Die Schweizer Presse | Inhalt | Preußischer Steckbrief gegen Kossuth

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 182-196
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959

Montesquieu LVI.

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 201 vom 21. Januar 1849]

<182> *Köln, 20. Januar. Der "ehrenwerte" Joseph Dumont läßt einen nicht von ihm bezahlten, sondern ihn bezahlenden Anonymus, der hinter dem Strich die Urwähler bearbeitet, folgende Apostrophe an die "Neue Rheinische Zeitung" richten:

"Der 'Neuen Rheinischen Zeitung', dem Organ der Demokratie, hat es gefallen, von den unter dem Titel 'An die Urwähler' in diesem Blatt veröffentlichten Aufsätzen Notiz zu nehmen und dieselben als aus der 'Neuen Preußischen Zeitung' entlehnt zu bezeichnen.

Dieser Lüge gegenüber einfach die Erklärung, daß diese Aufsätze als Inserate bezahlt werden, daß dieselben, mit Ausnahme des ersten, der Parlaments-Korrespondenz entlehnten, in Köln geschrieben sind und der Verfasser derselben die 'Neue Preußische Zeitung' bis jetzt noch nicht einmal gesehen, geschweige denn gelesen hat."

Wir begreifen, welche Wichtigkeit es für Montesquieu LVI. hat, sein Eigentum zu konstatieren. Wir begreifen ebensosehr, wie wichtig für Herrn Dumont die Erklärung ist, daß er "bezahlt" wird, selbst für die Flugblätter und Inserate, die er im Interesse seiner eignen Klasse, der Bourgeoisie, setzen, drucken und verbreiten läßt.

Was den Anonymus betrifft, so kennt er das französische Sprichwort: "Les beaux esprits se rencontrent." <"Die schönen Geister finden sich."> Es ist nicht seine Schuld, wenn seine eigensten Geistesprodukte denen der "Neuen Preußischen Zeitung" und der "Preußenvereine" wie ein Ei dem andern bis zur Verwechslung gleichen.

Wir haben seine Inserate in der "Kölnischen Zeitung" nie gelesen, sondern nur die aus der Dumontschen Druckerei hervorgehenden Flugblätter, die uns von links und rechts zugeschickt wurden, eines flüchtigen Blicks gewürdigt, <183> finden aber jetzt durch Vergleichung, daß dieselben Wische als Inserat und Flugblatt zugleich ihre Rolle spielen.

Um unser Vergehen gegen den anonymen Montesquieu LVI. zu sühnen, haben wir uns die harte Buße auferlegt, seine sämtlichen Inserate in der "Kölnischen Zeitung" durchzulesen und sein geistiges Privateigentum als "Gesamteigentum" dem deutschen Publikum preiszugeben.

Hier ist Weisheit!

Montesquieu LVI. beschäftigt sich vorzugsweise mit der sozialen Frage. Er hat den "leichtesten, einfachsten Weg" zu ihrer Lösung gefunden und preist seine Morrisonspille mit salbungsvollstem, naiv-schamlosestem Quacksalberpathos an:

"Der leichteste, einfachste Weg aber ist dazu" (nämlich zur Lösung der sozialen Frage): "die am 5. Dezember v. J. oktroyierte Verfassung anzunehmen, sie zu revidieren, dann von allen Seiten beschwören zu lassen und sie so festzusetzen. Das ist der einzige Weg, der uns zum Heile führt. - Wer also ein Herz im Busen trägt für die Not seiner armen Brüder, wer die Hungrigen speisen und die Nackten kleiden will, ... wer, mit einem Worte, die soziale Frage <In der "Kölnischen Zeitung": sozialen Fragen> lösen will ... - der wähle keinen, der sich gegen die Verfassung ausspricht." (Montesquieu LVI.)

Stimmt für Brandenburg-Manteuffel-Ladenberg, und die soziale Frage ist auf dem "einfachsten" und "leichtesten Wege" gelöst! Stimmt für Dumont, Camphausen, Wittgenstein oder auch für dii minorum gentium <Götter niederen Geschlechts> wie Compes, Mevissen u. dgl. - und die soziale Frage ist gelöst. Die "soziale Frage" für eine Stimme! Wer "die Hungrigen speisen und die Nackten kleiden will", der stimme für die Hansemann und Stupp! Für jede Stimme eine soziale Frage weniger! Die Annahme der oktroyierten Verfassung - voilà la solution du probleme social! <das ist die Lösung der sozialen Frage!>

Wir zweifeln keinen Augenblick, daß nicht nur Montesquieu LVI., sondern auch seine Patrone im Bürgervereine die Annahme, Revision, Beschwörung und Festsetzung der oktroyierten Verfassung nicht abwarten werden, um die "Hungrigen zu speisen und die Nackten zu kleiden". Auch sind dazu schon Anstalten getroffen worden.

Seit einigen Wochen fliegen hier Zirkulare umher, worin den Handwerksmeistern, Krämern usw. von den Kapitalisten angezeigt wird, daß in Betracht der heutigen Umstände und des wiedererwachenden Kredits aus philanthropischen Gründen die Zinsen von 4 auf 5 Prozent erhöht werden. Erste Lösung der sozialen Frage!

<184> Der hiesige Gemeinderat hat in demselben Sinne die "Arbeiterkarte" für die Unglücklichen abgefaßt, die verhungern - oder ihre Arme der Stadt verkaufen müssen (vgl. Nr. 187 der "Neuen Rheinischen Zeitung"). Man erinnert sich, daß in dieser den Arbeitern oktroyierten Charta der brotlos gewordene Arbeiter kontraktlich verpflichtet wird, unter polizeiliche Aufsicht zu treten. Zweite Lösung der sozialen Frage!

In Köln stiftete der Gemeinderat kurz nach den Märzwehn eine Speiseanstalt zu kostenden Preisen, schön eingerichtet, mit prächtigen heizbaren Zimmern usw. Nach der Erteilung der oktroyierten Verfassung ist an die Stelle dieses Lokals ein andres, der Armenverwaltung untergeordnetes getreten, wo nicht geheizt wird, die Speisegeschirre fehlen, wo es nicht erlaubt ist, die Speisen an Ort und Stelle zu verzehren, sondern das Quart einer namenlosen Brühe zu 8 Pfg. verkauft wird. Dritte Lösung der sozialen Frage!

In Wien hüteten die Arbeiter während ihrer Herrschaft die Bank, die Häuser und die Reichtümer der davongelaufenen Bourgeois. Bei ihrer Rückkehr denunzierten dieselben Bourgeois diese "Räuber" dem Windischgrätz zum Hängen. Die Arbeitslosen, die den Gemeinderat angingen, wurden in die Armee gegen Ungarn gesteckt. Vierte Lösung der sozialen Frage!

In Breslau warfen Gemeinderat und Regierung ruhig die Elenden, die im Armenhause ihre Zuflucht suchen müssen, durch Entziehung der physisch unentbehrlichsten Lebensgenüsse der Cholera in die Arme und nahmen erst Notiz von den Schlachtopfern ihrer grausamen Mildtätigkeit, als die Seuche ihnen selbst auf den Leib rückte. Fünfte Lösung der sozialen Frage!

Im Berliner Verein "mit Gott für König und Vaterland" erklärte ein Freund der oktroyierten Verfassung, es sei penibel, daß man immer noch zur Durchsetzung seiner Interessen und Absichten dem "Proletariat" Komplimente machen müsse.

Das die Lösung der "Lösung der sozialen Frage".

"Die preußischen Spione sind eben deshalb so gefährlich, weil sie nie bezahlt werden, sondern stets hoffen, bezahlt zu werden", sagt unser Freund Heine. Und die preußischen Bourgeois sind eben deshalb so gefährlich, weil sie nie zahlen, sondern stets zu zahlen versprechen.

Die englischen und französischen Bourgeois lassen sich so einen Wahltag schweres Geld kosten. Ihre Bestechungsmanöver sind weltbekannt. Die preußischen Bourgeois, "das sind die allerklügsten Leut"! Viel zu moralisch und solid, um ihren Beutel zu ziehen, zahlen sie mit der "Lösung der sozialen Frage". Das kostet nichts! Doch Montesquieu LVI. zahlt wenigstens, wie <185> Dumont amtlich versichert, die Insertionsgebühren an die "Kölnische Zeitung" und gibt die Lösung der "sozialen Fragen" - gratis zu.

Der praktische Teil der petits œuvres <kleinen Werke> unseres Montesquieu besteht also darin: Stimmt für Brandenburg-Manteuffel-Ladenberg! Wählt Camphausen-Hansemann! Schickt uns nach Berlin, laßt unsere Leute sich da erst festsetzen! Das ist die Lösung der sozialen Frage!

Der unsterbliche Hansemann hat diese Fragen gelöst. Erst Herstellung der Ordnung, um den Kredit herzustellen. Dann, wie im Jahre 1844, wo "meinen lieben schlesischen Webern geholfen werden sollte und mußte", Pulver und Blei, um die "soziale Frage" zu lösen!

Stimmt also für Freunde der oktroyierten Verfassung!

Aber Montesquieu LVI. nimmt nur die oktroyierte Verfassung an, um sie hinterher "revidieren" und "beschwören" zu können.

Bester Montesquieu! Hast du einmal die Verfassung angenommen, so wirst du sie nur auf ihrer eigenen Grundlage revidieren, d.h. revidieren, soweit es dem Belieben des Königs und der aus Krautjunkern, Finanzbaronen, hohen Beamten und Pfaffen zusammengesetzten zweiten Kammer zusagt. Diese einzig mögliche Revision ist vorsorglicherweise schon in der oktroyierten Verfassung selbst angedeutet. Sie besteht in dem Verlassen des konstitutionellen Systems und in der Wiederherstellung des alten christlich-germanischen Ständewesens.

Das ist die Revision, die nach Annahme der oktroyierten Verfassung einzig möglich und einzig gestattet ist, was dem Scharfsinn eines Montesquieu nicht entgangen sein kann.

Der praktische Teil der petits œuvres Montesquieus LVI. läuft also darauf hinaus: Stimmt für Hansemann-Camphausen! Stimmt für Dumont-Stupp. Stimmt für Brandenburg-Manteuffel! Nehmt die oktroyierte Verfassung an! Wählt Wahlmänner, die die oktroyierte Verfassung annehmen - und alles das unter dem Vorwande, "die soziale Frage" zu lösen.

Was Teufel schert uns der Vorwand, wenn es einmal die oktroyierte Verfassung gilt.

Aber unser Montesquieu hat seiner praktischen Anweisung, "die soziale Frage" zu lösen, der wirklichen Pointe seines Riesenwerkes, natürlich einen theoretischen Teil vorhergeschickt. Sehen wir uns diesen theoretischen Teil an.

Der tiefsinnige Denker erklärt zuerst, was die "sozialen Fragen" sind.

"Was ist es also eigentlich mit der sozialen Frage?

Der Mensch soll und will leben.

<186> Zum Leben braucht der Mensch Wohnung, Kleidung, Nahrung.

Wohnung und Kleidung bringt die Natur gar nicht hervor, Nahrung wächst wild nur spärlich und lange nicht zureichend.

Der Mensch muß sich deshalb diese Bedürfnisse selbst anschaffen.

Das geschieht durch Arbeit.

Arbeit ist demnach die erste Bedingung unseres Lebens, ohne Arbeit können wir nicht leben.

Bei den ersten Völkern baute sich nun jeder seine Hütte selbst, fertigte sich seine Kleidung aus Tierfellen selbst, brach sich seine Früchte zum Essen selbst. Das war der Urzustand.

Wenn der Mensch aber nichts braucht als Wohnung, Kleidung, Nahrung, wenn er also bloß seine körperlichen Bedürfnisse befriedigt, so steht er mit dem Tiere auf gleicher Stufe; denn das tut das Tier auch.

Der Mensch aber ist ein höheres Wesen als das Tier, er braucht mehr zum Leben: Er braucht Freude, er soll sich zu einem sittlichen Werte erheben. Das kann er aber nur, wenn er in Gesellschaft lebt.

Sobald die Menschen aber in Gesellschaft lebten, trat ein ganz anderes Verhältnis ein. Sie bemerkten bald, daß die Arbeit viel leichter sei, wenn jeder einzelne nur eine bestimmte Arbeit machte. Und so fertigte der eine Kleidung, der zweite baute Häuser, der dritte sorgte für Nahrung, und der erste gab dem zweiten, was diesem fehlte. So bildeten sich die verschiedenen Stände der Menschen ganz von selbst, indem der eine Jäger, der andere Handwerker, der dritte Ackerbauer wurde. Die Menschen aber blieben dabei nicht stehen; denn die Menschheit muß vorwärts schreiten. Man machte Erfindungen. Man erfand das Spinnen und das Weben, das Schmieden des Eisens, das Gerben der Tierfelle. Je mehr man Erfindungen machte, desto mannigfaltiger ward das Handwerk, desto leichter der Ackerbau, dem das Handwerk Pflug und Spaten lieferte. Alles half sich, alles griff ineinander. Man kam dann mit benachbarten Völkern zusammen; das eine Volk hatte, was das andere entbehrte - und dieses besaß, was jenes nicht hatte. Man tauschte dieses um. So entstand der Handel und damit ein neuer Zweig der menschlichen Tätigkeit. So schritt die Bildung von Stufe zu Stufe fort von den ersten unbeholfenen Erfindungen kam man in Jahrhunderten endlich zu den Erfindungen unserer Zeit.

So bildeten sich unter den Menschen die Wissenschaften und die Künste und immer reicher, immer mannigfaltiger wurde das Leben. Der Arzt heilte den Kranken, der Pfarrer predigte, der Kaufmann handelte, der Landmann baute das Feld, der Gärtner zog Blumen, der Maurer baute die Häuser, die der Schreiner mit Hausgerät versah, der Müller mahlte das Mehl, das der Bäcker zu Brot verbackte - eines griff in das andere; niemand konnte allein stehen, niemand sich seine Bedürfnisse selbst allein verschaffen.

Das sind die sozialen Verhältnisse.

Sie sind ganz naturgemäß von selbst entstanden. Und wenn ihr heute eine Revolution macht, die alle diese Verhältnisse von Grund aus zerstört, wenn ihr dann morgen wieder von neuem anfangt zu leben, so werden die Verhältnisse sich genau so wieder bilden, <187> wie sie jetzt sind. Seit Jahrtausenden ist es bei allen Völkern der Erde ebenso gewesen. Wenn nun jemand einen Unterschied macht zwischen Arbeitern und Bourgeoisie - so ist das eine große Lüge. Wir arbeiten alle, jeder in seiner Art, jeder nach seinen Kräften und Fähigkeiten. Der Arzt arbeitet, wenn er den Kranken besucht, der Musiker, der zum Tanze aufspielt, der Kaufmann, der seine Briefe schreibt, alle arbeiten, jeder auf seiner Stelle."

Hier ist Weisheit! Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Was ist es also eigentlich mit der physiologischen Frage!

Jedes körperliche Wesen setzt eine gewisse Schwere, Dichtigkeit u. dgl. voraus. Jeder organische Körper besteht aus allerhand Bestandteilen, wovon ein jeder seine eigene Funktion ausübt und wo die wechselseitigen Organe ineinandergreifen.

"Das sind die physiologischen Verhältnisse."

Montesquieu LVI., es läßt sich nicht leugnen, besitzt ein originelles Talent für die Vereinfachung der Wissenschaft. Ein Patent (ohne Garantie der Regierung) für Montesquieu LVI.

Arbeitsprodukte werden nur durch Arbeit hervorgebracht. Ohne Säen keine Ernte, ohne Spinnen kein Gespinst usw.

Europa wird sich bewundernd beugen vor dem Riesengenie, das diese Wahrheiten in Köln selbst, ohne jede Beihülfe der "Neuen Pr[eußischen] Z[eitung]", zutage gefördert hat.

In der Arbeit treten die Menschen in bestimmte Beziehungen zueinander.

Es findet eine Teilung der Arbeit statt, die mehr oder minder mannigfaltig ist.

Einer backt, der andere schmiedet, der eine wühlt, der andere heult, Montesquieu LVI. schreibt und Dumont druckt. Adam Smith, erkenne deinen Meister -!

Diese Entdeckungen nun, daß die Arbeit und die Teilung der Arbeit Lebensbedingungen jeder menschlichen Gesellschaft sind, befähigen Montesquieu LVI. zu dem Schlusse, daß die "verschiedenen Stände" naturgemäß sind, daß der Unterschied zwischen "Bourgeoisie und Proletariat" eine "große Lüge" ist, daß die bestehenden "sozialen Verhältnisse", mag eine "Revolution" sie heute von Grund aus zerstören, sich "genau so wieder bilden werden, wie sie jetzt sind", und daß es endlich unumgänglich nötig ist, Wahlmänner im Sinne Manteuffels und der oktroyierten Verfassung zu wählen, wenn man anders "für die Not seiner armen Brüder ein Herz im Busen trägt" und sich der Achtung Montesquieu LVI. teilhaftig zu machen gedenkt.

"Seit Jahrtausenden ist es bei allen Völkern der Erde ebenso gewesen"!!! In Ägypten gab es Arbeit und Teilung der Arbeit - und Kasten; in Griechenland und Rom Arbeit und Teilung der Arbeit - und Freie und Sklaven; im <188> Mittelalter Arbeit und Teilung der Arbeit - und Feudalherren und Leibeigene, Zünfte, Stände u. dgl. Zu unserer Zeit gibt es Arbeit und Teilung der Arbeit - und Klassen, von denen die eine im Besitz sämtlicher Produktionsinstrumente und Lebensmittel ist, während die andere nur lebt, solange sie ihre Arbeit verkauft, und nur so lange ihre Arbeit verkauft, als die arbeitgebende Klasse sich durch den Ankauf dieser Arbeit bereichert.

Ist es also nicht sonnenklar, daß "es bei allen Völkern der Erde seit Jahrtausenden ebenso gewesen ist", wie es heutzutage in Preußen ist, weil Arbeit und Teilung der Arbeit stets in einer oder der andern Form existierten? Oder zeigt sich etwa umgekehrt, daß die sozialen Verhältnisse, die Eigentumsverhältnisse, beständig umgestürzt wurden eben durch die stets veränderte Art der Arbeit und Teilung der Arbeit?

Im Jahre 1789 riefen die Bourgeois der feudalen Gesellschaft nicht zu: Adel bleib Adel, Leibeigner bleib Leibeigener, Zünftiger bleib zünftig - denn ohne Arbeit und Teilung der Arbeit keine Gesellschaft! Ohne Einatmung der Luft kein Leben! Atmet also die Stickluft ein und öffnet ja nicht die Fenster - so räsoniert Montesquieu LVI.

Es gehört die ganze naiv-tölpelhafte Dummdreistigkeit eines in brutaler Unwissenheit ergrauten deutschen Reichspfahlbürgers dazu, nachdem er die ersten Buchstaben der politischen Ökonomie - Arbeit, Teilung der Arbeit - oberflächlich und schief der trägen Hirnmaterie eingekeilt hat, in Fragen, an denen unser Jahrhundert sich die Zähne ausbeißt, orakelnd mitzusprechen.

"Ohne Arbeit und Teilung der Arbeit keine Gesellschaft!

Also

Wählt Freunde der oktroyierten preußischen Verfassung und nur Freunde der oktroyierten Verfassung zu Wahlmännern."

Dies Epitaph wird einst in großen Buchstaben auf den Wänden des prachtvollen Marmormausoleums prangen, das die dankbare Nachwelt dem Löser der sozialen Frage, Montesquieu LVI. (nicht zu verwechseln mit Heinrich CCLXXXIV. von Reuß-Schleiz-Greiz-Lobenstein-Eberswalde <Anspielung auf Heinrich LXXII., Fürst von Reuß-Lobenstein-Ebersdorf >), zu bauen sich verpflichtet fühlen wird.

Montesquieu LVI. verheimlicht uns nicht, "wo der Knoten liegt" und was er zu tun gedenkt, sobald er zum Gesetzgeber proklamiert ist.

"Dafür", belehrt er uns, "muß der Staat sorgen, daß jeder so viel Erziehung erhält, um etwas Ordentliches in der Welt lernen zu können."

<189> Montesquieu LVI. hat nie davon reden gehört, daß unter den bestehenden Verhältnissen die Teilung der Arbeit an die Stelle der komplizierten Arbeit die einfache, an die Stelle der Erwachsenen die Kinder, an die Stelle der Männer die Weiber, an die Stelle des selbständigen Arbeiters Automaten setzt, daß in demselben Verhältnisse, worin die moderne Industrie sich entwickelt, die Erziehung des Arbeiters überflüssig und unmöglich wird. Wir verweisen den kölnischen Montesquieu weder auf St. Simon noch Fourier, sondern auf Malthus und Ricardo. Der Biedermann lerne erst die ersten Grundlinien der jetzigen Verhältnisse kennen, ehe er sie ausbessert und - Orakel austeilt.

"Für Leute, die durch Krankheit, durch Alter verarmt sind, muß die Gemeinde sorgen."

Und wenn die Gemeinde selbst verarmt, was bei den mit der neuen Verfassung gleichzeitig oktroyierten 100 Millionen Steuern <Siehe "Das Budget der Vereinigten Staaten und das christlich-germanische", S. 157> und epidemischen Belagerungszuständen nicht ausbleiben kann, wie dann, Montesquieu?

"Wo neue Erfindungen oder Handelskrisen ganze Erwerbszweige zerstören, muß der Staat zu Hülfe kommen und Rat schaffen."

So unvertraut der kölnische Montesquieu mit den Dingen dieser Welt ist, es kann ihm kaum verborgen geblieben sein, daß die "neuen Erfindungen" und die Handelskrisen so permanent sind wie die preußischen Ministerialerlasse und Rechtsböden. Die neuen Erfindungen werden in Deutschland speziell erst dann eingeführt, wenn die Konkurrenz mit den fremden Völkern ihre Einführung zu einer Lebensfrage macht, und sollen die neu aufkommenden Erwerbszweige sich ruinieren, um den untergehenden zur Hülfe zu kommen! Die durch Erfindungen neu aufkommenden Erwerbszweige kommen eben dadurch auf, daß sie wohlfeiler produzieren als die untergehenden. Wo Teufel wäre der Vorteil, wenn sie die untergehenden beköstigen müßten? Der Staat aber, die Regierung, gibt bekanntlich nur scheinbar. Erst muß ihm gegeben werden, damit er gebe. Wer aber soll ihm geben, Montesquieu LVI.? Der untergehende Erwerbszweig, damit er noch schneller untergehe? Oder der aufkommende, damit er schon im Aufkommen verkümmre? Oder die von den neuen Erfindungen nicht berührten Erwerbszweige, damit sie durch die Erfindung einer neuen Steuer bankeruttieren? Überlege dir das reiflich, Montesquieu LVI.!

Und nun gar die Handelskrisen, Bester? Wenn eine europäische Handelskrise ausbricht, so kann der preußische Staat nichts ängstlicher in Betracht ziehen, als wie er den gewohnten Steuerquellen durch Exekution u. dgl. die <190> letzten Wassertropfen abpresse. Der arme preußische Staat! Damit der preußische Staat die Handelskrisen unschädlich mache, müßte er außer der Nationalarbeit noch eine dritte Einnahmequelle in den Wolken besitzen. Allerdings, wenn sich durch Allerhöchste Neujahrswünsche <Siehe "Eine Neujahrsgratulation">, Wrangelsche Armeebefehle oder Manteuffelsche Ministerialerlasse Geld aus der Erde stampfen ließe, die "Steuerverweigerung" würde keinen so panischen Schrecken unter die preußischen "lieben Getreuen" geworfen und die soziale Frage auch ohne oktroyierte Verfassung gelöst worden sein.

Man weiß, daß die "Neue Preußische Zeitung" unsern Hansemann für einen Kommunisten erklärte, weil er die Steuerbefreiungen aufzuheben gedachte. Unser Montesquieu, der niemals die "N[eue] Pr[eußische] Z[eitung]" gelesen, kömmt von selbst in Köln auf den Einfall, jeden für einen "Kommunisten" und "roten Republikaner" zu erklären, der die oktroyierte Verfassung bedroht! Also stimmt für Manteuffel, oder ihr seid nicht nur persönliche Feinde der Arbeit und der Teilung der Arbeit, sondern auch Kommunisten und rote Republikaner. Erkennt den neuesten "Rechtsboden" Brüggemanns an, oder - verzichtet auf den Code civil!

Figaro, tu n'aurais pas trouvé ça!
<Figaro, darauf wärst du nicht gekommen!
Beaumarchais, "Figaros Hochzeit">

Morgen mehr von Montesquieu LVI.!

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 202 vom 22. Januar 1849]

*Köln, 21. Januar. Montesquieu LVI. sucht den "geschenkten Gaul", die oktroyierte Verfassung, mit der ganzen kleinpfiffigen Verschlagenheit eines vielerfahrenen Roßtäuschers an die Urwähler loszuschlagen. Er ist der Montesquieu des Pferdemarkts.

Wer die oktroyierte Verfassung nicht will, der will die Republik, und nicht nur die Republik schlechthin, sondern die rote Republik! Leider handelt es sich bei unsern Wahlen um nichts weniger als Republik und rote Republik. Es handelt sich einfach darum:

Wollt ihr den alten Absolutismus samt einem neu aufgefrischten Ständewesen - oder wollt ihr ein bürgerliches Repräsentativsystem? Wollt ihr eine politische Verfassung, die den "bestehenden sozialen Verhältnissen" vergangener Jahrhunderte entspricht, oder wollt ihr eine politische Verfassung, die den "bestehenden sozialen Verhältnissen" eures Jahrhunderts zusagt?

<191> Es handelt sich in dieser Angelegenheit also um nichts weniger als um einen Kampf gegen die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, wie er in Frankreich stattfindet und in England sich vorbereitet. Es handelt sich vielmehr um den Kampf gegen eine politische Verfassung, welche die "bürgerlichen Eigentumsverhältnisse" gefährdet, indem sie den Repräsentanten der "feudalen Eigentumsverhältnisse", dem Könige von Gottes Gnaden, der Armee, der Bürokratie, den Krautjunkern und einigen mit ihnen verbündeten Finanzbaronen und Spießbürgern das Staatsruder überantwortet.

Durch die oktroyierte Verfassung ist die soziale Frage im Sinne dieser Herren gelöst. Kein Zweifel.

Was ist die "soziale Frage" im Sinne des Beamten? Es ist die Behauptung seines Gehalts und seiner bisherigen, dem Volke übergeordneten Stellung.

Und was ist die "soziale Frage" im Sinne des Adels und seiner großen Grundbesitzer Es ist die Behauptung der bisherigen feudalen Grundgerechtigkeiten, die Beschlagnahme der einträglichsten Stellen in Armee und Zivil durch seine Familien, endlich der direkte Almosenempfang aus der Staatskasse. Außer diesen handgreiflichen materiellen und darum "heiligsten" Interessen der Herren "mit Gott für König und Vaterland" handelt es sich für sie natürlich auch um Behauptung der gesellschaftlichen Auszeichnungen, die ihre Race von der schlechten bürgerlichen, bäuerlichen und plebejischen Race unterscheiden. Die alte Nationalversammlung wurde ja eben auseinandergejagt, weil sie die Hand an diese "heiligsten Interessen" zu legen wagte. Was die Herren unter "Revision" der oktroyierten Verfassung verstehen, ist, wie schon früher angedeutet wurde, nichts anders als die Einführung des ständischen Systems, d.h. einer Form der politischen Verfassung, welche die "sozialen" Interessen des Feudaladels, der Bürokratie und des Königtums von Gottes Gnaden vertritt.

Noch einmal! Kein Zweifel, daß die "soziale Frage" im Sinne des Adels und der Bürokratie durch die oktroyierte Verfassung gelöst ist, d.h., daß sie diesen Herren eine Regierungsform schenkt, welche die Volksausbeutung durch diese Halbgötter sicherstellt.

Aber ist die "soziale Frage" im Sinne der Bourgeoisie durch die oktroyierte Verfassung gelöst? In andern Worten. Erhält die Bourgeoisie eine Staatsform, in der sie die gemeinsamen Angelegenheiten ihrer Klasse, die Interessen des Handels, der Industrie, des Ackerbaus, frei verwalten, die Staatsgelder auf die produktivste Weise verwenden, die Staatshaushaltung auf die wohlfeilste Weise einrichten, die Nationalarbeit wirksam nach außen beschützen und nach innen alle vom feudalen Schlamme versperrten Springquellen des Nationalreichtums eröffnen kann?

<192> Zeigt uns die Geschichte ein einziges Beispiel, daß die Bourgeoisie mit einem von Gottes Gnaden oktroyierten Könige je eine ihren materiellen Interessen entsprechende politische Staatsform durchzusetzen vermochte?

Um die konstitutionelle Monarchie zu begründen, mußte sie in England zweimal die Stuarts verjagen, in Frankreich die angestammten Bourbonen, in Belgien den Nassauer.

Woher dies Phänomen?

Ein angestammter König von Gottes Gnaden, das ist kein einzelnes Individuum, das ist der leibhafte Repräsentant der alten Gesellschaft innerhalb der neuen Gesellschaft. Die Staatsmacht in den Händen des Königs von Gottes Gnaden, das ist die Staatsmacht in den Händen der alten, nur mehr ruineinweise existierenden Gesellschaft, das ist die Staatsmacht in den Händen der feudalen Stände, deren Interesse dem Interesse der Bourgeoisie aufs feindlichste gegenübersteht.

Die Grundlage der oktroyierten Verfassung ist aber eben der "König von Gottes Gnaden".

Wie die feudalen Gesellschaftselemente in dem Königtum von Gottes Gnaden ihre politische Spitze, so erblickt das Königtum von Gottes Gnaden in den feudalen Ständen seine gesellschaftliche Unterlage, die bekannte "Königsmauer".

Sooft daher die Interessen der Feudalherrn und der von ihnen beherrschten Armee und Bürokratie mit den Interessen der Bourgeoisie sich kreuzen, wird das gottesbegnadete Königtum jedesmal zu einem Staatsstreich gedrängt und eine revolutionäre oder kontrerevolutionäre Krise vorbereitet werden.

Warum wurde die Nationalversammlung verjagt? Nur, weil sie das Interesse der Bourgeoisie gegen das Interesse des Feudalismus vertrat; weil sie die Agrikultur hemmende Feudalverhältnisse aufheben, die Armee und Bürokratie dem Handel und der Industrie unterordnen, der Verschleudrung des Staatsschatzes Einhalt tun, die adligen und bürokratischen Titel abschaffen wollte.

In allen diesen Fragen handelte es sich vorzugsweise und unmittelbar um das Interesse der Bourgeoisie.

Also Staatsstreiche und kontrerevolutionäre Krisen, das sind die Lebensbedingungen des Königtums von Gottes Gnaden, welches durch März- oder andre Ereignisse gezwungen worden ist, sich zu demütigen und die Scheinform eines bürgerlichen Königtums widerstrebend anzunehmen.

Kann in einer Staatsform, deren notwendige Pointe Staatsstreiche, kontrerevolutionäre Krisen und Belagerungszustände sind, der Kredit je wieder aufkommen?

<193> Welcher Wahn!

Die bürgerliche Industrie muß die Fesseln des Absolutismus und Feudalismus sprengen. Eine Revolution gegen beide beweist eben nur, daß die bürgerliche Industrie einen Höhepunkt erreicht hat, wo sie eine ihr angemessene Staatsform erobern oder untergehn muß.

Das mit der oktroyierten Verfassung gesicherte bürokratische Vormundsschaftssystem ist der Tod der Industrie. Betrachtet nur die preußische Bergwerksverwaltung, die Fabrikreglements u. dgl.! Wenn der englische Fabrikant seine Produktionskosten mit denen des preußischen Fabrikanten vergleicht, so wird er stets in erster Linie den Zeitverlust stellen, den der preußische Fabrikant durch die notwendige Beobachtung der bürokratischen Vorschriften erleidet.

Welcher Zuckerraffineur erinnert sich nicht des preußischen Handelsvertrags mit Holland im Jahre 1839? Welcher preußische Industrielle errötet nicht bei der Erinnerung an das Jahr 1846, wo die preußische Regierung einer ganzen Provinz die Ausfuhr nach Galizien durch ihre Gefälligkeit gegen die östreichische Regierung abschnitt und das preußische Ministerium, als Bankerutt auf Bankerutt in Breslau ausbrach, verwundert erklärte, es habe nicht gewußt, daß eine so bedeutende Ausfuhr nach Galizien usw. stattfinde.

Männer derselben Race werden durch die oktroyierte Verfassung an die Spitze des Staatsruders gestellt, wie dies Geschenk selbst aus den Händen dieser Männer kömmt. Beseht es euch also zweimal.

Das Abenteuer mit Galizien ruft unsere Aufmerksamkeit auf einen andern Punkt.

Damals opferte die preußische Regierung der Kontrerevolution im Bund mit Östreich und Rußland die schlesische Industrie und den schlesischen Handel. Dies Manöver wird sich täglich wiederholen. Der Bankier der preußisch-östreichisch-russischen Kontrerevolution, worin das gottbegnadigte Königtum mit seinen Königsmauern seine auswärtige Stütze stets suchen wird und suchen muß - ist England. Der gefährlichste Gegner der deutschen Industrie ist dasselbe - England. Wir glauben, diese zwei Data sprechen hinreichend.

Im Innern die Industrie gehemmt durch bürokratische Fesseln, die Agrikultur durch feudale Privilegien, nach außen der Handel durch die Kontrerevolution an England verkauft - das sind die Schicksale des preußischen Nationalreichtums unter der Ägide der oktroyierten Verfassung.

Der Bericht der "Finanzkommission" der auseinandergejagten Nationalversammlung hat hinreichendes Licht über die gottbegnadete Verwaltung des Staatsvermögens verbreitet.

<194> Indes weist dieser Bericht nur beispielsweise Summen auf, die der Staatskasse entzogen wurden, um die wankenden Königsmauern zu stützen und die ausländischen Prätendenten des absoluten Königtums (Don Carlos) zu vergolden. Diese Gelder, die aus den Taschen der übrigen Staatsbürger entwendet werden, damit die Aristokratie ein etatsmäßiges Leben führe und die "Stützen" des feudalen Königtums instand erhalten bleiben, sind aber nur Nebensache bei Betrachtung des mit der Manteuffelschen Verfassung gleichzeitig oktroyierten Staatshaushalts. Vor allem eine starke Armee, damit die Minorität die Majorität beherrsche; möglichst großes Beamtenheer, damit möglichst viele dem allgemeinen Interesse durch ihr Privatinteresse entfremdet werden; Verwendung der Staatsgelder in unproduktivster Weise, damit der Reichtum, wie die "N[eue] Pr[eußische] Z[eitung]" sagt, die Untertanen nicht übermütig mache; möglichstes Beiseitelegen der Staatsgelder statt industrieller Verwendung derselben, damit die gottbegnadete Regierung in leicht vorauszusehenden Momenten der Krise dem Volke selbständig gegenübertreten könne - das sind die Grundzüge der oktroyierten Staatshaltung. Verwendung der Steuern, um die Staatsmacht als unterdrückende, selbständige und geheiligte Gewalt der Industrie, dem Handel, dem Ackerbau gegenüber zu behaupten, statt sie <In der "N.Rh.Ztg.": ihn> zum profanen Werkzeug der bürgerlichen Gesellschaft herabzuwürdigen - das ist das Lebensprinzip der oktroyierten preußischen Verfassung!

Wie der Geber, so das Geschenk. Wie die jetzige preußische Regierung, so die von ihr geschenkte Verfassung. Um die Feindschaft dieser Regierung gegen die Bourgeoisie zu charakterisieren, genügt es, auf ihre projektierte Gewerbeordnung aufmerksam zu machen. Die Regierung sucht zur Zunft zurückzukehren unter dem Vorwande, zur Assoziation fortzuschreiten. Die Konkurrenz zwingt, immer wohlfeiler zu produzieren, daher auf immer größerer Stufenleiter, d.h. mit größerem Kapital, mit stets erweiterter Teilung der Arbeit und stets vermehrter Anwendung der Maschinerie. Jede neue Teilung der Arbeit entwertet die alte Geschicklichkeit des Handwerkers, jede neue Maschine verdrängt Hunderte von Arbeitern, jedes Arbeiten auf größerer Stufenleiter, d.h. mit größerem Kapital, ruiniert den kleinen Kram und den kleinbürgerlichen Betrieb. Die Regierung verspricht dem Handwerk, es gegenüber dem fabrikmäßigen Betrieb, der erworbenen <In der "N.Rh.Ztg.": die erworbene> Geschicklichkeit, sie gegenüber der Teilung der Arbeit, dem kleinen Kapital, es gegenüber dem großen durch feudale Zunftinstitutionen zu sichern. Also die deutsche, speziell die preußische Nation, die nur mit Mühe dem gänzlichen Unterliegen vor der englischen Kon- <195> kurrenz durch die äußerste Kraftanstrengung widersteht, soll ihr widerstandslos in die Arme geworfen werden, indem ihr eine gewerbliche Organisation aufgedrungen wird, die den modernen Produktionsmitteln widerspricht und von der modernen Industrie in die Luft gesprengt worden ist!

Wir sind sicher die letzten, die die Herrschaft der Bourgeoisie wollen. Wir haben zuerst in Deutschland unsre Stimme gegen sie erhoben, als die jetzigen "Männer der Tat" in subalternem Krakeel sich selbstgefällig herumtrieben.

Aber wir rufen den Arbeitern und Kleinbürgern zu: Leidet lieber in der modernen bürgerlichen Gesellschaft, die durch ihre Industrie die materiellen Mittel zur Begründung einer neuen, euch alle befreienden Gesellschaft schafft, als daß ihr zu einer vergangenen Gesellschaftsform zurückkehrt, die unter dem Vorwand, eure Klassen zu retten, die ganze Nation in mittelalterige Barbarei zurückstürzt!

Die gottbegnadete Regierung aber hat, wie wir gesehen haben, zu ihrer gesellschaftlichen Unterlage mittelalterige Stände und Zustände. Sie paßt nicht für die moderne bürgerliche Gesellschaft. Sie muß eine Gesellschaft nach ihrem Bilde herzustellen suchen. Es ist reine Konsequenz, wenn sie die freie Konkurrenz durch die Zunft, die Maschinenspinnerei durch das Spinnrad, den Dampfpflug durch die Hacke zu verdrängen sucht.

Wie kömmt es also unter diesen Verhältnissen, daß die preußische Bourgeoisie, ganz im Widerspruch zu ihren französischen, englischen und belgischen Vorgängern, die oktroyierte Verfassung (mit ihr das Königtum von Gottes Gnaden, die Bürokratie und das Junkertum) als ihr Schibboleth ausposaunt?

Der kommerzielle und industrielle Teil der Bourgeoisie wirft sich der Kontrerevolution in die Arme aus Furcht vor der Revolution. Als wenn die Kontrerevolution etwas anders als die Ouvertüre zur Revolution wäre.

Außerdem gibt es einen Teil der Bourgeoisie, der, gleichgültig gegen die Gesamtinteressen seiner Klasse, ein besonderes, derselben sogar feindliches Sonderinteresse verfolgt.

Es sind das die Finanzbarone, großen Staatsgläubiger, Bankiers, Rentiers, deren Reichtum in demselben Maße wächst wie die Volksarmut, und endlich Leute, deren Geschäft auf die alten Staatszustände angelegt ist, z.B. Dumont und sein literarisches Lumpenproletariat. Es sind ehrsüchtige Professoren, Advokaten u. dgl. Leute, die bloß in einem Staate, wo es ein einträgliches Geschäft ist, das Volk an die Regierung zu verraten, ansehnliche Posten zu erhaschen hoffen können.

Es sind einzelne Fabrikanten, die mit der Regierung gute Geschäfte machen, Lieferanten, die ihre bedeutenden Prozente aus der allgemeinen <196> Volksausbeutung ziehen, Spießbürger, deren Wichtigkeit in einem großen politischen Leben verlorengeht, Gemeinderäte, die unter dem Schutz der bisherigen Institutionen ihre schmutzigen Privatinteressen auf Kosten der öffentlichen gefördert haben, Ölhändler die durch Verrat der Revolution Exzellenzen und Ritter des Adlerordens, bankerutte Tuchhändler und Eisenbahnspekulanten, die k[öni]gl[iche] Bankdirektoren geworden sind <Anspielung auf Camphausen und Hansemann> usw. usw.

"Das sind die Freunde der oktroyierten Verfassung." Wenn die Bourgeoisie für diese ihre armen Brüder ein Herz im Busen hat und wenn sie der Achtung Montesquieus LVI. sich würdig machen will, so wähle sie

Wahlmänner im Sinne der oktroyierten Verfassung.

Geschrieben von Karl Marx.