Die russische Note | Inhalt | Die "Kölnische Zeitung" über die Zwangsanleihe

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 300-302
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971


Das Ministerium Hansemann und der altpreußische Strafgesetzentwurf

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 65 vom 4. August 1848]

<300> **Köln, 3. August. Wir haben es schon oft gesagt: Das Ministerium Hansemann macht sich in jeder Weise zum Lobredner des Ministeriums Bodelschwingh <Siehe "Vereinbarungsdebatten über die Kreisstände", S. 272-274>; nach der Anerkennung der Revolution die Anerkennung der altpreußischen Wirtschaft, das ist der Welt Lauf!

Daß aber Herr Hansemann es bis zu der Virtuosität bringen werde, selbst die Taten der Herren Bodelschwingh, Savigny und Konsorten zu preisen, die er seinerzeit als rheinischer Landtagsabgeordneter mit der größten Erbitterung bekämpft hat - das ist ein Triumph, auf den die Potsdamer Kamarilla gewiß nicht gerechnet hatte. Und dennoch! Man lese folgenden Artikel des neuesten "Preuß[ischen] Staats-Anzeigers":

Berlin, 1. August. Das neueste Justiz-Ministerial-Blatt teilt in seinem "nichtamtlichen Teile" statistische Bemerkungen über die Todesstrafe sowie eine Übersicht der Todesurteile mit, welche in den Jahren 1826 bis 1843 einschließlich, abgesehen von den in den sogenannten demagogischen Untersuchungen gefällten Urteilen, erkannt und bestätigt worden sind. Die Arbeit ist mit Benutzung der Akten des Justizministeriums vorgenommen und dürfte bei der Wichtigkeit des Gegenstandes in dieser Beziehung die Aufmerksamkeit besonders in Anspruch nehmen. Nach der Übersicht sind in dem gedachten Zeitraume:

1. In der Rheinprovinz

erkannt 189 Todesurteile, bestätigt

6

2. in den anderen Provinzen

erkannt 237 Todesurteile, bestätigt

94

überhaupt

erkannt 426 Todesurteile, bestätigt

100

von denen jedoch vier wegen Flucht oder Tod der Verbrecher nicht zur Vollziehung gekommen sind.

<301> Wäre der Entwurf des neuen Strafgesetzbuches von 1847 während jenes Zeitraumes in Kraft gewesen, so würden:

1. In der Rheinprovinz nur

53 Todesurteile erkannt,

5 bestätigt

2. in den anderen Provinzen nur

134 Todesurteile erkannt,

76 bestätigt

überhaupt

187 Todesurteile erkannt,

81 bestätigt

worden sein, vorausgesetzt, daß bei der Bestätigung dieselben Grundsätze wie bisher befolgt worden wären. Es würde also gegen 237 nach den bestehenden Gesetzen zum Tode verurteilte Verbrecher die Todesstrafe nicht erkannt und gegen 19 hingerichtete Verbrecher diese Strafe nicht vollstreckt worden sein.

Nach der Übersicht kommen auf das Jahr durchschnittlich:

1. In der Rheinprovinz 10 9/18 erkannte und 6/18 bestätigte,
2. in den anderen Provinzen 13 erkannte und 5 4/18 bestätigte
Todesurteile.

Es würden aber, wenn der Entwurf damals in Kraft gewesen wäre, auf das Jahr durchschnittlich:

1. In der Rheinprovinz nur 2 17/18 erkannte und 5/18 bestätigte,
2. in den anderen Provinzen nur 7 7/18 erkannte und 4 4/18 bestätigte
Todesurteile gekommen sein.

Und nun bewundert die Milde, die Vortrefflichkeit, die Glorie des königlich-preußischen Strafgesetzentwurfs von 1847! Ein ganzes Todesurteil wäre in 18 Jahren in der Rheinprovinz vielleicht weniger vollstreckt worden! Welche Vorteile!

Aber die zahllosen Angeklagten, die den Geschwornen entzogen, durch königliche Richter verurteilt und eingesperrt, die schmählichen Prügelstrafen, die mit altpreußischen Stöcken hier am Rhein vollzogen worden wären, hier, wo wir seit vierzig Jahren vom Stock uns frei gemacht haben, die schmutzigen Verhandlungen infolge der durch die verdorbene Hämorrhoidalphantasie der Landrechtsritter wieder heraufbeschwornen, dem Code unbekannten Verbrechen gegen die Sittlichkeit, die unvermeidlichste juristische Begriffsverwirrung, und endlich die zahllosen politischen Prozesse infolge der despotischen und heimtückischen Bestimmungen jenes verwerflichen Machwerks - mit einem Wort, die Verpreußung der ganzen Rheinprovinz; glauben die rheinischen Renegaten in Berlin etwa, daß wir das alles auch über dem einen gefallenen Kopf vergessen würden?

Es ist klar: Herr Hansemann will durch seinen Agenten im Justizfach, Herrn Märker, das durchführen, woran Bodelschwingh scheiterte; er will <302> den so gründlich verhaßten altpreußischen Strafgesetzentwurf nun wirklich in Kraft treten lassen.

Zu gleicher Zeit erfährt man, daß die Geschwornen nur in Berlin, und auch hier nur versuchsweise, eingeführt werden sollen.

Also: Nicht Einführung des rheinischen Rechts bei den Altpreußen, sondern Einführung des altpreußischen Rechts bei den Rheinländern - das ist das große Resultat, die gewaltige "Errungenschaft" der Märzrevolution! Rien que ça. <Weiter nichts.>