MLWerke | Marx/Engels

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 1. Berlin/DDR. 1976. S. 203-333.
1,5. Korrektur
Erstellt am 30.08.1999

Karl Marx

Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Kritik des Hegelschen Staatsrechts

Teil 1 - Teil 2 - Teil 3 - Teil 4 - Teil 5


|263| Der Eingang des Zusatzes lautet:

»Die zwei Seiten der Verfassung beziehen sich auf die Rechte und Leistungen der Individuen. Was nun die Leistungen betrifft, so reduzieren sie sich jetzt fast alle auf Geld. Die Militärpflicht ist jetzt fast nur die einzige persönliche Leistung.«

§ 300. »In der gesetzgebenden Gewalt als Totalität sind zunächst die zwei andern Momente wirksam, das monarchische, als dem die höchste Entscheidung zukommt -, die Regierungsgewalt als das mit der konkreten Kenntnis und Übersicht des Ganzen in seinen vielfachen Seiten und den darin festgewordenen wirklichen Grundsätzen sowie mit der Kenntnis der Bedürfnisse der Staatsgewalt insbesondere, beratende Moment -, endlich das ständische Element.«

Die monarchische Gewalt und die Regierungsgewalt sind ... gesetzgebende Gewalt. Wenn aber die gesetzgebende Gewalt die Totalität ist, müßten vielmehr monarchische Gewalt und Regierungsgewalt Momente der gesetzgebenden Gewalt sein. Das hinzutretende ständische Element ist nur gesetzgebende Gewalt oder die gesetzgebende Gewalt im Unterschied zu der monarchischen und Regierungsgewalt.

§ 301. »Das ständische Element hat die Bestimmung, daß die allgemeine Angelegenheit nicht nur an sich, sondern auch für sich, d. i. daß das Moment der subjektiven formellen Freiheit, das öffentliche Bewußtsein als empirische Allgemeinheit der Ansichten und Gedanken der Vielen, darin zur Existenz komme.«

Das ständische Element ist eine Deputation der bürgerlichen Gesellschaft an den Staat, dem sie als die »Vielen« gegenüberstehn. Die Vielen sollen einen Augenblick die allgemeinen Angelegenheiten mit Bewußtsein als ihre eigenen behandeln, als Gegenstände des öffentlichen Bewußtseins, welches nach Hegel nichts ist als die »empirische Allgemeinheit der Ansichten und Gedanken der Vielen« (und in Wahrheit ist es in den modernen, auch den konstitutionellen, Monarchien nichts anders). Es ist bezeichnend, daß Hegel, der so großen Respekt vor dem Staatsgeist, dem sittlichen Geist, dem Staatsbewußtsein hat, es da, wo es ihm in wirklicher empirischer Gestalt gegenübertritt, förmlich verachtet.

Dies ist das Rätsel des Mystizismus. Dieselbe phantastische Abstraktion, die das Staatsbewußtsein in der unangemeßnen Form der Bürokratie, einer Hierarchie des Wissens, wiederfindet und diese unangemeßne Existenz unkritisch für die wirkliche Existenz hinnimmt als vollgültig, dieselbe mystische Abstraktion gesteht ebenso unbefangen, daß der wirkliche empirische Staatsgeist, das öffentliche Bewußtsein, ein bloßes Potpourri von »Gedanken und Ansichten der Vielen« sei. Wie sie der Bürokratie ein fremdes Wesen unterschiebt, so läßt sie dem wahren Wesen die unangemeßne Form der Erscheinung. Hegel idealisiert die Bürokratie und empirisiert das öffentliche |264| Bewußtsein. Hegel kann das wirkliche öffentliche Bewußtsein sehr à part behandeln, eben weil er das à part Bewußtsein als das öffentliche behandelt hat. Er braucht sich um so weniger um die wirkliche Existenz des Staatsgeistes zu kümmern, als er schon in seinen soi-disant |sogenannten|Existenzen ihn gehörig realisiert zu haben meint. Solange der Staatsgeist mystisch im Vorhof spukte, wurden ihm viel Reverenzen gemacht. Hier, wo wir ihn [in] persona gehascht, wird er kaum angesehn.

»Das ständische Element hat die Bestimmung, daß die allgemeine Angelegenheit nicht nur an sich, sondern auch für sich darin zur Existenz komme.« Und zwar kommt sie für sich zur Existenz als das »öffentliche Bewußtsein«, als »empirische Allgemeinheit der Ansichten und Gedanken der Vielen«.

Das Subjektwerden der »allgemeinen Angelegenheit«, die auf diese Weise verselbständigt wird, wird hier als ein Moment des Lebensprozesses der »allgemeinen Angelegenheit« dargestellt. Statt daß die Subjekte sich in der »allgemeinen Angelegenheit« vergegenständlichten, läßt Hegel die »allgemeine Angelegenheit« zum »Subjekt« kommen. Die Subjekte bedürfen nicht der »allgemeinen Angelegenheit« als ihrer wahren Angelegenheit, sondern die allgemeine Angelegenheit bedarf der Subjekte zu ihrer formellen Existenz. Es ist eine Angelegenheit der »allgemeinen Angelegenheit«, daß sie auch als Subjekt existiere.

Es ist hier besonders der Unterschied zwischen dem »Ansichsein« und dem »Fürsichsein« der allgemeinen Angelegenheit ins Auge zu fassen.

Die »allgemeine Angelegenheit« existiert schon »an sich« als das Geschäft der Regierung etc.; sie existiert, ohne wirklich die allgemeine Angelegenheit zu sein; sie ist nichts weniger als dies, denn sie ist nicht die Angelegenheit der »bürgerlichen Gesellschaft«. Sie hat schon ihre wesentliche an sich seiende Existenz gefunden. Daß sie nun auch wirklich »öffentliches Bewußtsein«, »empirische Allgemeinheit« wird, ist rein formell und kommt gleichsam nur symbolisch zur Wirklichkeit. Die »formelle« Existenz oder die »empirische« Existenz der allgemeinen Angelegenheit ist getrennt von ihrer substantiellen Existenz. Die Wahrheit davon ist: Die an sich seiende »allgemeine Angelegenheit« ist nicht wirklich allgemein, und die wirkliche empirische allgemeine Angelegenheit ist nur formell.

Hegel trennt Inhalt und Form, Ansichsein und Fürsichsein und läßt das letztere als ein formelles Moment äußerlich hinzutreten. Der Inhalt ist fertig und existiert in vielen Formen, die nicht die Formen dieses Inhaltes sind; |265| wogegen es sich von selbst versteht daß die Form, die nun für die wirkliche Form des Inhalts gelten soll, nicht den wirklichen Inhalt zu ihrem Inhalt hat.

Die allgemeine Angelegenheit ist fertig, ohne daß sie wirkliche Angelegenheit des Volks wäre. Die wirkliche Volkssache ist ohne Tun des Volks zustande gekommen. Das ständische Element ist die illusorische Existenz der Staatsangelegenheiten als einer Volkssache. Die Illusion, daß die allgemeine Angelegenheit allgemeine Angelegenheit, öffentliche Angelegenheit sei, oder die Illusion, daß die Sache des Volks allgemeine Angelegenheit sei. So weit ist es sowohl in unseren Staaten als in der Hegelschen Rechtsphilosophie gekommen, daß der tautologische Satz: »Die allgemeine Angelegenheit ist die allgemeine Angelegenheit«, nur als eine Illusion des praktischen Bewußtseins erscheinen kann. Das ständische Element ist die politische Illusion der bürgerlichen Gesellschaft. Die subjektive Freiheit erscheint bei Hegel als formelle Freiheit (es ist allerdings wichtig, daß das Freie auch frei getan werde daß die Freiheit nicht als bewußtloser Naturinstinkt der Gesellschaft herrsche) eben weil er die objektive Freiheit nicht als Verwirklichung, als Bestätigung der subjektiven hingestellt hat. Weil er dem präsumtiven oder wirklichen Inhalt der Freiheit einen mystischen Träger gegeben hat, so bekommt das wirkliche Subjekt der Freiheit eine formelle Bedeutung.

Die Trennung des Ansichs und des Fürsichs, der Substanz und des Subjekts ist abstrakter Mystizismus.

Hegel setzt in der Anmerkung das »ständische Element« recht sehr als ein »Formelles«, » Illusorisches« auseinander.

Sowohl das Wissen als der Wille des »ständischen Elementes« sind teils unbedeutend, teils verdächtig; d.h., das ständische Element ist kein inhaltsvolles Komplement.

»Die Vorstellung, die das gewöhnliche Bewußtsein über die Notwendigkeit oder Nützlichkeit der Konkurrenz von Ständen zunächst vor sich zu haben pflegt, ist vornehmlich etwa, daß die Abgeordneten aus dem Volk oder gar das Volk es am besten verstehen müsse, was zu seinem Besten diene, und daß es den ungezweifelt besten Willen für dieses Beste habe. Was das erstere betrifft, so ist vielmehr der Fall, daß das Volk, insofern mit diesem Worte ein besonderer Teil der Mitglieder eines Staats bezeichnet ist, den Teil ausdrückt, der nicht weiß, was er will. Zu wissen, was man will, und noch mehr, was der an und für sich seiende Wille, die Vernunft, will, ist die Frucht tiefer Erkenntnis« (die wohl in den Büros steckt) »und Einsicht. welche eben nicht die Sache des Volks ist.«

Mehr unten heißt es in bezug auf die Stände selbst:

»Die höchsten Staatsbeamten haben notwendig tiefere und umfassendere Einsicht in die Natur der Einrichtungen und Bedürfnisse des Staats sowie die größere |266| Geschicklichkeit und Gewohnheit dieser Geschäfte und können ohne Stände das Beste tun, wie sie auch fortwährend bei den ständischen Versammlungen das Beste tun müssen.«

Und es versteht sich, daß bei der von Hegel beschriebnen Organisation dies vollständig wahr ist.

2. »Was aber den vorzüglich guten Willen der Stände für das allgemeine Beste betrifft, so ist schon oben [...] bemerkt worden, daß es zu der Ansicht des Pöbels, dem Standpunkte des Negativen überhaupt gehört, bei der Regierung einen bösen oder weniger guten Willen vorauszusetzen; - eine Voraussetzung, die zunächst, wenn in gleicher Form geantwortet werden sollte, die Rekrimination zur Folge hätte, daß die Stände, da sie von der Einzelnheit, dem Privatstandpunkt und den besonderen Interessen herkommen, für diese auf Kosten des allgemeinen Interesses ihre Wirksamkeit zu gebrauchen geneigt seien, dahingegen die anderen Momente der Staatsgewalt schon für sich auf den Standpunkt des Staates gestellt und dem allgemeinen Zwecke gewidmet sind.«

Also Wissen und Willen der Stände sind teils überflüssig, teils verdächtig. Das Volk weiß nicht, was es will. Die Stände besitzen nicht die Staatswissenschaft im Maße der Beamten, deren Monopol sie ist. Die Stände sind überflüssig zum Vollbringen der »allgemeinen Angelegenheit«. Die Beamten können sie ohne Stände vollbringen, ja sie müssen trotz der Stände das Beste tun. Was also den Inhalt betrifft, so sind die Stände reiner Luxus. Ihr Dasein ist daher im wörtlichsten Sinne eine bloße Form.

Was ferner die Gesinnung, den Willen der Stände betrifft, so ist er verdächtig, denn sie kommen vom Privatstandpunkt und den Privatinteressen her. In Wahrheit ist das Privatinteresse ihre allgemeine Angelegenheit und nicht die allgemeine Angelegenheit ihr Privatinteresse. Aber welche Manier der »allgemeinen Angelegenheit«, Form zu gewinnen als allgemeine Angelegenheit in einem Willen, der nicht weiß, was er will, wenigstens nicht ein besondres Wissen des Allgemeinen besitzt, und in einem Willen, dessen eigentlicher Inhalt ein entgegenstehendes Interesse ist!

In den modernen Staaten, wie in Hegels Rechtsphilosophie, ist die bewußte, die wahre Wirklichkeit der allgemeinen Angelegenheit nur formell, oder nur das Formelle ist wirkliche allgemeine Angelegenheit.

Hegel ist nicht zu tadeln, weil er das Wesen des modernen Staats schildert, wie es ist, sondern weil er das, was ist, für das Wesen des Staats ausgibt. Daß das Vernünftige wirklich ist, beweist sich eben im Widerspruch der unvernünftigen Wirklichkeit, die an allen Ecken das Gegenteil von dem ist, was sie aussagt, und das Gegenteil von dem aussagt, was sie ist.

Statt daß Hegel zeigte, wie die »allgemeine Angelegenheit« für sich |267| »subjektiv, daher wirklich als solche existiere«, daß sie auch die Form der allgemeinen Angelegenheit hat, zeigt er nur, daß die Formlosigkeit ihre Subjektivität ist, und eine Form ohne Inhalt muß formlos sein. Die Form, welche die allgemeine Angelegenheit in einem Staat gewinnt, der nicht der Staat der allgemeinen Angelegenheit ist, kann nur eine Unform, eine sich selbst täuschende, eine sich selbst widersprechende Form Sein, eine Scheinform, die sich als dieser Schein ausweisen wird.

Hegel will den Luxus des ständischen Elements nur der Logik zulieb. Das Fürsichsein der allgemeinen Angelegenheit als empirische Allgemeinheit soll ein Dasein haben. Hegel sucht nicht nach einer adäquaten Verwirklichung des »Fürsichseins der allgemeinen Angelegenheit«, er begnügt sich, eine empirische Existenz zu finden, die in diese logische Kategorie aufgelöst werden kann,. das ist dann das ständische Element: wobei er nicht verfehlt, selbst anzumerken, wie erbärmlich und widerspruchsvoll diese Existenz ist. Und dann wirft er noch dem gewöhnlichen Bewußtsein vor, daß es sich mit dieser logischen Satisfaktion nicht begnügt, daß es sich nicht die Wirklichkeit durch willkürliche Abstraktion in Logik aufgelöst, sondern die Logik in wahre Gegenständlichkeit verwandelt sehn will.

Ich sage: willkürliche Abstraktion. Denn da die Regierungsgewalt die allgemeine Angelegenheit will, weiß, verwirklicht, aus dem Volk hervorgeht und eine empirische Vielheit ist (daß es sich nicht um Allheit handelt, belehrt uns Hegel ja selbst), warum sollte die Regierungsgewalt nicht als das »Fürsichsein der allgemeinen Angelegenheit« bestimmt werden können? Oder warum nicht die ,Stände« als ihr Ansichsein, da die Sache erst in der Regierung Licht und Bestimmtheit und Ausführung und Selbständigkeit gewinnt;|

Aber der wahre Gegensatz ist: »Die allgemeine Angelegenheit« muß doch irgendwo im Staat als »wirkliche«, also »empirische allgemeine Angelegenheit« repräsentiert sein; sie muß irgendwo in der Krone und dem Talar des Allgemeinen erscheinen, wodurch es von selbst zu einer Rolle, einer Illusion wird.

Es handelt sich hier um den Gegensatz des »Allgemeinen« als »Form«, in der »Form der Allgemeinheit«, und des »Allgemeinen als Inhalt«.

Z.B. in der Wissenschaft kann ein »Einzelner« die allgemeine Angelegenheit vollbringen, und es sind immer Einzelne, die sie vollbringen. Aber wirklich allgemein wird sie erst, wenn sie nicht mehr die Sache des Einzelnen, sondern die der Gesellschaft ist. Das verändert nicht nur die Form, sondern auch den Inhalt. Hier aber handelt es sich um den Staat, wo das Volk selbst die allgemeine Angelegenheit ist; hier handelt es sich um den |268| Willen, der sein wahres Dasein als Gattungswille nur im selbstbewußten Willen des Volkes hat. Und hier handelt es sich überdem von der Idee des Staats.

Der moderne Staat, in dem die »allgemeine Angelegenheit« wie die Beschäftigung mit derselben ein Monopol ist und dagegen die Monopole die wirklichen allgemeinen Angelegenheiten sind, hat die sonderbare Erfindung gemacht, die »allgemeine Angelegenheit« als eine bloße Form sich anzueignen. (Das Wahre ist, daß nur die Form allgemeine Angelegenheit ist.) Er hat damit die entsprechende Form für seinen Inhalt gefunden, der nur scheinbar die wirkliche allgemeine Angelegenheit ist.

Der konstitutionelle Staat ist der Staat, in dem das Staatsinteresse als wirkliches Interesse des Volkes nur formell, aber als eine bestimmte Form neben dem wirklichen Staat vorhanden ist; das Staatsinteresse hat hier formell wieder Wirklichkeit erhalten als Volksinteresse, aber es soll auch nur diese formelle Wirklichkeit haben. Es ist zu einer Formalität, zu dem haut goût |der Würze| des Volkslebens geworden, eine Zeremonie. Das ständische Element ist die sanktionierte, gesetzliche Lüge der konstitutionellen Staaten, daß der Staat das Interesse des Volks oder daß das Volk das Staatsinteresse ist. Im Inhalt wird sich diese Lüge enthüllen. Als gesetzgebende Gewalt hat sie sich etabliert, eben weil die gesetzgebende Gewalt das Allgemeine zu ihrem Inhalt hat, mehr Sache des Wissens als des Willens, die metaphysische Staatsgewalt ist, während dieselbe Lüge als Regierungsgewalt etc. entweder sich sofort auflösen oder in eine Wahrheit verwandeln müßte. Die metaphysische Staatsgewalt war der geeignetste Sitz der metaphysischen, allgemeinen Staatsillusion.

»Die Gewährleistung, die für das allgemeine Beste und die öffentliche Freiheit in den Ständen liegt, findet sich bei einigem Nachdenken nicht in der besonderen Einsicht derselben [...] sondern sie liegt teils wohl in einer Zutat (!!) von Einsicht der Abgeordneten, vornehmlich in das Treiben der den Augen der höheren Stellen ferner stehenden Beamten, und insbesondere in dringendere und speziellere Bedürfnisse und Mängel, die [sie] in konkreter Anschauung vor sich haben, teils aber in derjenigen Wirkung, welche die zu erwartende Zensur Vieler und zwar eine öffentliche Zensur mit sich führt, schon im voraus die beste Einsicht auf die Geschäfte und vorzulegenden Entwürfe zu verwenden und sie nur den reinsten Motiven gemäß einzurichten - eine Nötigung, die ebenso für die Mitglieder der Stände selbst wirksam ist.«

»Was hiermit die Garantie überhaupt betrifft, welche besonders in den Ständen liegen soll, so teilt auch jede andere der Staatsinstitutionen dies mit ihnen, eine Garantie des öffentlichen Wohls und der vernünftigen Freiheit zu sein, und es |269| gibt darunter Institutionen, wie die Souveränität des Monarchen, die Erblichkeit der Thronfolge, Gerichtsverfassung usf., in welchen diese Garantie noch in viel stärkerem Grade liegt. Die eigentümliche Begriffsbestimmung der Stände ist deshalb darin zu suchen, daß in ihnen das subjektive Moment der allgemeinen Freiheit, die eigene Einsicht und der eigene Wille der Sphäre, die in dieser Darstellung bürgerliche Gesellschaft genannt worden ist, in Beziehung auf den Staat zur Existenz kommt. D ß dies Moment eine Bestimmung der zur Totalität entwickelten Idee ist, diese innere Notwendigkeit, welche nicht mit äußeren Notwendigkeiten und Nützlichkeiten zu verwechseln ist, folgt, wie überall, aus dem philosophischen Gesichtspunkt.«

Die öffentliche, allgemeine Freiheit ist in den andern Staatsinstitutionen angeblich garantiert; die Stände sind ihre angebliche Selbstgarantierung. Daß das Volk auf die Stände, in denen es selbst sich zu versichern glaubt, mehr Gewicht legt als auf die Institutionen, die ohne sein Tun die Assekuranzen seiner Freiheit sein soll[en], Bestätigungen seiner Freiheit, ohne Betätigungen seiner Freiheit zu sein. Die Koordination, welche Hegel den Ständen neben den andern Institutionen anweist, widerspricht ihrem Wesen.

Hegel löst das Rätsel, wenn er die »eigentümliche Begriffsbestimmung der Stände« darin findet, daß in ihnen »die eigene Einsicht und der eigene Wille der bürgerlichen Gesellschaft in Beziehung auf den Staat zur Existenz kommt«. Es ist die Reflexion der bürgerlichen Gesellschaft auf den Staat. Wie die Bürokraten Abgeordnete des Staats an die bürgerliche Gesellschaft, so sind die Stände Abgeordnete der bürgerlichen Gesellschaft an den Staat. Es sind also immer Transaktionen zweier gegensätzlicher Willen.

Im Zusatz zu diesem Paragraphen heißt es:

»Die Stellung der Regierung zu den Ständen soll keine wesentlich feindliche sein, und der Glaube an die Notwendigkeit dieses feindseligen Verhältnisses ist ein trauriger Irrtum«,

ist eine »traurige Wahrheit«.

»Die Regierung ist keine Partei, der eine andere gegenübersteht.«

Umgekehrt.

»Die Steuern, die die Stände bewilligen, sind ferner nicht wie ein Geschenk anzusehen, das dem Staate gegeben wird, sondern sie werden zum Besten der Bewilligenden selbst bewilligt.«

Die Steuerbewilligung ist im konstitutionellen Staat der Meinung nach notwendig ein Geschenk.

»Was die eigentliche Bedeutung der Stände ausmacht, ist, daß der Staat dadurch in das subjektive Bewußtsein des Volks tritt, und daß es an demselben teilzuhaben anfängt.«

|270| Das letztere ist ganz richtig. Das Volk in den Ständen fängt an, teilzuhaben am Staat, ebenso tritt er als ein jenseitiger in sein subjektives Bewußtsein. Wie kann Hegel diesen Anfang aber für die volle Realität ausgeben?

§ 302. »Als vermittelndes Organ betrachtet, stehen die Stände zwischen der Regierung überhaupt einerseits, und dem in die besonderen Sphären und Individuen aufgelösten Volke andererseits. Ihre Bestimmung fordert an sie so sehr den Sinn und die Gesinnung des Staats und der Regierung, als der Interessen der besonderen Kreise und der Einzelnen. Zugleich hat diese Stellung die Bedeutung einer mit der organisierten |bei Marx: organischen| Regierungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittelung, daß weder die fürstliche Gewalt als Extrem isoliert und dadurch als bloße Herrschergewalt und Willkür erscheine, noch daß die besonderen Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Individuen sich isolieren, oder noch mehr, daß die Einzelnen nicht zur Darstellung einer Menge und eines Haufens, zu einem somit unorganischen Meinen und Wollen und zur bloß massenhaften Gewalt gegen den organischen Staat kommen.«

Staat und Regierung werden immer als identisch auf die eine Seite, das in die besondren Sphären und Individuen aufgelöste Volk auf die andere Seite gesetzt. Die Stände stehn als vermittelndes Organ zwischen beiden. Die Stände sind die Mitte, worin »Sinn und Gesinnung des Staats und der Regierung« zusammentreffen, vereinigt sein sollen mit »Sinn und Gesinnung der besonderen Kreise und der Einzelnen«. Die Identität dieser beiden entgegengesetzten Sinne und Gesinnungen, in deren Identität eigentlich der Staat liegen sollte, erhält eine symbolische Darstellung in den Ständen. Die Transaktion zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft erscheint als eine besondre Sphäre. Die Stände sind die Synthese zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft. Wie die Stände es aber anfangen sollen, zwei widersprechende Gesinnungen in sich zu vereinen, ist nicht angegeben. Die Stände sind der gesetzte Widerspruch des Staates und der bürgerlichen Gesellschaft im Staate. Zugleich sind sie die Forderung der Auflösung dieses Widerspruches.

»Zugleich hat diese Stellung die Bedeutung einer mit der organisierten |Bei Marx: organischen| Regierungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittelung etc.«

Die Stände vermitteln nicht nur Volk und Regierung. Sie verhindern die »fürstliche Gewalt« als isoliertes »Extrem«, die damit als »bloße Herrschergewalt und Willkür« erscheinen würde, ebenso die »Isolierung« der »besonderen« Interessen etc., ebenso die »Darstellung der Einzelnen als Menge und Haufen«. Diese Vermittelung ist den Ständen mit der organisierten Regierungsgewalt gemeinschaftlich. In einem Staat, worin die »Stellung« der »Stände« verhindert, »daß die Einzelnen nicht zur Darstellung einer Menge oder eines Haufens, zu einem somit unorganischen Meinen und Wollen, |271| zur bloß massenhaften Gewalt gegen den organischen Staat kommen«, existiert der »organische Staat« außer der »Menge« und dem »Haufen«, oder da gehört die »Menge« und der »Haufen« zur Organisation des Staats; bloß soll sein »unorganisches Meinen und Wollen« nicht zum »Meinen und Wollen gegen den Staat« kommen, durch welche bestimmte Richtung es »organisches« Meinen und Wollen würde. Ebenso soll diese »massenhafte Gewalt nur »massenhaft« bleiben, so daß der Verstand außer der Masse ist und sie daher nicht sich selbst in Bewegung setzen, sondern nur von den Monopolisten des »organischen Staates« in Bewegung gesetzt und als massenhafte Gewalt exploitiert werden kann. Wo nicht »die besondern Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Einzelnen« sich gegen den Staat isolieren, sondern die »Einzelnen zur Darstellung einer Menge und eines Haufens zu einem somit unorganischen Meinen und Wollen und zur bloß massenhaften Gewalt gegen den Staat kommen«, da zeigt es sich eben, daß kein »besonderes Interesse« dem Staat widerspricht, sondern daß der »wirkliche organische allgemeine Gedanke der Menge und des Haufens« nicht der Gedanke des organischen Staats« ist, der nicht in ihm seine Realisation findet. Wodurch erscheinen nun die Stände als Vermittelung gegen dies Extrem? Nur dadurch, »daß die besonderen Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Individuen sich isolieren«, oder dadurch, daß ihre isolierten Interessen ihre Rechnung mit dem Staat durch die Stände abschließen, zugleich dadurch, daß das »unorganische Meinen und Wollen der Menge und des Haufens« in der Schöpfung der Stände seinen Willen (seine Tätigkeit| und in der Beurteilung der Tätigkeit der Stände sein »Meinen« beschäftigt und die Täuschung seiner Vergegenständlichung genossen hat. Die »Stande präservieren den Staat vor dem unorganischen Haufen nur durch die Desorganisation dieses Haufens.

Zugleich aber sollen die Stände dagegen vermitteln, »daß die besonderen Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Individuen sich« nicht isolieren«. Sie vermitteln dagegen, 1. indem sie mit dem »Staatsinteresse« transigieren, 2. indem sie selbst die »politische Isolierung« dieser besondern Interessen sind; diese Isolierung als politischer Akt, indem durch sie diese isolierten Interessen« den Rang des »Allgemeinen« erhalten.

Endlich sollen die Stände gegen die »Isolierung« der fürstlichen Gewalt als eines »Extrems« (die »dadurch als bloße Herrschergewalt und Willkür erschiene ) vermitteln. Dies ist insofern richtig, als das Prinzip der fürstlichen Gewalt (die Willkür) durch sie begrenzt ist, wenigstens nur in Fesseln sich wegen kann, und als sie selbst Teilnehmer, Mitschuldige der fürstlichen Gewalt werden.

|272| Die fürstliche Gewalt hört entweder wirklich dadurch auf, das Extrem der fürstlichen Gewalt zu sein (und die fürstliche Gewalt existiert nur als ein Extrem, als eine Einseitigkeit, weil sie kein organisches Prinzip ist), sie wird zu einer Scheingewalt, einem Symbol, oder sie verliert nur den Schein der Willkür und bloßer Herrschergewalt. Sie vermitteln gegen die »Isolierung« der Sonderinteressen, indem sie diese Isolierung als politischen Akt vorstellen. Sie vermitteln gegen die Isolierung der fürstlichen Gewalt als eines Extrems, teils indem sie selbst zu einem Teil der fürstlichen Gewalt werden, teils indem sie die Regierungsgewalt zu einem Extrem machen.

In den »Ständen« laufen alle Widersprüche der modernen Staatsorganisationen zusammen. Sie sind die »Mittler« nach allen Seiten hin, weil sie nach allen Seiten hin »Mitteldinge« sind.

Zu bemerken ist, daß Hegel weniger den Inhalt der ständischen Tätigkeit, die gesetzgebende Gewalt, als die Stellung der Stände, ihren politischen Rang entwickelt.

Zu bemerken ist noch, daß, während nach Hegel zunächst die Stände »zwischen der Regierung überhaupt einerseits und dem in die besonderen Sphären und Individuen aufgelösten Volk andrerseits« stehn, ihre Stellung, wie sie oben entwickelt »die Bedeutung einer mit der organisierten Regierungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittelung hat«.

Was die erste Stellung betrifft, so sind die Stände das Volk gegen die Regierung, aber das Volk en miniature. Das ist ihre oppositionelle Stellung.

Was die zweite betrifft, so sind sie die Regierung gegen das Volk, aber die amplifizierte Regierung. Das ist ihre konservative Stellung. Sie sind selbst ein Teil der Regierungsgewalt gegen das Volk, aber so, daß sie zugleich die Bedeutung haben, das Volk gegen die Regierung zu sein.

Hegel hat oben die »gesetzgebende Gewalt als Totalität« (§ 300) bezeichnet, die Stände sind wirklich diese Totalität, der Staat im Staate, aber eben in ihnen erscheint es, daß der Staat nicht die Totalität, sondern ein Dualismus ist. Die Stände stellen den Staat in einer Gesellschaft vor, die kein Staat ist. Der Staat ist eine bloße Vorstellung.

In der Anmerkung sagt Hegel:

»Es gehört zu den wichtigsten logischen Einsichten, daß ein bestimmtes Moment, das als im Gegensatze stehend die Stellung eines Extrems bat, es dadurch zu sein auf hört und organisches Moment ist, daß es zugleich Mitte ist.«

(So ist das ständische Element 1. das Extrem des Volks gegen die Regierung, aber 2. zugleich Mitte zwischen Volk und Regierung, oder es ist der |273| Gegensatz im Volk selbst, Der Gegensatz von Regierung und Volk vermittelt sich durch den Gegensatz zwischen Ständen und Volk. Die Stände haben nach der Seite der Regierung hin die Stellung des Volks, aber nach der Seite des Volks hin die Stellung der Regierung. Indem das Volk als Vorstellung, als Phantasie, Illusion, Repräsentation zustande kommt - das vorgestellte Volk oder die Stände, das sich als eine besondre Gewalt sogleich in der Trennung vom wirklichen Volk befindet - hebt [es] den wirklichen Gegensatz zwischen Volk und Regierung auf. Das Volk ist hier schon so zubereitet, wie es in dem betrachteten Organismus zubereitet sein muß, um keinen entschiedenen Charakter zu haben.)

»Bei dem hier betrachteten Gegenstand ist es um so wichtiger, diese Seite herauszuheben, weil es zu den häufigen, aber höchst gefährlichen Vorurteilen gehört, Stände hauptsächlich im Gesichtspunkte des Gegensatzes gegen die Regierung, als oh dies ihre wesentliche Stellung wäre, vorzustellen. Organisch, d. i. in die Totalität aufgenommen, beweist sich das ständische Element nur durch die Funktion der Vermittelung. Damit ist der Gegensatz selbst zu einem Schein herabgesetzt, Wenn er, insofern er seine Erscheinung hat, nicht bloß die Oberfläche beträfe, sondern wirklich ein substantieller Gegensatz würde, so wäre der Staat in seinem Untergange begriffen, Das Zeichen, daß der Widerstreit nicht dieser Art ist, ergibt sich der Natur der Sache nach dadurch, wenn die Gegenstände desselben nicht die wesentlichen Elemente des Staatsorganismus, sondern speziellere und gleichgültigere Dinge betreffen, und die Leidenschaft, die sich doch an diesen Inhalt knüpft, zur Parteisucht um ein bloß subjektives Interesse, etwa um die höheren Staatsstellen, wird.«

Im Zusatz heißt es:

»Die Verfassung ist wesentlich ein System der Vermittelung.«

§ 303. »Der allgemeine, näher dem Dienst der Regierung sich widmende Stand hat unmittelbar in seiner Bestimmung, das Allgemeine zum Zwecke seiner wesentlichen Tätigkeit zu haben; in dem ständischen Elemente der gesetzgebenden Gewalt kommt der Privatstand zu einer politischen Bedeutung und Wirksamkeit. Derselbe kann nun dabei weder als bloße ungeschiedene Masse noch als eine in ihre Atome aufgelöste Menge erscheinen, sondern als das, was er bereits ist, nämlich unterschieden in den auf das substantielle Verhältnis und in den auf die besonderen Bedürfnisse und die sie vermittelnde Arbeit sich gründenden Stand [...]. Nur so knüpft sich in dieser Rücksicht wahrhaft das im Staate wirkliche Besondere an das Allgemeine an.

Hier haben wir die Lösung des Rätsels. »In dem ständischen Elemente der gesetzgebenden Gewalt kommt der Privatstand zu einer politischen Bedeutung.« Versteht sich, daß der Privatstand nach dem, was er ist, nach seiner Gliederung in der bürgerlichen Gesellschaft (den allgemeinen Stand hat Hegel schon als den der Regierung sich widmenden bezeichnet; der allgemeine |274| Stand ist also durch die Regierungsgewalt in der gesetzgebenden Gewalt vertreten) zu dieser Bedeutung kommt.

Das ständische Element ist die politische Bedeutung des Privatstandes, des unpolitischen Standes, eine contradictio in adjecto |ein Widerspruch in der Begriffsbestimmung|. Oder in dem von Hegel beschriebenen Stand hat der Privatstand (weiter überhaupt der Unterschied des Privatstandes) eine politische Bedeutung. Der Privatstand gehört zum Wesen, zur Politik dieses Staates. Er gibt ihm daher auch eine politische Bedeutung, d.h. eine andere Bedeutung als seine wirkliche Bedeutung.

In der Anmerkung heißt es:

»Dies gehet gegen eine andere gangbare Vorstellung, daß, indem der Privatstand zur Teilnahme an der allgemeinen Sache in der gesetzgebenden Gewalt erhoben wird, er dabei in Form der Einzelnen erscheinen müsse, sei es, daß sie Stellvertreter für diese Funktion wählen, oder daß gar selbst jeder eine Stimme dabei exerzieren solle. Diese atomistische, abstrakte Ansicht verschwindet schon in der Familie wie in der bürgerlichen Gesellschaft, wo der Einzelne nur als Mitglied eines Allgemeinen zur Erscheinung kommt. Der Staat aber ist wesentlich eine Organisation von solchen Gliedern, die für sich Kreise sind, und in ihm soll sich kein Moment als eine unorganische Menge zeigen. Die Vielen als Einzelne, was man gerne unter Volk versteht, sind wohl ein Zusammen, aber nur als die Menge, - eine formlose Masse, deren Bewegung und Tun eben damit nur elementarisch, vernunftlos, wild und fürchterlich wäre.«

»Die Vorstellung, welche die in jenen Kreisen schon vorhandenen Gemeinwesen, wo sie ins Politische, d.i. in den Standpunkt der höchsten konkreten Allgemeinheit eintreten, wieder in eine Menge von Individuen auflöst, hält eben damit das bürgerliche und das politische Leben voneinander getrennt und stellt dieses sozusagen in die Luft, da seine Basis nur die abstrakte Einzelnheit der Willkür und Meinung, somit das Zufällige, nicht eine an und für sich feste und berechtigte Grundlage sein würde.«

»Obgleich in den Vorstellungen sogenannter Theorien die Stände der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt und die Stände in politischer Bedeutung weit auseinander liegen, so hat doch die Sprache noch diese Vereinigung erhalten, die früher ohnehin vorhanden war.

»Der allgemeine, näher dem Dienst der Regierung sich widmende Stand.«

Hegel geht von der Voraussetzung aus, daß der allgemeine Stand im »Dienst der Regierung« steht. Er unterstellt die allgemeine Intelligenz als »ständisch und ständig«.

»In dem ständischen Elemente etc.« Die »politische Bedeutung und Wirksamkeit« des Privatstandes ist eine besondere Bedeutung und Wirksamkeit desselben. Der Privatstand verwandelt sich nicht in den politischen Stand, sondern als Privatstand tritt er in seine politische Wirksamkeit und Bedeutung. Er hat |275| nicht politische Wirksamkeit und Bedeutung schlechthin. Seine politische Wirksamkeit und Bedeutung ist die politische Wirksamkeit und Bedeutung des Privatstandes als Privatstand. Der Privatstand kann also nur nach dem Ständeunterschied der bürgerlichen Gesellschaft in die politische Sphäre treten. Der Ständeunterschied der bürgerlichen Gesellschaft wird zu einem politischen Unterschied.

Schon die Sprache, sagt Hegel, drückt die Identität der Stände der bürgerlich Gesellschaft und der Stände in politischer Bedeutung aus, eine »Vereinigung«, »die früher ohnehin vorhanden war«, also, sollte man schließen, jetzt nicht mehr vorhanden ist.

Hegel findet, daß »sich in dieser Rücksicht wahrhaft das im Staate wirklich Besondere an das Allgemeine anknüpft«. Die Trennung des »bürgerlichen und des politischen Lebens« soll auf diese Weise aufgehoben und ihre »Identität« gesetzt sein.

Hegel stützt sich darauf:

»In jenen Kreisen« (Familie und bürgerliche Gesellschaft) »sind schon Gemeinwesen vorhanden.« Wie kann man diese da, »wo sie ins Politische, d.i. in den Standpunkt der höchsten konkreten Allgemeinheit eintreten«, »wieder in eine Menge von Individuen auflösen« wollen?

Es ist wichtig, diese Entwicklung genau zu verfolgen.

Die Spitze der Hegelschen Identität war, wie er selbst gesteht, das Mittelalter. Hier waren die Stände der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt und die Stande in politischer Bedeutung identisch. Man kann den Geist des Mittelalters so aussprechen: Die Stände der bürgerlichen Gesellschaft und die Stände in politischer Bedeutung waren identisch, weil die bürgerliche Gesellschaft die politische Gesellschaft war: weil das organische Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft das Prinzip des Staats war.

Allein Hegel geht von der Trennung der »bürgerlichen Gesellschaft« und des »politischen Staates« als zweier fester Gegensätze, zweier wirklich verschiedner Sphären aus. Diese Trennung ist allerdings wirklich im modernen Staat vorhanden. Die Identität der bürgerlichen und politischen Stände war der Ausdruck der Identität der bürgerlichen und politischen Gesellschaft. Diese Identität ist verschwunden. Hegel setzt sie als verschwunden voraus. »Die Identität der bürgerlichen und politischen Stände«, wenn sie die Wahrheit ausdrückte, könnte also nur mehr ein Ausdruck der Trennung der bürgerlichen und politischen Gesellschaft sein! oder vielmehr: nur die Trennung der bürgerlichen und politischen Stände |Bei Marx: Gesellschaft| drückt das wahre Verhältnis der bürgerlichen und politischen modernen Gesellschaft aus.

|276| Zweitens: Hegel handelt hier von politischen Ständen in einem ganz anderen Sinne, als jene politischen Stände des Mittelalters waren, von denen die Identität mit den Ständen der bürgerlichen Gesellschaft ausgesagt wird.

Ihr ganzes Dasein war politisch; ihr Dasein war das Dasein des Staats. Ihre gesetzgebende Tätigkeit, ihre Steuerbewilligung für das Reich war nur ein besonderer Ausfluß ihrer allgemeinen politischen Bedeutung und Wirksamkeit. Ihr Stand war ihr Staat. Das Verhältnis zum Reich war nur ein Transaktionsverhältnis dieser verschiedenen Staaten mit der Nationalität, denn der politische Staat im Unterschied von der bürgerlichen Gesellschaft war nichts andres als die Repräsentation der Nationalität. Die Nationalität war der point d'honneur |der Ehrenpunkt|, der hauptsächliche politische Sinn dieser verschiedenen Korporationen etc., und nur auf sie bezogen sich die Steuern etc. Das war das Verhältnis der gesetzgebenden Stände zum Reich. Ähnlich verhielten sich die Stände innerhalb der besonderen Fürstentümer. Das Fürstentum, die Souveränität war hier ein besonderer Stand, der gewisse Privilegien hatte, aber ebensosehr von den Privilegien der anderen Stände geniert wurde. (Bei den Griechen war die bürgerliche Gesellschaft Sklave der politischen.) Die allgemeine gesetzgebende Wirksamkeit der Stände der bürgerlichen Gesellschaft war keineswegs ein Kommen des Privatstandes zu einer politischen Bedeutung und Wirksamkeit, sondern vielmehr ein bloßer Ausfluß ihrer wirklichen und allgemeinen politischen Bedeutung und Wirksamkeit. Ihr Auftreten als gesetzgebende Macht war bloß ein Komplement ihrer souveränen und regierenden (exekutiven) Macht; es war vielmehr ihr Kommen zu der ganz allgemeinen Angelegenheit als einer Privatsache, ihr Kommen zur Souveränität als einem Privatstand. Die Stände der bürgerlichen Gesellschaft waren im Mittelalter als solche Stände zugleich gesetzgebend, weil sie keine Privatstände oder weil die Privatstände politische Stände waren. Die mittelalterlichen Stände kamen als politisch-ständisches Element zu keiner neuen Bestimmung. Sie wurden nicht politisch-ständisch, weil sie teil an der Gesetzgebung hatten; sondern sie hatten teil an der Gesetzgebung, weil sie politisch-ständisch waren. Was hat das nun mit Hegels Privatstand gemein, der als gesetzgebendes Element zu einer politischen Bravourarie, zu einem ekstatischen Zustand, zu einer aparten, frappanten, ausnahmsweisen politischen Bedeutung und Wirksamkeit kommt?

In dieser Entwicklung findet man alle Widersprüche der Hegelschen Darstellung zusammen.

1. hat er die Trennung der bürgerlichen Gesellschaft und des politischen |277| Staats (einen modernen Zustand) vorausgesetzt und als notwendiges Moment der Idee entwickelt, als absolute Vernunftwahrheit. Er hat den politischen Staat in seiner modernen Gestalt der Trennung der verschiedenen Gewalten dargestellt. Er hat dem wirklichen handelnden Staat die Bürokratie zu seinem Leib gegeben und sie als den wissenden Geist dem Materialismus der bürgerlichen Gesellschaft supraordiniert. Er hat das an und für sich seiende Allgemeine des Staats dem besonderen Interesse und dem Bedürfnis der bürgerlichen Gesellschaft gegenübergestellt. Mit einem Wort: Er stellt überall den Konflikt der bürgerlichen Gesellschaft und des Staates dar.

2. Hegel stellt die bürgerliche Gesellschaft als Privatstand dem politischen Staat gegenüber.

3. Er bezeichnet das ständische Element der gesetzgebenden Gewalt als bloßen politischen Formalismus der bürgerlichen Gesellschaft. Er bezeichnet es als ein Reflexionsverhältnis der bürgerlichen Gesellschaft auf den Staat und als ein Reflexionsverhältnis, was das Wesen des Staates nicht alteriert. Ein Reflexionsverhältnis ist auch die höchste Identität zwischen wesentlich Verschiedenen.

Andrerseits will Hegel:

1. die bürgerliche Gesellschaft bei ihrer Selbstkonstituierung als gesetzgebendes Element weder als bloße, ungeschiedene Masse, noch als eine in ihre Atome aufgelöste Menge erscheinen lassen. Er will keine Trennung des bürgerlichen und politischen Lebens.

2. Er vergißt, daß es sich um ein Reflexionsverhältnis handelt, und macht die bürgerlichen Stände als solche zu politischen Ständen, aber wieder nur nach der Seite der gesetzgebenden Gewalt hin, so daß ihre Wirksamkeit selbst der Beweis der Trennung ist.

Er macht das ständische Element zum Ausdruck der Trennung, aber zugleich soll es der Repräsentant einer Identität sein, die nicht vorhanden ist. Hegel weiß die Trennung der bürgerlichen Gesellschaft und des politischen Staats, aber er will, daß innerhalb des Staats die Einheit desselben ausrückt sei, und zwar soll dies dergestalt bewerkstelligt werden, daß die Stände der bürgerlichen Gesellschaft zugleich als solche das ständische Element der gesetzgebenden Gesellschaft bilden. (Cf. XIV, x.)

§ 304. »Den in den früheren Sphären bereits vorhandenen Unterschied der Stände enthält das politisch-ständische Element zugleich in seiner eigenen Bestimmung. Seine zunächst abstrakte Stellung, nämlich des Extrems der empirischen Allgemeinheit gegen das fürstliche oder monarchische Prinzip überhaupt - in der nur die Möglichkeit der Übereinstimmung und damit ebenso die Möglichkeit feindlicher Entgegensetzung liegt -, diese abstrakte Stellung wird nur dadurch zum vernünftigen |278| Verhältnisse (zum Schlusse, vergleiche Anmerkung zu § 302), daß ihre Vermittelung zur Existenz kommt. Wie von Seiten der fürstlichen Gewalt die Regierungsgewalt (§ 300) schon diese Bestimmung hat, so muß auch von der Seite der Stände aus ein Moment derselben nach der Bestimmung gekehrt sein, wesentlich als das Moment der Mitte zu existieren.«

§ 305. »Der eine der Stände der bürgerlichen Gesellschaft enthält das Prinzip, das für sich fähig ist, zu dieser politischen Beziehung konstituiert zu werden, der Stand der natürlichen Sittlichkeit nämlich, der das Familienleben und in Rücksicht der Subsistenz den Grundbesitz zu seiner Basis, somit in Rücksicht seiner Besonderheit ein auf sich beruhendes Wollen und die Naturbestimmung, welche |las fürstliche Element in sich schließt, mit diesem gemein hat.«

§ 306. »Für die politische Stellung und Bedeutung wird er näher konstituiert, insofern sein Vermögen ebenso unabhängig vom Staatsvermögen als von der Unsicherheit des Gewerbes, der Sucht des Gewinns und der Veränderlichkeit des Besitzes überhaupt -, wie von der Gunst der Regierungsgewalt, so von der Gunst der Menge -, und selbst gegen die eigene Willkür dadurch festgestellt ist, daß die für diese Bestimmung berufenen Mitglieder dieses Standes des Rechts der anderen Bürger, teils über ihr ganzes Eigentum frei zu disponieren, teils es nach der Gleichheit der Liebe zu den Kindern an sie übergehend zu wissen, entbehren; das Vermögen wird so ein unveräußerliches, mit dem Majorate belastetes Erbgut.«

Zusatz. »Dieser Stand hat ein mehr für sich bestehendes Wollen, Im ganzen wird der Stand der Güterbesitzer sich in den gebildeten Teil desselben und in den Bauernstand unterscheiden. Indessen beiden Arten steht der Stand des Gewerbes, als der vom Bedürfnis abhängige und darauf hingewiesene, und der allgemeine Stand, als vom Staat wesentlich abhängig, gegenüber. Die Sicherheit und Festigkeit dieses Standes kann noch durch die Institution des Majorats vermehrt werden, welche jedoch nur in politischer Rücksicht wünschenswert ist, denn es ist damit ein Opfer für den politischen Zweck verbunden, daß der Erstgeborene unabhängig leben könne. Die Begründung des Majorats liegt darin, daß der Staat nicht auf bloße Möglichkeit der Gesinnung, sondern auf ein Notwendiges rechnen soll. Nun ist die Gesinnung freilich an ein Vermögen nicht gebunden.- aber der relativ notwendige Zusammenhang ist, daß, wer ein selbständiges Vermögen hat, von äußeren Umständen nicht beschränkt ist und so ungehemmt auftreten und für den Staat handeln kann. Wo indessen politische Institutionen fehlen, ist die Gründung und Begünstigung von Majoraten nichts als eine Fessel, die der Freiheit des Privatrechts angelegt ist, zu welcher entweder der politische Sinn hinzutreten muß, oder die ihrer Auflösung entgegengeht.«

§ 307. »Das Recht dieses Teils des substantiellen Standes ist auf diese Weise zwar einerseits auf das Naturprinzip der Familie gegründet, dieses aber zugleich durch harte Aufopferungen für den politischen Zweck verkehrt, womit dieser Stand wesentlich an die Tätigkeit für diesen Zweck angewiesen und gleichfalls in Folge hiervon ohne die Zufälligkeit einer Wahl durch die Geburt dazu berufen und berechtigt ist. Damit hat er die feste, substantielle Stellung zwischen der subjektiven Willkür |279| oder Zufälligkeit der beiden Extreme, und wie er [...] ein Gleichnis des Moments der fürstlichen Gewalt in sich trägt, so teilt er sich mit dem anderen Extreme die im übrigen gleichen Bedürfnisse und gleichen Rechte, und wird so zugleich Stütze des Thrones und der Gesellschaft.«

Hegel hat das Kunststück fertiggebracht, die geborenen Pairs, das Erbgut etc. etc., diese »Stütze des Throns und der Gesellschaft«, aus der absoluten Idee entwickelt.

Das Tiefere bei Hegel liegt darin, daß er die Trennung der bürgerlichen Gesellschaft und der politischen als einen Widerspruch empfindet. Aber das Falsche ist, daß er sich mit dem Schein dieser Auflösung begnügt und ihn für die Sache selbst ausgibt, wogegen die von ihm verachteten »sogenannten Theorien« die »Trennung« der bürgerlichen und politischen Stände fordern, und mit Recht, denn sie sprechen eine Konsequenz der modernen Gesellschaft aus, indem hier das politisch-ständische Element eben nichts anders ist als der faktische Ausdruck des wirklichen Verhältnisses von Staat und bürgerlicher Gesellschaft, ihre Trennung.

Hegel hat die Sache, worum es sich hier handelt, nicht bei ihrem bekannten Namen genannt. Es ist die Streitfrage zwischen repräsentativer und ständischer Verfassung. Die repräsentative Verfassung ist ein großer Fortschritt, weil sie der offene, unverfälschte, konsequente Ausdruck des modernen Staatszustandes ist. Sie ist der unverhohlene Widerspruch.

Ehe wir auf die Sache selbst eingehen, werfen wir noch einmal einen Blick auf die Hegelsche Darstellung.

»In dem ständischen Element der gesetzgebenden Gewalt kommt der Privatstand zu einer politischen Bedeutung.«

Früher (§ 301 Anmerkung) hieß es:

»Die eigentümliche Begriffsbestimmung der Stände ist deshalb darin zu suchen, daß in ihnen ... die eigene Einsicht und der eigene Wille der Sphäre, die in dieser Darstellung bürgerliche Gesellschaft genannt worden ist, in Beziehung auf den Staat zur Existenz kommt.«

Fassen wir diese Bestimmung zusammen, so folgt: »Die bürgerliche Gesellschaft ist der Privatstand«, oder der Privatstand ist der unmittelbare, wesentliche, konkrete Stand der bürgerlichen Gesellschaft. Erst in dem ständischen Element der gesetzgebenden Gewalt erhält sie »politische Bedeutung und Wirksamkeit«. Es ist dies etwas Neues, was zu ihr hinzukommt, eine besondere Funktion, denn eben ihr Charakter als Privatstand drückt ihren Gegensatz zur politischen Bedeutsamkeit und Wirksamkeit, die Privation des politischen Charakters aus, drückt aus, daß die bürgerliche Gesellschaft an und für sich ohne politische Bedeutung und Wirksamkeit ist. Der Privatstand |280|* ist der Stand der bürgerlichen Gesellschaft, oder die bürgerliche Gesellschaft ist der Privatstand. Hegel schließt daher auch konsequent den »allgemeinen Stand« von dem »ständischen Element der gesetzgebenden Gewalt« aus.

»Der allgemeine, näher dem Dienst der Regierung sich widmende Stand hat unmittelbar in seiner Bestimmung, das Allgemeine zum Zweck seiner wesentlichen Tätigkeit zu haben.«

Die bürgerliche Gesellschaft oder der Privatstand hat dies nicht zu seiner Bestimmung; seine wesentliche Tätigkeit hat nicht die Bestimmung, das Allgemeine zum Zweck zu haben, oder seine wesentliche Tätigkeit ist keine Bestimmung des Allgemeinen, keine allgemeine Bestimmung. Der Privatstand ist der Stand der bürgerlichen Gesellschaft gegen den Staat. Der Stand der bürgerlichen Gesellschaft ist kein politischer Stand.

Indem Hegel die bürgerliche Gesellschaft als Privatstand bezeichnet, hat er die Ständeunterschiede der bürgerlichen Gesellschaft für nichtpolitische Unterschiede erklärt, hat er das bürgerliche Leben und das politische für heterogen, sogar für Gegensätze erklärt. Wie fährt er nun fort?

»Derselbe kann nun dabei weder als bloße ungeschiedene Masse noch als eine in ihre Atome aufgelöste Menge erscheinen, sondern als das, was er bereits ist, nämlich unterschieden in den auf das substantielle Verhältnis und in den auf die besonderen Bedürfnisse und die sie vermittelnde Arbeit sich gründenden Stand (§ 201 ff.). Nur so knüpft sich in dieser Rücksicht wahrhaft das im Staate wirkliche Besondere an das Allgemeine an.« [§ 303.]

Als eine »bloße ungeschiedene Masse« kann die bürgerliche Gesellschaft (der Privatstand) in ihrer gesetzgeberisch-ständischen Tätigkeit allerdings nicht erscheinen, weil die »bloße ungeschiedene Masse« nur in der »Vorstellung«, der »Phantasie«, nicht aber in der Wirklichkeit existiert. Hier gibt es nur größere und kleinere zufällige Massen (Städte, Flecken etc.). Diese Massen oder diese Masse erscheint nicht nur, sondern ist überall realiter »eine in ihre Atome aufgelöste Menge«, und als diese Atomistik muß sie in ihrer politisch-ständischen Tätigkeit erscheinen und auftreten. »Als das, was er bereits ist«, kann der Privatstand, die bürgerliche Gesellschaft, nicht hier erscheinen. Denn was ist er bereits? Privatstand, d.h. Gegensatz und Trennung vom Staat. Um zur »politischen Bedeutung und Wirksamkeit« zu kommen, muß er sich vielmehr aufgeben als das, was er bereits ist, als Privatstand. Dadurch erhält er eben erst seine »politische Bedeutung und Wirksamkeit«. Dieser politische Akt ist eine völlige Transsubstantiation. In ihm muß sich die bürgerliche Gesellschaft völlig von sich als bürgerlicher Gesellschaft, als Privatstand lossagen, eine Partie seines Wesens geltend |281| machen, die mit der wirklichen bürgerlichen Existenz seines Wesens nicht nur keine Gemeinschaft hat, sondern ihr direkt gegenübersteht.

Am Einzelnen erscheint hier, was das allgemeine Gesetz ist. Bürgerliche Gesellschaft und Staat sind getrennt. Also ist auch der Staatsbürger und der Bürger, das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, getrennt. Er muß also eine wesentliche Diremption mit sich selbst vornehmen. Als wirklichen Bürger findet er sich in einer doppelten Organisation, der bürokratischen - die ist eine äußere formelle Bestimmung des jenseitigen Staats, der Regierungsgewalt, die ihn und seine selbständige Wirklichkeit nicht tangiert - der sozialen, der Organisation der bürgerlichen Gesellschaft. Aber in dieser steht er als Privatmann außer dem Staat; die tangiert den politischen Staat als solchen nicht. Die erste ist eine Staatsorganisation, zu der er immer die Materie abgibt. Die zweite ist eine bürgerliche Organisation, deren Materie nicht der Staat ist. In der ersten verhält sich der Staat als formeller Gegensatz zu ihm, in der zweiten verhält er sich selbst als materieller Gegensatz zum Staat. Um also als wirklicher Staatsbürger sich zu verhalten, politische Bedeutsamkeit und Wirksamkeit zu erhalten, muß er aus seiner bürgerlichen Wirklichkeit heraustreten, von ihr abstrahieren, von dieser ganzen Organisation in seine Individualität sich zurückziehn; denn die einzige Existenz, die er für sein Staatsbürgerturn findet, ist seine pure, blanke Individualität, denn die Existenz des Staats als Regierung ist ohne ihn fertig, und seine Existenz in der bürgerlichen Gesellschaft ist ohne den Staat fertig. Nur im Widerspruch mit diesen einzig vorhandenen Gemeinschaften, nur als Individuum kann er Staatsbürger sein. Seine Existenz als Staatsbürger ist eine Existenz, die außer seinen gemeinschaftlichen Existenzen liegt, die also rein individuell ist. Die »gesetzgebende Gewalt« als »Gewalt« ist ja erst die Organisation, der Gemeinkörper, den sie erhalten soll. Vor der »gesetzgebenden Gewalt« existiert die bürgerliche Gesellschaft, der Privatstand nicht als Staatsorganisation, und damit er als solche zur Existenz komme, muß seine wirkliche Organisation, das wirkliche bürgerliche Leben, als nicht vorhanden gesetzt werden, denn das ständische Element der gesetzgebenden Gewalt hat eben die Bestimmung, den Privatstand, die bürgerliche Gesellschaft, als nicht vorhanden zu setzen. Die Trennung der bürgerlichen Gesellschaft und des politischen Staates erscheint notwendig als eine Trennung des politischen Bürgers, des Staatsbürgers, von der bürgerlichen Gesellschaft, von seiner eignen wirklichen, empirischen Wirklichkeit, denn als Staatsidealist ist er ein ganz anderes, von seiner Wirklichkeit verschiedenes, unterschiedenes, entgegengesetztes Wesen. Die bürgerliche Gesellschaft bewerkstelligt hier innerhalb ihrer selbst das Verhältnis des Staats und der bürgerlichen Gesellschaft |282|*, welches andrerseits schon als Bürokratie existiert. In dem ständischen Element wird das Allgemeine wirklich für sich, was es an sich ist, nämlich Gegensatz zum Besondern. Der Bürger muß seinen Stand, die bürgerliche Gesellschaft, den Privatstand, von sich abtun, um zu politischer Bedeutung und Wirksamkeit zu kommen; denn eben dieser Stand steht zwischen dem Individuum und dem politischen Staat.

Wenn Hegel schon das Ganze der bürgerlichen Gesellschaft als Privatstand dem politischen Staat entgegenstellt, so versteht es sich von selbst, daß die Unterscheidungen innerhalb des Privatstandes, die verschiedenen bürgerlichen Stände, nur eine Privatbedeutung in bezug auf den Staat, keine politische Bedeutung haben. Denn die verschiedenen bürgerlichen Stände sind bloß die Verwirklichung, die Existenz des Prinzips, des Privatstandes als des Prinzips der bürgerlichen Gesellschaft. Wenn aber das Prinzip aufgegeben werden muß, so versteht es sich von selbst, daß noch mehr die Diremptionen innerhalb dieses Prinzips nicht vorhanden sind für den politischen Staat.

»Nur so«, schließt Hegel den Paragraphen, »knüpft sich in dieser Rücksicht das im Staate wirkliche Besondere an das Allgemeine an.«

Aber Hegel verwechselt hier den Staat als das Ganze des Daseins eines Volkes mit dem politischen Staat. Jenes Besondere ist nicht das Besondere im, sondern vielmehr »außer dem Staate«, nämlich dem politischen Staate. Es ist nicht nur nicht »das im Staate wirkliche Besondere«, sondern auch die »Unwirklichkeit des Staates«. Hegel will entwickeln, daß die Stände der bürgerlichen Gesellschaft die politischen Stände sind, und um dies zu beweisen, unterstellt er, daß die Stände der bürgerlichen Gesellschaft die »Besonderung des politischen Staates«, d. i., daß die bürgerliche Gesellschaft die politische Gesellschaft ist. Der Ausdruck: »Das Besondere im Staate« kann hier nur Sinn haben als: »Die Besonderung des Staates«. Hegel wählt aus einem bösen Gewissen den unbestimmten Ausdruck. Er selbst hat nicht nur das Gegenteil entwickelt, er bestätigt es noch selbst in diesem Paragraphen, indem er die bürgerliche Gesellschaft als »Privatstand« bezeichnet. Sehr vorsichtig ist auch die Bestimmung, daß sich das Besondere an das Allgemeine »anknüpft«. Anknüpfen kann man die heterogensten Dinge. Es handelt sich hier aber nicht um einen allmählichen Obergang, sondern um eine Transsubstantiation, und es nützt nichts, diese Kluft, die übersprungen und durch den Sprung selbst demonstriert wird, nicht sehn zu wollen.

Hegel sagt in der Anmerkung:

»Dies geht gegen eine andere gangbare Vorstellung« etc. Wir haben eben gezeigt, wie diese gangbare Vorstellung konsequent, notwendig, eine »notwendige Vorstellung der jetzigen Volksentwicklung« und wie Hegels Vorstellung, |283| obgleich sie auch in gewissen Kreisen sehr gangbar, nichtsdestoweniger eine Unwahrheit ist. Auf die gangbare Vorstellung zurückkommend, sagt Hegel:

Diese atomistische, abstrakte Ansicht verschwindet schon in der Familie etc. etc. »Der Staat aber ist« etc. Abstrakt ist diese Ansicht allerdings, aber sie ist die »Abstraktion« des politischen Staates, wie ihn Hegel selbst entwickelt. Atomistisch ist sie auch, aber sie ist die Atomistik der Gesellschaft selbst. Die »Ansicht« kann nicht konkret sein, wenn der Gegenstand der Ansicht »abstrakt« ist. Die Atomistik, in die sich die bürgerliche Gesellschaft in ihrem politischen Akt stürzt, geht notwendig daraus hervor, daß das Gemeinwesen, das kommunistische Wesen, worin der Einzelne existiert, die bürgerliche Gesellschaft getrennt vom Staat oder der politische Staat eine Abstraktion von ihr ist.

Diese atomistische Ansicht, obschon [sie] bereits in der Familie und vielleicht (??) auch in der bürgerlichen Gesellschaft verschwindet, kehrt im politischen Staate wieder, eben weil er eine Abstraktion von der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft ist. Ebenso verhält es sich umgekehrt. Dadurch, daß Hegel das Befremdliche dieser Erscheinung ausspricht, hat er die Entfremdung nicht gehoben.

»Die Vorstellung«, heißt es weiter, »welche die in jenen Kreisen schon vorhandenen Gemeinwesen, wo sie ins Politische, d.i. in den Standpunkt der höchsten konkreten Allgemeinheit eintreten, wieder in eine Menge von Individuen auflöst, hält eben damit das bürgerliche und das politische Leben voneinander getrennt und stellt dieses sozusagen in die Luft, da seine Basis nur die abstrakte Einzelnheit der Willkür und Meinung, somit das Zufällige, nicht eine an und für sich feste und berechtigte Grundlage sein würde.« [§ 303.]

Jene Vorstellung hält nicht das bürgerliche und politische Leben getrennt; sie ist bloß die Vorstellung einer wirklich vorhandenen Trennung.

Jene Vorstellung stellt nicht das politische Leben in die Luft, sondern das politische Leben ist das Luftleben, die ätherische Region der bürgerlichen Gesellschaft.

Wir betrachten nun das ständische und das repräsentative System.

Es ist ein Fortschritt der Geschichte, der die politischen Stände in soziale Stände verwandelt hat, so daß, wie die Christen gleich im Himmel, ungleich auf der Erde, so die einzelnen Volksglieder gleich in dem Himmel ihrer politischen Welt, ungleich in dem irdischen Dasein der Sozietät sind. Die eigentliche Verwandlung der politischen Stände in bürgerliche ging vor sich in der absoluten Monarchie. Die Bürokratie machte die Idee der Einheit gegen die verschiedenen Staaten im Staate geltend. Indessen blieb selbst neben der Bürokratie der absoluten Regierungsgewalt der soziale Unterschied der Stände |284| ein politischer, ein politischer innerhalb und neben der Bürokratie der absoluten Regierungsgewalt. Erst die französische Revolution vollendete die Verwandlung der politischen Stände in soziale oder machte die Ständeunterschiede der bürgerlichen Gesellschaft zu nur sozialen Unterschieden, zu Unterschieden des Privatlebens, welche in dem politischen leben ohne Bedeutung sind. Die Trennung des politischen Lebens und der bürgerlichen Gesellschaft war damit vollendet.

Die Stände der bürgerlichen Gesellschaft verwandelten sich ebenfalls damit: die bürgerliche Gesellschaft war durch ihre Trennung von der politischen eine andere geworden. Stand im mittelaltrigen Sinn blieb nur mehr innerhalb der Bürokratie selbst, wo die bürgerliche und die politische Stellung unmittelbar identisch sind. Demgegenüber steht die bürgerliche Gesellschaft als Privatstand. Der Ständeunterschied ist hier nicht mehr ein Unterschied des Bedürfnisses und der Arbeit als selbständiger Körper. Der einzige allgemeine, oberflächliche und formelle Unterschied ist hier nur noch der von Stadt und Land. Innerhalb der Gesellschaft selbst aber bildete sich der Unterschied aus in beweglichen, nicht festen Kreisen, deren Prinzip die Willkür ist. Geld und Bildung sind die Hauptkriterien. Doch wir haben dies nicht hier, sondern in der Kritik von Hegels Darstellung der bürgerlichen Gesellschaft zu entwickeln. Genug. Der Stand der bürgerlichen Gesellschaft hat weder das Bedürfnis, also ein natürliches Moment, noch die Politik zu seinem Prinzip. Es ist eine Teilung von Massen, die sich flüchtig bilden, deren Bildung selbst eine willkürliche und keine Organisation ist.

Das Charakteristische ist nur, daß die Besitzlosigkeit und der Stand der unmittelbaren Arbeit, der konkreten Arbeit, weniger einen Stand der bürgerlichen Gesellschaft als den Boden bilden, auf dem ihre Kreise ruhen und sich bewegen. Der eigentliche Stand, wo politische und bürgerliche Stellung zusammenfallen, ist nur der der Mitglieder der Regierungsgewalt. Der jetzige Stand der Sozietät zeigt schon dadurch seinen Unterschied von dem ehemaligen Stand der bürgerlichen Gesellschaft, daß er nicht wie ehemals als ein Gemeinschaftliches, als ein Gemeinwesen das Individuum hält, sondern daß es teils Zufall, teils Arbeit etc. des Individuums ist, ob es sich in seinem Stande hält oder nicht, ein Stand, der selbst wieder nur eine äußerliche Bestimmung des Individuums, denn weder ist er seiner Arbeit inhärent, noch verhält er sich zu ihm als ein nach festen Gesetzen organisiertes und in festen Beziehungen zu ihm stehendes objektives Gemeinwesen. Er steht vielmehr in gar keiner wirklichen Beziehung zu seinem substantiellen Tun, zu seinem wirklichen Stand. Der Arzt bildet keinen besonderen Stand in der bürgerlichen Gesellschaft. Der eine Kaufmann gehört einem andern Stand an als der andere, einer |285| andren sozialen Stellung. Wie nämlich die bürgerliche Gesellschaft sich von der politischen, so hat sich die bürgerliche Gesellschaft innerhalb ihrer selbst getrennt in den Stand und die soziale Stellung, so manche Relationen auch zwischen beiden stattfinden. Das Prinzip des bürgerlichen Standes oder der bürgerlichen Gesellschaft ist der Genuß und die Fähigkeit zu genießen. In seiner politischen Bedeutung macht sich das Glied der bürgerlichen Gesellschaft los von seinem Stande, seiner wirklichen Privatstellung; hier ist es allein, daß es als Mensch zur Bedeutung kommt, oder daß seine Bestimmung als Staatsglied, als soziales Wesen, als seine menschliche Bestimmung erscheint. Denn alle seine anderen Bestimmungen in der bürgerlichen Gesellschaft erscheinen als dem Menschen, dem Individuum unwesentlich, als äußere Bestimmungen, die zwar notwendig sind zu seiner Existenz im Ganzen, d.h. ein Band mit dem Ganzen, ein Band, das es aber ebensosehr wieder fortwerfen kann. (Die jetzige bürgerliche Gesellschaft ist das durchgeführte Prinzip des Individualismus; die individuelle Existenz ist der letzte Zweck; Tätigkeit, Arbeit, Inhalt etc. sind nur Mittel.)

Die ständische Verfassung, wo sie nicht eine Tradition des Mittelalters ist, ist der Versuch, teils in der politischen Sphäre selbst den Menschen in die Beschränktheit seiner Privatsphäre zurückzustürzen, seine Besonderheit zu seinem substantiellen Bewußtsein zu machen und dadurch, daß politisch der Ständeunterschied existiert, ihn auch wieder zu einem sozialen zu machen.

Der wirkliche Mensch ist der Privatmensch der jetzigen Staatsverfassung.

Der Stand hat überhaupt die Bedeutung, daß der Unterschied, die Trennung, das Bestehn des Einzelnen ist. Die Weise seines Lebens, Tätigkeit etc., statt ihn zu einem Glied, zu einer Funktion der Gesellschaft zu machen, macht ihn zu einer Ausnahme von der Gesellschaft, ist sein Privilegium. Daß dieser Unterschied nicht nur ein individueller ist, sondern sich als Gemeinwesen, Stand, Korporation befestigt, hebt nicht nur nicht seine exklusive Natur auf, sondern ist vielmehr nur ihr Ausdruck. Statt daß die einzelne Funktion Funktion der Sozietät wäre, macht sie vielmehr die einzelne Funktion zu einer Sozietät für sich.

Nicht nur basiert der Stand auf der Trennung der Sozietät als dem herrschenden Gesetz, er trennt den Menschen von seinem allgemeinen Wesen, er macht ihn zu einem Tier, das unmittelbar mit seiner Bestimmtheit zusammenfällt. Das Mittelalter ist die Tiergeschichte der Menschheit, ihre Zoologie.

Die moderne Zeit, die Zivilisation, begeht den umgekehrten Fehler. Sie trennt das gegenständliche Wesen des Menschen als ein nur äußerliches, materielles von ihm. Sie nimmt nicht den Inhalt des Menschen als seine wahre Wirklichkeit.

|286| Das Weitere hierüber ist in dem Abschnitt: »bürgerliche Gesellschaft« zu entwickeln. Wir kommen zu

§ 304. »Den in den früheren Sphären bereits vorhandenen Unterschied der Stände enthält das politisch-ständische Element zugleich in seiner eigenen Bedeutung |Bei Hegel: Bestimmung|.«

Wir haben bereits gezeigt, daß der »in den früheren Sphären bereits vorhandene Unterschied der Stände« gar keine Bedeutung für die politische Sphäre oder nur die Bedeutung eines privaten, also eines nicht politischen Unterschiedes hat. Allein er hat nach Hegel hier auch nicht seine »bereits vorhandene Bedeutung« (die Bedeutung, die er in der bürgerlichen Gesellschaft hat), sondern das »politisch-ständische Element« affirmiert, indem es ihn aufnimmt, sein Wesen, und, in die politische Sphäre eingetaucht, erhält er eine »eigene«, diesem Element und nicht ihm angehörige Bedeutung.

Als noch die Gliederung der bürgerlichen Gesellschaft politisch und der politische Staat die bürgerliche Gesellschaft war, war diese Trennung, die Verdopplung der Bedeutung der Stände, nicht vorhanden. Sie bedeuteten nicht dieses in der bürgerlichen und ein anderes in der politischen Welt. Sie erhielten keine Bedeutung in der politischen Welt, sondern sie bedeuteten sich selbst. Der Dualismus der bürgerlichen Gesellschaft und des politischen Staates, den die ständische Verfassung durch eine Reminiszenz zu lösen meint, tritt in ihr selbst so hervor, daß der Unterschied der Stände (das Unterschiedensein der bürgerlichen Gesellschaft in sich) in der politischen Sphäre eine andre Bedeutung erhält als in der bürgerlichen. Es ist hier anscheinend Identität, dasselbe Subjekt, aber in einer wesentlich verschiedenen Bestimmung, also in Wahrheit ein doppeltes Subjekt, und diese illusorische Identität (sie ist schon deshalb illusorisch, weil zwar das wirkliche Subjekt, der Mensch, in den verschiedenen Bestimmungen seines Wesens sich selbst gleichbleibt, seine Identität nicht verliert; aber hier ist nicht der Mensch Subjekt, sondern der Mensch ist mit einem Prädikat - dem Stand - identifiziert, und zugleich wird behauptet, daß er in dieser bestimmten Bestimmtheit und in einer andern Bestimmtheit, daß er als dies bestimmte ausschließende Beschränkte ein anderes als dieses Beschränkte ist) wird dadurch künstlich durch die Reflexion aufrechterhalten, daß einmal der bürgerliche Ständeunterschied als solcher eine Bestimmung erhält, die ihm erst aus der politischen Sphäre erwachsen soll, das andere Mal umgekehrt der Ständeunterschied in der politischen Sphäre eine Bestimmung erhält, die nicht aus der politischen Sphäre, sondern aus dem Subjekt der bürgerlichen hervorgeht. Um das eine beschränkte Subjekt, den bestimmten Stand (den Ständeunterschied) als das wesentliche Subjekt |287| beider Prädikate darzustellen, oder um die Identität beider Prädikate zu beweisen, werden sie beide mystifiziert und in illusorischer unbestimmter Doppelgestalt entwickelt.

Es wird hier dasselbe Subjekt in verschiedenen Bedeutungen genommen, aber die Bedeutung ist nicht die Selbstbestimmung, sondern eine allegorische, untergeschobene Bestimmung. Man könnte für dieselbe Bedeutung ein andres konkretes Subjekt, man könnte für dasselbe Subjekt eine andere Bedeutung nehmen, Die Bedeutung, die der bürgerliche Ständeunterschied in der politischen Sphäre erhält, geht nicht aus ihm, sondern aus der politischen Sphäre hervor, und er könnte hier auch eine andere Bedeutung haben, was denn auch historisch der Fall war. Ebenso umgekehrt, Es ist dies die unkritische, die mystische Weise, eine alte Weltanschauung im Sinne einer neuen zu interpretieren, wodurch sie nichts als ein unglückliches Zwitterding wird, worin die Gestalt die Bedeutung und die Bedeutung die Gestalt belügt und weder die Gestalt zu ihrer Bedeutung und zur wirklichen Gestalt, noch die Bedeutung zur Gestalt und zur wirklichen Bedeutung wird. Diese Unkritik, dieser Mystizismus ist sowohl das Rätsel der modernen Verfassungen (hauptsächlich der ständischen) wie auch das Mysterium der Hegelschen Philosophie, vorzugsweise der Rechts- und Religionsphilosophie.

Am besten befreit man sich von dieser Illusion, wenn man die Bedeutung als das nimmt, was sie ist, als die eigentliche Bestimmung, sie als solche zum Subjekt macht und nun vergleicht, ob das ihr angeblich zugehörige Subjekt ihr wirkliches Prädikat ist, ob es ihr Wesen und wahre Verwirklichung darstellt.

»Seine« (des politisch-ständischen Elements) »zunächst abstrakte Stellung, nämlich des Extrems der empirischen Allgemeinheit gegen das fürstliche oder monarchische Prinzip überhaupt, - in der nur die Möglichkeit der Übereinstimmung und damit ebenso die Möglichkeit feindlicher Entgegensetzung liegt, - diese abstrakte Stellung wird nur dadurch zum vernünftigen Verhältnisse (zum Schlusse, vergleiche Anmerkung zu § 302), daß ihre Vermittelung zur Existenz kommt.«

Wir haben schon gesehn, daß die Stände gemeinschaftlich mit der Regierungsgewalt die Mitte zwischen dem monarchischen Prinzip und dem Volk bilden, zwischen dem Staatswillen, wie er als ein empirischer Wille und wie er als viele empirische Willen existiert, zwischen der empirischen Einzelnheit und der empirischen Allgemeinheit. Hegel mußte, wie er den Willen der bürgerlichen Gesellschaft als empirische Allgemeinheit, so den fürstlichen als empirische Einzelnheit bestimmen; aber er spricht den Gegensatz nicht in seiner ganzen Schärfe aus.


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