Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 8, 3. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 490-498

Karl Marx

Politische Perspektiven -
Handelsprosperität -
Ein Fall von Hungerstod

Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 3681 vom 2. Februar 1853]

<490> London, Freitag, 14. Januar 1853

Als Lord John Russell im Auswärtigen Amt die diplomatischen Insignien erhielt, erklärte er, daß er diesen Posten nur ad interim <vorübergehend> bekleide, weil in Kürze Earl of Clarendon das Auswärtige Amt übernähme. Faktisch ist Lord Russell im Auswärtigen Amt immer ein Auswärtiger gewesen; er hat sich dort durch nichts hervorgetan, außer durch eine fade Kompilation, wenn ich nicht irre, über die Geschichte der Verträge, die seit dem Frieden von Nimwegen geschlossen worden waren - ein Werk, das sich, um bei der Wahrheit zu bleiben, ebenso unterhaltsam liest wie die "Tragödie", mit der derselbe Russell einstmals die Welt überraschte. Lord John wird man aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Posten des Leaders <Regierungssprechers> im Unterhause betrauen, mit einem Sitz im Kabinett, wobei seine ganze Tätigkeit sich voraussichtlich auf die Schaffung der neuen Reformbill konzentrieren dürfte. Ist doch die Reform des Parlaments seit langem das spezielle Gebiet von Russells Tätigkeit, nachdem er durch seine Maßnahmen im Jahre 1831 so meisterhaft die rotten boroughs zwischen Tories und Whigs aufzuteilen verstanden hatte.

Wortwörtlich hat sich meine Vorhersage erfüllt, daß die drei vom Ministerium gekauften Iren doch nicht genügen würden, um die ganze "Brigade" zur Koalition herüberzuziehen. Die Haltung des "Freeman's Journal " und des "Tablet", Ton und Inhalt der Reden und Erklärungen von Mr. Lucas, Mr. Moore und Mr. Duffy, endlich die auf der letzten Versammlung der Liga zum Schutze der Rechte der Pächter gegen Mr. Sadleir und Mr. Keogh <491> angenommene Resolution sind genügende Anzeichen dafür, daß die Regierung Aberdeens nur auf einen ganz kleinen Teil der irischen Truppe zählen darf.

Lord Aberdeen,der Regierungschef, wird bekanntlich im Oberhaus sitzen. Nun hat Herr Bright jüngst in Manchester bei einem Bankett zu Ehren Ingersolls, des neuen amerikanischen Gesandten, die Gelegenheit ergriffen, zu erläutern, wieso restlose Auflösung des Oberhauses die conditio sine qua non <die unerläßliche Bedingung> für den "Fortschritt" der industriellen Bourgeoisie sei. Diese erste offizielle Erklärung der Manchesterschule seit der Bildung des Koalitionsministeriums wird sicher einiges dazu beitragen, um Lord Aberdeen auf die Spur zu bringen, wo jene Demokratie existiert, die Lord Derby so sehr fürchtet.

So ist also der Parteikrieg, den ein sanguinischer Mitarbeiter der "Times" als auf immer erloschen erklärte, schon wiederentbrannt, obwohl das Tausendjährige Reich mit einer Vertagung des Parlaments bis zum 10. Februar eingeleitet worden war.

Mit lautem Geschrei ist zu Beginn des neuen Jahres die Fortdauer und Zunahme der Prosperität in Handel und Industrie einstimmig verkündet worden, und zur Bekräftigung dienten die Berichte über die Staatseinnahmen bis zum 5. d.M., die Tabellen des Handelsministeriums für den laufenden Monat und für die elf Monate, die mit dem 5. Dezember 1852 abschließen, ferner die Berichte der Fabrikinspektoren und endlich die zu Beginn jedes Jahres herauskommenden Handelszirkulare, die einen allgemeinen Überblick über die Handelsgeschäfte des verflossenen Jahres geben.

Die Berichte über die Staatseinnahmen zeigen eine Zunahme von 978.926 Pfd.St. für das ganze Jahr, während die Zunahme im letzten Vierteljahr 702.776 Pfd.St. beträgt. Bis auf die Zölle weist dieses Jahr jeder Posten eine Zunahme auf. Die Gesamtsumme, die der Staatskasse zufloß, betrug 50.468.193 Pfund Sterling.

Die Akzise, nach der man glaubt, den Volkswohlstand bemessen zu können, brachte

in dem Jahre, das mit dem 5. Januar 1852 abschließt, 13.093.170 Pfd.St.
in dem Jahre, das mit dem 5. Januar 1853 abschließt, 13.356.981 Pfd.St.

Die Stempelsteuer, die die Zunahme der kommerziellen Tätigkeit widerspiegelt, brachte

in den Jahren 1851-1852 5.933.549 Pfd.St.
in den Jahren 1852-1853 6.287.261 Pfd.St.

<492> Die Vermögenssteuer, die die Zunahme des Reichtums der oberen Klassen anzeigt, betrug

in den Jahren 1851-1852 5.304.923 Pfd.St.
in den Jahren 1852-1853 5.509.637 Pfd.St.

Das Handelsministerium gibt für die mit dem 5. Dezember abschließende Monats- und Elfmonatsperiode folgende Ziffern:

Wert der exportierten Waren in Pfd.St.

1852

1851

1850

für den Monat bis 5. Dez.

6.102.694

5.138.216

5.362.319

für die elf Monate bis 5. Dez.

65.349.798

63.314.272

60.400.525

Demzufolge zeigt sich also eine Mehreinnahme von fast einer Million im Monat und von mehr als zwei Millionen in elf Monaten. Da uns aber Ziffern über den Wert der Importe gänzlich fehlen, so wissen wir nicht, ob die Exportzunahme auf gleicher Höhe steht wie die Zunahme der Importe oder ob sie von ihr noch übertroffen wird.

Was nun die Berichte der Fabrikinspektoren betrifft, so schreibt Leonard Horner, Fabrikinspektor für den Lancashire-Distrikt in seinem eben veröffentlichten Bericht über das am 31. Oktober 1852 endigende Halbjahr:

"In meinem Distrikt hat sich im letzten Jahre in den Woll-, Kammgarn- und Seidenfabriken wenig geändert, und auch die Flachsspinnereien sind seit 1. November 1851 unverändert geblieben. Eine starke Zunahme ist jedoch bei den Baumwollfabriken zu verzeichnen. Wenn man die augenblicklich stillstehenden in Abrechnung bringt (von denen wohl viele, insbesondere jene, deren Maschinen nicht entfernt wurden, bald wieder arbeiten werden), so sind in den letzten zwei Jahren 129 neue Fabriken mit insgesamt 4.023 Pferdekräften in Betrieb gesetzt worden. In 53 bereits bestehenden Fabriken sind die Pferdekräfte um 2.090 erhöht worden, so daß die Zunahme 6.113 Pferdekräfte beträgt, was einer Einstellung von mindestens 24.000 zusätzlichen Arbeitern entsprechen dürfte. Das ist aber nicht alles. Es werden noch fortwährend neue Fabriken errichtet. In dem nicht sehr umfangreichen Bezirk, der die Städte Ashton, Stalybridge, Oldham und Lees umfaßt, werden momentan elf gebaut, die auf insgesamt 620 Pferdekräfte geschätzt werden. Die Maschinenbauer sollen mit Aufträgen überhäuft sein; und ein sehr intelligenter, gut beobachtender Fabrikbesitzer sagte mir neulich, daß viele von den jetzt im Bau begriffenen Fabriken wahrscheinlich nicht vor dem Jahr 1854 arbeiten könnten, da es unmöglich wäre, Maschinen für sie zu beschaffen. Aber diese meine eigenen Angaben sowie die meiner Kollegen lassen, obwohl sie eine große Steigerung anzeigen, keineswegs die ganze Zunahme erkennen. Denn es gibt eine große und sehr reiche Quelle des Wachstums der Produktion, über die nur sehr schwer Berichte zu erlangen sind. Ich meine die modernen Verbesserungen der Dampfmaschinen, durch die alte und selbst neue Maschinen eine Arbeitsleistung erzielen, die die ihrer nominalen Pferdekräfte entsprechende weit übersteigt und deren Höhe man vordem für unmöglich gehalten hätte."

<493> Horner zitiert dann einen Brief des hervorragenden Zivilingenieurs Nasmyth aus Birmingham. Nasmyth erklärt, wie sehr man die Leistung steigern kann, wenn man die Maschinen schneller arbeiten läßt und sie mit dem Woolfschen Hochdruck-Doppelzylinder versieht, durch den dieselben Maschinen wenigstens um 50 Prozent mehr Arbeit leisten, als sie es vor dieser Verbesserung taten.

Aus einer Zusammenfassung der Berichte sämtlicher Inspektoren geht hervor, daß in dem am 31. Oktober 1852 endigenden Jahre die Summe aller neuen in Betrieb befindlichen Fabriken 229 betrug mit einer Dampfkraft von insgesamt 4.771 Pferdekräften und einer Wasserkraft von 586 Pferdekräften, daß ferner die schon bestehenden Fabriken um 69 mit einer Dampfkraft von 1.532 Pferdekräften und einer Wasserkraft von 28 Pferdekräften zunahmen und so die Gesamtsumme auf 6.917 Pferdekräfte brachten.

Die jährlichen Handelszirkulare atmen denselben enthusiastischen Geist wie die "Times", als sie seinerzeit das politische Tausendjährige Reich verkündete; sie haben im Vergleich mit ihr allerdings den Vorteil, daß sie sich auf Tatsachen und nicht auf bloße Erwartungen stützen, wenigstens soweit es sich um das verflossene Jahr handelt.

Die Landwirtschaft braucht sich nicht zu beschweren. Zu Beginn des Jahres war der wöchentliche Durchschnittspreis des Weizens 37 sh. 2 d.; Ende des Jahres erreichte er 45 sh. 11 d. Mit dem steigenden Weizenpreis steigt der Preis für Vieh, für Fleisch, für Butter und für Käse.

Im August 1851 begann ein beispiellos starkes Fallen der Preise von Kolonialwaren, namentlich Zucker und Kaffee, das bis zum Jahresende noch nicht zum Abschluß gekommen war, denn die Panik in Mincing Lane <Londiner Zentrum des Großhandels mit Kolonialwaren> erreichte ihren Höhepunkt erst im Januar des vergangenen Jahres. Jetzt verzeichnen die Jahreshandelsberichte eine bedeutende Steigerung in den Preisen der meisten ausländischen Produkte, besonders der Kolonialprodukte wie Zucker, Kaffee usw.

Die Bewegung in Rohmaterialien ersehen wir aus folgendem:

"Der Wollhandel war", laut Bericht der Firma Hughes & Ronald, "das ganze Jahr über höchst befriedigend ... Die einheimische Nachfrage nach Wolle war ungewöhnlich groß ... Der Export an Woll- und Kammgarnwaren stand so hoch, daß er sogar den des Jahres 1851 übertraf, dessen Höhe bisher unerreicht geblieben ... Die Preise tendierten ständig aufwärts, doch erst im letzten Monat sind sie entschieden in die Höhe gegangen, so daß sie zur Zeit im Durchschnitt um 15 bis 20 Prozent über denen des Vorjahres notiert werden."

<494> "Der Holzhandel", sagt die Firma Churchill & Sim, "hat im Jahre 1852 reichlich an der Prosperität des Landes teilgehabt... Die Einfuhr nach London übertraf 1.200 Schiffsladungen, ähnlich wie im Jahre 1851. Beide Jahre überstiegen die vorhergehenden, die durchschnittlich etwa 800 Ladungen aufgewiesen hatten, um 50 Prozent. Während die Menge zugehauenen Nutzholzes dem Durchschnitt mehrerer Jahre gleichkommt, hat sich 1852 die Verwendung von Brettern, Latten, gesägtem Holz etc. ungeheuer vermehrt: sie stieg von durchschnittlich 4.900.000 Stück auf 6.800.000 im Jahre 1852."

Über Leder äußert sich die Firma Powell und Co:

"Das eben abgelaufene Jahr war zweifellos ein sehr günstiges für die Lederfabrikanten in fast allen Branchen. Rohmaterialien standen zu Beginn des Jahres sehr niedrig im Preis, und es sind Verhältnisse eingetreten, die den Wert des Leders in höherem Maße steigerten, als dies seit einigen Jahren der Fall gewesen."

Die Eisenindustrie steht in besonderer Blüte, denn das Eisen ist von 5 Pfd.St. pro Tonne auf 10 Pfd. 10 sh., ja sogar kürzlich auf 12 Pfd.St. gestiegen und könnte möglicherweise 15 Pfd.St. erreichen, und immer mehr Hochöfen werden in Betrieb gesetzt.

Über die Schiffahrt berichten Offor & Gamman:

"Im eben abgeschlossenen Jahre war die britische Schiffahrt außerordentlich lebhaft; die Ursache lag in dem durch die australischen Goldfunde verursachten Aufschwung der Geschäfte ... Die Zahl der Ladungen hat allgemein zugenommen.

Die gleiche Bewegung setzt sich auf dem Gebiet des Schiffbaus durch. So berichten Tonge, Currie & Co. aus Liverpool über diesen Geschäftszweig:

"Nie vorher konnten wir über Jahresverkäufe an Schiffen in diesem Hafen so Günstiges berichten, sowohl was die Höhe der verkauften Tonnage als auch die dafür erzielten Preise betrifft. In den Kolonien gebaute Schiffe erzielten um ganze 17 Prozent höhere Preise, und die Tendenz ist immer noch steigend. Der Bestand an unverkauften Schiffen ist auf 48 Segler gegenüber 76 im Jahre 1852 und 81 im Jahre 1851 zurückgegangen, wobei nicht mit unmittelbaren Lieferungen gerechnet wird ... Die Zahl der im Laufe des Jahres nach Liverpool gelieferten und von dort verkauften Schiffe beträgt 120 mit 50.000 Tonnen. Die Zahl der in diesem Jahre in unserem Hafen von Stapel gelassenen und in Bau befindlichen Schiffe beträgt 39 mit schätzungsweise 15.000 Tonnen, gegenüber 23 Schiffen mit 9.200 Tonnen im Jahre 1851. Die Zahl der im Bau befindlichen oder fertiggestellten Dampfer beträgt 13 mit 4.050 Tonnen ... Höchst bemerkenswert für unser Geschäft ist die ständig steigende Vorliebe, deren sich aus Eisen konstruierte Segelschiffe erfreuen; sowohl hier als am Clyde, in Newcastle und andernorts sind die Schiffbauer in noch nie dagewesenem Umfang mit deren Bau beschäftigt."

Über das Kapitel Eisenbahnen schreiben Woods & Stubb:

<495> "Die Ergebnisse übertreffen die sanguinischsten Erwartungen und sind bei weitem höher als alle früheren Berechnungen. Der Bericht der letzten Woche weist gegen 1851 eine Erweiterung der Schienenwege um 348 Meilen oder 5 1/2 Prozent auf und eine Erhöhung des Transportumsatzes um 41.426 Pfd.St. oder 14 Prozent."

Du Fay & Co. endlich schildern in ihrem Bericht (Manchester) den Geschäftsverkehr mit Indien und China im Monat Dezember als sehr ausgedehnt. Der bereits erwähnte Geldüberfluß habe die Unternehmungen nach fremden Märkten begünstigt und es den Interessenten ermöglicht, die zu Beginn des Jahres in Industrieprodukten und Kolonialwaren erlittenen Verluste zu ersetzen.

"Im Augenblick werden Spekulanten und Kapitalisten durch neue Land-, Bergbau und andere Projekte herbeigelockt."

Die Prosperität der Industriebezirke im allgemeinen und der Baumwollbezirke im besonderen ging schon aus den Berichten der Fabrikinspektoren hervor. John Wrigley & Sohn (Liverpool) berichten über die Baumwollfabrikation:

"Als Kriterium für die allgemeine Prosperität des Landes ist der Fortschritt der Baumwollindustrie im abgelaufenen Jahre höchst erfreulich. Es ist dabei manche auffallende Tatsache zutage getreten, darunter keine, die soviel Aufmerksamkeit verdient wie die unglaubliche Leichtigkeit, mit der die noch nie erreichte Ernte von mehr als 3.000.000 Ballen, das Produkt der Vereinigten Staaten Amerikas, abgesetzt worden ist ... Schon werden in vielen Bezirken Vorbereitungen zu einer weiteren Ausdehnung der Produktionsmöglichkeiten getroffen, und wir dürfen erwarten, daß nächstes Jahr eine noch größere Quantität Baumwolle insgesamt verarbeitet werden wird als je zuvor."

Auf viele andere Industriezweige trifft ähnliches zu.

"Wir verweisen auf Glasgow", sagen Mac Neir, Greenhow & Irving (Manchester), "mit seiner Eisen- und Baumwollindustrie, auf Huddersfield, Leeds, Halifax, Bradford, Nottingham, Leicester, Sheffield, Birmingham, Wolverhampton usw. mit ihren verschiedenen Industrien - sie alle scheinen sich der höchsten Prosperität zu erfreuen."

Ausnahmen von dieser allgemeinen Prosperität bilden allein die Seidenfabrikation und die Wollkämmereien in Yorkshire. Und die allgemeine Geschäftslage läßt sich in den Worten eines Handelszirkulars aus Manchester <Bericht der Firma Du Fay> so zusammenfassen:

"Wir fürchten die Überspekulation viel mehr als die Flauheit und den Geldmangel."

<496> Mitten in dieser allgemeinen Prosperität hat ein Schritt, den jüngst die Bank von England unternahm, allgemeine Bestürzung in der kaufmännischen Welt hervorgerufen. Am 22. April 1852 hatte sie den Diskontsatz auf zwei Prozent herabgesetzt. Am Morgen des 6. Januar 1853 gab sie bekannt, daß der Diskontsatz von zwei auf zweieinhalb Prozent erhöht würde, also eine Erhöhung der Belastung um 25 Prozent. Man hat versucht, diese Erhöhung durch die hohen Verbindlichkeiten zu erklären, die kürzlich einige große Unternehmer von Eisenbahnbauten eingegangen waren und die bekanntlich auf sehr hohe Beträge lautende Wechsel in Umlauf haben. Die "London Sun" und andere wiederum wollten wissen, daß die Bank von England aus der allgemeinen Prosperität ebenfalls Nutzen ziehen wolle, indem sie den Diskont erhöht. Der Schritt wurde im allgemeinen als "nicht gerechtfertigt" verworfen. Damit man ihn richtig einschätzen kann, lasse ich hier die Feststellungen des "Economist" folgen:

Bank von England

1852

Barrengold
Pfd.St.

Sicherheiten
Pfd.St.

Diskontsatz (Mindesrate)

22. April

19.581.670

23.782.000

herabgesetzt auf 2%

24. Juli

22.065.349

24.013.728

2%

18. Dez.

21.165.224

26.765.724

2%

24. Dez.

20.794.190

27.545.640

2%

1853

1. Jan.

20.527.662

29.284.447

2%, aber am

6. Jan. auf 21/2% erhöht.

Es ist also eine Million Gold mehr in der Bank als im April 1852, als der Zinsfuß auf zwei Prozent herabgesetzt worden war; aber es besteht ein großer Unterschied zwischen den zwei Perioden hinsichtlich der Bewegung des Goldes: sie hat sich aus einer Flut in eine Ebbe verwandelt. Der Abfluß ist besonders stark, da er die ganze Goldeinfuhr aus Amerika und Australien vom letzten Monat überwiegt. Außerdem betrugen die Sicherheiten im April 1852 um 51/2 Millionen weniger als jetzt. Folglich war im April das Angebot an Leihkapital größer als die Nachfrage, während jetzt das Gegenteil der Fall ist.

Die Abwanderung des Barrengoldes war begleitet von einem merklichen Sinken des ausländischen Wechselkurses, ein Umstand, der zum Teil zu <497> erklären ist durch das erhebliche Steigen der Preise der meisten Importartikel, zum Teil durch große Spekulationen in Importen. Hierzu kommen noch die Auswirkungen des ungünstigen Herbstes und Winters auf die Landwirtschaft, daraus die Zweifel und Befürchtungen wegen der nächsten Ernte und daraus wiederum die riesigen Spekulationen in ausländischem Getreide und Mehl. Endlich haben sich englische Kapitalisten sehr stark bei der Gründung von Eisenbahn- und anderen Gesellschaften in Frankreich, Spanien, Italien, Schweden, Norwegen, Dänemark, Deutschland und Belgien engagiert und beteiligen sich kräftig an dem allgemeinen Schwindel, der sich jetzt an der Pariser Börse abspielt. Wechsel auf London werden daher auf allen europäischen Märkten viel mehr angeboten als je zuvor, woraus sich das fortgesetzte Fallen des Wechselkurses ergibt. Am 24. Juli notierte 1 Pfund Sterling in Paris 25 Franken 30 Centimes. Am 1. Januar war es auf 25 Franken gefallen, und einige Transaktionen wurden sogar unter 25 Franken abgeschlossen.

Soweit die Nachfrage nach Kapital im Verhältnis zum Angebot gewachsen ist, erscheint die letzte Maßnahme der Bank von England vollkommen gerechtfertigt. Soweit sie aber der Spekulation und der Abwanderung des Kapitals Einhalt gebieten soll, wage ich die Prophezeiung, daß sie keinerlei Einfluß haben wird.

Nachdem uns die Leser nun so geduldig bei der langen Aufzählung aller Beweise der wachsenden Prosperität Englands gefolgt sind, bitte ich sie, noch einem armen Nadelmacher, Henry Morgan, auf seinem Wege zu folgen, als er von London nach Birmingham wanderte, um Arbeit zu suchen. Um nicht der Übertreibung bezichtigt zu werden, lasse ich den wörtlichen Bericht aus dem Northampton Journal <"Northhampton Mercury"> folgen:

"Todesfall infolge äußerster Not.

Cosgrove. Als am Montag morgen gegen neun Uhr zwei Landarbeiter in einer niedrigen Scheune Zuflucht vor dem Regen suchten, die von Mr. T. Slade aus dem Kirchspiel Cosgrove benutzt wird, hörten sie lautes Stöhnen. Sie suchten und fanden einen Mann, der gänzlich erschöpft in einer Kornvorratsgrube lag. Sie redeten ihn an und boten ihm hilfsbereit von ihrem Frühstück an, erhielten aber keine Antwort. Als sie ihn anfaßten, fühlte er sich fast kalt an. Sie holten Mr. Slade, der in der Nahe war und den Mann bald darauf in der Obhut eines jungen Burschen auf einem Wagen, auf Stroh gebettet und zugedeckt, ins Armenhaus von Yardley-Gobion schickte, das ungefähr eine Meile weit entfernt ist. Dort langte er kurz vor ein Uhr an, starb aber eine Viertelstunde später. Die ausgehungerte, in Lumpen gekleidete, verschmutzte arme Kreatur bot einen furchtbaren Anblick dar. Der Unglückliche hatte <498> als Vagabund offenbar am Donnerstag, dem 2., vom Armenvorsteher in Stoney-Stratford eine Anweisung auf Quartier für eine Nacht in Yardley House bekommen und war dort aufgenommen worden, nachdem er den mehr als drei Meilen langen Weg nach Yardley zu Fuß zurückgelegt hatte. Er bekam zu essen, aß mit gutem Appetit und hat, noch einen Tag und eine Nacht bleiben zu dürfen, was ihm auch gewahrt wurde. Sonnabend früh machte er sich nach einem Frühstück (wahrscheinlich seine letzte Mahlzeit auf Erden), auf den Weg zurück nach Stratford. Da er sehr schwach war und wunde Füße hatte - die eine Ferse war vereitert - suchte er vermutlich das erste Obdach auf, das sich ihm darbot. Dies war ein offener Schuppen, der zu den Außenwerken eines Gutshofs gehört und etwa eine Viertelmeile von der Chaussee entfernt liegt. Dort fand man ihn Montag, den 6., mittags im Stroh, und da man keinen Fremden auf dem Grundstück dulden wollte, so wurde ihm bedeutet, er möge sich entfernen. Er bat, noch ein Weilchen bleiben zu dürfen und ging gegen vier Uhr weg, um wiederum, bei Einbruch der Nacht, Schutz und Ruhe in nächster Nähe zu suchen, eben in dieser niedrigen Scheune, deren Strohdach teilweise fehlte, deren Tür offenstand und die allen Wettern ausgesetzt war. Dort kroch er dann in eine Kornvorratsgrube, wo er ohne jegliche Nahrung noch sieben Tage liegenblieb, bis man ihn, wie oben beschrieben, am Morgen des 13. auffand. Dieser Unglückliche hatte angegeben, er heiße Henry Morgan und sei Nadelmacher von Beruf. Er muß zwischen 30 und 40 Jahre alt und ein Mann von guter Statur gewesen sein."

Man kann sich kaum einen grauenerregenderen Fall ausdenken. Ein stattlicher, kräftig gebauter Mann im besten Alter - sein langer Leidensweg von London nach Stoney-Stratford - sein jammervolles Flehen um Hilfe bei der "Zivilisation" ringsum - sein sieben Tage langes Hungern - die Brutalität, mit der ihn seine Mitmenschen seinem Schicksal überlassen - sein Suchen nach Obdach - seine Vertreibung von einem Schlupfwinkel zum andern - die alles überbietende Unmenschlichkeit dieses Kerls Slade und der geduldig erlittene, elendigliche Tod des erschöpften Menschen - das alles fügt sich zu einem Bild, das wahrlich zu denken und zu staunen gibt.

Zweifellos verletzte er das Eigentumsrecht, als er in der Scheuer und im einsamen Schuppen Obdach suchte!

Man erzähle diesen Fall von Hungerstod, inmitten der Ära blühendster Prosperität, einem feisten Londoner aus der City, und er wird in den Worten des "London Economist" vom 8. Januar antworten:

"Es ist ein Genuß zu sehen, wie unter dem Freihandel alle Klassen blühen und gedeihen. Ihre Kräfte werden durch die Aussichten auf Erfolg geweckt; sie alle verbessern ihre Produktion, und die Gesamtheit sowie der Einzelne haben ihren Nutzen davon."

Karl Marx