Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 9, S. 265-272
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1960

Karl Marx

Urquhart -
Bem -
Die türkische Frage im Oberhaus

Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 3862 vom 1. September 1853]

<265> London, Dienstag, 16. August 1853

David Urquhart hat vier Artikel über die orientalische Frage veröffentlicht, dazu bestimmt, vier Irrtümer klarzustellen: der erste betrifft die Identität der orientalischen und der russischen Kirche, der zweite den diplomatischen Streit zwischen England und Rußland, der dritte die Möglichkeit eines Krieges zwischen England und Rußland und der vierte endlich die Illusion, daß England und Frankreich Bundesgenossen seien. Da ich nächstens ausführlich auf diese zurückkommen will, so beschränke ich mich im Augenblick darauf, Ihnen folgenden Brief Bems an Reschid Pascha mitzuteilen, einen Brief, den Herr Urquhart zum erstenmal veröffentlichte.

"Monseigneur! Da die Order noch nicht gekommen ist, die meine Anwesenheit in Konstantinopel verfügt, empfinde ich es als meine Pflicht, Eurer Hoheit einige Erwägungen vorzutragen, die mir dringlich erscheinen. Ich beginne mit der Erklärung, daß die türkischen Truppen, die ich gesehen habe, Kavallerie, Infanterie und Feldartillerie, vorzüglich sind. Haltung, Erziehung und militärischer Geist könnten nicht besser sein. Die Reiterei übertrifft jede andere europäische Kavallerie. Von unschätzbarem Wert ist das Verlangen aller Offiziere und aller Soldaten, gegen Rußland zu kämpfen. Mit solchen Truppen würde ich mich gern verpflichten, eine an Zahl doppelt so große russische Macht anzugreifen und Sieger zu bleiben. Und da das Ottomanische Reich imstande ist, gegen Rußland mehr Truppen aufzubieten, als diese Macht ihm entgegenstellen kann, so ist es klar, daß der Sultan die Genugtuung haben kann, seinem Zepter alle Provinzen wiedererstattet zu sehen, die seinen Ahnen von den Moskauer Zaren verräterisch entrissen wurden ...

Bem."

<266> Der österreichische Minister des Äußern <Buol-Schauenstein> hat an alle europäischen Höfe wegen der Haltung der amerikanischen Fregatte "Saint Louis" in der Koszta-Affäre eine Note geschickt, die die allgemeine amerikanische Politik öffentlich anklagt. Österreich besteht darauf, ein Recht zu haben, auf dem Gebiet einer neutralen Macht Ausländer gewaltsam festzunehmen, die Vereinigten Staaten aber sollen kein Recht haben, zu deren Schutz kriegerische Maßnahmen zu ergreifen.

Im Oberhaus hat am Freitag der Earl of Malmesbury weder den Geheimnissen der Wiener Konferenz oder den von ihr gemachten Vorschlägen an den Zaren nachgeforscht, noch hat er sich genauer nach dem jetzigen Stand der Verhandlungen erkundigt. Seine Neugier war eine mehr retrospektive, sozusagen archäologische. Er verlangte nichts als "einfache Übersetzungen" der beiden Manifeste, die der Kaiser im Mai und im Juni an seine diplomatischen Agenten gerichtet und die in der "St. Petersburger Zeitung" veröffentlicht waren; auch "die Antwort, die Ihrer Majestät Regierung auf die darin enthaltenen Behauptungen gegeben haben dürfte", interessierte ihn. Der Earl of Malmesbury ist kein alter Römer. Seinem Gefühl widerstrebt nichts mehr als die römische Gepflogenheit, ausländische Gesandte vor den versammelten patres conscripti <altrömische Senatoren> offen zu hören. Dabei konstatierte er selbst, daß

"die beiden russischen Zirkulare vom russischen Kaiser öffentlich vor ganz Europa in seiner Muttersprache publiziert wurden und daß sie in den Zeitungen auch in englischer und französischer Sprache erschienen sind".

Was soll es also bezwecken, wenn man sie aus der Sprache der Zeitungsschreiber in die Sprache der Schreiber vom Ministerium des Auswärtigen zurückübersetzt?

"Die französische Regierung beantwortete die Zirkulare sofort und in geschickter Weise ... Die englische Antwort soll, wie man uns mitteilt, bald nach der französischen erfolgt sein."

Der Earl of Malmesbury ist offenbar sehr erpicht darauf zu erfahren, wie sich die gewöhnliche Prosa des Herrn Drouyn de Lhuys ausnimmt, wenn sie in die edle Prosa des Earl of Clarendon übertragen wird.

Er sah sich gezwungen, seinen "edlen Freund gegenüber" daran zu erinnern, daß John Bull nach dreißig Jahren Frieden, ruhiger Handelsgewohnheiten und industrieller Bestrebungen "etwas nervös" geworden sei, wenn es sich um Krieg handle, und daß diese Nervosität seit dem letzten März "infolge der fortgesetzten und andauernden Geheimnistuerei, mit der die Regierung <267> ihre Handlungen und Verhandlungen umgibt", zugenommen habe. Im Interesse des Friedens interpelliert also Lord Malmesbury, ebenfalls im Interesse des Friedens schweigt aber die Regierung.

Niemand war entrüsteter als der edle Lord selbst über die ersten Zeichen eines Angriffs Rußlands auf die europäische Türkei. Nie hatte er auch nur eine Ahnung von Rußlands Absichten auf die Türkei gehabt. Er vermochte nicht zu glauben, was seine Augen sahen. Wie vertrug sich das vor allem mit der "Ehre des Kaisers von Rußland"? Aber hat jemals die Vergrößerung eines Reichs einer kaiserlichen Ehre Abbruch getan? Und was wurde aus "der konservativen Politik, die der Zar während der Revolutionen von 1848 so nachdrücklich verfolgt hatte"? Allerdings, der Herrscher aller Reußen hatte mit diesen verruchten Revolutionen nichts gemein. Insbesondere im Jahr 1852, als der edle Earl das Portefeuille des Auswärtigen hatte,

"gab es keinen anderen Herrscher, der öfter die Aufrechterhaltung der für Europa bindenden Verträge betonte oder aufrichtiger um sie bemüht war, und keinen, der die Einhaltung der territorialen Übereinkommen mehr respektierte, die zu Europas Glück so viele Jahre existierten, als den Zaren".

Und zweifellos hatte Baron Brunnow, als er den Earl of Malmesbury dazu bewog, den Vertrag vom 8. Mai 1852 wegen der dänischen Erbfolge zu unterzeichnen, diesen durch die wiederholte Versicherung eingefangen, daß sein erhabener Herrscher eine Schwäche für alle bestehenden Verträge habe. Und als er den Earl, der eben den Staatsstreich Bonapartes freudig begrüßt hatte, dazu überredete, mit Rußland, Preußen und Österreich gegen diesen selben Bonaparte ein geheimes Bündnis zu schließen, gab er sich natürlich auch den Anschein seines aufrichtigen Interesses an der Erhaltung der bestehenden territorialen Übereinkommen.

Um nun die plötzliche und unerwartete Veränderung, die im Kaiser von Rußland vorgegangen ist, zu erklären, unterwirft der Earl of Malmesbury "die neuen Eindrücke auf das Gemüt des russischen Kaisers" einer psychologischen Analyse. Die "Gefühle" des Kaisers, so versichert er, "seien durch das Verhalten Frankreichs in bezug auf die Heiligen Stätten erregt worden". Wohl habe Bonaparte, um diese Erregung zu besänftigen, Herrn Delacour nach Konstantinopel geschickt, "einen Mann von besonders gütigem und versöhnlichem Charakter". "Aber", fährt der Earl fort, "es scheint, als ob für den russischen Kaiser das Geschehene nicht mehr ungeschehen zu machen war" und daß ein Rest von Bitterkeit gegen Frankreich zurückblieb. Man muß gestehen, daß Herr Delacour die Frage endgültig und befriedigend löste, noch ehe Fürst Menschikow nach Konstantinopel kam. "Aber trotzdem blieben <268> die Eindrücke auf das Gemüt des russischen Kaisers unverändert." Diese Eindrücke und die daraus entspringende falsche Vorstellung waren so stark, "daß der Kaiser die türkische Regierung immer noch im Verdacht hafte, Rußland solche Bedingungen zu stellen, die zu verlangen sie kein Recht hatte". Der Earl of Malmesbury gesteht, daß es nicht nur keinem "menschlichen Wesen", sondern nicht einmal einem englischen Lord möglich sei, "in der Seele des Menschen zu lesen"; dennoch "hält er sich für fähig, diese merkwürdigen Eindrücke auf das Gemüt des russischen Kaisers zu erklären". Der Zeitpunkt - so sagt er - sei gekommen, auf den man die russische Bevölkerung seit Generationen und Generationen vertröstet habe, "als auf den ihr vorherbestimmten Zeitpunkt der Erringung Konstantinopels und der Wiederherstellung des Byzantinischen Reichs". Er nehme nun an, "der jetzige Kaiser" habe "diese Gefühle" geteilt. Ursprünglich beabsichtigte der scharfsinnige Earl, den hartnäckigen Verdacht des Kaisers aufzuklären, der sich von der türkischen Regierung in seinen Rechten geschmälert fühlte, jetzt klärt er uns dahingehend auf, daß der Kaiser die Türkei nur deshalb im Verdacht hatte, weil er den geeigneten Moment gekommen glaubte, sie zu verschlucken. Bei diesem Punkte angelangt, mußte der edle Lord notgedrungen einschwenken. Statt die neuen Eindrücke auf das Gemüt des russischen Kaisers zu berücksichtigen, die die alten Verhältnisse beeinflußten, zieht er jetzt die Umstände in Betracht, die des Zaren ehrgeiziges Gemüt und seine überlieferten Gefühle eine Zeitlang davon abhielten, "der Versuchung zu widerstehen". Diese Umstände bestehen in der einen wichtigen Tatsache, daß der Earl of Malmesbury das eine Mal "in der Regierung" und das andere Mal "draußen" war.

Als er "drinnen" war, war er der erste, der Boustrapa <Napoleon III.> nicht nur anerkannte, sondern sogar dessen Meineide, Mordtaten und Gewalttaten guthieß. Dann aber

"tadelten die damaligen Zeitungen dauernd die - wie sie es nannten - unterwürfige und kriecherische Politik gegenüber dem französischen Kaiser."

Es kam das Koalitionsministerium und mit ihm Sir J. Graham und Sir Charles Wood,

"die in öffentlichen Versammlungen die Politik und den Charakter des französischen Kaisers verdammten und auch das französische Volk verurteilten, weil es sich einen solchen Fürsten zum Herrscher gewählt habe".

Dann folgte die montenegrinische Affäre, und das Koalitionsministerium

"gestattete Österreich, darauf zu bestehen, daß der Sultan keinen weiteren Zwang auf die aufrührerischen Montenegriner ausübe und der türkischen Armee nicht einmal <269> einen ungestörten und ungehinderten Rückzug sichere, so daß die Türkei einen Verlust von 1.500 bis 2.000 Mann erlitt".

Die nachherige Zurückberufung des Obersten Rose aus Konstantinopel, ferner die Weigerung der englischen Regierung, gleichzeitig mit Frankreich ihre Flotte nach der Besikabai oder Smyrna zu dirigieren, riefen bei dem Kaiser von Rußland den Eindruck hervor, Volk und Regierung von England seien dem französischen Kaiser feindlich gesinnt und zwischen den beiden Ländern sei kein wirkliches Bündnis möglich.

Nachdem er so mit einer Feinheit, die jedem Romanschriftsteller Ehre machen würde, der die wechselnden Gefühle seiner Heldin beschreibt, die Reihenfolge der Umstände geschildert hat, die auf des russischen Kaisers empfängliches Gemüt einwirkten und ihn vom Pfad der Tugend lockten, schmeichelt sich der Earl of Malmesbury, durch ein enges Bündnis mit dem Unterdrücker des französischen Volkes die alten Vorurteile und Antipathien durchbrochen zu haben, die seit Jahrhunderten das französische dem englischen Volk entfremdeten, und er beglückwünscht die jetzige Regierung dazu, daß er ihr dies innige Bündnis mit dem Zaren des Westens hinterlasse und das ernte, was die Tories gesät haben. Er vergißt hinzuzufügen, daß es gerade dieses innige Bündnis war, unter dessen Auspizien der Sultan Rußland geopfert wurde, als der französische Kaiser das Koalitionskabinett unterstützte; denn dieser französische Soulouque brennt nur darauf, sich auf den Schultern der Muselmanen in eine Art Wiener Kongreß hineinzustehlen und dadurch zu Ansehen zu gelangen. Und in demselben Atemzuge, in dem er das Ministerium zu seinem engen Bündnis mit Bonaparte beglückwünscht, schmäht er die Politik, die doch nur die Frucht dieser Mesalliance war.

Verlassen wir nun den Earl mit seinen Expektorationen über die Bedeutung der türkischen Integrität, seiner Ableugnung des Verfalls der Türkei, seiner Zurückweisung des russischen religiösen Protektorats und seinen Vorwürfen gegen die Regierung, weil sie den Einfall in die Donaufürstentümer nicht als Casus belli auffaßte und die Überschreitung des Pruth nicht durch die Entsendung ihrer Flotte beantwortete. Neues bringt er nichts vor als den folgenden Brief des Fürsten Menschikow an Reschid Pascha vor seiner Abreise aus Konstantinopel, "dessen Frechheit durch nichts zu überbieten ist".

"Bujukdere, 9. (21.) Mai

Im Augenblick der Abreise von Konstantinopel erfährt der unterzeichnete russische Gesandte, die Hohe Pforte habe die Absicht ausgesprochen, eine Garantie für die Ausübung der geistlichen Rechte, mit denen der Klerus der orientalischen Kirche bekleidet ist, zu proklamieren, was in der Tat die Aufrechterhaltung der übrigen <270> Privilegien, deren diese Kirche sich erfreut, zweifelhaft erscheinen läßt. Welches immer der Beweggrund dieses Beschlusses gewesen sein mag, so sieht sich der Unterzeichnete in die Notwendigkeit versetzt, Se. Exzellenz, den Minister des Auswärtigen zu verständigen, daß eine Erklärung oder irgendein anderer Akt, welcher, wenn er auch die Integrität der bloß geistlichen Rechte der orthodoxen orientalischen Kirche aufrechterhalten sollte, doch dahin zielen würde, die übrigen Rechte, Privilegien und Immunitäten zu schwächen, die ihrer Religion und ihrem Klerus von den ältesten Zeiten her bewilligt wurden und deren sie sich im gegenwärtigen Augenblicke erfreut, von dem kaiserlichen Kabinett als ein Akt der Feindseligkeit gegen Rußland und seine Religion betrachtet werden würde.

Der Unterzeichnete ersucht usw.

Menschikow."

Der Earl of Malmesbury "kann unmöglich glauben, daß der russische Kaiser das Betragen des Fürsten Menschikow oder seine Handlungsweise gutheiße". Nesselrodes Noten, die der Abreise Menschikows folgten, und die russische Armee, die den Noten Nesselrodes folgte, bestätigten diese Zweifel.

Der "schweigsame" Clarendon mußte, "so peinlich es ihm auch war", dennoch "immer und immer wieder dieselbe Antwort geben", d.h. gar keine Antwort. Er empfand es "als seine öffentliche Pflicht, kein Wort zu sagen", das er nicht schon früher gesagt hätte, nämlich "daß er keine Mitteilung vorzulegen hätte und keine spezielle Depesche vorzeigen könnte". Der edle Earl konnte also dem kein Jota hinzufügen, was wir nicht ohnehin schon wußten. Sein hauptsächlichster Ehrgeiz bestand darin, festzustellen, daß er während der ganzen Zeit, als die österreichischen und russischen Kabinette ihre aggressive Politik durchführten, in "steter Verbindung" mit ihnen war. So war er auch in steter Verbindung mit der österreichischen Regierung, als diese den Fürsten Leiningen nach Konstantinopel und ihre Truppen an die Grenze beorderte, weil "sie eine Empörung ihrer eigenen Untertanen an der Grenze befürchtete", so lautete wenigstens, wie der harmlose Clarendon versichert, "der angegebene Grund". Nachdem der Sultan Österreich nachgegeben und seine Streitkräfte zurückgezogen hatte, stand der energische Clarendon "wieder in Verbindung mit Österreich, um die genaue Einhaltung des Vertrags zu sichern".

"Ich glaube", sagt der leichtgläubige Lord, "daß er eingehalten wurde, denn die österreichische Regierung versicherte uns, es sei der Fall."

Vortrefflich, Mylord! Die Entente cordiale mit Frankreich hatte schon seit 1815 existiert! Über die Entscheidung, die die französische und die englische Regierung wegen "der Entsendung ihrer Flotten" trafen, bestand auch "kein Schatten von Uneinigkeit". Bonaparte gab Order, daß seine Flotte nach Salamis fahre,

<271> "da er glaubte, es drohe unmittelbare Gefahr", und "obzwar er" (Clarendon) "sagte, die Gefahr sei im Augenblick nicht so drohend und die französische Flotte brauche im Augenblick die französischen Häfen nicht zu verlassen", so gab Bonaparte "dennoch Order zur Ausfahrt; schließlich sei aber das doch ganz egal, denn es sei doch viel vorteilhafter und bequemer, eine Flotte in Salamis und die andere in Malta als eine in Malta und die andere in Toulon zu haben".

Ferner bemerkt Lord Clarendon, "es gereiche zur Befriedigung", daß während der ganzen Zeit, da Menschikow einen unverschämten Druck auf die Pforte ausübte,

"die Flotte nicht hinausbeordert worden sei, denn niemand könne jetzt behaupten, die türkische Regierung habe auf unser Diktat hin gehandelt".

Nach dem, was vorgefallen, ist es in der Tat wahrscheinlich, daß der Sultan sich hätte zurückziehen müssen, wenn man die Flotte damals hinbeordert hätte. Was Menschikows "Abschiedsbrief" betrifft, so nennt ihn Clarendon zwar korrekt,

"hofft aber, daß eine solche Sprache bei diplomatischen Verhandlungen mit Regierungen zum Glück eine Seltenheit sei und hoffentlich auch bleiben werde".

Was endlich die Invasion der Donaufürstentümer betrifft, so haben

"die französische und die englische Regierung dem Sultan geraten, einstweilen auf sein unzweifelhaftes Recht zu verzichten, die Okkupation der Fürstentümer als Casus belli zu behandeln".

Über die noch schwebenden Verhandlungen könne er bloß das eine sagen:

"Sir Hamilton Seymour habe heute morgen eine offizielle Mitteilung erhalten, daß die von den Gesandten in Wien vereinbarten Vorschläge in Petersburg entgegengenommen werden, wenn man sie etwas abändere."

Er würde jedoch eher sterben, ehe er auch nur ein Wörtchen über die Bedingungen des Übereinkommens sich entschlüpfen ließe.

Dem edlen Lord antworteten Lord Beaumont, der Earl of Hardwicke, der Marquis of Clanricarde und der Earl of Ellenborough. Nicht eine einzige Stimme erhob sich, um Ihrer Majestät Regierung zu dem in diesen Verhandlungen eingeschlagenen Weg zu beglückwünschen. Von allen Seiten wurde lebhaft geäußert, daß die Politik der Minister falsch gewesen sei; daß sie als Vermittler zugunsten Rußlands gehandelt hätten, statt als Verteidiger der Türkei, und daß Frankreich und England, wenn sie rechtzeitig energisch aufgetreten wären, heute eine bessere Position hätten. Der alte halsstarrige Aberdeen antwortete ihnen, daß

"es leicht sei, hinterher darüber zu spekulieren, was hätte geschehen sollen, und zu sagen, was hätte geschehen können wenn man anders gehandelt hätte".

<272> Am überraschendsten und wichtigsten war aber folgende Bemerkung:

"Die Lords müßten sich vor Augen halten, daß sie durch keinerlei Vertrag gebunden wären. Er stelle in Abrede, daß England kraft irgendeines Vertrags verpflichtet sei, sich an irgendwelchen Feindseligkeiten zur Unterstützung des Türkischen Reichs zu beteiligen."

Als England und Frankreich Neigung zeigten, sich in die schwebende türkische Frage einzumischen, da wollte der Kaiser von Rußland absolut nichts davon wissen, daß der Vertrag von 1841 bindende Kraft besäße, d.h. soweit es sich um seine eigenen Beziehungen zu der Pforte und um das daraus resultierende Recht zur Einmischung der Westmächte handelte. Gleichzeitig aber bestand er, gestützt auf ebendenselben Vertrag von 1841, auf die Ausschließung der Kriegsschiffe der anderen Mächte aus den Dardanellen. Und jetzt bestätigt Lord Aberdeen in öffentlicher feierlicher Parlamentssitzung diese anmaßende Auslegung eines Vertrags, den der russische Autokrat nur dann respektiert, wenn durch ihn Großbritannien vom Euxinus ausgeschlossen wird.

Karl Marx