Die französische auswärtige Politik | Inhalt | Auslieferung politischer Flüchtlinge

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 395-396
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959

[Die Komödie mit der Kaiserkrone]

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 263 vom 4. April 1849, Außerordentliche Beilage]

<395> *Köln, 3. April. Herr Brandenburg hat gestern der zweiten Kammer mitgeteilt, was der König in der "deutschen Frage" tun wird. Der Reiz war zu groß; die "treuen Eckarte" der "N[euen] Preuß[ischen] Z[ei]t[un]g" sind mit allen ihren Warnungen beiseite gesetzt. Der König von Preußen wird die dargebotene Krone annehmen, und demnächst dürften wir also dem feierlichen Einzug Sr. christlich germanischen königlich kaiserlichen Majestät in den Sitz der "Reichsregierung" entgegensehn.

Während aber Friedrich Wilhelm die Kaiserkrone aus den Händen des plebejischen Frankfurter Parlaments akzeptiert, gibt er zugleich diesem selben Parlamente und der Illusion von Seiner Souveränetät einen gelinden Fußtritt.

Der Ministerpräsident

"erkennt, daß der Beschluß der Frankfurter Versammlung ein großer Schritt vorwärts ist zur Herbeiführung der deutschen Einheit. Aber er muß auch Rücksicht nehmen auf die Rechte der Regierungen. Er ist der Meinung, daß der Beschluß erst gültig wird durch die freie Zustimmung der Fürsten und nur für diejenigen deutschen Länder verbindlich ist, deren Fürsten diese freie Zustimmung geben. Die preußische Regierung wird aber alles anwenden, um diese freie Einigung zustande zu bringen."

Sehr schlau! Die Kaiserkrone ist immer annehmbar, besonders wenn sie ein lange vergebens ersehntes Lebensziel ist - man vergleiche die bekannte Broschüre von Radowitz: Wie Friedrich Wilhelm der Vierte nicht deutscher Kaiser geworden ist. Aber an der von dem Frankfurter Parlament dargebotnen Krone klebt zuviel plebejischer Staub, zuviel unangenehme Erinnerung an die unseligen Tage der Herrschaft des souveränen Volks, als daß <396> ein König von Gottes Gnaden, und noch dazu ein rehabilitierter, sie so ohne weiteres auf sein Haupt drücken dürfte.

Erst wenn die übrigen, gleichfalls von Gottes Gnaden gekrönten Fürsten ihre Zustimmung dazu gegeben haben, erst dann wird die neue Krone von allen sündhaften märzerrungenen Flecken durch die Gnade Gottes gereinigt und geweiht sein; erst dann wird der Erwählte der 290 Professoren und Hofräte sie ergreifen und sprechen, wie weiland in Berlin: "Von Gottes Gnaden habe ich diese Krone, und wehe dem, der daran tastet!"

In welches neue Stadium der deutsche Reichswirrwarr durch die Kaiserkomödie und speziell durch das respektive Anerkennen oder Nichtanerkennen der einzelnen Regierungen treten wird, das zu bestimmen überlassen wir der Weisheit der "Kölnischen Zeitung".

Geschrieben von Friedrich Engels.