Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 10, S. 299-307
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961

Karl Marx

Der Krieg -
Parlamentsdebatte

Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 4126 vom 10. Juli 1854]

<299> London, Dienstag, 27. Juni 1854.

Der russische "Moniteur" von Bukarest erklärt offiziell, daß entsprechend den Ordern aus St. Petersburg die Belagerung von Silistria aufgehoben, Giurgewo geräumt und die gesamte russische Armee im Begriff ist, über den Pruth zurückzugehen. Die "Times" veröffentlichte gestern in einer dritten Auflage eine ähnlich lautende telegraphische Depesche ihres Wiener Korrespondenten, daß

"der Kaiser von Rußland Österreichs Sommation aus Hochachtung vor seinem alten Bundesgenossen akzeptiere und seine Truppen beordert habe, über den Pruth zurückzugehen".

Lord John Russell bestätigte gestern abend im Unterhaus die Mitteilung über die Aufhebung der Belagerung von Silistria, hatte aber noch keine offizielle Benachrichtigung über die Antwort Rußlands auf die österreichische Sommation erhalten.

Im Ergebnis der österreichischen Intervention wird zwischen den Türken und den Russen eine Barriere errichtet, um den ungehinderten Rückzug der lezteren zu gewährleisten, ihnen zu ermöglichen, die Besatzung von Sewastopol und der Krim zu verstärken und eventuell ihre Kommunikationen zur Armee Woronzows wiederherzustellen. Außerdem kann man die Wiederherstellung der Heiligen Allianz zwischen Rußland, Österreich und Preußen in dem Augenblick als sicher annehmen, wo die verbündeten Mächte sich weigern, sich mit der einfachen Wiederherstellung des Status quo ante bellum <Vorkriegszustand>, möglicherweise mit einigen kleinen Konzessionen des Zaren zugunsten Österreichs, abzufinden.

<300> Das ganze, wie es heißt, von Metternich entworfene Gefüge für diese vortreffliche "Lösung" ist jetzt jedoch durch die Schwatzhaftigkeit des alten Aberdeen und die Intrigen Palmerstons zusammengestürzt.

Man wird sich erinnern, daß bei der letzten Umbildung des Ministeriums die Bemühungen fehlschlugen, Lord Palmerston in das Kriegsministerium zu bringen, nach dessen Errichtung insbesondere die Palmerston-Presse schrie, und daß der Peelit Herzog von Newcastle den edlen Lord in dem zugedachten neuen Amt ausstach. Dieser Fehlschlag scheint Lord Palmerston daran gemahnt zu haben, daß es höchste Zeit sei, das ganze Kabinett aufzulösen, und deshalb entfesselte er einen wahren Sturm gegen dessen Oberhaupt, wozu sich ihm Gelegenheit bot, als Lord Aberdeen in einer unüberlegten Rede Lord Lyndhurst entgegentrat. Die ganze englische Presse bemächtigte sich augenblicklich dieser Rede. Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, daß der "Morning Herald" über das Vorhandensein einer Verschwörung gegen Lord Aberdeen berichtete, noch ehe die Rede gehalten war, Herr Layard trat vergangenen Freitag im Unterhaus auf und meldete für nächsten Donnerstag einen Antrag an, daß

"die Äußerungen des ersten Ministers der Krone geeignet seien, in der Öffentlichkeit ernste Zweifel hinsichtlich der Aufgaben und Ziele des Krieges hervorzurufen und die Aussichten auf einen ehrenhaften und dauerhaften Frieden zu verringern".

Dieser Antrag hat zwei wunde Punkte: erstens ist er verfassungswidrig und kann daher leicht zurückgewiesen werden, da er der parlamentarischen Regel widerspricht, die verbietet, daß ein Mitglied des Unterhauses eine im Oberhaus gehaltene Rede kritisiert; und zweitens gibt er vor, zwischen der gelegentlichen Äußerung des Premiers und der ganzen Tätigkeit des Koalitionskabinetts einen Unterschied zu machen. Nichtsdestoweniger rief er bei Lord Aberdeen so ernste Befürchtungen hervor, daß der Lord zwei Stunden nach Ankündigung des erwähnten Antrages sich erhob und in ungewöhnlich erregtem Ton mitteilte,

"er werde nächsten Montag" (somit Herrn Layard um drei Tage zuvorkommend) "dem Haus eine Kopie seiner Depesche vorlegen, die er nach dem Vertrag von Adrianopel an Rußland geschickt hat, und die Gelegenheit wahrnehmen, auf die Entstellungen seiner Bemerkungen über den Krieg einzugehen, die er kürzlich im Oberhaus machte".

So stark war der Glaube, daß der Antrag des Herrn Layard die Entfernung Lord Aberdeens aus dem Kabinett verursachen werde, daß zum Beispiel der "Morning Advertiser" bereits die Liste des Ministeriums <301> veröffentlichte, das ihm folgen sollte; eine Liste, die die Namen Lord John Russell als Premier und Lord Palmerston als Kriegsminister aufweist. Man kann sich daher vorstellen, daß die Sitzung des Oberhauses gestern abend eine ungewöhnlich große Zahl neugieriger und erregter Intriganten aus den Reihen der Aristokratie herbeilockte, die erpicht waren mitanzusehen, wie Lord Aberdeen sich aus seiner schwierigen und heiklen Lage ziehen würde.

Ehe ich ein Resümee von der Rede Lord Aberdeens und vom Angriff des Marquis von Clanricarde auf jenen gebe, muß ich auf die Zeit und die Umstände zurückkommen, auf die beide Sprecher besonders Bezug nahmen, nämlich auf das Jahr 1829, da Lord Aberdeen an der Spitze des britischen Ministeriums des Auswärtigen stand. Zu dieser Zeit blockierte eine russische Flotte unter dem Kommando von Admiral Heyden die Dardanellen, die Meerbusen von Laros und Enos und auch die von Adramiti und Smyrna, ungeachtet eines zwischen den Kabinetten von St. Petersburg und London 1815 getroffenen Übereinkommens, dem zufolge Rußland im Mittelländischen Meer keinerlei militärische Aktionen unternehmen sollte. Diese Blockaden, die den britischen Handel in der Levante bedrohten, erregten die sonst träge Meinung des damaligen Englands, und es kam zu stürmischen Erklärungen gegen Rußland und gegen das Ministerium. Deshalb fanden Zusammenkünfte zwischen den russischen Gesandten Fürst Lieven und Graf Matuschewitsch einerseits und Wellington und Aberdeen andrerseits statt. In einer Depesche aus London vom 1. (13.) Juni 1829 berichtet Fürst Lieven über Charakter dieser Zusammenkünfte wie folgt:

"Die Unterredung mit Lord Aberdeen, die etwa eine Stunde später stattfand" (als jene mit dem Herzog von Wellington, die für den russischen Diplomaten durchaus nicht sehr befriedigend verlaufen war), "war nicht weniger bemerkenswert. Da er nur unvollkommen über unsere Unterredung mit dem ersten Minister unterrichtet war, bemühte er sich, als er deren Einzelheiten erfuhr, den unangenehmen Eindruck, der zu Beginn der Unterredung vielleicht durch seine Worte bei uns zurückgeblieben war, durch die wiederholte Versicherung abzuschwächen, daß es zu keiner Zeit die Absicht Englands gewesen sei, Streit mit Rußland zu suchen; daß, wenn das Ministerium versucht hat, uns zu veranlassen, nicht auf der Blockade von Enos zu bestehen, dies in dem aufrichtigen Wunsche geschah, lästige Beschwerden zu verhindern und das gute Einvernehmen zwischen den beiden Kabinetten zu festigen, daß wir uns mehr, als wir uns dessen vielleicht bewußt seien, zu den Vorteilen gratulieren sollten, die wir durch diese glückliche und beständige Übereinstimmung erzielt haben. Er schmeichelte sich, daß er die Erhaltung dieser Harmonie höher stellen könne als die momentanen Vorteile, die uns die Blockade des Meerbusens von Enos geboten hätte; doch er fürchte, daß die Haltung des englischen Ministeriums in St. Petersburg nicht richtig verstanden würde. Die Einwände, die er manchmal, wie in der eben beigelegten Sache, erhoben habe, <302> schrieben sie seinen böswilligen Absichten und feindlichen Ansichten zu, während diese Absichten und arrière-pensées <Hintergedanken> seinem Wesen und seiner Politik sehr fern lägen. Andrerseits jedoch befinde er sich in einer heiklen Situation. Die öffentliche Meinung sei immer bereit, sich gegen Rußland zu entladen. Die britische Regierung könnte sie nicht ständig herausfordern, und es wäre gefährlich, sie in Fragen" (des Seerechts) "zu reizen, die so unmittelbar die nationalen Vorurteile berühren. Andrerseits könnten wir mit der wohlmeinenden und freundlichen Gesinnung des englischen Ministeriums rechnen, das gegen sie" (die nationalen Vorurteile) "ankämpfe.

'Ich kenne', erwiderte ich, 'das Gewicht der öffentlichen Meinung in England, und ich habe gesehen, wie sie sich in wenigen Tagen ändert. Sie ist in diesem Kriege gegen uns, weil sie uns für Aggressoren hält, während wir angegriffen worden sind; weil sie uns beschuldigt, das Ottomanische Reich vernichten zu wollen, während wir erklären, daß das nicht unser Ziel ist; letztlich, weil sie glaubt, daß wir eine ehrgeizige Politik betrieben, wogegen wir jedoch protestieren. Die öffentliche Meinung in dieser Hinsicht aufzuklären wäre der sicherste Weg, sie zu ändern.'

Lord Aberdeen antwortete mir, die Sache verhielte sich nicht ganz so, wie ich sie dargestellt habe; die öffentliche Meinung sei gegen uns, weil sie im allgemeinen in England voll Eifer die Partei der Wighs ergriffe - doch au reste <im übrigen> sei das britische Kabinett weit davon entfernt, uns keinen Erfolg zu wünschen; im Gegenteil, es wünsche uns schnellen und entscheidenden Erfolg, weil es wisse, daß dies das einzige Mittel zur Beendigung des Krieges sei, den man nicht anders denn als ein großes Unglück ansehen könne, da es unmöglich sei, seine Folgen vorauszusehen! Zum Abschluß erging sich der englische Minister in langen Schlußfolgerungen, um zu beweisen, daß wir ihm Absichten zuschrieben, die er nicht haben könne, und schloß mit der Feststellung, daß das Londoner Kabinett wünsche, daß der Krieg zur Ehre und zum Vorteil Rußlands beendet würde."

Es ist seltsam, daß keiner der Gegner Lord Aberdeens es für angebracht hielt, auf diese Depesche zurückzukommen, die so überzeugend gegen sein Benehmen in der Zeit vor dem Vertrag von Adrianopel spricht, daß man dem Inhalt einer geheimen Depesche Seiner Lordschaft, die nach dem Abschluß dieses Vertrages geschrieben war, unmöglich noch irgendwelche Bedeutung beimessen konnte. Die Vorlage der oben zitierten Depesche hätte mit einem Schlag das einzige Argument zerschlagen, das Lord Aberdeen in seiner gestrigen Rede zu seiner Verteidigung vorbringen konnte. Seine wahre Verteidigung wäre eine offene Gegenklage gegen Lord Palmerston gewesen, denn der ganze "Auftritt" spielte sich ausschließlich zwischen diesen beiden alten, miteinander rivalisierenden Knechten Rußlands ab.

Lord Aberdeen begann damit, daß er sagte, er habe weder etwas zurückzunehmen, noch etwas zu widerlegen, sondern nur etwas zu "erklären". Er sei fälschlicherweise beschuldigt worden, die Ehre beansprucht zu haben, den <303> Vertrag von Adrianopel entworfen zu haben. Statt ihn aber entworfen zu haben, habe er gegen ihn protestiert, wie Ihre Lordschaften aus der Depesche entnehmen würden, deren Vorlage er jetzt beantragt habe. So groß sei die Bestürzung gewesen, die dieser Vertrag bei ihm und seinen Kollegen hervorgerufen, daß durch sein Vorhandensein die ganze Politik der Regierung in einem höchst wichtigen Punkt geändert wurde. Worin bestand diese Änderung Politik? Vor der Unterzeichnung des Vertrags von Adrianopel hätten er, Lord Aberdeen, und der Herzog von Wellington, darin der Politik Cannings folgend, nie die Absicht gehabt, Griechenland zu einem unabhängigen Königreich zu machen, sondern nur zu einem Vasallenstaat unter der Suzeränität der Pforte, ähnlich etwa wie die Moldau und die Walachei. Nach der Unterzeichnung des Vertrags von Adrianopel erschien ihnen die Lage des Türkischen Reiches so gefährlich und seine Existenz so unsicher, daß sie vorschlugen, Griechenland aus einem Vasallenstaat in ein unabhängiges Königreich umzuwandeln. Mit anderen Worten, es wurde, da der Vertrag von Adrianopel so sehr zur Schwächung der Türkei beitrug, beschlossen, seinen gefährlichen Folgen durch die Abtrennung ganzer Provinzen von ihr entgegenzuwirken. Das war die "Änderung".

Obgleich ihre Besorgnis vor den Folgen dieses Vertrags übertrieben gewesen sei, so sei Lord Aberdeen doch weit entfernt davon, ihn nicht als im höchsten Grade unheilvoll und schädlich anzusehen. Er habe gesagt, "Rußland habe durch diesen Vertrag keine großen Gebiete erworben", und auch jetzt bestreite er, daß das Russische Reich sich in Europa im Laufe der letzten fünfzig Jahre stark vergrößert habe, wie Lord Lyndhurst behauptet habe. (Bessarabien, Finnland und das Königreich Polen scheinen nach Ansicht des edlen Lords keine bedeutenden Erwerbungen zu sein.) Aber, wie er in seiner Depesche vom Dezember 1829 gesagt hatte, wenn die Gebietserwerbungen Rußlands auch klein seien, so seien sie doch von großer Bedeutung - die eine verschaffe Rußland "ausschließliche Herrschaft über die Donauschiffahrt, und die anderen verschafften ihm Häfen in Asien, die, obwohl klein, doch von großer politischer Bedeutung seien". (Das gewaltige, im Kaukasus erworbene Gebiet ist wiederum dem Gedächtnis Lord Aberdeens entschwunden.) Von diesem Gesichtspunkt ausgehend, behauptet er, daß der Vertrag von Adrianopel der Beginn einer Änderung der Politik Rußlands gewesen sei, das seit diesem Vertrag mehr auf die Erweiterung seines politischen Einflusses als auf Gebietserwerbungen bedacht gewesen sei. Diese Änderung der Politik war keine Änderung der Absichten. "Satan war nur weiser geworden als in früheren Tagen." Die Tatsache, daß Rußland mit Karl X. einen Plan zur Eroberung der Türkei verabredet hatte - nicht auf <304> dem Wege gewaltsamer Eroberungen, sondern durch eine Reihe von Verträgen -, wird mit Stillschweigen übergangen. Auch hielt es Lord Aberdeen nicht für angemessen zu erwähnen, daß Rußland sich sogar vor dem Vertrag von Adrianopel und dem Vertrag von Hunkiar Iskelessi, die er zum Beweis für die Änderung der russischen Politik anführt, bereits 1827 gegenüber Frankreich und England verpflichtet hatte, nicht danach zu trachten, durch den Krieg gegen die Türkei noch weiteres Gebiet zu erobern, und daß es ohne die Erlaubnis Englands niemals in der Lage gewesen wäre, 1833 eine Armee gegen Konstantinopel zu schicken.

Lord Aberdeen erklärte weiter, daß sein Ausdruck,

"wenn wir einen Frieden erzielen könnten, der fünfundzwanzig Jahre dauert, wie dies mit dem Vertrag von Adrianopel der Fall war, so wäre das nicht schlecht",

fälschlicherweise in dem Sinne ausgelegt worden sei, daß er zu einem Vertrag, gleich dem von Adrianopel, zurückkehren wolle. Er hätte nur sagen wollen, daß

"sie in Anbetracht der Unbeständigkeit der menschlichen Angelegenheiten nicht schlecht gehandelt hätten, wenn sie durch irgendeinen Vertrag, dessen Abschluß ihnen das Kriegsglück ermöglichen würde, einen Frieden für fünfundzwanzig Jahre gewährleisten könnten. Er hätte nie eine Rückkehr zum Status quo empfohlen, es auch nicht in Einwänden gegen den Status quo fehlen lassen. Vor der Kriegserklärung sei der Status quo alles gewesen, was sie erhofft oder gewünscht hätten, und alles, was sie zu erreichen versuchten, und es war das, was die türkische Regierung zu geben bereit war, und es war viel mehr, als die Russen zu erwarten berechtigt waren. Doch vom Moment der Kriegserklärung an hat sich die ganze Frage von Grund auf geändert, und alles hing vom Krieg ab ... Wie weit sie schließlich vom Status quo abgehen werden, könne niemand sagen, da das von Ereignissen abhänge, deren absolute Kontrolle nicht in ihrem Machtbereich liege. Er könne nur sagen, daß die Unabhängigkeit und Integrität des Ottomanischen Reiches gesichert werden müssen, wirksam gesichert werden müssen."

Wie sie zu sichern seien, könne er, Lord Aberdeen, nicht sagen, da das wiederum von den Ereignissen des Krieges abhänge.

Er sei so verstanden worden, als ob er einigen Zweifel oder Unglauben hinsichtlich der Gefahr eines russischen Angriffs zum Ausdruck gebracht habe, tatsächlich aber hege er die größte Besorgnis vor einem russischen Angriff auf die Türkei, obgleich er hinsichtlich der Gefahr eines russischen Angriffs auf Europa keine große Besorgnis empfinde und "dazu neige, sie von Tag zu Tag weniger zu empfinden". Er betrachte Frankreich als mächtiger denn Rußland und Österreich zusammengenommen. Der edle Lord beklagte sich dann "über die außerordentliche Abgeschmacktheit und Bösartigkeit der persönlichen Bezichtigungen, denen er ausgesetzt worden sei". <305> Wahr sei, daß es keinen größeren Friedensstifter im Lande gäbe als ihn, aber gerade seine Friedensliebe mache ihn besonders geeignet, den Krieg in der energischsten Weise weiterzuführen.

"Seine Kollegen würden zugeben, daß er persönlich dringender vielleicht als jeder andere ein schnelles Vorrücken und die Konzentration der verbündeten Mächte auf dem Balkan gefordert hätte, um die tapfere Armee Omer Paschas zu unterstützen und Österreich die Hand zu reichen, um ihm zu ermöglichen, aktiver an den Kriegsoperationen teilzunehmen."

Dies sei der Kurs, auf dem er unveränderlich bestehe. Auf die Anfrage Lord Beaumonts erklärte er, daß,

"so vertraut er auch früher mit Fürst Metternich gewesen sei, so habe er doch während der vergangenen 18 Monate, seit er im Amt sei, weder direkt noch indirekt mit ihm in Verbindung gestanden, bis ihm vor ein paar Tagen eine Bekannte erzählte, sie wolle Metternich schreiben, und ihn fragte, ob er dem Fürsten etwas mitzuteilen habe, worauf er sagte: 'Bitte, empfehlen Sie mich ihm bestens!"

Im ganzen wurde Aberdeens Rede vom Hause günstig aufgenommen; merkwürdig aber ist, daß auf die bissige Antwort, die ihm der Marquis von Clanricarde gab - ein enttäuschter Stellenjäger und Lord Palmerstons früherer Gesandter in St. Petersburg -, kein Mitglied des Kabinetts erwiderte und daß keines von ihnen auftrat, um Aberdeen zu bezeugen, daß er der erste gewesen sei, einen energischen Krieg zu fordern.

Der Marquis von Clanricarde beschäftigte sich hauptsächlich mit Aberdeens Teilnahme am Vertrag von Adrianopel, der allgemeinen Einschätzung seiner politischen Vergangenheit und den Mängeln in seiner jetzigen Administration. Er sagte, Lord Aberdeen habe jetzt zu seiner eigenen Rechtfertigung und aus einem rein persönlichen Motiv eine Depesche vorgelegt, welche er vor einigen Monaten anderen Mitgliedern beider Häuser verweigert habe. Es sei übrigens ganz gleichgültig, was der edle Lord im Dezember 1829 nach St. Petersburg geschrieben habe, nachdem der Vertrag von Adrianopel im September unterzeichnet worden sei. Das Wesen der Frage sei, was für Instruktionen er dem englischen Gesandten zu jener Zeit gegeben hätte und welche Schritte er unternommen habe, um die Unterzeichnung des Vertrags zu verhindern. Der in Adrianopel kommandierende russische General hätte über nicht mehr als 15.000 Mann verfügt, und davon seien etwa 5.000 bis 6.000 abzurechnen gewesen, die wegen Krankheit oder Verwundung buchstäblich hors de combat <kampfunfähig> gewesen seien. Der türkische General befand sich <306> andrerseits mit 25.000 Albaniern ganz in der Nähe. Der russische General gab der Türkei eine ganz kurze Frist für die Entscheidung - zu unterzeichnen oder nicht zu unterzeichnen, da er wußte, daß seine wirkliche Lage entdeckt werden könnte, wenn er eine lange Frist gewährte. Folglich gewährte er nicht mehr als fünf bis acht Tage. Der türkische Minister in Konstantinopel berief den österreichischen und den englischen sowie den preußischen Gesandten in seinen Rat und fragte sie um ihre Meinung. Der englische Gesandte, von Lord Aberdeen instruiert, riet, jenen Vertrag, von dem der edle Lord jetzt erklärt, er sei so verhängnisvoll gewesen, so schnell wie möglich zu unterzeichnen.

Der edle Marquis vermied es, auf den Umstand hinzuweisen, daß es gerade die heftige Anklage war, die sein Freund Palmerston, damals in der Opposition, gegen Lord Aberdeen wegen dessen noch zu russenfeindlicher Gesinnung richtete, die den letzteren bewog, Anweisung zur Unterzeichnung des Vertrags zu geben.

Der Marquis fuhr fort, dem Premier vorzuwerfen, er sei immer der eifrigste, beständigste und mächtigste Anhänger der despotischen Regierungen Europas gewesen, wofür er als Beweis die Geschichte Portugals, Belgien, und Spaniens anführte und auf Aberdeens Opposition gegen die berühmte Quadrupelallianz von 1834 anspielte. Es bedurfte gewiß der ganzen kühlen Unverschämtheit eines alten Whig-Lords, in diesem Augenblick über die Herrlichkeit Belgiens, den Konstitutionalismus in Portugal und Spanien und die allgemeinen Segnungen zu frohlocken, die Europa der Quadrupelallianz verdanke, die, wie Palmerston fälschlicherweise zu seiner Verteidigung angab, von Talleyrand und nicht von ihm ausgedacht worden sei.

Zu den Operationen des jetzigen Krieges sagte Clanricarde, der Feldzugsplan sei von den höchsten Militärbehörden Rußlands im Dezember vergangenen Jahres entworfen worden, und die britische Regierung sei von diesem Plan verständigt worden, der nicht auf die bloße Besetzung der Fürstentümer, sondern auf die Überschreitung der Donau, die Eroberung Silistrias, die Umgehung Schumlas und den Marsch auf den Balkan abziele. Der edle Lord, der im Besitz dieser Information war, sei hier im Haus erschienen, um vom Frieden zu reden, wobei er verabsäumt habe, von den Anweisungen zu berichten, die das Kabinett in jener Zeit bis Ende Februar oder Anfang März dem Kriegsministerium gab.

Hätte es Lord Clanricarde vorgezogen, sich der Antworten zu erinnern, die Lord Palmerston Herrn Disraeli im Unterhaus und Lord Clarendon ihm selbst im Oberhaus gab, so hätte er nicht die Lächerlichkeit begangen, nur Lord Aberdeen dieser Pflichtverletzungen anzuklagen und seine Whig- <307> Freunde von einem Tadel auszunehmen, den gleichermaßen das ganze Kabinett verdiente.

"Wenn", so rief der Marquis aus, "wenn die Regierung vor fünfzehn Monaten einen geeigneten, er möchte fast sagen, einen ehrlichen Weg eingeschlagen hätte, hätte es nie einen Krieg gegeben."

Nun, das sind genau dieselben Worte, die Herr Disraeli an Lord John Russell richtete.

Zum Schluß besaß der Marquis noch die Abgeschmacktheit, Lord Aberdeen persönlich und ausschließlich alle Fehlschläge der Koalition und ihre fortgesetzten Niederlagen im Parlament in allen wichtigen Fragen zur Last zu legen. Es kam ihm nicht in den Sinn, daß bereits bei der Bildung des Kabinetts jeder vernünftige Mensch erklärte, es werde sich keine sechs Wochen halten können, es sei denn, es lasse alle Fragen der Gesetzgebung offen und enthalte sich aller Politik.

Nach einer albernen Rede Lord Broughams, der seine Zufriedenheit über Aberdeens erste Rede, aber noch mehr über seine zweite, zum Ausdruck brachte, wurde das Thema fallengelassen.

Die ernste Folge dieses ganzen Zwischenfalls ist die Vereitlung der Festlegungen des in Wien verfaßten geheimen Protokolls und folglich die Fortsetzung der Feindseligkeiten und eines Krieges, dessen schneller Beendigung man so vertrauensvoll entgegensah, daß die Consols trotz bedeutender Anleihen auf dem Markt um 3 Prozent stiegen und in den militärischen Klubs Wetten abgeschlossen wurden, daß der Krieg keine vier Wochen mehr dauern würde.

Karl Marx