Der Prozeß gegen den Rheinischen Kreisausschuß der Demokraten | Inhalt | Der politische Prozeß

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 258-259
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959

Der Steuerverweigerungsprozeß

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 218 vom 10. Februar 1849]

<258> *Köln, 9. Februar. Wenn die Entscheidung der Geschwornen in unserm vorgestrigen Preßprozeß von Wichtigkeit für die Presse war, so ist die gestrige Freisprechung von Marx, Schneider und Schapper entscheidend für sämtliche aus Anlaß der Steuerverweigerung vor rheinischen Gerichten anhängig gemachten Prozesse. Das Faktum selbst war durchaus einfach und keinem Zweifel unterworfen. In dem inkriminierten Schriftstück <Siehe "[Aufforderung des demokratischen Kreisausschusses der Demokraten zur Steuerverweigerung]"> hieß es:

"Der Rheinische Kreisausschuß der Demokraten fordert alle demokratischen Vereine der Rheinprovinz auf, die Beschlußnahme und Durchführung folgender Maßregeln zu bewerkstelligen:

1. Nachdem die preußische Nationalversammlung selbst die Steuerverweigerung beschlossen hat, ist ihre gewaltsame Eintreibung überall durch jede Art des Widerstandes zurückzuweisen.

2. Der Landsturm zur Abwehr des Feindes ist überall zu organisieren.

3. Die Behörden sind überall aufzufordern, sich öffentlich darüber zu erklären, ob sie die Beschlüsse der Nationalversammlung anerkennen und ausführen wollen. Im Weigerungsfalle sind Sicherheitsausschüsse zu ernennen. Der gesetzgebenden Versammlung widerstrebende Gemeinderäte sind durch allgemeine Volkswahl zu erneuern."

Dies Aktenstück ist doch wohl verständlich genug. Abgesehen von der Frage über die Gültigkeit oder Ungültigkeit des Steuerverweigerungsbeschlusses <Siehe "Keine Steuern mehr!!!">, lag hier offenbar der Fall der Aufreizung zum Aufruhr und zum Bürgerkriege vor. Die Beschuldigten machten auch kein Hehl daraus, daß unter dem "Feind" (im Absatz 2) der innere Feind, die bewaffnete Macht der <259> Regierung zu verstehen sei. Nichtsdestoweniger hatte die Staatsbehörde, an einer Verurteilung unter diesem Artikel des Code verzweifelnd, die mildere Anklage gewählt: auf Aufforderung zur Rebellion und zum Widerstand gegen die Agenten der Staatsgewalt (Art. 209 ff.).

Es drehte sich hiernach nur um die politische Frage, ob die Beschuldigten durch den Steuerverweigerungsbeschluß der Versammlung autorisiert gewesen, in dieser Weise zum Widerstande gegen die Staatsgewalt aufzufordern, eine bewaffnete Macht gegen die des Staats zu organisieren und Behörden aus eigner Machtvollkommenheit ab- und einsetzen zu lassen.

Die Geschwornen haben diese Frage nach sehr kurzer Beratung bejaht.

Nach dieser Entscheidung werden auch Lassalle und Cantador wohl bald wieder in Freiheit gesetzt werden. Es steht nicht zu erwarten, daß der Anklagesenat von Köln in Beziehung auf sie andrer Meinung sein werde als die Geschwornen in Beziehung auf Marx, Schneider und Schapper.

Wir werden übrigens morgen auf Lassalle speziell zurückkommen. Man scheint die wohlmeinende Absicht zu haben, seine Sache über die nächsten Assisen (im März) hinauszuschleppen und ihm so neue drei Monate Untersuchungshaft zu oktroyieren. Hoffentlich aber macht der Ausspruch der Kölner Jury einen Strich durch derartige menschenfreundliche Pläne. Wie Lassalle im Düsseldorfer Gefängnis behandelt wird, darüber morgen einige angenehme Details. <Siehe "Lassalle">

Geschrieben von Karl Marx.