Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 10, S. 492-497
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961

Karl Marx

[Gerüchte über die Verhaftung Mazzinis -
Die österreichische Zwangsanleihe -
Spanien -
Die Lage in der Walachei]

Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 4197 vom 30. September 1854]

<492> London, Dienstag, 12. September 1854.

Die Zeitungen bringen verschiedene Gerüchte über die Verhaftung Mazzinis bei Basel. Von einem Freund habe ich folgende Mitteilung erhalten: Mazzini wurde tatsächlich von zwei Gendarmen in Zürich verhaftet, doch nur für einige Stunden; dann entfloh er. Diese Flucht wurde durch einen anderen Italiener erleichtert, der sich zur gleichen Zeit an einem anderen Ort verhaften ließ, indem er vorgab, Mazzini zu sein. Durch diesen Coup wurden die Behörden irregeführt, und Herr Druey telegraphierte selbst aus Bern nach Genf, daß keine weiteren Nachforschungen erforderlich seien, da sich Mazzini im Gefängnis befinde. Man vermutet, daß die an Stelle Mazzinis verhaftete Person Saffi ist, während einige sagen, es wäre ein ungarischer Offizier namens Türr.

Die "Gazzetta di Milano" vom 31. August stellt mit Befriedigung fest, daß der Stadtrat von Pavia in seiner Sitzung vom 28. August beschlossen hat, an der Nationalanleihe durch die Zeichnung von 200.000 Gulden teilzunehmen. Im Gegensatz zu diesem Bericht veröffentlicht ein nichtoffizielles Blatt folgendes als den tatsächlichen Beschluß dieses Rats:

"Die Stadtverwaltung von Pavia zeichnet den der Stadt Pavia auferlegten und für sie festgesetzten Anteil, aber sie tut das weder als Vertreter der Gemeinde noch in ihrer Eigenschaft als Kontribuent, sondern nur als ein Organ der Regierung und weil sie von der Exekutivmacht abhängig ist, der sie nach dem Zirkular von 1830 zu absolutem Gehorsam verpflichtet ist, sowie in Ausführung der ihr vom Gouverneur am 7. August übermittelten Befehle."

In Treviso wurde die freiwillige Anleihe auch nur infolge direkter Drohung gezeichnet. Aus dem Bericht des Triester Rates geht hervor, daß selbst <493> in jener erz-österreichischen, loyalen Stadt die Anleihe weder freiwillig noch so allgemein genommen wurde, wie es von den österreichischen Zeitungen dargestellt wird:

"Unsere Gemeinde hat eine weitere Million für die Nationalanleihe gezeichnet. Der Magistrat gibt hierdurch bekannt, daß diese Summe unter den Kontribuenten verteilt wird, die bis jetzt an der Anleihe nicht oder nicht im Verhältnis zu ihrem Vermögen teilgenommen haben. Gleichzeitig wird der 6. September als letzter Termin für die freiwillige Zeichnung festgesetzt. Der Rat hofft, daß jeder eilen wird, sich die Vorteile, die die Anleihe bietet, zunutze zu machen, um so mehr, als der Rat nach diesem Termin vor der bitteren Notwendigkeit stehen wird mit Zwang vorzugehen."

Die reaktionäre Presse ist mit den letzten Maßnahmen der spanischen Regierung noch nicht zufrieden; sie murrt darüber, daß mit der Revolution ein neuer Kompromiß eingegangen worden sei. So lesen wir im "Journal des Débats":

"Erst am 7. August hatte Espartero erklärt, 'daß entsprechend den Wünschen der Bevölkerung von Madrid die Herzogin von Riansares die Hauptstadt weder bei Tag noch bei Nacht oder auf heimliche Weise verlassen darf'. Schon am 28. August wurde Königin Christina nach einer Haft von einundzwanzig Tagen erlaubt, bei hellichtem Tag mit einem bestimmten Gepränge abzureisen. Doch war die Regierung schwach genug, gleichzeitig die Konfiskation ihrer Güter anzuordnen."

Die "Débats" hofft nun, daß diese Anweisung aufgehoben wird. Doch die Hoffnungen der "Débats" sind vielleicht in diesem Falle noch mehr zum Scheitern verurteilt als damals, da er schwache Hoffnungen äußerte, daß die Konfiskation der Güter der Orleans nicht von Bonaparte durchgeführt werden würde. Der Jefe Politico <Gouverneur> von Oviedo hat bereits mit der Konfiskation der Kohlengruben begonnen, die Christina in der Provinz Asturien gehörten. Die Direktoren der Gruben von Siero, Langreo und Piero Gorril haben Anweisung erhalten, Inventur zu machen und ihre Verwaltung der Regierung zu unterstellen.

Was den "hellichten Tag" betrifft, an dem die "Débats" die Abreise Christinas bewerkstelligt, ist sie völlig falsch informiert. Königin Christina überquerte, als sie ihre Zimmer verließ, die Korridore in Totenstille - jeder wurde peinlichst ferngehalten. Die Nationalgarde, die sich in den Kasernen im Hof des Palastes aufhielt, wurde ihre Abreise nicht gewahr. Der ganze Plan wurde so geheim durchgeführt, daß sogar Carrigò, der für ihre Eskorte verantwortlich war, seine Befehle erst im Augenblick der Abreise erhielt. <494> Die Eskorte hörte von der Mission, mit der sie betraut war, erst zwölf Meilen von Madrid entfernt, wo Carrigò alle möglichen Schwierigkeiten hatte, seine Leute daran zu hindern, Christina zu beleidigen oder direkt nach Madrid zurückzukehren. Die Chefs der Nationalgarde hörten von dieser Angelegenheit erst zwei Stunden nach der Abreise von Mme. Muñoz. Laut Bericht der "España" erreichte sie die portugiesische Grenze am Morgen des 3. September. Sie soll während der Reise sehr guter Stimmung gewesen sein, doch ihr Herzog war etwas trist. Die Beziehungen zwischen Christina und diesem nämlichen Muñoz können nur durch die Antwort verstanden werden, die Don Quixote auf Sancho Pansas Frage gibt, warum er eine so gemeine Landdirne wie seine Dulcinea liebe, da er doch Prinzessinnen zu seinen Füßen haben könne:

"Eine Dame", antwortete der würdige Ritter, "die von einem Schwarm vornehmer, reicher und geistvoller Verehrer umgeben war, wurde gefragt, warum sie einen plumpen Bauern zum Liebhaber genommen habe. 'Ihr müßt wissen', sagte die Dame, 'daß zu dem Behuf, wozu ich ihn brauche, er mehr Philosophie besitzt als selbst Aristoteles."'

Der Standpunkt, den die reaktionäre Presse im allgemeinen zu den spanischen Angelegenheiten bezieht, kann nach einigen Auszügen aus der "Kölnischen Zeitung" und der "Indépendance Belge" beurteilt werden. Die erste sagt:

"Nach einem Schreiben von einem sehr gemäßigten, zur Partei O'Donnells gehörenden Manne ist die Lage eine sehr gespannte, da unter den Parteien eine tiefe Spaltung herrscht. Die Arbeiterklassen sind fortwährend sehr aufgeregt, weil sie durch Umtriebler bearbeitet werden."

"Die Zukunft der spanischen Monarchie" sagt die "Indépendance", "ist großen Gefahren ausgesetzt. Alle wahren spanischen Patrioten sind sich über die Notwendigkeit einig, die revolutionären Orgien niederzuschlagen. Die Wut der Pasquillanten und der Barrikadenbauer wird gegen Espartero und seine Regierung mit derselben Gewalt wie gegen San Luis und den Bankier Salamanca losgelassen. Doch kann in Wahrheit diese ritterliche Nation für solche Ausschreitungen nicht verantwortlich gemacht werden. Das Volk von Madrid darf nicht mit dem Mob verwechselt werden, der schrie 'Tod der Christina', noch verantwortlich gemacht werden für die berüchtigten Schmähschriften mit dem Titel 'Die Räubereien von San Luis, Christina und ihren Helfershelfern', die unter der Bevölkerung verbreitet wurden. Die 1.800 Barrikaden von Madrid und die ultrakommunistischen Kundgebungen von Barcelona offenbaren die Einmischung der ausländischen Demokratie in die spanischen Saturnalien. Soviel ist gewiß, daß eine große Anzahl der Flüchtlinge aus Frankreich, Deutschland und Italien an den bedauernswerten Ereignissen teilgenommen hat, die die Halbinsel jetzt <495> bewegen. Soviel ist gewiß, daß Spanien am Rande einer sozialen Feuersbrunst steht; das unmittelbare Ergebnis wird der Verlust der Perle der Antillen, der reichen Insel Kuba sein, weil sie es Spanien unmöglich macht, die amerikanischen Ambitionen oder den Patriotismus eines Soulé oder Sanders zu bekämpfen. Es wird Zeit, daß Spanien die Augen öffnet und daß sich alle ehrlichen Menschen des zivilisierten Europas vereinen, um Alarm zu schlagen."

Es bedarf gewiß keiner Interventionen der ausländischen Demokratie, um die Bevölkerung von Madrid aufzuwiegeln, wenn diese sieht, daß ihre Regierung am 28. das Wort bricht, das sie am 7. gegeben hat, das Recht auf Versammlungsfreiheit aufhebt und das Preßgesetz von 1837 wieder einführt, das von jedem Herausgeber einen cautionnement <Kautionsbetrag> von 40.000 Realen und 300 Realen direkter Steuer verlangt. Wenn die Provinzen weiterhin von unbestimmten und unentschlossenen Bewegungen beunruhigt werden, welche andere Ursache sollen wir für diese Tatsache finden als das Fehlen eines Zentrums der revolutionären Aktion? Seitdem die sogenannte revolutionäre Regierung in die Hände Esparteros gefallen ist, ist nicht ein einziges Dekret zum Wohle der Provinzen erschienen. Die Provinzen sehen, daß sie gleichermaßen von Speichelleckerei, Intrigen und Postenjägerei umgeben ist wie unter San Luis. Der Regierung hängt derselbe Schwarm an - die Seuche, die Spanien seit der Zeit der Philipps heimgesucht hat.

Lassen Sie uns nur einen Blick auf die letzte Nummer der Madrider "Gaceta" vom 6. September werfen. Darin ist ein Bericht von O'Donnell, der eine so große Zahl von militärischen Rängen und Ehren bekanntgibt, daß von je drei Generalen nur einer für den aktiven Dienst eingesetzt werden kann. Das ist das gleiche Übel, das Spanien seit 1823 zum Fluch geworden ist - dieser Troß von überzähligen Generalen. Man sollte meinen, daß ein Dekret folgen würde, um das Übel zu beseitigen. Nichts dergleichen. Das Dekret, das dem Bericht folgt, beruft eine beratende Kriegsjunta ein, die aus einer bestimmten Anzahl von Generalen besteht, welche die Regierung aus den Reihen der Generale ernannte, die gegenwärtig in der Armee keinen Posten bekleiden. Außer ihrem üblichen Sold erhalten diese Männer: jeder Generalleutnant 5.000 Realen und jeder Feldmarschall 6.000 Realen. General Manuel de la Concha wurde zum Präsidenten dieser militärischen Sinekurenjunta ernannt. Dieselbe Nummer der "Gaceta" enthält eine weitere Liste von Auszeichnungen, Ernennungen etc., als ob die erste große Verteilung ihren Zweck nicht erfüllt hätte. San Miguel und Dulce haben das Großkreuz des Ordens Karls III. erhalten alle Belohnungen und vorläufigen Ehrungen, die <496> von der Junta von Saragossa beschlossen worden waren, werden bestätigt und ergänzt. Doch der bemerkenswerteste Teil dieser Nummer der "Gaceta" ist die Ankündigung, daß die Zahlungen an die öffentlichen Gläubiger am 11. d.M. wieder aufgenommen werden. Unglaubliche Torheit des spanischen Volkes, mit diesen Errungenschaften ihrer revolutionären Regierung nicht zufrieden zu sein!

Reisende, die vor kurzem aus der Walachei kamen, erzählen von dem jammervollen Zustand dieses Fürstentums. Es ist bekannt, daß Rußland die Fürstentümer wegen der Besatzung 1848/49 mit 14 Millionen Francs Schulden belastete. Diese Summe ist während der letzten Besatzung von den russischen Generalen erhoben worden. Die Russen zogen sich zurück, nachdem sie in Kirchspielen, Klöstern und Gemeinden alle Kassen geleert hatten - mit dem Inhalt dieser Kassen bezahlten sie die Vorräte, die sie laut Vertrag von den walachischen Besitzern und Bauern erhielten. Transportmittel jedoch, die in einem Agrarland sehr ins Gewicht fallen, sowie Holz, Kohle, Stroh etc. wurden überhaupt nicht bezahlt, sondern einfach requiriert. Der Staatsschatz der Fürstentümer ist folglich so erschöpft, daß der Bankrott der Kirchspiele zu erwarten ist. Und dies, ohne die Benutzung der in Spitäler verwandelten Häuser und die Vielzahl von Vermögen in Rechnung zu ziehen, die die Bojaren aus Furcht vor der türkischen Plünderung russischen Händen anvertrauten.

In einem Brief aus Athen vom 29. August lesen wir:

"Der König weigerte sich weiterhin, den Türken irgendeine Entschädigung zu zahlen. Der Haß gegen die abendländischen Truppen wächst, und schon sind mehrere französische Soldaten vom Volk mißhandelt worden."

Ich könnte Ihren Lesern merkwürdige Geschichten darüber erzählen, wie die griechischen Gemeinden durch britischen Einfluß aufgelöst worden sind, wie man ihnen Kapodistrias aufoktroyierte und wie dieses ganze Volk durch die Machenschaften Lord Palmerstons demoralisiert worden ist. Wie ehrlich es die britische Regierung noch in diesem Augenblick ihrer Intervention in Griechenland meint, verrät zur Genüge die Unterstützung, die sie dem General Kalergis angedeihen läßt, einem Mann, der gleich Kapodistrias in Rußland geboren, erzogen und ansässig ist.

Lord Stratford de Redcliffe und die britische Regierung haben endlich erreicht, was sie längst hervorzurufen bemüht waren - eine Revolution in der Türkei, wenn auch nicht im europäischen Teil, so doch in Anatolien. Wir erfuhren bereits aus Berichten von Rhodos, daß auf der dieser Insel gegenüberliegenden Küste die Zeybeks, ein kriegerisches ottomanisches Bergvolk, <497> sich erhoben hatten. Das "Journal de Constantinople" vom 20.August berichtet jetzt, daß die Anarchie in diesen Gegenden täglich zunimmt. Da keine reguläre Armee vorhanden ist, kommen die Rebellen ständig von den Bergen herab, fallen in die Dörfer ein, erheben den Zehnten, plündern die Einwohner und Karawanen, vergewaltigen die Frauen und morden jeden, der Widerstand leistet. Am ärgsten sind ihre Exzesse in der Provinz Mentesche. Der Gouverneur war gezwungen, von Aidin nach Tire zu flüchten. Denizlü ist in ihren Händen, und der Mufti Sahib Efendi, der ging, den Generalgouverneur zu verständigen, ward ergriffen und mit seinen Anhängern enthauptet. Ihre Stärke beläuft sich auf Tausende. Die Quelle dieser Unruhen sind die von Kars und Bajazid zurückkehrenden Baschi-Bosuks, die die Pforte beschuldigen, sie unterdrücke die Türken und unterwerfe sich den Russen.

Wenn wir einen Blick auf Europa werfen, so begegnen wir Symptomen der Revolution in Spanien, Italien, Dänemark, den Donaufürstentümern, Griechenland und der asiatischen Türkei; und sogar in den Reihen der französischen Armee in Varna ist aufs neue der Ruf ertönt: "A bas les singes!" <"Nieder mit den Affen!">

Karl Marx