständnisse« fand, so könnte man eher sagen, daß Lassalle diese Theorie überhaupt nicht verstanden habe. Lassalle entnahm aus ihr nur das, was seiner rechtsphilosophischen Weltanschauung zusagte: den Nachweis, daß die allgemeine gesellschaftliche Arbeitszeit, die den Wert bildet, die gemeinsame Produktion der Gesellschaft notwendig mache, um dem Arbeiter den vollen Ertrag seiner Arbeit zu sichern. Für Marx aber war die von ihm entwickelte Werttheorie die Lösung aller Rätsel, die die kapitalistische Produktionsweise einschließt, ein Faden, woran sich die Wert- und Mehrwertbildung verfolgen ließ als ein weltgeschichtlicher Prozeß, der die kapitalistische in die sozialistische Gesellschaft umwälzen muß. Lassalle übersah den Unterschied zwischen der Arbeit, sofern sie in Gebrauchswerten, und der Arbeit, sofern sie in Tauschwerten resultiert, jene zwieschlächtige Natur der in den Waren enthaltenen Arbeit, die für Marx der Springpunkt war, um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie drehte. In diesem entscheidenden Punkte tat sich der tiefste Unterschied auf, der zwischen Lassalle und Marx bestand, |316| der Unterschied zwischen rechtsphilosophischer und ökonomisch-materialistischer Auffassung.

In anderen ökonomischen Fragen hat Marx allzu scharf über Lassalles Schwächen geurteilt, so namentlich über die ökonomischen Hauptpfeiler, auf die Lassalle seine Agitation stützte: das von ihm so getauft eherne Lohngesetz und die Produktivassoziationen mit Staatskredit. Marx meinte, jenes habe Lassalle den englischen Ökonomen Malthus und Ricardo, diese aber dem französischen katholischen Sozialisten Buchez entlehnt. Tatsächlich hat Lassalle beides dem »Kommunistischen Manifest« entnommen.

Aus der Bevölkerungstheorie des Malthus, wonach die Menschen sich immer schneller vermehren als die Nahrungsmittel, hatte Ricardo das Gesetz abgeleitet, wonach sich der durchschnittliche Arbeitslohn auf die in einem Volk gewohnheitsmäßig zur Fristung der Existenz und zu Fortpflanzung erforderliche Lebensnotdurft beschränke. Diese Begründung des Lohngesetzes durch ein angebliches Naturgesetz hat Lassalle niemals übernommen; er hat die Bevölkerungstheorie des Malthus ebenso scharf bekämpft wie Engels und Marx. Nur für die kapitalistische Gesellschaft, »unter den heutigen Verhältnissen, unter der Herrschaft von Angebot und Nachfrage nach Arbeit«, betonte er den »ehernen« Charakter des Lohngesetzes, und darin folgte er den Spuren des »Kommunistischen Manifestes«.

Erst drei Jahre nach Lassalles Tode hat Marx den elastischen Charakter des Lohngesetzes nachgewiesen, wie es sich auf dem Höhepunkt der kapitalistischen Gesellschaft gestaltet, indem es seine Grenze nach oben hin in dem Verwertungsbedürfnis des Kapitals findet und nach unten hin in dem Maße an Elend, das der Arbeiter ertragen kann, ohne den augenblicklichen Hungertod zu sterben. Innerhalb dieser Schranken wird die Lohnhöhe nicht durch die natürliche Bewegung der Bevölkerung bestimmt, sondern durch den Widerstand, den die Arbeiter der steten Tendenz des Kapitals, möglichst viel unbezahlte Arbeit au ihrer Arbeitskraft zu quetschen, entgegensetzen. Dadurch gewinnt die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterklasse für den proletarischen Emanzipationskampf eine ganz andere Bedeutung, als Lassalle ihr zuerkennen wollte.

Blieb Lassalle in diesem Punkt an ökonomischer Einsicht nur hinter Marx zurück, so verfiel er mit seinen Produktivassoziationen einem argen Mißverständnis. Er hat sie nicht von Buchez übernommen und sie auch nicht als Allheilmittel betrachtet, sondern als einen Anfang zu. Vergesellschaftung der Produktion, unter welchem Gesichtspunkt die |317| Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats und die Einrichtung von Nationalfabriken im »Kommunistischen Manifest« genannt werden. Hier neben einer Reihe anderer Maßregeln, von denen allen es heißt, daß sie »ökonomisch unzureichend und unhaltbar erscheinen, die aber im Lauf der Bewegung über sich selbst hinaustreiben und als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktionsweise unvermeidlich« [7] seien. Lassalle dagegen sah in seinen Produktivassoziationen »das organische, unaufhaltsam zu aller weiteren Entwicklung treibende und sie aus sich selbst entfaltende Senfkorn«. Dadurch verriet Lassalle allerdings eine »Infektion mit französischem Sozialismus«, indem er annahm, daß sich die Gesetze der Warenproduktion auf dem Boden der Warenproduktion beseitigen ließen.

Die ökonomischen Schwächen Lassalles, die hier nur in ein paar Hauptpunkten angedeutet werden konnten, waren wohl geeignet, Marx zu verstimmen. Was er längst ins reine gebracht hatte, war wieder ins ungewisse gestellt. Einige unwirsche Worte darüber waren durchaus begreiflich. Aber in seinem verständlichen Arger verkannte Marx doch, daß es im Grunde seine Politik war, die Lassalle trieb, trotz aller Mißgriffe in der Theorie. An das äußerste Ende einer einmal vorhandenen Bewegung anzuknüpfen, um sie so voranzutreiben, war die Praxis, die Marx selbst stets empfohlen und im Jahre 1848 auch befolgt hatte. Lassalle ließ sich durch die »unmittelbaren Zeitumstände« nicht mehr beherrschen, als es Marx in den Revolutionsjahren getan hatte. Wenn Lassalle als Sektenstifter allen natürlichen Zusammenhang mit der früheren Bewegung verleugnet haben sollte, so ist daran soviel richtig, daß Lassalle in seiner Agitation niemals den Kommunistenbund und das »Kommunistische Minifest« erwähnt hat. Aber in den mehreren hundert Nummern der »Neuen Rheinischen Zeitung« wird man ebenso erfolglos nach einer Erwähnung des Bundes und des »Manifestes« suchen.

Nach dem Tode beider Männer hat Engels die Taktik Lassalles zwar nur mittelbar, aber um so durchschlagender gerechtfertigt. Als sich in den Jahren 1886 und 1887 eine proletarische Massenbewegung in den Vereinigten Staaten zu begann, mit sehr konfusem Programm, schrieb Engels an den alten Freund Sorge: »Der erste große Schritt, worauf es in jedem neu in die Bewegung eintretenden Land ankommt, ist immer die Konstituierung der Arbeiter als selbständige politische Partei, einerlei wie, sobald es nur eine distinkte [Mehring übersetzt: besondere] Arbeiterpartei ist.« Wenn das erste Programm dieser Partei noch konfus und äußerst mangelhaft sei, so seien das |318| unvermeidliche, aber auch nur vorübergehende Übelstände. Ähnlich an andere Parteifreunde in Amerika. Die marxistische Theorie sei kein alleinseligmachendes Dogma, sondern die Darstellung eines Entwicklungsprozesses; man solle die unvermeidliche Konfusion des ersten Aufmarsches nicht noch schlimmer machen, indem man die Leute zwänge, Sachen hinabzuwürgen, die sie augenblicklich noch nicht begreifen könnten, aber bald lernen würden.

Dabei berief sich Engels auf das Vorbild, das er und Marx in den Revolutionsjahren gegeben hätten. »Als wir im Frühling 1848 nach Deutschland zurückkehrten, haben wir uns der demokratischen Partei angeschlossen als einzige Möglichkeit, das Ohr der Arbeiterklasse zu gewinnen; wir waren der fortgeschrittenste Flügel der Partei, aber immerhin ihr Flügel.« Und wie die »Neue Rheinische Zeitung« von dem »Kommunistischen Manifest« geschwiegen hatte, so warnte Engels, es in die amerikanische Bewegung zu werfen; das »Manifest« wie fast alle kleineren Sachen von Marx und ihm seien für Amerika noch viel zu schwer verständlich; die dortigen Arbeiter kämen erst in die Bewegung hinein, seien noch ganz roh, namentlich theoretisch enorm zurück; »es muß da der Hebel unmittelbar an die Praxis angesetzt werden, und dazu ist eine ganz neue Literatur nötig ... Sind die Leute erst einigermaßen auf der richtigen Bahn, dann wird das ›Manifest‹ seine Wirkung nicht verfehlen, jetzt würde es nur bei wenigen wirken.« Und als Sorge einwandte, wie tief das »Manifest« bei seinem Erscheinen auf ihn schon als Knaben gewirkt habe, erwiderte Engels: »Ihr waret vor 40 Jahren Deutsche mit deutschem theoretischem Sinn und deshalb wirkte das ›Manifest‹ damals, während es, obwohl französisch, englisch, flämisch, dänisch usw. übersetzt, bei den anderen Völkern absolut wirkungslos blieb.« Von diesem theoretischen Sinn war 1863, nach den langen Jahren bleierner Unterdrückung, in der deutschen Arbeiterklasse wenig mehr übrig; auch sie bedurfte einer langen Erziehung, um das »Manifest« wieder zu verstehen.

In dem aber, was Engels, unter steter und vollkommen zutreffend Berufung auf Marx, als die »Hauptsache« einer neu beginnenden Arbeiterbewegung bezeichnete, war Lassalles Agitation untadelhaft. Wenn er als Ökonom weit hinter Marx zurückstand, so war er ihm als Revolutionär durchaus ebenbürtig, es sei denn, man wolle tadeln, daß in ihm das rastlose Ungestüm der revolutionären Tatkraft die unermüdliche Geduld des wissenschaftlichen Forschers überwog. Alle seine Schriften - mit einziger Ausnahme des »Heraklit« - waren auf unmittelbare praktische Wirksamkeit berechnet.

|319| So baute er seine Agitation auf der breiten und festen Grundlage des Klassenkampfs auf und steckte ihr als unverrückbares Ziel die Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse. Er schrieb der Bewegung auch keineswegs, wie Marx ihm vorwarf, nach einem gewissen doktrinären Rezept ihren Verlauf vor, sondern knüpfte an die »wirklichen Elemente« an, die schon von selbst eine Bewegung unter den deutschen Arbeitern hervorgerufen hatten: das allgemeine Stimmrecht und die Assoziationsfrage. Das allgemeine Stimmrecht hat Lassalle als Hebel des proletarischen Klassenkampfs viel richtiger eingeschätzt als es, wenigstens zu seiner Zeit, Marx und Engels taten, und was sich sonst immer gegen seine Produktivassoziationen mit Staatskredit einwenden ließ, so beruhten sie doch auf dem richtigen Grundgedanken, daß - um einige Worte zu zitieren, die Marx selbst einige Jahre später geäußert hat - »die Kooperativarbeit, um die arbeitenden Massen zu retten, zu nationalen Dimensionen anwachsen und folgerichtig durch Staatsmittel gefördert werden müsse«.[8] Als »Sektenstifter« konnte Lassalle höchstens äußerlich erscheinen durch die mitunter überschwängliche Verehrung, die ihm seine Anhänger entgegenbrachten, aber daran trug er wenigstens nicht die eigentliche und ursprüngliche Schuld. Er hat sich Mühe gegeben zu vermeiden, daß »die Bewegung vor Schafsköpfen die Gestalt einer bloßen Person annehme«; er hat nicht nur Marx und Engels, sondern auch Bucher und Rodbertus und manchen anderen noch für seine Agitation zu werben gesucht; wenn er dennoch keinen geistig ebenbürtigen Gefährten gewann, so war es natürlich, daß die Dankbarkeit der Arbeiter die nicht immer geschmackvollen Formen eines Personenkultus annahm. Sein Licht unter den Scheffel zu stellen, war er freilich der Mann auch nicht; die Selbstverleugnung, womit Marx seine Person immer hinter die Sache zurücktreten ließ, hat Lassalle nicht besessen.

Dann ist noch ein entscheidender Gesichtspunkt zu erwägen: der scheinbar heftige Kampf der liberalen Bourgeoisie mit der preußischen Regierung, aus dem heraus sich die Agitation Lassalles entwickelte. Seit dem Jahre 1859 hatten Marx und Engels den deutschen Dingen ihre erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt, aber wie ihre Briefe bis zum Jahre 1866 in mannigfacher Weise zeigen, doch nicht die richtige Fühlung mit ihnen gewonnen. Trotz ihrer Erfahrungen aus den Revolutionsjahren rechneten sie immer noch mit der Möglichkeit einer bürgerlichen und sogar militärischen Revolution, und wie sie die deutsche Bourgeoisie überschätzten, so unterschätzten sie die großpreußische Politik. Sie haben niemals die Eindrücke ihrer Jugend überwunden, wo ihre rheinische |320| Heimat in dem stolzen Bewußtsein moderner Kultur verächtlich auf die altpreußischen Stammprovinzen herabsah, und je mehr sich ihre Hauptaufmerksamkeit auf die zarischen Weltherrschaftspläne richtete, um so mehr sahen sie in dem preußischen Staat schlechthin nur ein russisches Paschalik. In Bismarck waren sie selbst geneigt, nur das Werkzeug eines russischen Werkzeugs zu erblicken, jenes »geheimnisvollen Mannes in den Tuilerien«, von dem sie schon 1859 gesagt hatten, daß er nur nach der Pfeife der russischen Diplomatie tanze; der Gedanke, daß die großpreußische Politik bei aller sonstigen Anfechtbarkeit zu Ergebnissen führen könne, die in Paris wie Petersburg gleich unangenehm überraschten, lag ihnen vollkommen fern. Hielten sie aber eine bürgerliche Revolution in Deutschland noch für möglich, so mußte ihnen Lassalles Schilderhebung als durchaus unzeitig erscheinen, und wenn sie anders richtig geurteilt hätten, so hätte ihnen niemand bereitwilliger zugestimmt als Lassalle.

Aber er sah die Dinge aus der Nähe und beurteilte sie treffender. Er ging gerade davon aus und siegte auch in diesem Zeichen, daß die Philisterbewegung der fortschrittlichen Bourgeoisie niemals zu etwas führen könne, »und wenn wir Jahrhunderte, und wenn wir durch ganze geologische Erdperioden warten wollten«. Fiel aber die Möglichkeit einer bürgerlichen Revolution fort, so sah Lassalle voraus, daß die nationale Einigung Deutschlands, soweit sie dann überhaupt noch möglich war, das Werk einer dynastischen Umwälzung sein würde, in der nach seiner Ansicht die neue Arbeiterpartei als treibender Keil wirken sollte. Allerdings, wenn er selbst schon in seinen Verhandlungen mit Bismarck die großpreußische Politik aufs Glatteis zu locken versuchte, so überschritt er, ohne schon ein Prinzip zu verletzen, doch die Gebote des politischen Takts, woran Marx und Engels gerechten Anstoß nehmen konnten und nahmen.

Was sie in den Jahren 1863 und 1864 von Lassalle trennte, waren im letzten Grunde wie im Jahre 1859, »gegensätzliche Urteile über tatsächliche Voraussetzungen«, womit der Schein persönlicher Gehässigkeit entfällt, der den harten Urteilen anhaftet, die Marx gerade in dieser Zeit über Lassalle gefällt hat. Aber überwunden hat Marx doch niemals völlig seine Vorurteile gegen den Mann, den die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie immer in dem gleichen Atem mit ihm und Engels nennen wird. Selbst die versöhnende Macht des Todes hat hier nicht dauernd gewirkt.

Durch Freiligrath erhielt Marx die Nachricht vom Tode Lassalles und telegraphierte sie am 3. September 1864 an Engels, der am nächsten |321| Tage antwortete: »Du kannst Dir denken, wie mich die Nachricht überraschte. Lassalle mag sonst gewesen sein, persönlich, literarisch, wissenschaftlich, wer er war, aber politisch war er sicher einer der bedeutendsten Kerle in Deutschland. Er war für uns gegenwärtig ein sehr unsichrer Freund, zukünftig ein ziemlich sichrer Feind, aber einerlei, es trifft einen doch hart an, wenn man sieht, wie Deutschland alle einigermaßen tüchtigen Leute der extremen Partei kaputt macht. Welcher Jubel wird unter den Fabrikanten und unter den Fortschrittsschweinhunden herrschen, L[assalle] war doch der einzige Kerl in Deutschland selbst, vor dem sie Angst hatten.«

Marx ließ einige Tage verstreichen, ehe er am 7. September schrieb: »Das Unglück des L[assalle] ist mir dieser Tage verdammt durch den Kopf gegangen. Er war doch noch immer einer von der vieille souche [Mehring übersetzt: alten Garde] und der Feind unsrer Feinde ... With all that [Mehring übersetzt: Bei alledem] tut's mir leid, daß in den letzten Jahren das Verhältnis getrübt war, allerdings durch seine Schuld. Andrerseits ist's mir sehr lieb, daß ich den Anreizungen von verschiednen Seiten widerstand und ihn nie während seines ›Jubeljahrs‹ angegriffen habe. Der Teufel mag wissen, der Haufen wird immer kleiner, neu kommt nicht's zu.« An die Gräfin Hatzfeld schrieb Marx tröstend: »Er starb jung - im Kampfe - als Achilles.« Als bald nachher der Schwätzer Blind sich auf Lassalles Unkosten wichtig machen wollte, fertigte ihn Marx mit den derben Worten ab: »Es liegt mir durchaus fern, einen Mann wie Lassalle und die wirkliche Tendenz seiner Agitation einem grotesken Clown, hinter dem nichts steht als sein eigener Schatten, verständlich machen zu wollen. Ich bin im Gegenteil überzeugt, daß Herr Karl Blind nur seinen von Natur ihm auferlegten Beruf erfüllt, wenn er nach dem toten Löwen tritt.« Und noch einige Jahre später hat Marx in einem Briefe an Schweitzer das »unsterbliche Verdienst Lassalles« anerkannt, nach fünfzehnjährigem Schlummer die deutsche Arbeiterbewegung wieder wachgerufen zu haben, trotz »großer Fehler«, die er in seiner Agitation begangen habe.

Aber es kamen dann auch wieder Tage, wo Marx über den toten Lassalle noch bitterer und ungerechter urteilte als nur je über den lebenden. So bleibt ein peinlicher Rest, der sich erst löst in dem erhebenden Gedanken, daß die moderne Arbeiterbewegung viel zu gewaltig ist, als daß auch der gewaltigste Kopf sie erschöpfen könnte.


[1] Friedrich Engels: Po und Rhein, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 13, S. 225-268. <=

[2] Friedrich Engels: Savoyen, Nizza und der Rhein, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 13, S. 571-612. <=

[3] Karl Marx: Herr Vogt, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 14, S. 381-686. <=

[4] Karl Marx: Herr Vogt, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 14, S. 390. <=

[5] Karl Marx: Das Kapital, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 23, S. 15. <=

[6] Karl Marx: Das Kapital, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 23. <=

[7] Karl Marx/Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 4, S. 481. <=

[8] Mehring zitiert hier nicht die Marxsche Übersetzung, die am 21. und 30. Dezember 1864 im »Social-Demokrat« veröffentlicht worden war und auch den neueren Ausgaben zugrunde gelegt ist, sondern benutzt die Übersetzung, die Wilhelm Eichoff in seinem 1868 erschienenen Buch »Die Internationale Arbeiterassoziation« veröffentlichte, nachdem er sie von Marx hat autorisieren lassen. In der »Inauguraladresse« lautet das Zitat: »Um die arbeitenden Massen zu befreien, bedarf das Kooperativsystem der Entwicklung auf nationaler Stufenleiter und der Förderung durch nationale Mittel.« Karl Marx: Die Inauguraladresse der Internationalen Arbeiterassoziation, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 16, S. 12. <=


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