Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 10, S. 332-341
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961

Karl Marx

[Die Erregung in Italien -
Die Ereignisse in Spanien -
Die Haltung der deutschen Staaten -
Englische Richter]

Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 4142 vom 28. Juli 1854]

<332> London, Freitag, 14. Juli 1854.

Sir Charley <Admiral Charles Napier> ist ganz still von Kronstadt zurückgekehrt und hat weiter keinen Verlust an Toten und Verwundeten zu beklagen als die wenigen tapferen Teerjacken, die die Cholera hinwegraffte. Um die Öffentlichkeit bei guter Laune zu erhalten, soll sich dieselbe Farce nun vor Sewastopol wiederholen, und bei Odessa sind schon fünfzig Schiffe der vereinigten Flotten gesehen worden mit "direktem Kurs" auf diesen Ort.

Die Einschiffung der französischen Truppen in Calais, die für heute festgesetzt war, ist auf den 20. d.M. verschoben worden, um, wie es heißt, die Entwicklung der Ereignisse in Spanien abzuwarten.

General Budberg hat von den Bewohnern der Fürstentümer eine Adresse erpreßt, in der sie dem Kaiser Nikolaus ihren Dank für die Okkupation ihres Landes und dessen Verteidigung gegen den "grausamen und barbarischen Türken" aussprechen. Die "Euphrates", die Konstantinopel am 5. d.M. verließ und in Marseille am 13. ankam, bringt die wichtigen Meldungen, daß die Dobrudscha von den Russen noch immer nicht geräumt ist und daß der "glorreiche" Reschid (wretched <abscheuliche (Wortspiel)>) Pascha wieder das Amt des Ministers des Auswärtigen angenommen hat.

Aus Krakau wird vom 8. Juli gemeldet, Fürst Paskewitsch sei in Schloß Gomel auf seinen Besitzungen in Litauen angekommen und werde an dem gegenwärtigen Feldzug nicht mehr teilnehmen. Hinzugefügt wird noch, nicht nur er selbst, sondern auch sein Feldzugsplan sei aufgegeben, und dies klingt um so glaubwürdiger, als die russischen Truppen, die sich bereits nach der Moldau zurückzogen, von Fürst Gortschakow wieder vorwärts beordert <333> wurden, der, wie es heißt, eine starke Streitmacht vor Bukarest konzentrieren will. Die Situation der russischen Truppen ist also jetzt folgende: ihr rechter Flügel an der oberen Jalomitza erstreckt sich bis an die Transsylvanischen Alpen, wo sie mit 24 schweren Geschützen den Temeser Paß besetzt halten, während das Zentrum sich von Fokschani nach Bukarest ausdehnt; ihr linker Flügel steht unter Lüders bei Braila und ihr äußerster linker Flügel unter Uschakow in der Dobrudscha.

Der letzte Bericht vom Kriegsschauplatz meldet, daß die Türken mit starken Kräften (40.000, inklusive 12.000 Verbündete) die Donau überschritten und Giurgewo besetzt haben. Französische Zeitungen berichten, daß die russische Niederlassung an der Mündung der Sulina von abkommandierten Dampfern der vereinigten Flotte bombardiert und zerstört wurde; aber möglicherweise verhält es sich mit dieser Nachricht ebenso wie mit dem Märchen vom zweiten Bombardement und der Zerstörung von Bomarsund in der Ostsee. Die Operationen des Marschalls Saint-Arnaud im Orient scheinen ob ihrer Großartigkeit den Tuilerien einen gelinden Schrecken in die Glieder gejagt zu haben. Wenigstens heißt es, die französische Regierung habe einen besonderen Oberaufseher abgeschickt - natürlich einen finanziellen Sachverständigen -, um sein Übermaß an Eifer zu zügeln (son excès de zèle).

In Italien hat sich eine seltsame Erregung sowohl der Regierungen wie auch des Volkes bemächtigt. General la Marmora, der piemontesische Kriegsminister, hat die Bildung von Heerlagern in Savoyen, in St. Maurice, in Alessandria und sogar auf der Insel Sardinien befohlen. Eine große Anzahl Soldaten auf unbegrenztem Urlaub sind zu den Waffen zurückberufen worden. Gleichzeitig werden die Festungen Alessandria und Casale verproviantiert. Andrerseits hat Marschall Radetzky ebenfalls die Bildung eines Lagers zwischen Verona und Volta befohlen, wo mehr als 20.000 Mann täglich in den Operationen des Kleinkriegs (petite guerre) ausgebildet werden. Wegen der Teuerung für Lebensmittel brachen Unruhen aus in Codogno, Casale, Pusterlengo und in einigen lombardischen Städten. Ungefähr zweihundert Personen sind verhaftet und nach Mantua gebracht worden. Nach Briefen aus Neapel sind dort ebenfalls zahlreiche Verhaftungen vorgenommen worden, wie auch in Sizilien, wo der Sohn des Grafen Caraffa eingekerkert worden ist. König Bomba <Ferdinand II.> führt außerordentliche Maßnahmen zur Bewaffnung zu Lande und zur See durch. Er hat befohlen, die Festung Gaeta für alle Eventualitäten in Bereitschaft zu setzen. Ganz Europa ist von ihm als verpestet erklärt und eine strenge Quarantäne für alle eintreffenden Schiffe <334> eingerichtet worden. Der ganze Schiffsverkehr aus Portugal, Glasgow und den sardinischen Staaten ist einer Quarantäne von zehn Tagen, der von Toskana und den römischen Staaten von sieben Tagen unterworfen. Da nahezu jedes andere Land bereits ähnlichen Beschränkungen unterworfen ist, ist das freie Eintreffen von Schiffen überhaupt eine seltene Ausnahme. Die Auslandskorrespondenz zu Lande ist all den Vorsichtsmaßnahmen ausgesetzt, die gegenüber ankommenden Schiffen aus verpesteten Ländern beobachtet werden. Verbindung mit den Papststaaten wird noch über Monte Cassino und Sora und über die Abruzzen aufrechterhalten, aber gerade ist man dabei, einen Sicherheitsgürtel entlang der ganzen Grenze zu errichten.

Die letzte von Madrid über Bordeaux fällige Post war bis gestern abend nicht in Paris eingetroffen. Von den königlichen Truppen wird behauptet, daß sie noch in der Verfolgung der Rebellen begriffen sind, daß sie diese erreicht haben und gerade dabei sind, sie in Stücke zu hauen. Zuerst wurde uns erzählt, daß sich die Rebellen auf der Flucht in die Estremadura befänden, um die portugiesische Grenze zu erreichen. Jetzt hören wir, daß sie sich auf dem Weg nach Andalusien befinden, ein Umstand, welcher keine sehr große Entschlossenheit auf ihrer Seite zeigt, schnellstens das Land zu verlassen. Nach Privatbriefen ist General Serrano mit 300 Mann Kavallerie zu ihnen gestoßen, während die "Gaceta" behauptet, daß er sich ihnen allein angeschlossen habe. In Madrid ging das Gerücht um, daß das Königsregiment (del Rey) zu den Insurgenten übergegangen ist. Der Korrespondent des "Morning Chronicle" fügt hinzu, daß außerdem 200 Offiziere aller Waffengattungen, einige Kompanien der in Toledo stationierten Regimenter und zwei Bataillone Freiwilliger aus Madrid zu ihnen übergelaufen sind. Die "Gaceta" teilt mit, daß die Division, die dazu beordert war, die Rebellen zu verfolgen, Madrid am Abend des 5. verlassen hat. Sie war aus drei Brigaden Infanterie, einer Brigade Kavallerie, zwei Batterien Artillerie, einer Kompanie Geniesoldaten und einem Detachement Arbeiter der Militäradministration zusammengesetzt. Sie brach auf unter dem Kommando von General Vistahermosa, der jedoch am folgenden Tage durch General Blaser, den Kriegsminister, abgelöst wurde. Ein königliches Dekret vom 7. Juli hat das Kriegsministerium während der Abwesenheit Blasers General San Román anvertraut. Die "Gaceta" meldet, daß die oben erwähnte Division sich in Tembleque aufhält und sich durch das Tal des Guadiana in Richtung auf Ciudad Real bewegt. Am gleichen Tage veröffentlichte Blaser eine Proklamation an die Soldaten und Unteroffiziere in der Rebellenarmee, worin er sie auffordert, zu ihren Fahnen zurückzukehren, und ihnen Generalpardon im Namen der Königin verspricht.

<335> Im "Messager de Bayonne" lesen wir folgendes:

"Nach den letzten bei uns eingegangenen Nachrichten hat General O'Donnell sich in Richtung auf Valdepeñas bewegt. Die Vorhut der königlichen Armee war bei Tembleque konzentriert. General O'Donnell nutzt die Zeit, um seine kleine Armee, bestehend aus 2.000 Reitern, sechs Artilleriegeschützen und 800 Infanteristen, auszubilden."

Die Proklamationen von O'Donnell und Dulce tragen verschiedenartigen Charakter; die eine appelliert an die Verfassung von 1837, die andere an das alte kastilische Recht der Auflehnung gegen Monarchen, die sich des Bruchs des Krönungseides schuldig gemacht haben. Eine neue Erscheinung ist die Bildung von republikanischen Guerillas in Valencia. Mit dem Datum des 6. d.M. ist eine Mitteilung eingegangen, die besagt, daß einige Städte und Dörfer sich gegen die Regierung erhoben haben, unter andern Alcira, Jativa und Carlet. Orozco, ein Oberst im Ruhestand, ist an der Spitze eines bewaffneten Trupps in die letztgenannte Stadt eingedrungen; er beschlagnahmte Feuerwaffen und lud durch Proklamation die Bewohner ein, sich der Bewegung anzuschließen. Die Regierung hat Detachements von Kavallerie, Infanterie und Zivilgarde abgesandt, um die Aufstände in Valencia zu unterdrücken.

Die "Indépendance Belge" gibt der Note Rußlands an Österreich und Preußen eine ganz neue Auslegung. Dieses Blatt, das als der Privatmoniteur der russischen Exdiplomaten in Brüssel angesehen werden kann, meint, die russische Note sei nicht direkt an das österreichische Kabinett, sondern an den Fürsten Gortschakow gerichtet gewesen, der dem Grafen von Buol eine Abschrift überließ und die Ansicht vertrat, Österreich hätte, als es die Räumung der Fürstentümer durch die Russen verlangte, damit eigentlich nur einen Waffenstillstand vorschlagen wollen; denn es könne doch nicht sein Wunsch sein, die abziehenden russischen Truppen einem Angriff der alliierten Streitkräfte preiszugeben. Österreich könne also nur einen Waffenstillstand beabsichtigt haben. Türken, Engländer und Franzosen hätten sich daher jeder Offensivbewegung und jedes Aktes neuerlicher Feindseligkeit gegen Rußland zu enthalten. In bezug auf die Räumung der Fürstentümer von russischen Truppen betont die Note, Rußland müsse sich in diesen Provinzen unbedingt gewisse strategische Punkte vorbehalten, solange der Friedensschluß auf sich warten ließe, denn sonst befinde es sich gegenüber den Armeen der Alliierten in einer zu unvorteilhaften Position. Andrerseits protestiert die Note gegen jegliche Unterstellung der Absicht, Österreich durch die erwähnte strategische Okkupation bedrohen zu wollen. Von diesen Prämissen ausgehend, schlägt die russische Note neue Friedensverhandlungen <336> auf folgender Basis vor: Integrität des Ottomanischen Reiches, die die russische Regierung niemals anzutasten beabsichtigt hat; Gleichheit zwischen den christlichen und muselmanischen Untertanen der Pforte, wie sie im Protokoll vom 9. April aufgefaßt wird; schließlich Revision der Konventionen, die sich auf die Meerengen beziehen. Die Note läßt ein gemeinsames Protektorat der Mächte über die Christen in der Türkei zu; aber der Artikel in der "Indépendance" gesteht, daß in bezug auf das russische Protektorat über die griechischen Christen einige unbestimmte Phrasen angehängt sind, die genügend Raum auch für abweichende Deutungen bieten. Fürst Gortschakow schlägt, wie es heißt, noch gedämpftere Töne an als die Note selbst. Seine Depesche enthält nicht das letzte Wort Rußlands; er dürfte ermächtigt sein, weiter zu gehen, um Österreich den Eintritt in neue Verhandlungen zu ermöglichen. Am 9. d.M. war das Wiener Kabinett jedoch noch zu keiner Entscheidung gekommen.

"Jetzt", sagt die Indépendance oder vielmehr Baron Brunnow, "dürfen wir es uns nicht verhehlen, daß, was immer auch die Absichten St. Petersburgs sein mögen, ein einziger Zwischenfall, eine tatsächliche Kriegshandlung, ein Angriff auf Kronstadt oder, was noch wahrscheinlicher ist, auf Sewastopol oder gar die Okkupation der Alandsinseln durch die englisch-französischen Truppen diese Absichten notwendigerweise ändern und diejenige Partei stärken muß, die jeder Konzession abgeneigt ist."

Auf alle Fälle ist Preußen von dieser russischen Note befriedigt und betrachtet sie als eine Art Mittel zu neuen Verhandlungen und zur Hinderung der Österreicher am Einmarsch in die Walachei. Selbst der "Moniteur" gibt zu, daß die Einwände, die Preußen gegen diesen österreichischen Einmarsch erhob, die Ursache der neuen Unschlüssigkeit des Wiener Hofes bilden. Andrerseits erzählt uns der scheinheilige "Morning Chronicle",

"in Berlin behaupte man, der preußische Hof habe die ihm zukommende Verpflichtung übernommen, das österreichische Gebiet vor Invasion zu schützen, und das ermächtige ihn, gegen jede neue Provokation Rußlands zu protestieren".

Außerdem ist bekannt, daß der Vertrag zwischen Österreich und Preußen just in einer Weise abgefaßt ist, daß er jeder der beiden Mächte erlaubt, ihre militärischen Operationen so lange zu unterbrechen, bis sie von der Notwendigkeit der kriegerischen Schritte überzeugt wäre, die die andere beabsichtige. So mag Österreich anscheinend darauf erpicht sein, gemeinsam mit den Westmächten vorzugehen, und könnte sich durch den Einspruch Preußens daran gehindert sehen. Ich meinesteils bin sicher, daß alle diese Eventualitäten von den drei nördlichen Mächten gemeinsam von langer Hand vorbereitet waren, und daß selbst die neuen Schwierigkeiten gegenüber <337> Österreich lediglich bezwecken, seiner Okkupation der Walachei den Anstrich eines heroischen Widerstandes gegen Rußland zu geben. Ein kleiner Scheinkrieg wie der österreichisch-preußische von 1850 ist vielleicht bei diesem Übereinkommen nicht ausgeschlossen, denn er würde nur dazu beitragen, Österreich beim Friedensschluß eine entscheidendere Stimme zu geben. Es sei bemerkt, daß die "Oesterreichische Correspondenz" ausdrücklich ankündigte, Österreich stimme in jedem Punkt der Politik der Westmächte zu, außer einer eventuellen Verletzung der bestehenden russischen Grenzen.

Zur Beurteilung der Stellung Österreichs ist es wichtig, den "Protest der serbischen Regierung gegen die österreichische Okkupation" zu beachten, der vom 22. Juni datiert ist und jetzt dem Unterhaus vorgelegt wurde. Die serbische Regierung richtete diesen Protest an die Hohe Pforte. Er beginnt mit der Feststellung:

"Je nachdem Österreich vermutete, daß die serbische Regierung mehr oder weniger günstig für Rußland oder die Türkei gestimmt sei, führte es eine Sprache, die zu jenen mutmaßlichen Gesinnungen paßte, und versprach ihm beständig seinen Beistand zum Schutz der Grenzen des Fürstentums gegen jeden feindlichen Angriff."

Nun fand eine sehr bedeutende Truppenkonzentration an den serbischen Grenzen statt. Die serbische Regierung hat "direkt beim Wiener Kabinett und indirekt bei der Hohen Pforte dem Zweck und der Bedeutung dieser militärischen Vorbereitungen Österreichs nachgefragt". Österreich gab ausweichende Erklärungen, während die Pforte und die Vertreter der Westmächte in Konstantinopel vorgaben, den Zweck der österreichischen Demonstrationen nicht zu kennen, und sogar die Besorgnisse und Zweifel der serbischen Regierung zu teilen schienen.

"Der Pascha von Belgrad blieb ohne Instruktionen oder, genauer zu reden er behielt seine alten, die ihm früher erteilt worden und laut welchen er jede militärische Intervention Österreichs in Serbien als feindlichen Angriff gegen das Ottomanische Reich ansehen und als solchen mit allen Kräften zurückweisen sollte."

Als es schien, daß Österreich sich mehr und mehr den Westmächten zuneige, begannen deren Vertreter in Belgrad, beruhigende Zusicherungen über die Absichten Österreichs zu geben. Gleichzeitig versicherte das Wiener Kabinett der serbischen Regierung, daß die fraglichen militärischen Maßregeln keine Feindseligkeiten gegen Serbien bedeuteten; daß Österreich nur seine eigenen Grenzen schützen und in Serbien nur dann einschreiten wolle, wenn russische Truppen einrückten oder Revolten gegen die legitime Regierung dort ausbrächen; daß es folglich auch im letztem Fall nur als Freund und zur Unterstützung der Regierung und der legitimen Obrigkeit erscheinen <338> würde. Die serbische Regierung wurde durch diese Versicherungen Österreichs nicht beruhigt. Sie sah, wie Österreich sich auf der einen Seite schiedsrichterliche Gewalt anmaßte und auf der anderen Seite unter dem Vorwand, dem Ottomanischen Reich gemeinsam mit den Westmächten zu Hilfe zu kommen, isoliert vorging. Schließlich argwöhnte Serbien Österreichs Absicht, gerade die Verwirrung zu schüren, die zu bekämpfen es sich angeblich so sehr angelegen sein ließ. Da die militärischen Vorbereitungen Österreichs von Tag zu Tag einen drohenderen Anschein gewannen, unternahm die serbische Regierung im Einverständnis mit Izzet Pascha energische Schritte in Wien und Konstantinopel, um jeden Plan zu hindern, der Österreich zum Gebieter über die Schicksale Serbiens machen könnte. Das war der Zweck, warum Aziz Pascha zuerst nach Wien gesandt wurde und er jetzt in Konstantinopel ist. Gleichzeitig wurden alle Maßregeln zur Verteidigung des Landes im Einverständnis mit dem türkischen Vertreter getroffen. Österreich gibt zwei Gründe an, die sein Einschreiten in Serbien veranlassen könnten: 1. den Einmarsch der Russen und 2. den Ausbruch eines Aufstandes in Serbien. Der erste ist absurd, denn der Kriegsschauplatz ist zu weit von Serbien entfernt; sollten die Russen versuchen, in Serbien einzudringen, so genügten die serbischen und türkischen Truppen vollständig, sie zurückzuwerfen. Wären Hilfstruppen nötig, so wären andere den Österreichern vorzuziehen.

"Die serbische Nation hegt ein so ausgesprochenes Mißtrauen, wo nicht Haß gegen Österreich, daß jedermann das Einrücken der Österreicher in Serbien augenblicklich als eine so drohende Gefahr, als ein so großes Unglück betrachtete, daß sich die ganze Tätigkeit der Serben gegen die österreichischen Truppen kehren, die ganze Tatkraft der Nation sich auf Bekämpfung dieser Feinde richten würde, in denen man stets die Personifikation jener Gelüste sähe, welche Österreich antreiben, in Serbien - gleichviel unter welchem Rechtstitel - nach Ausübung eines egoistischen Einflusses zu streben."

Was innere Aufstände betrifft, so befürchtet man sie nur als Folgeerscheinungen einer österreichischen Intervention. Serbien wird immer loyal gegen die Pforte sein.

"Alles, was die serbische Regierung verlangt, ist, daß sie von nun an mit dem Vertrauen beehrt wird, welches ihr die Hohe Pforte bis diesen Augenblick bezeugt. und daß man ihr Vaterland nicht einer österreichischen Besetzung überliefere, welche das Zeichen und der Anfang unberechenbarer Katastrophen wäre. Unter dieser Bedingung bürgt die serbische Regierung vollkommen für die Aufrechterhaltung du Ruhe und der öffentlichen Ordnung in Serbien."

<339> Dieser Protest der Serben zeigt gleichzeitig auch deutlich, mit welchem Enthusiasmus das walachische Volk dem Einmarsch Österreichs in die Walachei entgegensieht.

Die neutrale oder besser feindselige Haltung der kleineren Mächte gegen England kann niemanden überraschen, der seine jetzigen Kriegstaten gegen Rußland verfolgte, die Plünderungsexpeditionen der englischen Flotte in der Ostsee und die Maßnahmen beobachtete, die getroffen wurden, um die Truppen bei Varna zu jeder Leistung im Felde unfähig zu machen. Haben doch sogar die Krankenwagen für die britischen Truppen in der Türkei erst jetzt mit der "Himalaya" Southampton verlassen. Schweden hat demgemäß definitiv seinen Entschluß kundgetan, neutral zu bleiben und von allen gemeinsamen Schritten mit den Westmächten abzusehen, während Dänemark und Holland als Mitglieder des Deutschen Bundes dem österreichischen Kommuniqué vom 24. Mai nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt zugestimmt haben, daß es nichts anderes bedeutet als unbedingte Neutralität und das Bestreben, den Frieden wiederherzustellen.

Vor dem Polizeirichter von Bow Street, Herrn Jardine, hat sich ein Fall zugetragen, der eine erheblich größere Aufregung in London hervorgerufen hat als Bonapartes Rede in Boulogne oder Charleys glorreicher Rückzug von Kronstadt. Ein Deutscher, namens Dr. Peithmann, der vier Tage eingesperrt worden war, wurde mittels Haftbefehls vorgeführt und beschuldigt, eine Person von nicht klarem Verstand zu sein und untauglich, frei umherzulaufen. Herr Reynolds, der Anwalt der Schatzkammer, wünschte den Ausschluß der Öffentlichkeit und der Presse, und die Verhandlungen wurden dementsprechend mit der größten Geheimhaltung im Privatraum des Polizeirichters durchgeführt. Herr Otway, Mitglied des Parlaments, ein Freund des Beklagten, protestierte aufgebracht gegen den Versuch, ihn von der Untersuchung auszuschließen und wurde daraufhin zugelassen; Herr Lewis, ein Rechtsanwalt, forderte und erhielt ebenfalls die Zulassung als Anwalt des Beklagten. Herr Lewis fragte, warum Dr. Peithmann vier volle Tage in eine Angeklagtenzelle gesperrt worden sei, ohne ihn einem Polizeirichter vorzuführen. Herr Jardine antwortete, daß zwei Ärzte Atteste unterzeichnet hätten, welche die Geistesgestörtheit des Beklagten bescheinigen; auf Grund derer müsse er dessen Überführung in eine Anstalt für Geisteskranke anordnen. Herr Lewis erbot sich, gegenteilige Atteste vorzulegen, doch Herr Jardine lehnte es ab, irgendeinen Vorschlag auf Vertagung des Falles zu hören, da er entsprechend den vor ihm liegenden Attesten handeln müsse. Herr Lewis erklärte darauf, er werde die Angelegenheit vor einen höheren Gerichtshof bringen, wo der Fall vorurteilsfrei behandelt und beide Parteien gehört würden. Er werde für <340> jetzt seinem Klienten den Rat geben, auf die Beschuldigung nicht zu antworten, obwohl er dazu vom Polizeirichter aufgefordert wurde. Herr Otway protestierte gegen den ex parte <einseitigen> Charakter des ganzen Verfahrens und erklärte, er werde die ganze Angelegenheit vor das Unterhaus bringen, indem er die Bekanntgabe der Einzelheiten der voraufgegangenen Verhaftung und der Überführung in eine Anstalt für Geisteskranke beantragen werde. Der Beklagte wurde nach Colney Hatch <psychiatrische Klinik> überführt.

Ich füge nun unten die im heutigen "Morning Advertiser" veröffentlichte Erklärung von Herrn Percival hinzu, des Arztes, der kürzlich Dr. Peithmann von Bedlam <psychiatrische Klinik> entließ:

"Dr. Peithmann, ein deutscher Professor, der zu Bonn, Berlin und Halle studiert hat, ist der Sohn eines hannoverschen Offiziers, der für Georg III. kämpfte und in seinem Dienst starb, und der Stiefsohn Baron Rippertas, eines russischen Landrats. Er kam nach England vor ungefähr dreißig Jahren; da er bald mit dem schmachvoll mangelhaften Erziehungssystem in unseren höheren und Hochschulen bekannt wurde, ging er nach Oxford und Cambridge, um dort Vorlesungen über dieses Thema zu halten. 1835 wurde er dem Marquis von Normanby empfohlen, unter dessen Protektion er nach Irland ging. Lady Normanby, die bereits einen Hauslehrer für Lord Mulgrave hatte, empfahl Dr. P. an einen irischen Edelmann, für dessen beide Söhne er Hauslehrer wurde. Nach sieben Monaten entdeckte man, daß der älteste Sohn ein tiefgehendes Liebesverhältnis mit einem sächsischen Dienstmädchen der Familie unterhielt, die von ihm schwanger war. Seine Mutter wandte sich an Dr. Peithmann, er möge ihr helfen, das Mädchen zurück nach Deutschland zu schaffen, aber der Doktor lehnte es ab, sich einzumischen. Er verließ die Familie und begann in Dublin öffentliche Vorlesungen zu halten, als ungefähr im März 1836 das sächsische Mädchen, nachdem es auf dem Wohnsitz des Edelmannes ein Kind zu Welt gebracht hatte, in einem Zustand großer Not dort hinkam und ihm bald darauf mitteilte, daß sie einen Anwalt in Anspruch nehmen werde, um einen Prozeß wegen Verführung gegen den Sohn des Edelmannes in die Wege zu leiten, und daß er als Zeuge vorgeladen werde. Dr. Peithmann entschloß sich dann, bei Oberst Phipps vorzusprechen, der Kammerherr des Marquis von Normanby und sehr vertraut mit der Familie jenes Edelmannes war. Er sprach wiederholt vergeblich bei diesem Phipps, dem Bruder Normanbys und gegenwärtigen Sekretär Prinz Alberts, vor, erhielt aber weder Antwort noch Zutritt, und wurde endlich Herrn Studdert, einem Polizeirichter in Dublin, übergeben, der ihn auf Grund der Beweismittel des gleichen Phipps, ohne irgendein Zeugnis der Ruhestörung, im Mai 1836 in eine Anstalt für Geisteskranke sandte. Unter Lord Normanbys Vizekönigtum wurde er auf Grund des Attestes eines Dr. Lytton, das nach dessen Meinung keine Grundlage für Peithmanns Geistesstörung enthielt, in Dean Swift's Hospital überführt. Er wurde neun Monate später durch das Eingreifen Dr. Dawsons, <341> des Dekans von St. Patrick's freigelassen, auf dessen Empfehlung hin er einige Vorlesungen vor der Royal Society of Dublin <Akademie der Wissenschaften von Dublin> hielt und von Lord Fortescues Familie engagiert wurde. Beim Eintreffen Prinz Alberts in England bewarb er sich beim Prinzen um den Posten eines Bibliothekars und bat um die Erlaubnis, seine Schulreformen durchzuführen. Nach einer langen Unterredung gab der Herzog von Sussex seinem Bibliothekar die Anweisung, ihm freien Zutritt zu seiner Bibliothek zu geben. Danach sandte er seine Bewerbung an Prinz Albert, zusammen mit seinen Zeugnissen und elf von ihm veröffentlichten Bänden. Der Prinz beantwortete seine Bewerbung nicht; schließlich sprach Dr. Peithmann dort vor, um eine Unterredung zu erbitten oder um seine Zeugnisse zurückzuerhalten. Ungefähr zu dieser Zeit feuerte der junge Oxford auf die Königin, und eine Frauensperson kam aus Deutschland, mit der der Prinz enge Beziehungen in Bonn unterhalten hatte, wo er mit Peithmann unter dem gleichen Professor studiert hatte. Der Hof wurde nervös, und Dr. Peithmanns Hartnäckigkeit erregte Mißtrauen. Ein Bericht wurde an den Innenminister, den Marquis von Normanby, gesandt, über den Peithmann sich beschwerte, daß der ihn unberechtigt in einer Dubliner Anstalt für Geisteskranke eingesperrt gehalten habe; und eines Morgens im Juni 1840 wurde ein Polizist in Zivil geschickt, um den Doktor von seiner Wohnung in Whitehall zu holen. Lord Normanby ließ seinen Bruder, Oberst Phipps, kommen, auf dessen Zeugnis hin der anwesende Polizeirichter die Überführung des Doktors nach Bedlam anordnete, wo er vierzehn Jahre lang eingesperrt blieb. Seine Führung war dort immer beispielhaft; er war dort niemals Einschränkungen oder einer medizinischen Behandlung unterworfen, und er beschäftigte sich damit, eine Verbesserung der Behandlung der Patienten zu erreichen, indem er Klassen mit denen von ihnen bildete, die fähig waren, seinem Unterricht zu folgen. Als er entlassen worden war, petitionierte er auf Anraten seiner Freunde an die Königin, und vergangenen Sonnabend begab er sich, da er voraussetzte, daß er nun überall hingehen könne, ohne Argwohn zu erregen, zur königlichen Kapelle im Buckingham Palace, wo er dem Gottesdienst beiwohnte, um von der Königin bemerkt zu werden. Hier geschah es, daß er erneut verhaftet wurde."

Ihre Leser mögen aus diesem Beispiel ersehen, wie gefährlich es in diesem freien Lande ist, die Nervosität des Hofes zu erregen und in die Familienskandale der moralischen englischen Aristokratie eingeweiht zu werden.

Karl Marx