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Gedruckt nachzulesen in: Wladimir Iljitsch Lenin: Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED.
Band 22, 3. Auflage, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 189-309.
Erstellt am 20.02.1999.
2. Korrektur 29.10.2000

Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus

Vorwort

|191| Die Schrift, die ich hiermit dem Leser vorlege, ist im Frühjahr 1916 in Zürich verfaßt worden. Bei den dortigen Arbeitsbedingungen litt ich natürlich unter einem gewissen Mangel an französischer und englischer und einem sehr großen Mangel an russischer Literatur. Das englische Hauptwerk über den Imperialismus, das Buch von J. A. Hobson, habe ich jedoch mit der Aufmerksamkeit verwertet, die diese Arbeit meiner Überzeugung nach verdient.

Die Schrift ist im Hinblick auf die zaristische Zensur abgefaßt. Aus diesem Grunde war ich nicht nur genötigt, mich strengstens auf die ausschließlich theoretische - insbesondere die ökonomische - Analyse zu beschränken, sondern auch die wenigen notwendigen Bemerkungen über die Politik mit größter Vorsicht zu formulieren, Andeutungen zu machen, mich der äsopischen Sprache zu bedienen, der verfluchten äsopischen Sprache, zu welcher der Zarismus alle Revolutionäre zwang, sobald sie die Feder in die Hand nahmen, um ein "legales" Werk zu schreiben.

Es fällt schwer, jetzt, in den Tagen der Freiheit, diese durch die Rücksicht auf die zaristische Zensur entstellten, zusammengequetschten, in einen eisernen Schraubstock gepreßten Stellen der Broschüre wieder zu lesen. Daß der Imperialismus der Vorabend der sozialistischen Revolution ist, daß der Sozialchauvinismus (Sozialismus in Worten, Chauvinismus in Taten) gleichbedeutend ist mit dem völligen Verrat am Sozialismus, mit dem vollständigen Übergang auf die Seite der Bourgeoisie, daß diese Spaltung der Arbeiterbewegung im Zusammenhang steht mit den objektiven Bedingungen des Imperialismus u.dgl.m. - darüber mußte ich in einer "Sklaven"sprache reden, und so bin ich genötigt, den Leser, der |192| sich für die Frage interessiert, auf den bald erscheinenden Neudruck meiner im Ausland geschriebenen Artikel aus den Jahren 1914-1917 zu verweisen. Es sei besonders eine Stelle auf den Seiten 119/120 |siehe Seite 303| hervorgehoben: Um in zensurfähiger Form dem Leser klarzumachen, wie schamlos die Kapitalisten und die auf ihre Seite übergegangenen Sozialchauvinisten (gegen die Kautsky so inkonsequent kämpft) in der Frage der Annexionen lügen, wie schamlos sie die Annexionen ihrer Kapitalisten bemänteln, war ich gezwungen als Beispiel Japan zu wählen! Der aufmerksame Leser wird mit Leichtigkeit an Stelle Japans Rußland setzen und an Stelle Koreas Finnland, Polen, Kurland, die Ukraine, Chiwa, Buchara, Estland und die anderen nicht von Großrussen besiedelten Gebiete.

Ich möchte hoffen, daß meine Schrift dazu beitragen wird, sich in der ökonomischen Grundfrage zurechtzufinden, ohne deren Studium man nicht im geringsten verstehen kann, wie der jetzige Krieg und die jetzige Politik einzuschätzen sind, nämlich in der Frage nach dem ökonomischen Wesen des Imperialismus.

Der Verfasser

Petrograd, 26, April 1917




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