Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 10, S. 94-102
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961

Karl Marx

[Die Parlamentsdebatten vom 22. Februar -
Die Depesche Pozzo di Borgos -
Die Politik der Westmächte]


["New-York Daily Tribune" Nr. 4025 vom 13. März 1854]

<94> London, Freitag, 24. Februar 1854.

Die Presse wurde durch viel unnützes Gewäsch über Kossuths "kriegerische Vorbereitungen" und voraussichtliche "Unternehmungen" beunruhigt. Ich erfahre nun zufällig von einem polnischen Offizier, der sich nach Konstantinopel begibt und den Ex-Gouverneur über den von ihm zu gehenden Weg um Rat fragte, daß Kossuth ihm davon abriet, London zu verlassen, und sich keineswegs günstig über die Teilnahme ungarischer und polnischer Offiziere an dem jetzigen türkischen Kriege aussprach, da sie sich entweder unter das Banner Czartoryskis scharen oder ihrem christlichen Glauben abschwören müßten - der eine Schritt widerspreche seiner Politik, der andere seinen Grundsätzen.

Der Eindruck, den Disraelis meisterhafte Bloßstellung der Politik des Ministeriums machte, war so tief, daß, um ihn zu vertuschen, das Kabinett aller Talente es für passend hielt, den nachträglichen Versuch einer kleinen Komödie zu unternehmen, die zwischen den Ministern und Herrn Hume arrangiert und in der Mittwochvormittagssitzung des Unterhauses aufgeführt wurde. Lord Palmerston hatte seine lahme Erwiderung auf Disraelis epigrammatische Alternative - krankhafte "Leichtgläubigkeit" oder verräterische "Begünstigung" - damit geschlossen, daß er von den Parteien an das unparteiische Urteil des Landes appellierte, und Herr Hume war dazu ausersehen, im Namen des Landes zu antworten, gerade wie Schnock, der Schreiner, auserwählt war, die Rolle des Löwen in dem "höchst grausamen Tod von Pyramus und Thisbe" zu mimen. Herr Hume hat sein ganzes parlamentarisches Leben damit verbracht, zum Spaß Opposition zu machen, Amendements einzubringen, um sie danach wieder zurückzuziehen - in der Tat also die sogenannte unabhängige Opposition zu bilden, die Nachhut <95> jedes Whig-Ministeriums, die ihm bei Gefahr bestimmt zu Hilfe kommt, wenn seine eigenen eingeschriebenen Anhänger etwa Zeichen des Wankelmuts geben sollten. Er ist der große parlamentarische "Verdunkler" par exellence. Er ist nicht nur das älteste, sondern auch ein unabhängiges Parlamentsmitglied; und nicht nur ein unabhängiges Mitglied, sondern auch ein Radikaler und nicht nur ein Radikaler, sondern auch der pedantische und wohlbekannte Zerberus des öffentlichen Geldbeutels, der die Mission hat, Pfunde unbeachtet verschwinden zu lassen, während er um den kleinsten Teil eines Penny Streit anfängt. Zum ersten Male in seinem parlamentarischen Leben, wie Herr Hume selbst nachdrücklich feststellte, erhebe er sich, nicht um die Staatsvoranschläge zu verurteilen, sondern um ihnen seine Zustimmung zu geben. Dieses außerordentliche Ereignis sei, wie er nicht verfehlte zu bemerken, der unbestreitbarste Beweis dafür, daß das Ministerium nach den unverdienten Verleumdungen durch die Parteien nicht umsonst an das gesunde Urteil des Landes appelliert habe und feierlich von der Anklage der Leichtgläubigkeit und der Begünstigung freigesprochen sei. Seine Beweisgründe waren charakteristisch. Um die Minister von der Alternative der Leichtgläubigkeit oder der Begünstigung zu retten, bewies er die Leichtgläubigkeit der Minister in ihren Verhandlungen mit Rußland. Er hatte also den wahren Sinn von Lord Palmerstons Appell verstanden. Alles, was das Ministerium verlange, sei die Lossprechung von der Anklage des vorsätzlichen Verrats. Und was die Leichtgläubigkeit anbetreffe - habe da nicht schon der vortreffliche Sir James Graham erklärt, "ein großmütiger Geist entschließe sich nur schwer zum Argwohn"? Da der drohende Krieg durch des Ministeriums eigene diplomatische Mißgriffe verschuldet sei, sei es zweifellos ihr eigener Krieg, und sie seien daher, so dächte Herr Hume, vor allen anderen Männern geeignet, ihn geschickt zu führen. Nach Meinung des Herrn Hume ist die relative Geringfügigkeit des vorgeschlagenen Kriegsbudgets der überzeugendste Beweis für die Ausdehnung des beabsichtigten Krieges. Lord Palmerston dankte Herrn Hume natürlich für seinen im Namen des Volkes abgegebenen Urteilsspruch, und zur Belohnung beglückte er die Zuhörer mit seiner eigenen Lehre über Staatsdokumente, die seiner Ansicht nach dem Haus und dem Land niemals früher vorgelegt werden sollen, ehe die Dinge so sehr verwirrt sind, daß ihre Veröffentlichung überhaupt völlig nutzlos ist. Das war die ganze nachträgliche Weisheit, die die Koalition nach reiflicher Überlegung zum besten geben konnte. Ihrem Führer, Lord Palmerston, fiel es zu, nicht nur den Eindruck der Rede ihres Gegners abzuschwächen, sondern auch seinem eigenen theatralischen Appell vom Haus ans Volk die Wirkung zu nehmen.

<96> Dienstag abend stellte Herr Horsfall, der Vertreter für Liverpool, die Frage:

"Werden die Verträge mit fremden Nationen oder die Schritte der Regierung Ihrer Majestät, die sie im Kriegsfalle zu unternehmen beabsichtigt, wirksam verhindern, daß Kaperschiffe in neutralen Häfen zum Angriff gegen britische Schiffe ausgerüstet werden?"

Die Antwort Lord Palmerstons lautete:

"Der ehrenwerte Herr und das Haus müßten verstehen, daß dies eine Frage sei, auf die bei dem jetzigen Stand der Dinge keine aufklärende Antwort gegeben werden könne."

Die "Morning Post", Palmerstons Privatmoniteur, bemerkt zu dieser Antwort ihres Herrn:

"Der edle Lord hätte keine andere Antwort geben können (was auch der Regierung über den Gegenstand bekannt sein mag), ohne auf eine Erörterung der heikelsten und schwierigsten Fragen einzugehen, die vielleicht im jetzigen Augenblick den Gegenstand von Verhandlungen bilden. Will man aber diese zu einem befriedigenden Ergebnis führen, so sollte man sie dem natürlichen Gerechtigkeitssinn der Mächte überlassen, die nicht wünschen, in diesem zivilisierten Zeitalter ein System der gesetzlichen Piraterie wiederzubeleben."

Einerseits erklärt Lord Palmerstons Organ, die "schwierigen Fragen" bildeten den Gegenstand schwebender Verhandlungen, andrerseits, man müsse sie dem "natürlichen Gerechtigkeitssinn" der beteiligten Mächte überlassen. Wenn der vielberühmte Neutralitätsvertrag zwischen Dänemark und Schweden nicht vom St. Petersburger Kabinett diktiert wurde, so muß er selbstverständlich das Verbot enthalten, Kaperschiffe in ihren Häfen auszurüsten. In Wirklichkeit aber kann sich die ganze Frage nur auf die Vereinigten Staaten von Amerika beziehen, da die Ostsee von englischen Linienschiffen besetzt werden soll und Holland, Belgien, Spanien, Portugal und die italienischen Mittelmeerhäfen vollständig in englischen und französischen Händen sind. Welche Rolle sollen nun nach Meinung des St. Petersburger Kabinetts die Vereinigten Staaten spielen, falls der türkische Krieg zu einem Krieg zwischen England und Rußland führen sollte? Wir können diese Frage authentisch aus einer Depesche beantworten, die Pozzo di Borgo im Herbst 1825 an den Grafen Nesselrode richtete. Rußland hatte damals beschlossen, in der Türkei einzufallen. Wie jetzt, wollte es auch damals mit einer friedlichen Besetzung der Fürstentümer beginnen.

"Vorausgesetzt, dieser Plan würde angenommen", sagt Pozzo di Borgo, "so wäre erforderlich, sich mit der Pforte auf Erklärungen in maßvollstem Tone einzulassen <97> und ihr zu versichern, daß, wenn sie sich nicht in einen Krieg stürzen wolle, der Kaiser gewillt sei, diese Differenzen versöhnlich beizulegen."

Nachdem er alle Schritte aufgezählt, die unternommen werden müßten, setzt Pozzo di Borgo fort:

"Es wäre ratsam, alle diese Handlungen den Vereinigten Staaten von Amerika mitzuteilen als Beweis der Ehrerbietung des Kaiserlichen Kabinetts und des Wertes, den es darauf legt, die öffentliche Meinung Amerikas aufzuklären und vielleicht sogar seine Zustimmung zu bekommen."

Falls England sich mit der Türkei verbinde und Krieg gegen Rußland führe, bemerkt Pozzo di Borgo,

"würde es" (England) "unsere Häfen blockieren und damit seine vorgeblichen Seerechte gegen die Neutralen ausüben. Das würden die Vereinigten Staaten nicht dulden! Daraus würden heftige Zwistigkeiten und gefährliche Situationen entstehen."

Da nun, wie der russische Historiker Karamsin richtig bemerkt, "sich in unserer" (Rußlands) "auswärtigen Politik nichts ändert", so sind wir berechtigt anzunehmen, Rußland habe im gegenwärtigen Augenblick oder vielleicht schon seit Februar 1853 "alle seine Handlungen den Vereinigten Staaten mitgeteilt" und sein Bestes getan, das Washingtoner Kabinett zu einer wenigstens neutralen Haltung zu beschwatzen. Gleichzeitig gründet es seine Hoffnungen im Falle eines Krieges mit England auf eventuelle Streitigkeiten über die "Seerechte der Neutralen", die zu "heftigen Zwistigkeiten und gefährlichen Situationen" führen und die Vereinigten Staaten in ein mehr oder weniger eingestandenes Bündnis mit St. Petersburg verwickeln würden.

Da ich schon die bedeutendste Depesche Pozzo di Borgos zitiere, so kann ich auch gleich den Passus über Österreich anführen, der durch die Ereignisse, die seit 1825 in Galizien, Italien und Ungarn geschehen sind, sicher nichts an Aktualität verloren hat.

"Unsere Politik", sagt Pozzo, "gebietet, daß wir diesem Staate gegenüber eine furchterregende Miene aufsetzen und ihn durch unsere Vorbereitungen glauben machen, daß, wenn er gegen uns etwas unternimmt, über ihm sich der wütendste Sturm entladen wird, den er je erlebt hat. Entweder erklärt Fürst Metternich den Türken, unser Einzug in die Fürstentümer sei ein von ihnen selbst provozierter Schritt, oder er wirft sich auf andere, ihm passendere Provinzen des Ottomanischen Reiches. Im ersteren Falle werden wir einig sein, im zweiten werden wir einig werden. Das einzige, was wir zu befürchten haben, wäre eine offene Erklärung gegen uns. Ist Fürst Metternich weise, dann vermeidet er den Krieg, ist er gewalttätig, so wird er bestraft werden. Einem <98> Ministerium gegenüber, das in eine derartige Lage versetzt ist, wird gegebenenfalls ein Kabinett wie das unsrige tausend Wege zur Beendigung der Schwierigkeiten finden."

Lord Johns <Russels> Agitationsrede, das große Trommelgerassel von englischer Ehre, das Theater großer moralischer Entrüstung über russische Treulosigkeit, die Vision von Englands schwimmenden Batterien, die entlang den Wällen von Sewastopol und Kronstadt defilieren, der Waffentumult und die prahlerische Einschiffung von Truppen - all diese dramatischen Umstände führen die öffentliche Meinung ganz irre und benebeln ihr Auge so, daß sie nichts mehr zu sehen vermag als ihre eigenen Wahnbilder. Kann es eine größere Selbsttäuschung geben als die, zu glauben, dieses Ministerium habe sich nach den Enthüllungen der Blaubücher plötzlich gewandelt, und zwar nicht nur in ein kriegerisches, sondern in ein Ministerium, das gegen Rußland irgendeinen anderen Krieg führen könnte als einen Scheinkrieg oder einen, der gerade im Interesse des Feindes läge, gegen den er angeblich geführt wird? Betrachten wir einmal die Verhältnisse, unter denen die Vorbereitungen zum Kriege getroffen werden.

Es erfolgt keine förmliche Kriegserklärung an Rußland. Den wahren Zweck des Krieges kann das Ministerium nicht eingestehen. Truppen werden eingeschifft, ohne daß ihr Bestimmungsort genau bezeichnet wird. Die geforderten Veranschlagungen sind zu klein für einen großen, zu groß für einen kleinen Krieg. Die Koalition, berüchtigt geworden durch ihre Findigkeit im Ersinnen von Ausflüchten für ihre nicht gehaltenen feierlichsten Versprechungen und von Gründen für das Aufschieben der dringendsten Reformen, fühlt sich ganz plötzlich zu peinlichstem Einhalten übereilt gegebener Zusagen verpflichtet und kompliziert diese ernste Krisis, indem sie das Land mit einer neuen Reformbill überrascht, die den eifrigsten Reformern als unzeitgemäß erscheint, da sie durch keinen Druck von außen aufgedrängt und von allen Seiten mit größter Gleichgültigkeit und mit Argwohn aufgenommen wird. Was kann also ihr Plan anderes sein, als die öffentliche Aufmerksamkeit von ihrer auswärtigen Politik dadurch abzulenken, daß sie eine Frage von überwältigendem inneren Interesse aufwirft?

Die Bemühungen, die Öffentlichkeit über die Stellung Englands zu anderen Staaten irrezuführen, sind recht durchsichtig. Mit Frankreich ist noch kein bindender Vertrag abgeschlossen, aber durch einen "Notenwechsel" dafür Ersatz geschaffen worden. Nun, derartige Noten wurden schon 1839 mit dem Kabinett Louis-Philippes gewechselt, denen zufolge die alliierten Flotten in die Dardanellen einfahren und Rußland daran hindern sollten, <99> - allein oder gemeinsam mit anderen Mächten - in die orientalischen Angelegenheiten einzumischen, und wir alle wissen, was bei diesem Notenwechsel herauskam - eine Heilige Allianz gegen Frankreich und der Dardanellenvertrag. Wie aufrichtig und ernst die englisch-französische Allianz gemeint ist, zeigt ein Vorfall in der gestrigen Unterhaussitzung. Bonaparte bedroht, wie Sie aus dem "Moniteur" ersehen konnten, die griechischen Aufständischen und hat der Regierung König Ottos entsprechende Vorstellungen gemacht. Als Sir J. Walsh das Kabinett hierüber befragte, erklärte Lord John Russell, daß

"ihm von einem Übereinkommen zwischen der französischen und englischen Regierung in der erwähnten Frage nichts bekannt sei, er habe mit dem Minister des Auswärtigen über diesen Gegenstand nicht sprechen können. Er habe jedoch den Eindruck, daß der Regierung von Frankreich keine derartigen Vorstellungen zugegangen seien und bestimmt nicht mit Zustimmung oder im Einvernehmen mit der Regierung dieses Landes."

Beabsichtigt die britische Regierung wirklich einen Krieg mit Rußland, warum scheut sie dann so hartnäckig die internationalen Formen der Kriegserklärung? Beabsichtigt sie wirklich eine Allianz mit Frankreich, warum vermeidet sie dann so sorgfältig die anerkannten Formen internationaler Allianzen? Was die deutschen Mächte betrifft, so erklärt Sir James Graham, sie seien eine Allianz mit England eingegangen, und Lord John Russell widerspricht ihm noch an demselben Abend und behauptet, die Beziehungen zu diesen Mächten seien vielmehr noch dieselben wie zu Beginn der orientalischen Wirren. Die Minister behaupten fest, sie seien eben jetzt im Begriff, mit der Türkei ins reine zu kommen und einen Vertrag mit ihr vorzuschlagen. Sie schiffen Truppen ein, um Konstantinopel zu besetzen, ohne vorher einen Vertrag mit der Türkei geschlossen zu haben. Wir sind daher gar nicht überrascht, durch einen Brief aus Konstantinopel zu erfahren, daß ein Geheimagent der Pforte von Wien nach St. Petersburg geschickt wurde, um dem Zaren ein Geheimabkommen anzubieten. Der Korrespondent schreibt:

"Nachdem die Türkei die Verräterei und die Torheit ihrer angeblichen Freunde eingesehen, wäre es nur vernünftig, wenn sie sich an ihnen zu rächen sucht, indem sie eine Allianz mit einem weisen Feinde schließt. Die Vertragsbedingungen, die die ersteren der Türkei auferlegen wollen, sind zehnmal verderblicher als die Ansprüche Menschikows."

Zu welchen Leistungen zumindest nach Meinung des englischen Ministeriums die eingeschifften Truppen ausersehen sind, kann man aus dem folgern, was die vereinigten Geschwader getan haben und im jetzigen Augen- <100> blick noch tun. Zwanzig Tage nach ihrer Einfahrt ins Schwarze Meer kehrten sie in den Bosporus zurück. Einige Tage zuvor, wird uns mitgeteilt,

"mußten die Minister der Pforte aus Rücksicht gegenüber den Vorstellungen des britischen Gesandten den Herausgeber der griechischen Zeitung 'Télégraphe du Bosphore' ins Gefängnis stecken, weil er in seinem Blatt erklärt hatte, daß sowohl die englische als auch die französische Flotte binnen kurzem vom Schwarzen Meer nach dem Bosporus zurückkehren würden. Der Redakteur des 'Journal de Constantinople' wurde beauftragt, zu erklären, die beiden Flotten verblieben auch weiterhin im Schwarzen Meer."

Um seine Erkenntlichkeit für den von den englischen und französischen Admiralen erhaltenen Wink zu zeigen, schickte der russische Admiral am 19. v.M. zwei Dampfer aus, um die Türken bei Schefkatil zu bombardieren; russische Schiffe kreuzen auch in Sicht von Trapezunt, während das vereinigte Geschwader keine Fahrzeuge im Schwarzen Meer hat außer einem englischen und einem französischen Dampfer vor Sewastopol. Sinope und das Bombardement von Schefkatil durch russische Dampfschiffe sind also die einzigen Taten, deren sich die vereinigten Geschwader rühmen können. Der Streit zwischen den Gesandten und den Admiralen, die alle Beziehungen untereinander völlig abgebrochen haben - Lord Stratford de Redcliffe weigerte sich, Admiral Dundas zu empfangen, und Baraguay d'Hilliers hat den französischen Admiral und seine Offiziere von einem offiziellen Ball ausgeschlossen -, dieser Streit ist von untergeordneter Bedeutung, da die diplomatischen Schwätzer, durch die Veröffentlichung ihrer Depeschen in London und Paris kompromittiert, wahrscheinlich bestrebt sind, ihr verlorenes Renommee um jeden Preis wiederherzustellen, koste es noch so viele Schiffe und Mannschaften.

Die ernsthafte Seite der Frage ist aber, daß man die offenen Instruktionen an die Gesandten durch eine Anzahl geheimer Instruktionen an die Admirale ungültig machte und daß die letzteren wirklich nicht imstande sind, einander widersprechende Instruktionen auszuführen. Und wie könnten die Instruktionen anders sein, da ihnen doch keine Kriegserklärung vorausging? Einerseits wird ihnen befohlen, russische Schiffe anzugreifen, um deren Rückzug aus dem Schwarzen Meer nach Sewastopol zu erzwingen, andrerseits sollen sie aus der bloßen Defensive nicht herausgehen. Schließlich, wenn man einen ernsthaften Krieg beabsichtigte, wie konnte es der britische Gesandte in Konstantinopel als einen bedeutsamen Triumph ansehen, daß es ihm gelungen war, den Führer der Kriegspartei im türkischen Ministerium Mechmed Ali Pascha aus seinem Amt als Kriegsminister zu drängen und durch den <101> Friedensschacherer Riza Pascha zu ersetzen, während er Mechmed Pascha, eine Kreatur Reschid Paschas, mit dem Amt eines Großadmirals betraute!

Wenden wir uns nun einem anderen äußerst wichtigen Punkt zu. Die Einschiffung der britischen und französischen Truppen wird erst fortgesetzt, seitdem die Nachricht London und Paris erreicht hat, daß in Albanien ein griechischer Aufstand ausgebrochen sei und sich über Thessalien und Mazedonien ausgebreitet habe. Wie die Depeschen von Russell, Clarendon und Lord Stratford de Redcliffe beweisen, wurde diese Empörung von Anfang an vom englischen Kabinett mit Ungeduld erwartet. Sie bietet ihm den besten Anlaß, sich in die Angelegenheiten zwischen dem Sultan und seinen eigenen christlichen Untertanen einzumischen unter dem Vorwand, zwischen Russen und Türken einzugreifen. Von dem Augenblick an, da die Katholiken sich in die Angelegenheiten der Griechen (ich gebrauche das Wort hier nur im religiösen Sinne) mischen, kann man mit Sicherheit auf ein Einvernehmen der 11 Millionen Einwohner der europäischen Türkei mit dem Zaren rechnen, der dann wirklich als ihr religiöser Schutzherr dastehen wird. Zwischen den Muselmanen und ihren griechischen Untertanen herrscht kein religiöser Streit, sondern der religiöse Haß gegen die Katholiken, kann man sagen, bildet das einzige gemeinsame Band zwischen den verschiedenen Völkerstämmen, die in der Türkei wohnen und griechischen Glaubens sind. In dieser Hinsicht hat sich nichts geändert, seit Mechmed II. Konstantinopel belagerte, seit der griechische Admiral Lukas Notaras, der einflußreichste Mann im Byzantinischen Reich, öffentlich erklärte, er sähe lieber den türkischen Turban in der Hauptstadt triumphieren als den römischen Hut, während andrerseits eine ungarische Prophezeiung kursierte, die Christen würden nicht eher glücklich sein, bis die verdammten ketzerischen Griechen ausgerottet wären und die Türken Konstantinopel zerstört hätten. Jede Einmischung der westlichen Mächte in die Angelegenheiten zwischen dem Sultan und seinen griechischen Untertanen mußte also die Pläne des Zaren begünstigen. Ein ähnliches Resultat ergäbe sich, sollte es Österreich einfallen, wie 1791 Serbien unter dem Vorwand zu besetzen, die verräterischen Absichten der russischen Partei in diesem Fürstentum zu vereiteln. Ich will noch hinzufügen, daß in London das Gerücht geht, Griechen von den Ionischen Inseln, denen die englischen Behörden nicht entgegengetreten wären, unterstützten die aufständischen Epiroten und vereinigten sich mit ihnen, und daß die Nachricht von dem griechischen Aufstand in der Sonnabendausgabe der "Times", dem Koalitionsorgan, als sehr willkommenes Ereignis verkündet wurde.

Ich meinerseits bezweifle absolut nicht, daß hinter den lärmenden Kriegsvorbereitungen der Koalition Verrat lauert. Bonaparte selbstverständlich läßt <102> sich mit vollem Ernst auf diesen Krieg ein. Ihm bleibt keine andere Wahl als die Revolution im Innern oder der Krieg nach außen. Er kann nicht länger fortfahren, den grausamen Despotismus Napoleon I. mit der korrupten Friedenspolitik Louis-Philippes zu vereinen. Er muß aufhören, immer neue Schübe von Gefangenen nach Cayenne zu schicken, wenn er nicht gleichzeitig französische Armeen über die Grenze zu schicken wagt. Der Konflikt aber zwischen den eingestandenen Absichten Bonapartes und den geheimen Plänen der Koalition kann nur dazu beitragen, die Dinge noch weiter zu verwickeln. Ich schließe aus alledem nicht etwa, daß kein Krieg stattfinden, sondern daß er im Gegenteil so entsetzliche und revolutionäre Ausmaße annehmen wird, wie sie die kleinen Männer der Koalition nicht einmal ahnen. Gerade ihr Verrat ist das Mittel, einen lokalen Konflikt in eine europäische Feuersbrunst zu verwandeln.

Selbst wenn das britische Ministerium ebenso aufrichtig wäre, wie es falsch ist, beschleunigte seine Einmischung nur den Zusammenbruch des Ottomanischen Reiches. Es kann nicht eingreifen, ohne Garantien für die christlichen Untertanen der Pforte zu verlangen, und diese Garantien kann es ihr nicht entreißen, ohne sie dem Untergange zu weihen. Selbst der Korrespondent in Konstantinopel, den ich vorhin zitierte, und der eingestandener Türkenfreund ist, muß zugeben, daß

"der Vorschlag der Westmächte, alle Untertanen der Pforte in ihren bürgerlichen und religiösen Rechten völlig auf gleichen Fuß zu stellen, sofort zur Anarchie, zu Bürgerkriegen und zum endgültigen und raschen Untergang des Reiches führen würde".

Karl Marx