Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 11, S. 409-480
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961

Friedrich Engels

Die Armeen Europas

Geschrieben von Ende Juni bis September 1855.
Aus dem Englischen

Aus "Putnam's Monthly. A Magazine of Literature, Science and Art"


August 1855

Erster Artikel
I. Die französische Armee
II. Die englische Armee
III. Die österreichische Armee

September 1855

Zweiter Artikel
I. Die preußische Armee
II. Die russische Armee
III. Die kleineren Armeen Deutschlands

Dezember 1855

Dritter Artikel
I. Die türkische Armee
II. Die sardinische Armee
III. Die kleineren italienischen Armeen
IV. Die Schweizer Armee
V. Die skandinavischen Armeen
VI. Die holländische Armee
VII. Die belgische Armee
VIII. Die portugiesische Armee
IX. Die spanische Armee


Erster Artikel

["Putnam's Monthly" Nr. XXXII. August 1855]

<411> Der Krieg, der seit zwei Jahren an der Küste des Schwarzen Meeres tobt, hat die besondere Aufmerksamkeit auf die zwei Millionen Soldaten unter Waffen gelenkt, die Europa sogar mitten im Frieden unterhält und deren Zahl vielleicht sehr bald verdoppelt werden soll. Falls der Krieg andauert, was so gut wie gewiß ist, dann können wir damit rechnen, diese vier Millionen in aktive Operationen auf einem Kriegsschauplatz verwickelt zu sehen, der sich von Meer zu Meer über die ganze Breite des europäischen Kontinents erstreckt.

Aus diesem Grunde dürfte eine Einschätzung nicht nur der Armeen, die bisher in den östlichen Konflikt einbezogen sind, sondern auch der bedeutenderen übrigen Armeen Europas für unsere Leser nicht uninteressant sein, besonders da sich diesseits des Atlantiks glücklicherweise nichts gezeigt hat, was in irgendeinem Maße selbst an die Größe der zweitrangigen Armeen Europas heranreicht; deshalb ist die Organisation solcher Truppenkörper den Laien bei uns nur ungenügend bekannt.

Das Mißtrauen, aus dem heraus jeder Staat seine Armee früher mit mysteriöser Geheimhaltung umgab, existiert nicht mehr. Es ist seltsam, selbst in den Staaten, die kaum eine Veröffentlichung zulassen, wo alle Zweige der Zivilverwaltung bis heute in das Dunkel gehüllt sind, dessen der Absolutismus bedurfte, ist die Organisation der Armee der Allgemeinheit völlig zugänglich. Armeelisten werden veröffentlicht, die nicht nur die Untergliederung der bewaffneten Kräfte in Korps, Divisionen, Brigaden, Regimenter, Bataillone und Eskadronen angeben, sondern auch die Standortverteilung dieser Truppen, deren Zahl und die Namen der sie befehligenden Offiziere. Immer wenn große Militärparaden stattfinden, wird die Anwesenheit ausländischer <412> Offiziere nicht nur geduldet, sondern sogar gewünscht, Kritik wird erbeten, Beobachtungen werden ausgetauscht, die spezifischen Institutionen und Einrichtungen jeder Armee werden ernsthaft diskutiert, und es herrscht eine Publizität, die mit vielen anderen charakteristischen Merkmalen desselben Systems in allzu seltsamem Widerspruch steht. Die eigentlichen Geheimnisse, die ein europäisches Kriegsministerium für sich zu behalten vermag, sind einige Rezepte chemischer Zusammensetzungen, zum Beispiel für Raketen oder Zünder, und selbst diese werden sehr bald publik oder durch den Fortschritt an Erfindungen überholt, wie zum Beispiel die Zusammensetzung der britischen Congrevischen Rakete durch Herrn Hales Kriegsraketen, die von der USA-Armee und jetzt auch von der britischen Armee übernommen wurden.

Diese Publizität veranlaßt die verschiedenen Kriegsministerien der zivilisierten Welt, in Friedenszeiten sozusagen ein großes Militärkomitee zu bilden, um die Vorzüge aller vorgeschlagenen Neuerungen zu diskutieren und jedem Mitglied die Möglichkeit zu geben, die Erfahrungen der anderen auszunützen. So kam es, daß der Aufbau, die Organisation und die allgemeine Ökonomie in fast allen europäischen Armeen nahezu gleich sind, und in diesem Sinne kann man sagen, daß eine Armee ungefähr so gut wie die andere ist. Aber Nationalcharakter, historische Traditionen und vor allem der unterschiedliche Grad der Zivilisation verursachen ebenso viele Unterschiede und bilden bei jeder Armee deren starke und schwache Seiten. Der Franzose und der Ungar, der Engländer und der Italiener, der Russe und der Deutsche mögen unter gewissen Umständen gleich gute und tüchtige Soldaten sein, aber trotz eines gleichen Ausbildungssystems, das alle Unterschiede zu nivellieren scheint, wird jeder auf seine Weise gut sein, da jeder besondere, von seinem Rivalen unterschiedliche Qualitäten besitzt.

Das bringt uns auf eine Frage, die nur zu oft unter militärischen Patrioten der verschiedenen Nationalitäten diskutiert wurde: Welches Volk hat die besten Soldaten? Natürlich ist jedes Volk ängstlich auf seinen eigenen Ruf bedacht, und nach der allgemeinen öffentlichen Meinung - genährt von Erzählungen, die, was immer ihnen an kritischer Exaktheit fehlen mag, durch patriotische Schönfärberei reichlich ausgeschmückt sind - kann ein Regiment der eigenen Nation beliebig zwei oder drei Regimenter einer anderen "dreschen". Kriegsgeschichte als Wissenschaft, in der eine korrekte Würdigung der Tatsachen das einzige und höchste Kriterium darstellt, ist noch sehr jung und hat bis jetzt nur eine sehr geringe Literatur aufzuweisen. Sie ist jedoch ein anerkannter Zweig der Wissenschaft und fegt immer mehr, wie der Wind die Spreu, das unverschämte und dumme Prahlen hinweg, das <413> allzu lange für Werke charakteristisch war, die als historische Werke galten, weil sie die Aufgabe hatten, jede von ihnen angeführte Tatsache zu verdrehen. Die Zeit ist vorbei, da Leute, während sie die Geschichte eines Krieges schreiben, diesen Krieg sozusagen auf eigene Faust fortsetzen und den ehemaligen Gegner ungestraft mit Schmutz bewerfen können, nachdem der Friedensschluß ihnen verbietet, ihn mit Eisen zu beschießen. Und obwohl manche weniger wichtige Frage in der Kriegsgeschichte noch geklärt werden muß, so ist doch so viel sicher, daß es keine zivilisierte Nation gibt, die sich nicht rühmen könnte, in der einen oder anderen Periode die besten Soldaten ihrer Zeit hervorgebracht zu haben. Die deutschen Landsknechte <Landsknechte: in "Putnam's Monthly" deutsch> des späten Mittelalters, die Schweizer Soldaten des 16. Jahrhunderts waren eine Zeitlang ebenso unbesiegbar wie die großartigen spanischen Soldaten, die ihnen den Rang abliefen, die "beste Infanterie der Welt" zu sein; die Franzosen Ludwigs XIV. und die Österreicher Eugens stritten miteinander um diesen Ehrenplatz, bis die Preußen Friedrichs des Großen diese Frage entschieden, indem sie beide besiegten; diese wiederum wurden durch einen einzigen Schlag bei Jena in äußersten Mißkredit gebracht, und wieder einmal waren die Franzosen als die besten Soldaten Europas allgemein anerkannt. Zur gleichen Zeit konnten sie die Engländer nicht daran hindern, sich ihnen in Spanien unter gewissen Umständen und in bestimmten Momenten einer Schlacht als überlegen zu erweisen. Ohne Zweifel waren die Legionen, die Napoleon im Jahre 1805 aus dem Lager von Boulogne nach Austerlitz führte, die besten Truppen ihrer Zeit; zweifellos wußte Wellington, was er sagte, als er seine Soldaten bei der Beendigung des Krieges auf der Pyrenäenhalbinsel "eine Armee" nannte, "mit der er überall hingehen und alles unternehmen könnte". Und doch wurde die Blüte dieser britischen Pyrenäen-Armee bei New Orleans lediglich durch Milizmannschaften und Freiwillige geschlagen, die weder ausgebildet waren noch eine richtige Organisation besaßen.

Die Erfahrung aller Feldzüge der Vergangenheit führt uns also zu dem gleichen Ergebnis, und jeder einsichtige langgediente Soldat, der von Vorurteilen frei ist, wird es bestätigen: Militärische Qualitäten, sowohl in bezug auf Tapferkeit als auch auf Kampffähigkeit, sind im allgemeinen ziemlich gleichmäßig unter die verschiedenen Nationen der Welt verteilt; die Soldaten der verschiedenen Nationalitäten unterscheiden sich nicht so sehr durch den Grad der Qualifikation, sondern vielmehr durch deren spezielle Art; und auf Grund der Publizität, die sich heutzutage in militärischen Dingen durch- <414> gesetzt hat, kommt es darauf an, wie beharrlich Ideen, Verbesserungen und Erfindungen für die militärischen Einrichtungen und Hilfsmittel eines Staates genutzt und wie die militärischen Qualitäten entwickelt werden, die eine Nation besonders auszeichnen - allein dadurch kann eine Armee dazu gebracht werden, eine Zeitlang an der Spitze ihrer Rivalen zu rangieren. Daher erkennen wir sofort, was für ein Vorteil im militärischen Sinne einem Lände durch die höhere Entwicklung der Zivilisation gegenüber seinen weniger entwickelten Nachbarn erwächst. Als Beispiel können wir anführen, daß sich die russische Armee, obwohl sie sich durch viele erstklassige soldatische Qualitäten auszeichnet, niemals einer anderen Armee des zivilisierten Europas überlegen erweisen konnte. Bei gleichen Möglichkeiten würden die Russen verzweifelt kämpfen; aber zumindest bis zum gegenwärtigen Krieg wurden sie mit Sicherheit geschlagen, gleichviel, ob ihre Gegner Franzosen, Preußen, Polen oder Engländer waren.

Bevor wir die verschiedenen Armeen gesondert betrachten, sind ein paar allgemeine Bemerkungen nötig, die sie alle betreffen:

Eine Armee, besonders eine große von 300.000 bis 500.000 Mann und mehr, mit all den notwendigen Unterteilungen, ihren verschiedenen Waffen und ihren Erfordernissen an Mannschaften, Material und Organisation, ist ein so komplizierter Körper, daß die höchstmögliche Vereinfachung unentbehrlich ist. Es gibt so viele unvermeidliche Verschiedenheiten, daß man erwarten könnte, sie würden durch künstliche und nichtssagende Vielfarbigkeit nicht noch vergrößert werden. Nichtsdestoweniger haben Gewohnheit und jener Geist des Gepränges und der Paraden, das Verderben der alten Armeen, die Dinge in fast jeder europäischen Armee unglaublich kompliziert.

Die Unterschiede in Größe, Stärke und Temperament, die sowohl bei den Menschen als auch bei den Pferden in jedem Lande vorhanden sind, verlangen eine Trennung der leichten Infanterie und Kavallerie von der schweren Infanterie und Kavallerie. Der Versuch, dieses Trennende vollständig zu verwischen, hieße Individuen zu einem Ganzen zusammenzubringen, deren militärische Eigenschaften von Natur aus entgegengesetzt sind und die sich daher in einem gewissen Grade gegenseitig neutralisieren würden, wodurch die Leistungsfähigkeit des Ganzen geschwächt wird. So zerfällt jede der beiden Waffengattungen natürlicherweise in zwei gesonderte Teile - der eine umfaßt die schwereren und plumperen Männer (und die entsprechenden Pferde) und ist hauptsächlich für große, entscheidende Angriffe und für den Kampf in geschlossener Ordnung bestimmt; der andere wird aus den leichteren, behenderen Leuten gebildet, die besonders für Geplänkel, für den Vorposten- und Vorhutdienst, für schnelle Manöver und dergleichen geeignet <415> sind. Soweit ist die Unterteilung völlig berechtigt. Aber zusätzlich zu dieser natürlichen Einteilung ist in fast jeder Armee jeder Teil wieder in Zweige gegliedert, welche sich durch nichts als durch phantasievolle Unterschiede in der Bekleidung und durch theoretische Sophisterei auszeichnen, die ständig durch die Praxis und die Erfahrung widerlegt werden.

So gibt es in jeder europäischen Armee ein Korps, das Garde genannt wird und vorgibt, die élite der Armee zu sein, aber das in Wirklichkeit lediglich aus den größten Kerlen besteht, deren man habhaft werden kann. Die russischen und die englischen Garden zeichnen sich in dieser Hinsicht besonders aus, obwohl es keinen Beweis dafür gibt, daß sie an Tapferkeit und Leistungsfähigkeit die anderen Regimenter beider Heere übertreffen. Napoleons Alte Garde war eine ganz andere Einrichtung; sie war die wirkliche élite der Armee, und die Körpergröße hatte nichts mit ihrer Formierung zu tun. Aber selbst diese Garde schwächte den anderen Teil der Armee, indem sie die besten Elemente absorbierte. Die Rücksicht auf solche, mit anderen nicht zu vergleichenden Truppen verleitete Napoleon manchmal zu Fehlern, wie bei Borodino, wo er seine Garde nicht im entscheidenden Moment vorwärtsführte und dadurch die Gelegenheit verpaßte, die russischen Kräfte an ihrem geordneten Rückzug zu hindern. Die Franzosen haben außer ihrer Kaisergarde noch in jedem Bataillon eine Art élite, die aus zwei Kompanien besteht - eine Grenadier- und eine Voltigeurkompanie; dadurch werden die taktischen Evolutionen des Bataillons unnötig kompliziert. Bei anderen Nationen ist es ähnlich. Alle diese auserlesenen Truppen erhalten neben ihrer besonderen Formation und Kleidung höhere Löhnung. Man sagt, daß ein solches System das Streben des gemeinen Soldaten ansporne, besonders bei heißblütigen Nationen, wie die Franzosen und Italiener es sind. Aber man würde dasselbe erreichen und vielleicht noch vollkommener, wenn die Soldaten, die eine derartige Auszeichnung verdient haben, in den Reihen ihrer entsprechenden Kompanien blieben und nicht als Entschuldigung für die gestörte Einheit und Symmetrie der taktischen Bewegungen des Bataillons benutzt würden.

Noch auffälliger ist der Humbug bei der Kavallerie. Hier bildet die Unterscheidung zwischen leichter und schwerer Reiterei einen Vorwand für Unterteilungen aller Art - Kürassiere, Dragoner, Karabiniere, Ulanen, Jäger, Husaren usw. All diese Unterteilungen sind nicht nur wertlos, sie sind völlig widersinnig, denn sie rufen Komplikationen hervor. Husaren und Ulanen sind den Ungarn und Polen nachgeahmt; doch in Ungarn und Polen haben diese Truppen ihren Sinn - sie waren die Nationaltruppe, und die Kleidung, die sie trugen, war die Nationaltracht des Landes. Solche Eigenheiten in <416> anderen Ländern zu kopieren, wo der Nationalgeist fehlt, der ihnen Leben gab, ist, gelinde gesagt, lächerlich; und so mag der ungarische Husar aus dem Jahre 1814, wenn er von einem russischen Husaren mit "Kamerad" angesprochen wurde, sehr wohl geantwortet haben: "Nix Kamerad - ich Husar, du Hanswurst!" <Diese Antwort in "Putnam's Monthly" englisch und deutsch> Ein anderes, ebenso lächerliches Gebilde in fast allen Armeen sind die Kürassiere - Männer, die durch das Gewicht ihrer Kürasse für den wirklichen Kampf unbrauchbar sind und auch ihre Pferde dadurch in Mitleidenschaft ziehen (ein französischer Küraß wiegt 22 Pfund); bei all dem schützen die Kürasse sie nicht einmal vor der Wirkung einer Gewehrkugel, die aus 150 Yards Entfernung abgefeuert wird! Den Küraß war man in fast allen europäischen Armeen losgeworden, bis Napoleons Liebe für Gepränge und monarchische Tradition ihn bei den Franzosen wieder einführte, und diesem Beispiel folgten bald alle Nationen Europas.

Neben unserer eigenen kleinen Armee ist die sardinische die einzige unter denen der zivilisierten Nationen, in der die Kavallerie ohne jede weitere Unterteilung aus leichter und schwerer Reiterei besteht und wo der Küraß vollständig abgeschafft worden ist.

Bei der Feldartillerie findet man in jeder Armee einen Wirrwarr verschiedener Kaliber. Theoretisch gesehen herrscht bei den Engländern die größte Mannigfaltigkeit, denn sie haben 8 Kaliber und 12 verschiedene Geschützmodelle; doch in der Praxis können sie durch ihr umfangreiches Material die Artillerie auf die größte Einfachheit beschränken. In der Krim zum Beispiel sind fast ausschließlich die Neunpfünder und die vierundzwanzigpfündigen Haubitzen in Gebrauch. Die Franzosen haben während der letzten paar Jahre ihre Artillerie soweit als möglich vereinfacht, indem sie die 4 verschiedenen Kaliber durch eines ersetzten, durch die leichte zwölfpfündige Haubitze, von der wir an gegebener Stelle sprechen werden. In den meisten anderen Armeen gibt es noch 3 bis 4 Kaliber, von der Verschiedenartigkeit der Lafetten, Munitionswagen, Räder und dergleichen abgesehen.

Die technischen Truppen der verschiedenen Armeen, die Genietruppen usw., den Stab mag man noch mit hinzunehmen, sind in allen Armeen auf ziemlich gleiche Weise organisiert, außer daß bei den Briten, zu ihrem großen Nachteil, der Stab überhaupt kein gesondertes Korps bildet. Andere kleine Unterschiede werden an gegebener Stelle erwähnt werden.

Wir beginnen mit jener Armee, die durch ihre Organisation während der Revolution und unter Napoleon als eine Art Muster für alle europäischen Armeen seit Anfang dieses Jahrhunderts gedient hat.

1. Die französische Armee

<417> Als der gegenwärtige Krieg ausbrach, hatte Frankreich 100 Regimenter Linieninfanterie (das 76. bis 100. wurde bis vor kurzem als "leichte Infanterie" bezeichnet, doch ihre Ausbildung und Organisation unterschied sich in keiner Weise von den Linienregimentern). Jedes Regiment besteht aus 3 Bataillonen, 2 Feldbataillonen und das dritte als Reserve. In Kriegszeiten kann das dritte Bataillon jedoch sehr schnell für den Felddienst organisiert werden, und ein viertes Bataillon, das durch die besondere Depotkompanie eines jeden der 3 Bataillone gebildet wird, übernimmt den Depotdienst. So war es während der Kriege Napoleons, der sogar fünfte und in manchen Fällen sechste Bataillone bildete. Gegenwärtig können wir jedoch nur 3 Bataillone pro Regiment rechnen. Jedes Bataillon hat 8 Kompanien (1 Grenadier- und 1 Voltigeurkompanie, 6 Füsilierkompanien) und jede Kompanie bei Kriegsstärke 3 Offiziere sowie 115 Unteroffiziere und Soldaten. Deshalb umfaßt ein französisches Linienbataillon bei Kriegsstärke ungefähr 960 Mann, von denen ein Achtel (die Voltigeurkompanie) besonders für den Einsatz als leichte Infanterie vorgesehen ist.

Die für den Dienst als leichte Infanterie bestimmten speziellen Truppen bestehen aus den chasseurs-à-pied <Jägern zu Fuß> und den Afrikanischen Truppen. Die Jäger, vor dem Krieg nur 10 Bataillone, wurden im Jahre 1853 auf 20 Bataillone verstärkt, so daß beinahe jede Infanteriedivision der Armee (4 Regimenter) bei ihrer Formierung ein Jägerbataillon erhalten kann. Diese Bataillone bestehen aus 10 Kompanien bzw. nahezu 1.300 Mann. Die speziell für den Afrikadienst bestimmten Truppen sind gebildet aus: 3 Regimentern mit 9 Bataillonen Zuaven, 2 Regimentern oder 6 Bataillonen der Fremdenlegion, 6 Bataillonen leichter Infanterie (davon 3 Bataillone einheimische Jäger), insgesamt 21 Bataillone oder ungefähr 22.000 Mann.

Die Kavallerie besteht aus vier unterschiedlichen Teilen:

1. schwere oder Reservekavallerie: 12 Regimenter - davon 2 Regimenter Karabiniers (mit Gewehren bewaffnete Kürassiere), 10 Regimenter Kürassiere = 72 Eskadronen;

2. Linienkavallerie: 20 Regimenter - 12 Regimenter Dragoner, 8 Regimenter Lanciers = 120 Eskadronen;

3. leichte Kavallerie: 21 Regimenter - 12 Regimenter chasseurs-à-cheval <Jäger zu Pferd>, 9 Regimenter Husaren = 126 Eskadronen;

4. afrikanische leichte Kavallerie: 7 Regimenter - 4 Regimenter Chasseurs d'Afrique <für den Dienst in Afrika bestimmte leichte Reiterei>, 3 Regimenter Spahis = 42 Eskadronen.

<418> Die Eskadronen der Reserve- und Linienkavallerie bestehen - bei Kriegsstärke - aus 190 Mann und die der leichten Kavallerie aus 200 Mann. In Friedenszeiten sind kaum 4 Eskadronen von je 120 Mann voll ausgerüstet, so daß bei jeder Mobilmachung der Armee eine große Anzahl beurlaubter Soldaten einberufen und Pferde für sie aufgebracht werden müssen, was in einem an Pferden so armen Lande wie Frankreich ohne umfangreiche Einfuhr aus dem Ausland niemals erreicht werden kann.

Die kürzlich reorganisierte Artillerie ist in 17 Regimentern formiert: 5 Regimenter Fußartillerie für den Garnison- und Belagerungsdienst, 7 Linienregimenter (den Infanteriedivisionen zugeteilt), 4 Regimenter reitende Artillerie und 1 Regiment Pontoniere. Die Fußartillerie ist wahrscheinlich nur in Notfällen für den Kampf im Felde bestimmt. Bei der Linienartillerie sind die Geschützlafetten und Protzen so konstruiert, daß die Kanoniere während schneller Bewegungen aufsitzen können. Die reitende Artillerie ist wie in anderen Heeren organisiert. Die Linien- und die reitende Artillerie umfassen 137 Batterien zu je 6 Geschützen, zu denen 60 Batterien Fußartillerie als Reserve hinzukommen, insgesamt 1.182 Geschütze. Außerdem gehören zur Artillerie 13 Kompanien Handwerker.

Die Sonderabteilungen der Armee umfassen: den Generalstab mit 560 Offizieren; Stäbe für die Festungen, die Artillerie und das Geniekorps mit ungefähr 1.200 Offizieren; 3 Regimenter Sappeure und Mineure, 5 Packeskadronen, 5 Traineskadronen; 1.187 Sanitätsoffiziere usw. Die Gesamtzahlen sind folgende:

Infanterie

Linie, 300 Bataillone und 300 Depotkompanien

335.000

Jäger, 20 Bataillone

26.000

Afrikanische Truppen, 21 Bataillone

22.000

383.000

Kavallerie

Reserve, 72 Eskadronen und 12 Depoteskadronen

16.300

Linie, 120 Eskadronen und 20 Depoteskadronen

28.400

Leichte, 126 Eskadronen und 21 Depoteskadronen

31.300

Afrikanische, 42 Eskadronen

10.000

86.000

Artillerie und Spezialkorps

1.200 Geschütze und

70.000

1.200 Geschütze und

539.000

Zu diesen müssen hinzugerechnet werden die neuformierte Garde in der Stärke einer Infanteriedivision (2 Grenadierregimenter, 2 Voltigeurregimen- <419> ter), 1 Brigade Kavallerie (1 Regiment Kürassiere, 1 Regiment Guiden), 1 Bataillon Jäger und 4 oder 5 Batterien Artillerie sowie 25.000 Mann Gendarmerie, von denen 14.000 Berittene sind. 2 weitere Infanterieregimenter, das 101. und das 102., sind kürzlich gebildet worden, und eine neue Brigade der Fremdenlegion (Schweizer) wird gerade gebildet. Also besitzt die französische Armee bei ihrer gegenwärtigen Organisation in ihrem Gesamtbestand rund 600.000 Mann; das wird eine ziemlich genaue Schätzung der augenblicklichen Stärke sein.

Die Armee wird durch Auslosung unter allen jungen Männern rekrutiert, die das 20. Lebensjahr erreicht haben. Man kann annehmen, daß jährlich ungefähr 140.000 Mann zur Verfügung stehen; davon werden jedoch in Friedenszeiten nur 60.000-80.000 in den Heeresdienst übernommen. Die übrigen können während der 8 Jahre, die ihrer Auslosung folgen, jederzeit einberufen werden. Eine große Anzahl Soldaten wird außerdem in Friedenszeiten für lange Zeit beurlaubt, so daß die eigentliche Dienstzeit, selbst der Einberufenen, 4 oder 5 Jahre nicht übersteigt. Durch dieses System stehen keine ausgebildeten Reserven für den Notfall bereit, während die wirklich diensttuenden Truppen einen hohen Grad der Leistungsfähigkeit erhalten. Ein großer kontinentaler Krieg, in dem Frankreich mit zwei oder drei großen Armeen kämpfen müßte, würde es dazu zwingen, schon in der zweiten Kampagne viele unausgebildete Rekruten ins Feld zu schicken, und in der dritten Kampagne würde sich die Armee offensichtlich verschlechtern. Tatsache ist: daß die Franzosen das Soldatenhandwerk sehr leicht erlernen; warum wird aber dann die lange Dienstzeit beibehalten, die den größeren Teil der zur Verfügung stehenden jungen Männer von dem Vorteil einer Schule der militärischen Erziehung ausschließt?

Wo immer der Militärdienst obligatorisch und von langer Dauer ist, führten die Lebensbedürfnisse der europäischen Gesellschaft für die wohlhabenden Klassen zu dem Privileg, sich durch eine Geldzahlung in der einen oder anderen Form von der persönlichen Dienstpflicht freizukaufen. So ist in Frankreich das System, einen Ersatzmann zu stellen, rechtlich anerkannt, und in der französischen Armee dienen ständig ungefähr 80.000 dieser Ersatzleute. Sie kommen zumeist aus den sogenannten "gefährlichen Klassen" und sind ziemlich schwierig zu behandeln, doch wenn sie einmal eingewöhnt sind, geben sie großartige Soldaten ab. Sie können nur durch eine strenge Disziplin im Zaume gehalten werden, und ihre Ansichten über Ordnung und Unterordnung sind manchmal ziemlich ungewöhnlich. Wo immer eine große Anzahl von ihnen in einem Regiment ist, werden sie bestimmt Schwierigkeiten in der Garnison verursachen. Deshalb ist man der Meinung, daß sie vor <420> dem Feind am besten aufgehoben sind, und daher werden die leichten Truppen Afrikas speziell aus ihnen rekrutiert; zum Beispiel traten beinahe alle Zuaven der Armee als "Remplaçants" <Ersatzleute> bei. Der Krimfeldzug hat im vollen Umfange bewiesen, daß die Zuaven ihre afrikanischen Gewohnheiten überall mit hinnehmen - sowohl ihre Liebe zum Plündern als auch ihr disziplinloses Verhalten bei Fehlschlägen; und möglicherweise spricht der gleiche Geist aus den Worten einer verwandten Seele, nämlich des verstorbenen Marschalls Saint-Arnaud, wenn er in seinem Bericht über die Schlacht an der Alma sagt: "Die Zuaven sind die besten Soldaten der Welt!"

Die Ausrüstung der französischen Armee ist im allgemeinen erstklassig. Die Waffen sind gut konstruiert, und besonders der Kavalleriesäbel ist ein sehr gutes Modell, obwohl er vielleicht ein bißchen zu lang ist. Die Infanterie ist dem neuen System entsprechend ausgerüstet, das in Frankreich und in Preußen zur gleichen Zeit eingeführt wurde; dadurch wurde das kreuzweise getragene Bandelier für Patronentasche und Säbel oder Bajonett abgeschafft; beide werden an einem Leibriemen, unterstützt durch zwei Lederriemen über den Schultern, getragen, der Tornister hingegen wird locker an zwei über die Schultern gehende Riemen getragen, ohne den altmodischen Verbindungsriemen quer über der Brust. Auf diese Weise wird die Brust völlig frei gelassen, und der Soldat wird ein ganz und gar anderer Mensch als der unglückliche Mann, der in einen Lederküraß eingeschnürt und geschnallt ist, in den ihn das alte System zwängte. Die Uniform ist einfach, aber geschmackvoll; man muß wirklich anerkennen, daß die Franzosen sowohl in militärischen wie in zivilen Moden mehr Geschmack gezeigt haben als irgendeine andere Nation. Ein blauer Waffenrock oder Überrock, die Oberschenkel bis zu den Knien bedeckend, mit einem vorn ausgeschnittenen, niedrigen Stehkragen; scharlachfarbene, mäßig weite Hosen; ein leichtes Käppi, die soldatischste Kopfbedeckung, die bisher erfunden wurde; Schuhe; Gamaschen und ein bequemer grauer Mantel; sie bilden zusammen eine so einfache und zweckentsprechende Ausstattung, wie sie in keiner anderen europäischen Armee bekannt ist. In Afrika ist der Kopf gegen die Sonnenstrahlen durch eine weiße Flanellkapuze geschützt; auch Flanellunterkleidung wird an die Truppen ausgegeben. In der Krim wurden während des letzten Winters Kapuzen aus schwerem Tuch getragen, die Kopf, Hals und Schultern bedeckten. Die chasseurs-à-pied sind ganz in Grau mit grünen Einfassungen gekleidet; die Zuaven tragen eine Art türkisches Phantasiekostüm, das dem Klima und ihrem Dienst gut angepaßt zu sein scheint. Die Jäger und einige andere <421> afrikanische Bataillone sind mit Minié-Gewehren bewaffnet, der übrige Teil der Infanterie mit einfachen Perkussionsgewehren. Es scheint jedoch die Absicht zu bestehen, den Anteil der mit gezogenen Gewehren ausgerüsteten Truppen zu erhöhen.

Die Kavallerie ist eine gut aussehende Truppe, leichter im Gewicht als in vielen anderen Armeen, aber darum nicht schlechter. In Friedenszeiten ist sie im ganzen recht gut mit Pferden versorgt, die im Ausland beschafft wurden oder aus den staatlichen Gestüten und den Bezirken stammen, in denen man erfolgreich die einheimische Zucht verbessern konnte, um die es bis vor kurzem sehr schlecht bestellt war. Doch im Kriegsfall, wenn die Anzahl der Pferde plötzlich verdoppelt werden muß, sind die Ressourcen des Landes völlig ungenügend, und Tausende von Pferden müssen im Ausland gekauft werden, von denen viele für den Kavalleriedienst kaum tauglich sind. So wird die französische Kavallerie in jedem langen Krieg bald nichts mehr taugen, wenn die Regierung ihre Hand nicht auf die Ressourcen von Ländern legen kann, die reich an Pferden sind, wie sie es in den Jahren 1805, 1806 und 1807 getan hat.

Die Artillerie ist jetzt ausschließlich mit dem neuen leichten Zwölfpfünder ausgerüstet, der sogenannten Erfindung Louis-Napoleons. Doch da der leichte, für eine Ladung von einem Viertel des Kugelgewichts eingerichtete Zwölfpfünder bereits in der englischen und der holländischen Armee existierte, da die Belgier bereits bei ihren Haubitzen die Kammer abgeschafft hatten und da Preußen und Österreicher in gewissen Fällen Granaten aus gewöhnlichen Zwölf- und Vierundzwanzigpfündern zu feuern pflegen, so reduziert sich die angebliche Erfindung darauf, diesen leichten Zwölfpfünder der gewöhnlichen französischen Achtpfünderlafette angepaßt zu haben. Die französische Artillerie hat jedoch durch den Wandel offensichtlich an Einfachheit und Wirksamkeit gewonnen; ob ihre Beweglichkeit gelitten hat, muß sich erst herausstellen, ebenso, ob der Zwölfpfünder bei Hohlgeschossen wirksam genug ist. Zumindest haben wir schon Hinweise gefunden, daß es bereits als notwendig erachtet wurde, Haubitzen eines schwereren Kalibers zur Armee im Osten zu schicken.

Das Exerzierreglement der französischen Armee ist eine sonderbare Mischung von soldatischer Vernunft und altmodischen Traditionen. Es gibt schwerlich eine andere Sprache, die besser für die knappen, bestimmten und gebieterischen militärischen Kommandos geeignet wäre als die französische; das Kommando wird jedoch im allgemeinen mit außerordentlicher Weitschweifigkeit gegeben - wo zwei oder drei Worte genügen würden, muß der Offizier einen ganzen Satz ausrufen oder sogar zwei. Die Manöver sind <422> kompliziert, und das Exerzieren enthält ein gut Teil altmodischen, mit dem heutigen Stand der Taktik überhaupt nicht zu vereinbarenden Unsinns. Im Tiraillieren, was den Franzosen geradezu angeboren zu sein scheint, werden die Leute mit einer Pedanterie gedrillt, die in Rußland kaum übertroffen wird. Dasselbe gilt für manche Kavallerie- und Artilleriebewegungen. Doch immer, wenn die Franzosen in den Krieg ziehen müssen, enthebt sie die sich aus der Lage ergebende Notwendigkeit dieser veralteten und pedantischen Bewegungen. Neue taktische Methoden, die sich neuen Situationen anpassen, werden von keinem so schnell festgelegt und eingeführt wie von den Franzosen.

Insgesamt gesehen ist der Dienst als leichte Truppe die forte <Stärke> der Franzosen. Sie sind buchstäblich die leichtesten Truppen in Europa. Nirgendwo ist die durchschnittliche Körpergröße der Armee so gering wie in Frankreich. Im Jahre 1836 waren von rund 80.000 Mann in der französischen Armee nur 743 Mann 5 Fuß 8 Zoll groß oder darüber, und nur sieben maßen 6 Fuß, während volle 38.000 Mann 4 Fuß 101/2 Zoll bis 5 Fuß 2 Zoll groß waren. Trotzdem kämpfen diese kleinen Männer nicht nur außerordentlich gut, sondern halten auch den schwersten Strapazen stand und übertreffen an Beweglichkeit fast jede andere Armee. General Napier behauptet, daß der britische Soldat das am schwersten beladene Kampftier der Welt sei; aber er hat niemals diese französisch-afrikanischen Feldzugteilnehmer gesehen, die außer ihren Waffen und dem persönlichen Gepäck Zelte, Feuerholz und Lebensmittel auf ihrem Rücken so aufgehäuft tragen, daß diese Last ihre Tschakos überragt, und die damit 30 oder 40 Meilen am Tag in tropischer Hitze marschieren. Und dann vergleiche man den großen, schwerfälligen britischen Soldaten, der in Friedenszeiten wenigstens 5 Fuß 6 Zoll mißt, mit dem winzigen, kurzbeinigen Franzosen von 4 Fuß 10 Zoll, der dem Schneider im Märchen gleicht! Dabei bleibt der kleine Franzose unter seiner ganzen Last ein großartiger leichter Infanterist; er schwärmt aus, trabt, rennt, legt sich hin, springt auf, während er zur gleichen Zeit ladet, feuert, vormarschiert, sich zurückzieht, sich zerstreut, sich sammelt, sich neu formiert. Er zeigt sich nicht nur doppelt so behend, sondern auch doppelt so intelligent wie sein knochiger Konkurrent von der Insel des "rosbif" <"Roastbeef">. Dieser Dienst als leichte Infanterie wurde in den 20 Bataillonen der chasseurs-à-pied zu hoher Vollendung gebracht. Diese unvergleichliche Truppe, unvergleichlich im Bereich ihres besonderen Dienstes, wird darin geübt, in Reichweite des Feindes jede Bewegung in einer Art leichtem Trott auszuführen, der pas <423> gymnastique <gymnastischer Schritt> genannt wird, wobei sie 160-180 Schritte in der Minute machen. Aber sie können nicht nur, mit kurzen Pausen, eine halbe Stunde und länger laufen, sondern auch kriechen, springen, klettern und schwimmen; jede Bewegungsart, die möglicherweise verlangt werden kann, ist ihnen gleichermaßen geläufig, wobei sie erstklassige Schützen sind. Wer kann unter gleichen Bedingungen im Tirailleurkampf diesen sicheren Schützen standhalten, die hinter der geringsten Unebenheit des Bodens Deckung finden?

Beim Masseneinsatz der französischen Infanterie erwachsen den Franzosen aus ihrem leidenschaftlichen Charakter sowohl große Vorteile als auch große Nachteile. Allgemein wird ihr erster Angriff durchdacht, schnell, entschlossen, wenn nicht gar heftig sein. Ist er erfolgreich, so kann ihnen nichts widerstehen. Wird er zurückgeschlagen, so werden sie sich schnell sammeln und in der Lage sein, wieder vorzugehen; doch in einem unglücklichen oder selbst in einem wechselvollen Kampf wird die französische Infanterie bald ihre Festigkeit verlieren. Erfolg brauchen alle Armeen, doch besonders jene der romanisch-keltischen Völker. Die Teutonen sind ihnen in dieser Hinsicht entschieden überlegen. Nachdem Napoleon die französische Armee einmal in Marsch gesetzt hatte, vermochten die Franzosen 15 Jahre lang alles auf ihrem Wege niederzuwerfen, bis Rückschläge sie niederzwangen; doch ein Siebenjähriger Krieg, wie ihn Friedrich der Große führte, ein Krieg, in dem er oft genug dem Ruin nahe, oft geschlagen und schließlich doch siegreich war - ein solcher Krieg hätte niemals mit französischen Truppen gewonnen werden können. Der Krieg in Spanien 1809-1814 gibt dafür ein aufschlußreiches Beispiel.

Unter Napoleon war die französische Kavallerie, im Gegensatz zur Infanterie, wegen ihres Einsatzes in Massen weit angesehener als wegen ihres Dienstes als leichte Truppe. Sie wurde für unbesiegbar gehalten, und selbst Napier gibt ihre Überlegenheit über die englische Kavallerie jener Zeit zu. Wellington tat bis zu einem gewissen Grade dasselbe. Und seltsam, diese unwiderstehliche Kavallerie bestand aus solch miserablen Reitern, daß alle ihre Angriffe im Trab gemacht wurden oder allerhöchstens in einem leichten Galopp! Aber sie ritten dicht beieinander und wurden nie eingesetzt, ohne daß die Artillerie ihnen durch ein schweres Feuer den Weg bereitet hatte, und dann nur in großen Massen. Tapferkeit und der Siegestaumel taten das übrige. Die heutige französische Kavallerie, besonders die algerischen Regimenter, sind eine sehr gute Truppe, sie können im allgemeinen gut reiten und wissen sich noch besser zu schlagen, obwohl sie den Briten, Preußen und <424> besonders den Österreichern an reiterlichem Können noch unterlegen sind. Aber da die Armee, wenn sie auf den Kriegsfuß gebracht wird, ihre Kavallerie verdoppeln muß, besteht kein Zweifel, daß die Qualität absinken wird. Es ist jedoch eine Tatsache, daß die Franzosen in hohem Maße die notwendige Eigenschaft eines Reitersoldaten besitzen, die wir Schneid nennen und die eine ganze Reihe Mängel wieder wettmacht. Andrerseits geht kein anderer Soldat so sorglos mit seinen Pferden um wie der Franzose.

Die französische Artillerie stand immer in sehr hohem Ansehen. Beinahe alle Verbesserungen, die während der letzten drei oder vier Jahrhunderte in der Geschützkunst gemacht wurden, stammen von Franzosen. Während der napoleonischen Kriege war die französische Artillerie besonders gefürchtet, denn sie war außerordentlich geschickt in der Wahl der Stellungen für ihre Geschütze, eine Kunst, die damals in anderen Armeen nur sehr unvollkommen beherrscht wurde. Alle Zeugnisse stimmen überein, daß niemand den Franzosen darin gleichkommt, die Geschütze so aufzustellen, daß das Gelände vor ihnen sie vor dem Feuer des Feindes deckt, während es die Wirkung des eigenen Feuers begünstigt. Auch war der theoretische Zweig der Artillerie schon immer eine von den Franzosen bevorzugte Wissenschaft; ihr Sinn für Mathematik begünstigt das; Genauigkeit der Sprache, wissenschaftliche Methode, Gediegenheit der Ansichten charakterisieren ihre artilleristische Literatur und zeigen, wie sehr dieser Zweig der Wissenschaft ihrer nationalen Eigenart entspricht.

Von den Spezialtruppen, dem Geniekorps, dem Stab, dem Sanitätspersonal und den Traintruppen können wir nur sagen, daß sie höchst leistungsfähig sind. Die Militärschulen sind Vorbilder ihrer Art. Von dem französischen Offizier wird nicht die gleiche Allgemeinbildung verlangt wie in Preußen, doch geben ihm die Schulen, die er absolvieren muß, eine erstklassige Ausbildung für seinen Beruf, einschließlich gründlicher Kenntnisse in den Hilfswissenschaften und einer gewissen Fertigkeit in zumindest einer lebenden Sprache. Es gibt jedoch eine andere Gruppe von Offizieren in der französischen Armee, nämlich die, die aus den Reihen der alten Unteroffiziere hervorgegangen ist. Diese letzteren avancieren selten höher als bis zum Hauptmann, so daß die Franzosen oft junge Generale und alte Hauptleute haben; dieses System bewährt sich außerordentlich gut.

Im großen und ganzen zeigt die französische Armee in all ihren Teilen, daß sie einer kriegerischen und temperamentvollen Nation angehört, die auf ihre Verteidiger stolz ist. Daß die Disziplin und die Leistungsfähigkeit dieser Armee den Verführungen Louis Bonapartes widerstanden hat und daß die Prätorianer des Dezember 1851 so schnell in die Helden der Krim verwandelt <435> werden konnten, spricht gewiß sehr für sie. Niemals wurde einer Armee durch eine Regierung mehr geschmeichelt und mehr gehuldigt, wurde sie offener zu aller Art Ausschweifungen aufgefordert als die französische Armee im Herbst 1851. Niemals wurde ihr solche Zügellosigkeit erlaubt wie während des Bürgerkrieges im Dezember, doch die Soldaten haben sich zur Disziplin zurückgefunden und versehen ihren Dienst sehr gut. Zugegeben, das prätorianische Element ist in der Krim mehrmals an die Oberfläche gekommen, doch Canrobert konnte es immer wieder unterdrücken.

II. Die englische Armee

Die britische Armee bildet einen vollständigen Gegensatz zur französischen. Nicht zwei Berührungspunkte existieren zwischen beiden. Wo die Franzosen stark sind, sind die Briten schwach und vice versa <umgekehrt>. Wie Alt-England selbst eine Masse schleichender Mißbräuche, ist die Organisation der englischen Armee faul bis zum Herzen. Alles scheint so geordnet, um jede Möglichkeit abzuschneiden, daß es seinen Zweck erfülle. Durch einen unerklärlichen Glücksfall nehmen die kühnsten Neuerungen - nicht zahlreich in der Tat - ihren Platz ein mitten unter den Ruinen überjährigen Blödsinns; und dennoch, sooft die schwerfällige, knarrende Maschine ins Werk gesetzt wird, vollbringt sie in der einen oder andern Weise ihre Arbeit.

Die Organisation der britischen Armee ist bald beschrieben. Die Infanterie besteht aus 3 Regimentern Garde, 85 Linienregimentern, 13 Regimentern leichte Infanterie, 2 Regimentern Schützen. Während des gegenwärtigen Kriegs zählen die Garden, die Schützen und einige andere Regimenter 3 Bataillone, der Rest hat nur 2. Ein Depot wird in jedem durch eine Kompanie gebildet. Die Rekrutierung reicht jedoch kaum hin, die durch den Krieg verursachten Lücken zu füllen, und deshalb kann von der Existenz der zweiten Bataillone kaum die Rede sein. Die gegenwärtige Effektivkraft der britischen Armee überbietet sicher nicht 120.000 Mann.

Neben den regelmäßigen Truppen bildet die Miliz einen Bestandteil der Infanterie, als eine Art von Reserve oder Zuchtschule für die Armee. Ihre Zahl, gemäß einem Parlamentsbeschluß, darf bis zu 80.000 Mann betragen, zählt aber augenblicklich kaum 60.000, obwohl in Lancashire allein 6 Bataillone ausgehoben wurden. Nach den Bestimmungen des Gesetzes kann die Miliz freiwilligen Dienst nehmen in den Kolonien, aber nicht auf ausländische <426> Kriegstheater geführt werden. Sie kann also nur benützt werden zur Freisetzung der Liniensoldaten in den Garnisonen von Korfu, Malta und Gibraltar oder vielleicht später von entlegenen britischen Niederlassungen.

Die Kavallerie hat 3 Regimenter Garde (Kürassiere), 6 Regimenter Gardedragoner (schwere), 4 schwere sowie 4 leichte Dragonerregimenter, 5 Husaren- und 4 Ulanenregimenter. Jedes Regiment, auf dem Kriegsfuß, ist zu 1.000 Säbeln zu erheben (4 Eskadronen von 250 Mann nebst einem Depot). Einige Regimenter hatten diese Stärke, als sie England verließen, aber die Unglücksfälle in der Krim während des Winters, die sinnlose Attacke bei Balaklawa und der Rekrutenmangel haben im ganzen den alten Friedensfuß wiederhergestellt. Wir glauben nicht, daß die Gesamtzahl der 26 Regimenter in diesem Augenblick 10.000 Säbel beträgt, das heißt 400 Säbel im Durchschnitt pro Regiment.

Die Artillerie besteht aus einem Regiment Fußartillerie (12 Bataillone mit 96 Batterien) und einer Brigade reitender Artillerie (7 Batterien und 1 Raketenbatterie). Jede Batterie hat 5 Kanonen und 1 Haubitze; die Kaliber der Kanonen sind Drei-, Sechs-, Neun-, Zwölf- und Achtzehnpfünder, die der Haubitzen 42/5 Zoll, 41/2 Zoll, 51/2 Zoll und 8 Zoll. Jede Batterie hat außerdem auch 2 Modelle von Kanonen von fast jedem Kaliber, schwere und leichte. In der Tat jedoch bilden jetzt der leichte Neun- und Zwölfpfünder sowie die viereinhalb- und fünfeinhalbzöllige Haubitze das Feldkaliber, und im ganzen kann der Neunpfünder nun als die allgemein gebräuchliche Kanone der britischen Artillerie betrachtet werden, mit der viereinhalbzölligen (vierundzwanzigpfündigen) Haubitze zur Unterstützung. Neben diesen sind Sechs- und Zwölfpfünderraketen in Gebrauch.

Da die englische Armee auf Friedensfuß nur eine Kaderarmee für den Kriegsfuß bildet und gänzlich durch freiwillige Rekrutierung ergänzt wird, kann ihre wirkliche Stärke für einen gegebenen Moment nie exakt angegeben werden. Wir glauben jedoch, wir können ihre jetzige Stärke ungefähr schätzen auf 120.000 Mann Infanterie, 10.000 Mann Kavallerie und 12.000 Mann Artillerie mit 600 Kanonen (davon ist nicht einmal der fünfte Teil bespannt). Von diesen 142.000 Mann befinden sich etwa 32.000 auf der Krim, etwa 50.000 in Indien und den Kolonien und die übrigbleibenden 60.000 (eine Hälfte davon Rekruten, die andere Exerziermeister der Rekruten) in der Heimat. Zu diesen kommen etwa 60.000 Milizleute hinzu. Die Pensionäre, Yeomanry-cavalry <berittene Freiwillige oder Landmiliz)> und andere nutzlose und für den auswärtigen Dienst nicht verwendbare Korps lassen wir natürlich ganz außer Rechnung.

<427> Das Rekrutiersystem durch freiwillige Werbung macht es in Kriegszeiten sehr schwer, die Armee vollzählig zu halten, wie die Engländer jetzt erneut erfahren. Wir sehen wieder, wie unter Wellington, daß 30.000 bis 40.000 Mann das Maximum ist, was sie auf einem bestimmten Kriegstheater konzentrieren und vollzählig halten können, und da sie jetzt nicht Spanier zu Alliierten haben, sondern Franzosen, verschwindet "die heroische kleine Bande" der Briten fast ganz in der Mitte der alliierten Armee.

Eine einzige Institution der britischen Armee reicht völlig hin zur Charakteristik der Klasse, woraus der britische Soldat rekrutiert wird. Wir meinen die Strafe des Auspeitschens. Körperliche Züchtigung existiert nicht mehr in der französischen und preußischen Armee sowie in mehreren kleineren Armeen. Selbst in Österreich, wo der größere Teil der Rekruten aus Halbbarbaren besteht, strebt man offenbar nach ihrer Beseitigung; so wurde neulich die Strafe des Spießrutenlaufens aus dem österreichischen Militärgesetz ausgemerzt. In England dagegen ist die neunschwänzige Katze in voller Wirksamkeit erhalten - ein Torturinstrument ganz ebenbürtig der russischen Knute in ihrer Glanzzeit. Seltsam, sooft eine Reform der Kriegsgesetzgebung im Parlament angeregt wurde, ereiferten sich alle alten Martinets <Zuchtmeister> für die "Katze" und keiner leidenschaftlicher als der alte Wellington. Für sie war ein ungepeitschter Soldat ein unbegreifliches Wesen. Tapferkeit, Disziplin und Unbesiegbarkeit waren in ihren Augen die ausschließlichen Attribute von Männern, die die Narben von mindestens 50 Hieben auf ihren Rücken tragen.

Die neunschwänzige Katze, das darf nicht vergessen werden, ist nicht nur ein Peinigungsinstrurnent, sie läßt unvergängliche Narben zurück, sie brandmarkt einen Mann für Lebenszeit. Selbst in der englischen Armee ist eine solche körperliche Strafe, eine solche Brandmarkung, eine ewige Schmach. Der ausgepeitschte Soldat verliert bei seinen Kameraden an Ansehen. Aber gemäß dem britischen Militärkodex besteht die Strafe vor dem Feinde fast ausschließlich in der Auspeitschung, und so ist die Strafe, die von ihren Verteidigern als das einzige Mittel zum Aufrechterhalten der Disziplin im entscheidenden Augenblick gerühmt wird, das sicherste Mittel zur Zerstörung der Disziplin, indem es die Moral und den Point d'honneur <das Ehrgefühl> des Soldaten bricht.

Dies erklärt zwei sehr sonderbare Tatsachen. Erstens: Die große Zahl der englischen Deserteure vor Sewastopol. Im Winter, als die britischen Soldaten <428> übermenschliche Anstrengungen zu machen hatten, um die Gräben zu bewachen, wurden diejenigen, welche sich nicht 40-60 Stunden hintereinander wachhalten konnten, ausgepeitscht. Man denke nur, solche Heroen wie die britischen Soldaten, die sich bewährt hatten in den Laufgräben vor Sewastopol und die Schlacht bei Inkerman trotz ihrer Generale gewonnen hatten, auszupeitschen! Aber die Kriegsartikel ließen keine Wahl, Die besten Männer in der Armee, wenn von Ermüdung überwältigt, wurden ausgepeitscht, und entehrt, wie sie waren, desertierten sie zu den Russen. Wahrlich, es kann kein schärferes Verdammungsurteil für dieses System geben als das. In keinem früheren Krieg sind Truppen irgendeiner Nation in nennenswerter Anzahl zu den Russen desertiert; sie wußten, daß sie schlechter behandelt werden würden als in der eigenen Armee. Es war der englischen Armee vorbehalten, das erste starke Kontingent solcher Deserteure zu stellen, und nach dem Zeugnis der Engländer selbst war es das Auspeitschen, das die Soldaten desertieren ließ. Die andere Tatsache ist die Schwierigkeit, worauf England bei jedem Versuch zur Bildung von Fremdenlegionen im Rahmen der britischen Kriegsgesetzgebung stößt. Die Festlandbewohner sind in bezug auf ihre Rücken sehr eigenartig. Die Aussicht, geprügelt zu werden, hat die Versuchung, die große Beute und gute Löhnung darstellen, überwunden. Bis Ende Juni hatten sich nicht mehr als 1.000 Mann gemeldet, wo 15.000 gebraucht wurden, und soviel ist gewiß, wenn die Behörden versuchen, selbst unter diesen 1.000 Anwärtern das Prügeln einzuführen, dann werden sie einen Sturm erleben, der sie dazu zwingen wird, entweder nachzugeben oder die Fremdenlegion sofort aufzulösen.

Uniformierung und Equipierung des britischen Soldaten sind ein Beispiel dafür, wie sie nicht sein sollten. Bis heute ist die Uniform, wie sie die Armeen bis 1815 zu tragen pflegten, die gleiche geblieben. Eine Verbesserung wurde nicht zugelassen. Der alte, kurze Schwalbenschwanzrock, entstellt durch häßliche Aufschläge, unterscheidet den britischen immer noch von jedem anderen Soldaten. Die Hosen sind eng und unbequem. Das alte System des kreuzweise getragenen Bandeliers zum Befestigen von Bajonettscheide, Patronentasche und Tornister herrscht uneingeschränkt in fast allen Regimentern. Die Bekleidung der Kavallerie hat einen besseren Sitz und ist auch sonst weit besser als die der Infanterie; aber sie ist trotz allem viel zu eng und unbequem. England allein hat in seiner Armee den roten Waffenrock, den "stolzen roten Rock", wie ihn Napier nennt, beibehalten. Dieser Rock, der den Soldaten das Aussehen von dressierten Affen gibt, soll durch seinen Glanz unter den Feinden Schrecken hervorrufen. Doch ach! Wer je einen der ziegelfarbenen britischen Infanteristen gesehen hat, muß zugeben, daß ihre <429> Röcke nach vierwöchigem Tragen in jedem Beobachter unbestreitbar nicht den Gedanken der Furcht, sondern der Schäbigkeit erregen und daß jede andere Farbe weit furchterregender sein wurde, wenn sie nur Staub, Schmutz und Nässe widerstehen könnte! Die Dänen und die Hannoveraner haben einmal den roten Rock getragen, aber sie ließen ihn sehr bald fallen. Die erste Kampagne in Schleswig zeigte den Dänen, was für ein großartiges Ziel dem Feind durch den roten Rock und die weißen Kreuzbandeliers geboten wird.

Die neue Bekleidungsordnung hat einen roten Rock vom Schnitt des preußischen herausgebracht. Die Infanterie trägt den österreichischen Tschako oder das Käppi, die Kavallerie den preußischen Helm. Die Kreuzbandelierausrüstung, die rote Farbe, die engen Hosen sind mehr oder weniger geblieben. So kommt die Neuerung auf ein Nichts heraus; der britische Soldat wird sich so seltsam wie bisher unter den anderen europäischen Armeen ausnehmen, die ein wenig mehr dem gesunden Menschenverstand entsprechend gekleidet und ausgerüstet sind.

Trotzdem ist in der britischen Armee eine Verbesserung eingeführt worden, die alles, was in anderen Ländern getan wurde, weit hinter sich zurückläßt. Das ist die Bewaffnung der gesamten Infanterie mit dem durch Pritchett verbesserten Minié-Gewehr. Wie die alten Männer an der Spitze der Armee, Männer, die in ihren Vorurteilen. gewöhnlich so hartnäckig sind, zu einem solch kühnen Entschluß kommen konnten, kann man sich schwer vorstellen; doch haben sie es getan und damit die Wirksamkeit ihrer Infanterie verdoppelt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Minié-Gewehr durch die außerordentliche Zielsicherheit und große Durchschlagskraft den Tag von Inkerman zugunsten der Engländer entschied. Wann immer eine englische Infanterielinie ihr Feuer eröffnet, muß ihre Wirkung auf jeden mit der gewöhnlichen Muskete bewaffneten Feind überwältigend sein, da das englische Minié-Gewehr so schnell geladen wird wie nur irgendein glattläufiges Gewehr.

Die Kavallerie besteht aus prächtigen Leuten, sie ist gut beritten und mit Säbeln von ausgezeichnetem Muster versehen; was sie leisten kann, hat sie bei Balaklawa gezeigt. Aber im Durchschnitt sind die Leute zu schwer für ihre Pferde, und einige Monate aktiver Kampfhandlungen müssen die britische Kavallerie auf ein Nichts reduzieren. Die Krim hat davon ein neues Beispiel geliefert. Wenn das durchschnittliche Maß für die schwere Kavallerie auf 5 Fuß 6 Zoll herabgesetzt würde und für die leichte Kavallerie auf 5 Fuß 4 oder gar 2 Zoll, wie es unseres Wissens jetzt der Infanterie entspricht, so könnte ein Mannschaftskörper gebildet werden, der für den eigentlichen Felddienst der Kavallerie weit geeigneter wäre. Da die Pferde zu schwer <430> belastet sind, müssen sie zusammenbrechen, bevor sie mit Erfolg gegen den Feind gebraucht werden können.

Die Artillerie besteht ebenfalls aus zu großen Leuten. Die durchschnittliche Größe eines Artilleristen sollte so sein, daß er in der Lage ist, einen Zwölfpfünder abzuprotzen; und 5 Fuß 2 Zoll bis 5 Fuß 6 Zoll sind für diesen Zweck mehr als genug, wie wir aus reicher persönlicher Erfahrung und Beobachtung wissen. In der Tat sind Männer von ungefähr 5 Fuß 5 oder auch 6 Zoll, wenn sie kräftig gebaut sind, im allgemeinen die besten Kanoniere. Doch wollen die Briten ein Paradekorps, und deshalb haben ihre Männer, obwohl sie groß sind und gut aussehen, nicht jenen kräftigen Körperbau, der für einen wirklich brauchbaren Artilleristen so notwendig ist. Das Artilleriematerial ist erstklassig. Die Kanonen sind die besten in Europa, das Pulver ist anerkannt das stärkste in der Welt, die Kugeln und Granaten besitzen eine Glattheit der Oberfläche wie nirgendwo sonst. Doch bei alledem haben keine Geschütze der Welt eine derartige Streuung, und das zeigt, welche Männer sie bedienen. Es gibt kaum eine Artillerie in Europa, die von Männern mit einer so unzureichenden fachlichen Ausbildung wie die Briten befehligt wird. Ihre Ausbildung geht selten über die Grundelemente der Artilleriewissenschaft hinaus, und in der Praxis handhaben sie die Feldgeschütze, so gut sie es verstehen, und das nur unvollkommen. Zwei Eigenschaften zeichnen die britische Artillerie aus, Gemeine wie Offiziere: ungewöhnlich scharfes Auge und große Ruhe während des Kampfes.

Im ganzen ist die Wirksamkeit der britischen Armee wesentlich beeinträchtigt durch die theoretische und praktische Unwissenheit der Offiziere. Die Examination, der sie sich neuerdings unterwerfen müssen, ist in der Tat lächerlich - ein Kapitän examiniert in den drei ersten Büchern des Euklid! Aber die britische Armee ist hauptsächlich dazu da, die jüngern Söhne der Aristokratie und der Gentry in respektablen Stellungen unterzubringen. Daher kann das Maß der Ausbildung für ihre Offiziere nicht den Erfordernissen des Dienstes entsprechen, sondern muß dem geringen Wissen angepaßt werden, das man durchschnittlich von einem englischen "Gentleman" erwarten kann. Was die praktischen militärischen Kenntnisse des Offiziers betrifft, so sind sie ebenso ungenügend. Der britische Offizier kennt nur eine Pflicht: seine Leute am Tage der Schlacht direkt gegen den Feind zu führen und ihnen ein Beispiel an Bravour zu geben. Geschick in der Führung der Truppen, Ergreifen günstiger Gelegenheiten und dergleichen wird nicht von ihm erwartet, und nun gar nach seinen Leuten und ihren Bedürfnissen sich umschauen, solche Idee würde ihm kaum jemals in den Sinn kommen. Die Hälfte des Mißgeschicks der britischen Armee in der Krim entsprang dieser <431> allgemeinen Unfähigkeit der Offiziere. Sie haben jedoch eine Eigenschaft, die sie für ihre Funktionen befähigt: Meist leidenschaftliche Jäger, besitzen sie jene instinktive und rasche Auffassung der Terrainvorteile, die die Praxis der Jagd mehr oder minder mit sich bringt.

Die Unfähigkeit der Offiziere bringt nirgendwo größeren Schaden als im Stabe. Da kein regelrecht ausgebildetes Stabskorps existiert, bildet jeder General seinen eigenen Stab aus Regimentsoffizieren, und diese sind auf allen Gebieten ihres Dienstes Ignoranten. Ein solcher Stab ist übler als gar kein Stab. Insbesondere der Aufklärungsdienst muß daher stets mangelhaft bleiben, wie es nicht anders sein kann bei Menschen, die kaum wissen, was von ihnen erwartet wird.

Die Ausbildung der anderen Spezialkorps ist etwas besser, aber tief unter dem Niveau anderer Nationen; im allgemeinen würde ein englischer Offizier in jedem andern Lande unter Leuten seines Standes als Ignorant gelten. Zeuge ist die britische Militärliteratur. Die meisten Werke sind voll von groben Schnitzern, die anderswo einem Kandidaten für den Leutnantsgrad nicht verziehen werden würden. Jede Darstellung von Tatsachen wird in einer schludrigen, unsachlichen und unsoldatischen Art gegeben, wobei die wichtigsten Punkte ausgelassen werden und es sich sofort zeigt, daß der Schreiber sein Fach nicht beherrscht. Den lächerlichsten Behauptungen ausländischer Bücher wird daher ohne weiteres Glauben geschenkt.(1) Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß es einige ehrenwerte Ausnahmen gibt, unter denen W[illiam] Napiers "Krieg auf der Pyrenäenhalbinsel" und Howard Douglas' "Seeartillerie" an erster Stelle stehen.

Die Verwaltungs-, Sanitäts-, Kommissariats-, Transport- und anderen Nebendepartements sind in einem jämmerlichen Zustand und haben einen gründlichen Zusammenbruch erlitten, als sie in der Krim ausprobiert wurden. Es werden Anstrengungen gemacht, diese zu verbessern und ebenso die Administration zu zentralisieren, aber es kann wenig Gutes erwartet werden, solange die Ziviladministration oder vielmehr die gesamte Regierungsgewalt überhaupt die gleiche bleibt.

Mit all diesen ungeheuren Mängeln erreicht es die britische Armee, sich recht und schlecht durch jede Kampagne zu schlagen, wenn nicht mit Erfolg, mindestens ohne Schmach. Wir finden Verluste an Menschenleben, ein gut Teil von Mißverwaltung, ein Konglomerat von Irrtümern und Schnitzern, die uns in Erstaunen setzen, wenn wir sie mit dem Stand anderer Armeen <432> unter denselben Umständen vergleichen; aber keinen Verlust an militärischer Ehre, seltenes Zurückgeschlagenwerden, gänzliche Niederlage fast nie. Es ist die große persönliche Tapferkeit und Zähigkeit der Truppen, ihre Disziplin und ihr unbedingter Gehorsam, denen dieses Resultat geschuldet wird. Schwerfällig, verlegen und hilflos, wie der britische Soldat ist, wenn er auf seine eigenen Hilfsquellen angewiesen ist oder wenn er den Dienst leichter Truppen verrichten soll, übertrifft ihn niemand in einer regulären Schlacht, wo er in Massen agiert. Seine forte <Stärke> ist der Kampf in Linie. Eine englische Schlachtlinie tut, was kaum von einer anderen Infanterie je geleistet worden ist: Kavallerie in Linie empfangen, ihre Musketen bis zum letzten Augenblick geladen halten und erst einen Kugelregen abfeuern, wenn sich der Feind auf 30 Yards genähert hat, und fast immer mit dem größten Erfolg. Die britische Infanterie feuert mit einer solchen Kaltblütigkeit selbst im kritischsten Augenblick so, daß ihr Feuer in seiner Wirkung das aller andern Truppen übertrifft. So trieben die Hochländer, in Linie formiert, die russische Kavallerie bei Balaklawa zurück. Die unbezwingbare Zähigkeit dieser Infanterie zeigte sich niemals in höherem Glanze als bei Inkerman, wo die Franzosen unter denselben Umständen sicher überwältigt worden wären; aber andrerseits würden die Franzosen nie zugelassen haben, daß man sie ohne Sicherung in einer solchen Position überrascht. Diese Festigkeit und Zähigkeit in Angriff und Verteidigung bilden die große ausgleichende Eigenschaft der britischen Armee, und sie allein rettete sie vor mancher Niederlage, die wohlverdient und beinahe absichtlich provoziert war durch die Unfähigkeit ihrer Offiziere, die Absurdität ihrer Führung und die Schwerfälligkeit ihrer Bewegungen.

III. Die österreichische Armee

Österreich nutzte die erste Zeit der Ruhe nach den schweren Prüfungen der Jahre 1848 und 1849, seine Armee auf einen modernen Stand zu bringen. Beinahe jedes Ressort ist vollständig umgeformt worden, und die Armee ist jetzt weit leistungsfähiger denn je.

Zuerst wollen wir uns mit der Infanterie beschäftigen. Die Linie besteht aus 62 Regimentern, daneben gibt es 1 Regiment und 25 Bataillone Schützen sowie 14 Regimenter und 1 Bataillon Grenzinfanterie. Letztere bilden zusammen mit den Schützen die leichte Infanterie.

Ein Infanterieregiment der Linie besteht aus 5 Feldbataillonen und 1 Depotbataillon - zusammen 32 Kompanien -, jede Feldkompanie 220 Mann <433> stark und die Depotkompanien je 130 Mann. So umfaßt das Feldbataillon ungefähr 1.300 und das ganze Regiment nahezu 6.000 Mann oder soviel wie eine britische Division. Die ganze Linie hat daher bei Kriegsstärke ungefähr 370.000 Mann.

Die Grenzinfanterie hat pro Regiment 2 Feldbataillone und 1 Depotbataillon, zusammen 16 Kompanien; insgesamt 3.850 Mann; die gesamte Grenzinfanterie umfaßt 55.000 Mann.

Die Jäger oder Schützen sind insgesamt 32 Bataillone stark von ungefähr je 1.000 Mann; insgesamt 32.000 Mann.

Die schwere Kavallerie der Armee besteht aus 8 Kürassier- und 8 Dragonerregimentern, die leichte aus 12 Husaren- und 12 Ulanenregimentern (7 davon waren früher leichte Dragoner oder Chevauxlégers <leichte Reiter>, wurden neuerdings jedoch in Ulanenregimenter umgewandelt).

Die schweren Regimenter bestehen aus 6 Eskadronen und 1 Depoteskadron - die leichten aus 8 Eskadronen und 1 Depoteskadron. Die schweren Regimenter haben 1.200 Mann, die leichten 1.600 Mann. Die gesamte Kavallerie beträgt bei Kriegsstärke ungefähr 67.000 Mann.

Die Artillerie hat 12 Regimenter Feldartillerie, von denen jedes aus 4 Fußbatterien Sechspfünder und 3 Fußbatterien Zwölfpfünder sowie 6 Kavalleriebatterien und 1 Haubitzenbatterie besteht, insgesamt 1.344 Geschütze bei Kriegsstärke; 1 Küstenregiment und 1 Regiment von 20 Raketenbatterien mit 160 Rohren. Insgesamt 1.500 Geschütze und Raketenrohre sowie 53.000 Mann.

Das ergibt bei Kriegsstärke einen Effektivbestand von insgesamt 522.000 Soldaten.

Diesen müssen ungefähr 16.000 Sappeure, Mineure und Pontoniere hinzugezählt werden. 20.000 Gendarmen, der Personalbestand des Transportdienstes und dergleichen, was die Gesamtsumme auf ungefähr 590.000 Mann erhöht.

Durch die Einberufung der Reserve kann die Armee um 100.000 bis 120.000 Mann erhöht, und durch die Inanspruchnahme der Hilfsquellen der Grenztruppen bis zum äußersten können weitere 100.000-120.000 Mann zur Verfügung gestellt werden. Aber da diese Kräfte nicht zu einem gegebenen Zeitpunkt zusammengebracht werden können und nur nach und nach eintreffen, dienen sie deshalb hauptsächlich dazu, die Reihen der Mannschaften aufzufüllen. Mehr als 650.000 Mann auf einmal kann Österreich kaum aufbieten.

Die Armee ist in zwei ganz unterschiedliche Truppenkörper geteilt, die reguläre Armee und die Grenztruppen. Bei der Armee beträgt die Dienstzeit 8 Jahre, danach bleiben die Leute 2 weitere Jahre in der Reserve. Jedoch <434> werden die Soldaten auf lange Zeit beurlaubt - wie in Frankreich -, und 5 Jahre dürften der Zeit eher entsprechen, in der die Männer wirklich unter Waffen stehen.

Für die Grenztruppen gilt ein ganz anderes Prinzip. Sie sind die Nachkommen südslawischer (Kroaten oder Serben), walachischer und teilweise deutscher Siedler, die ihr Land als militärisches Lehen von der Krone besitzen und die früher zum Schutz der Grenze von Dalmatien bis Transsylvanien gegen die Einfälle der Türken eingesetzt waren. Dieser Dienst ist jetzt zu einer leeren Formalität herabgesunken, doch dessenungeachtet ist die österreichische Regierung nicht geneigt, diese großartige Soldatenzuchtschule zu opfern. Es war die bestehende Organisation der Grenztruppen, die 1848 Radetzkys Armee in Italien rettete und 1849 die erste Invasion Ungarns unter Windischgrätz ermöglichte. Franz Joseph verdankt seinen Thron nach Rußland den südslawischen Grenzregimentern. In dem langen von ihnen besetzten Landstreifen ist jeder Besitzer eines Kronlehens (das heißt fast jeder Einwohner) von seinem 20. bis zu seinem 50. Lebensjahr dienstpflichtig, wenn er einberufen wird. Natürlich füllen die jüngeren Männer die Regimenter auf; die älteren Leute wechseln sich im allgemeinen nur in den Grenzwachhäusern ab, bis sie zum Kriegsdienst aufgeboten werden. Das erklärt, wie eine Bevölkerung von ungefähr 1.500.000-2.000.000, wenn nötig, ein Kontingent von 150.000-170.000 Mann oder 10 bis 12 Prozent der Gesamtzahl stellen kann.

Die österreichische Armee ähnelt in vielen Punkten der britischen Armee. In beiden Armeen sind viele Nationalitäten zusammen, obwohl sich im allgemeinen jedes Regiment aus Angehörigen nur einer Nation zusammensetzt. Der schottische Hochländer, der Waliser, der Ire und der Engländer unterscheiden sich voneinander kaum mehr als der Deutsche, der Italiener, der Kroate und der Magyar. In beiden Armeen gibt es Offiziere verschiedener Völker, und sogar sehr viele Ausländer sind dort zu finden. In beiden Armeen ist die theoretische Ausbildung der Offiziere höchst unzureichend. In beiden Armeen ist in der Taktik ein Großteil der alten Linearformation beibehalten und nur in einem begrenzten Maße die Kolonnentaktik und der Kampf in gelöster Ordnung übernommen worden. In beiden Armeen hat die Uniform eine ungewöhnliche Farbe: bei den Engländern rot, bei den Österreichern weiß. Doch hinsichtlich der Gesamtorganisation, der praktischen Erfahrung und der Fähigkeiten der Offiziere sowie der taktischen Beweglichkeit übertreffen die Österreicher die Briten bei weitem.

Die Uniform der Soldaten, wenn wir von dem unsinnigen Weiß des Infanterierocks absehen, wurde im Schnitt dem modernen System angepaßt. <435> Ein kurzer Waffenrock wie bei den Preußen, himmelblaue Hosen, ein grauer Mantel, ein leichtes Käppi, dem französischen ähnlich, ergeben eine sehr gute und zweckdienliche Kleidung, von den engen Hosen der ungarischen und kroatischen Regimenter stets abgesehen, die zwar zur Nationaltracht gehören, doch bei alledem sehr unbequem sind. Die Ausrüstung ist nicht das, was sie sein sollte. Das System des kreuzweise getragenen Bandeliers ist beibehalten worden. Die Grenztruppen und die Artillerie tragen braune Röcke, die Kavallerie entweder weiße, braune oder blaue. Die Musketen sind ziemlich plump, und die Büchsen, mit denen sowohl die Jäger als auch ein bestimmter Teil jeder Kompanie bewaffnet sind, sind ziemlich veraltete Modelle und weit schlechter als das Minié-Gewehr. Das übliche Gewehr ist die alte Flinte, die in unzureichender Weise in ein Perkussionsgewehr umgewandelt wurde und sehr oft versagt.

Die Infanterie, und in dieser Hinsicht ähnelt sie der englischen, zeichnet sich mehr durch ihren Kampf in geschlossener Ordnung als durch die Beweglichkeit der leichten Infanterie aus. Wir müssen jedoch die Grenztruppen und die Jäger ausnehmen. Die ersten sind zum größten Teil sehr tüchtig beim Scharmützeln, besonders die Serben, die es bevorzugen, aus dem Hinterhalt heraus anzugreifen. Die Jäger sind hauptsächlich Tiroler und erstklassige Scharfschützen. Die deutsche und die ungarische Infanterie jedoch imponieren gewöhnlich durch ihre Standhaftigkeit, und während der napoleonischen Kriege bewiesen sie oft, daß sie in dieser Hinsicht in eine Reihe mit den Briten gestellt werden müssen. Auch sie haben mehr als einmal Kavallerie in Linie empfangen, ohne erst noch Karrees zu bilden, und wo sie Karrees gebildet haben, konnte die feindliche Kavallerie diese selten durchbrechen - der Beweis dafür ist Aspern.

Die Kavallerie ist ausgezeichnet. Die schwere oder "deutsche" Kavallerie, die aus Deutschen und Böhmen besteht, ist gut beritten, gut bewaffnet und immer kampffähig. Die leichte Kavallerie hat vielleicht dadurch verloren, daß die deutschen Chevauxlégers mit den polnischen Ulanen vereinigt wurden, doch die ungarischen Husaren werden immer das Vorbild jeder leichten Kavallerie bleiben.

Die Artillerie, die größtenteils aus den deutschen Provinzen rekrutiert wurde, hatte immer einen guten Ruf, nicht so sehr, weil sie früh und einsichtig Neuerungen übernahm, als durch die praktische Leistungsfähigkeit der Leute. Besonders die Unteroffiziere werden mit großer Sorgfalt ausgebildet und sind denen jeder anderen Armee überlegen. Was die Offiziere anbetrifft, so ist die Aneignung theoretischer Kenntnisse viel zu sehr ihnen selbst überlassen geblieben, jedoch hat Österreich einige der besten Militär- <436> schriftsteller hervorgebracht. In Österreich ist das Studium zumindest bei den Subalternen die Regel, während in England ein Offizier, der sein Fach studiert, als eine Schande für sein Regiment betrachtet wird. Die Spezialkorps, der Stab und das Geniekorps sind ausgezeichnet, wie die guten Karten beweisen, die sie durch ihre Aufnahmen, besonders der Lombardei, gemacht haben. Die britischen Generalstabskarten sind, obwohl gut, nicht damit zu vergleichen.

Das große Durcheinander der Nationalitäten ist ein ernsthaftes Übel. In der britischen Armee kann jeder Mann zumindest englisch sprechen, aber bei den Österreichern können selbst die Unteroffiziere der nichtdeutschen Regimenter kaum deutsch sprechen. Das bringt natürlich sehr viel Verwechslungen, Schwierigkeiten im Verstehen selbst zwischen Offizier und Soldat mit sich. Das wird teilweise dadurch überwunden, daß die Offiziere durch den häufigen Quartierwechsel wenigstens etwas von jeder Sprache lernen müssen, die in Österreich gesprochen wird. Aber trotzdem ist der Schwierigkeit damit nicht abgeholfen.

Die strenge Disziplin, die den Männern durch ständige Anwendung eines Haselstockes auf ihrem Hintern eingebleut wird, und die lange Dienstzeit verhindert den Ausbruch ernsthaften Streites zwischen den verschiedenen Nationalitäten innerhalb der Armee, wenigstens in Friedenszeiten. Doch das Jahr 1848 zeigte, wie wenig innere Festigkeit dieser Truppenkörper besitzt. Bei Wien weigerten sich die deutschen Truppen, gegen die Revolution zu kämpfen. In Italien und Ungarn gingen die Nationaltruppen kampflos auf die Seite der Aufständischen über. Hier liegt der schwache Punkt dieser Armee. Niemand kann sagen, wie weit und wie lange sie zusammenhalten wird oder wie viele Regimenter sie in irgendeinem besonderen Falle verlassen werden, um gegen ihre früheren Kameraden zu kämpfen. Sechs verschiedene Nationen und zwei oder drei verschiedene Glaubensbekenntnisse sind in dieser einen Armee vertreten, und in einer Zeit wie der heutigen, in der die Nationen selbst über ihre Kräfte verfügen wollen, müssen die in der Armee vorhandenen unterschiedlichen Sympathien notwendigerweise aufeinanderstoßen. Würde in einem Krieg mit Rußland der griechisch-katholische Serbe, durch panslawistische Agitation beeinflußt, gegen die Russen, seine Bluts- und Glaubensbrüder kämpfen? Würden die Italiener und Ungarn in einem Revolutionskrieg ihr Vaterland verlassen, um für einen Kaiser zu kämpfen, der ihnen in Sprache und Nationalität fremd ist? Das ist nicht zu erwarten, und deshalb, wie stark die österreichische Armee auch sein mag, sind ganz besondere Umstände notwendig, um ihre ganze Kraft aufzubieten.

Zweiter Artikel

["Putnam's Monthly" Nr. XXXIII, September 1855]

I. Die preußische Armee

<437> Die preußische Armee verdient wegen der ihr eigenen Organisation besondere Beachtung. Während in jeder anderen Armee der Friedensbestand für die Gesamtstärke des Heeres die Grundlage bildet und keine Kader für die neuen Formationen vorgesehen sind, die bei einem großen Krieg sofort notwendig sind, heißt es, daß in Preußen alles bis in die kleinsten Einzelheiten auf den Kriegsfuß ausgerichtet ist. So stellt das Friedensheer bloß eine Schule dar, in der die Bevölkerung an den Waffen und für taktische Bewegungen ausgebildet wird. Dieses System, das, wie behauptet wird, im Falle eines Krieges sämtliche kriegstauglichen Männer in die Reihen der Armee einbezieht, würde das Land, das dieses System anwendet, scheinbar vor jedem Angriff sichern; aber das ist keineswegs der Fall. Man hat nur erreicht, daß das Land militärisch um ungefähr 50 Prozent stärker ist als durch das französische oder österreichische Rekrutierungssystem. Dadurch ist es für ein Agrarland mit etwa 17 Millionen Einwohnern, einem kleinen Territorium, ohne eine Flotte oder unmittelbaren Überseehandel und mit verhältnismäßig wenig Industrie in gewissem Maße möglich, die Stellung einer europäischen Großmacht zu behaupten.

Die preußische Armee besteht aus zwei großen Teilen: den Soldaten im stehenden Heer, der Linie, und den ausgebildeten Soldaten, die sozusagen für unbestimmte Zeit auf Urlaub geschickt worden sind, der Landwehr <Landwehr: in "Putnam's Monthly" deutsch>.

Die Dienstzeit in der Linie beträgt 5 Jahre, und zwar vom 20. bis zum <438> 25. Lebensjahr. Man hält allerdings 3 Jahre aktiven Dienst für ausreichend; danach wird der Soldat nach Hause entlassen und für die restlichen 2 Jahre in die sogenannte Kriegsreserve eingestuft. Während dieser Zeit bleibt er in den Reservelisten seines Bataillons oder seiner Eskadron und kann jederzeit einberufen werden.

Nach 2 Jahren in der Reserve kommt er in das erste Aufgebot der Landwehr <erstes Aufgebot der Landwehr: in "Putnam's Monthly" deutsch>, wo er bis zu seinem 32. Lebensjahr verbleibt. Während dieser Zeit kann er jedes zweite Jahr zu den Truppenübungen seines Korps einberufen werden, die gewöhnlich in ziemlich großem Umfang und zusammen mit den Linientruppen stattfinden. Die Manöver dauern meistens einen Monat, und sehr oft werden zu diesem Zweck 50.000-60.000 Mann zusammengezogen. Die Landwehr ersten Aufgebots ist dazu bestimmt, im Feld zusammen mit den Linientruppen zu kämpfen. Sie bildet eigene, mit der Linie übereinstimmende Regimenter, Bataillone und Eskadronen, welche die gleichen Regimentsnummern tragen. Die Artillerie jedoch bleibt bei den entsprechenden Regimentern der Linie.

Vom 32. bis einschließlich 39. Lebensjahr gehört der Soldat zum zweiten Aufgebot der Landwehr <zweitem Aufgebot der Landwehr: in "Putnam's Monthly" deutsch>; während dieser Zeit wird er nicht mehr zum aktiven Dienst einberufen, ausgenommen im Kriegsfall; dann hat das zweite Aufgebot Garnisondienst in den Festungen zu leisten; dadurch werden alle Linientruppen und das erste Aufgebot für Feldoperationen frei.

Nach dem 40. Lebensjahr wird er nicht mehr einberufen, wenn nicht jene mysteriöse Einrichtung, genannt Landsturm <Landsturm: in "Putnam's Monthly" deutsch> oder Aufgebot en masse, zu den Waffen gerufen wird. Zum Landsturm gehören alle Männer vom 16. bis zum 60. Lebensjahr, die nicht unter die genannten Kategorien fallen, einschließlich derjenigen, die zu klein oder zu schwach oder aus anderen Gründen vom Dienst befreit sind. Aber man kann nicht einmal davon sprechen, daß dieser Landsturm auf dem Papier besteht, denn für ihn sind nicht die geringsten organisatorischen Maßnahmen getroffen, weder Waffen noch andere Ausrüstungsgegenstände sind vorhanden, und wenn er jemals zusammentreten sollte, würde er sich für nichts anderes als für den Polizeidienst im Innern und für reichlichsten Alkoholgenuß tauglich erweisen.

Da in Preußen nach dem Gesetz jeder Bürger vom 20. bis zum 40. Lebensjahr Soldat ist, so kann man von einer Bevölkerung von 17 Millionen erwarten, daß sie ein Truppenkontingent von mindestens eineinhalb Millionen Mann liefert. In Wirklichkeit wird nicht einmal die Hälfte davon auf- <439> gebracht. Tatsache ist, daß die Ausbildung einer solche Masse bei dreijähriger Dienstzeit in den Regimentern ein stehendes Heer von wenigstens 300.000 Mann voraussetzt, während Preußen nur ungefähr 130.000 unterhält. So wird auf verschiedene Art und Weise eine Anzahl von Leuten freigestellt, die sonst dienstpflichtig wären; Männer, die durchaus für den Militärdienst geeignet sind, werden für zu schwach erklärt; die untersuchenden Ärzte wählen entweder nur die besten aus oder lassen sich durch Bestechung in der Auswahl der Diensttauglichen beeinflussen usw. Früher war die Herabsetzung der aktiven Dienstzeit auf nur 2 Jahre bei der Infanterie das Mittel, um die Friedensstärke auf etwa 100.000 oder 110.000 Mann zu verringern. Aber seit der Revolution, nachdem die Regierung dahintergekommen ist, was ein zusätzliches Dienstjahr bedeutet, damit die Soldaten ihren Offizieren gefügig und für den Fall eines Aufstandes zuverlässig werden, ist die dreijährige Dienstzeit wieder allgemein eingeführt worden.

Das stehende Heer, das heißt die Linie, setzt sich aus 9 Armeekorps zusammen - 1 Gardekorps und 8 Linienkorps. Ihr besonderer Aufbau soll kurz erklärt werden. Sie umfassen im ganzen 36 Infanterieregimenter (Garde und Linie) von je 3 Bataillonen; 8 Reserveregimenter von je 2 Bataillonen; 8 kombinierte Reservebataillone und 10 Bataillone Chasseurs (Jäger <Jäger: in "Putnam's Monthly" deutsch>); insgesamt 142 Infanteriebataillone, das sind 150.000 Mann.

Die Kavallerie setzt sich aus 10 Kürassier-, 5 Dragoner-, 10 Ulanen- und 13 Husarenregimentern zusammen zu je 4 Eskadronen oder 800 Mann; insgesamt 30.000 Mann.

Die Artillerie besteht aus 9 Regimentern, von denen sich jedes bei Kriegsstärke zusammensetzt aus 4 Batterien Sechspfünder, 3 Batterien Zwölfpfünder und 1 Batterie Haubitzen, alle zu Fuß, und 3 reitenden Batterien sowie 1 Reservekompanie, die in eine zwölfte Batterie umgewandelt werden kann; außerdem gehören zum Regiment 4 Garnisonkompanien und 1 Handwerkskompanie. Aber da die ganze Kriegsreserve und das erste Aufgebot der Landwehr (Artillerie) erforderlich sind, um diese Geschütze zu bemannen und die Kompanien zu vervollständigen, kann man sagen, daß die Linienartillerie aus 9 Regimentern besteht, jedes aus ungefähr 2.500 Mann mit etwa 30 Geschützen, voll bespannt und ausgerüstet.

So würde sich die Gesamtzahl der preußischen Linientruppen auf rund 200.000 Mann belaufen; aber 60.000 bis 70.000 Mann kann man ohne weiteres für die Kriegsreserven abziehen, die nach dreijähriger Dienstzeit nach Hause entlassen werden.

<440> Beim ersten Aufgebot der Landwehr kommt auf jedes Garde- und Linienregiment, abgesehen von den 8 Reserveregimentern, ein Regiment der Landwehr; außerdem hat es 8 Reservebataillone; das ergibt eine Gesamtzahl von 116 Bataillonen oder rund 100.000 Mann. Die Kavallerie besteht aus 2 Garde- und 32 Linienregimentern mit 8 Reserveeskadronen; insgesamt 136 Eskadronen oder rund 20.000 Mann. Die Artillerie gehört, wie bereits erwähnt, zu den Linienregimentern.

Das zweite Aufgebot zählt ebenfalls 116 Bataillone, 167 Eskadronen (die unter anderem mehrere Reserve- und Depoteskadronen umfassen, deren Aufgaben denen des zweiten Aufgebots entsprechen), hinzu kommt die Garnisonartillerie; insgesamt rund 150.000 Mann.

Zusammen mit den 9 Sappeurbataillonen in verschiedenen kleineren Abteilungen, etwa 30.000 Pensionären und einem Armeetrain, der sich bei Kriegsstärke auf nicht weniger als 45.000 Mann beläuft, wird die Gesamtzahl der preußischen Streitkräfte auf 580.000 Mann geschätzt. Davon sind 300.000 Mann für den Felddienst bestimmt, 54.000 für die Depots, 170.000 für die Garnisonen und als Reserve, dazu ungefähr 60.000 Nichtkombattanten. Die Zahl der dieser Armee zugeteilten Feldgeschütze soll zwischen 800 und 850 liegen, aufgeteilt in Batterien mit je 8 Geschützen (6 Kanonen und 2 Haubitzen).

Für alle diese Truppen sind nicht nur die Kader vollständig, sondern auch die Waffen und sonstigen Ausrüstungen gesichert worden, so daß im Falle einer Mobilmachung der Armee nur noch die Pferde herbeigeschafft werden müssen. Da Preußen reich an Pferden ist und sowohl die Tiere als auch die Männer jederzeit zum Kriegsdienst herangezogen werden können, entstehen daraus keine besonderen Schwierigkeiten. So steht es in der Verordnung. Aber wie die Dinge wirklich liegen, zeigte sich 1850, als die Armee mobilgemacht wurde. Das erste Aufgebot der Landwehr wurde ausgerüstet, wenn auch nicht ohne große Schwierigkeiten; aber für das zweite Aufgebot waren weder Kleidungsstücke noch Schuhe, noch Waffen vorhanden, und deshalb bot es das denkbar lächerlichste Schauspiel. Schon lange vorher hatten gute Kenner, die selbst in der preußischen Armee gedient hatten, dies vorausgesagt, und daß Preußen im Notfall tatsächlich nur mit den Linientruppen und einem Teil des ersten Aufgebots rechnen könne. Ihre Meinung wurde von den Ereignissen vollauf bestätigt. Zweifellos ist die Ausrüstung für das zweite Aufgebot inzwischen beschafft worden, und sollte es jetzt einberufen werden, dann würde sich dieser Truppenkörper in 4 bis 6 Wochen zu einer recht brauchbaren Truppe für den Garnisondienst und sogar für den Felddienst entwickeln. Dagegen hält man während des Krieges eine vierteljährige Ausbildung <441> für ausreichend, um einen Rekruten für das Feld auszubilden; und deshalb sichert diese umständliche in Preußen übliche Organisation keineswegs so große Vorteile, wie man meist annimmt. Außerdem wird in einigen Jahren die für das zweite Aufgebot reservierte Ausrüstung wieder auf die gleiche Art verschwunden sein wie die bestimmt einmal vorhanden gewesene, die aber nicht mehr aufzufinden war, als man sie 1850 brauchte.

Als Preußen zu dem Prinzip überging, daß jeder Bürger Soldat werden müßte, blieb es auf halbem Wege stehen und verfälschte dieses Prinzip, wodurch es seine gesamte militärische Organisation entstellte. Nachdem das System der Konskription zugunsten der allgemeinen Dienstpflicht einmal aufgegeben worden war, hätte das stehende Heer als solches abgeschafft werden müssen. Man hätte nur die Offiziers- und Unteroffizierskader beibehalten sollen, in deren Händen die Ausbildung der jungen Leute liegt; die Ausbildungszeit sollte nicht länger dauern als notwendig. In diesem Falle hätte die Dienstzeit im Frieden auf ein Jahr herabgesetzt werden müssen, zumindest für die gesamte Infanterie. Aber das hätte weder der Regierung noch den militärischen Martinets der alten Schule gepaßt. Die Regierung wollte eine einsatzbereite und verläßliche Armee haben, die notfalls gegen Unruhen im Innern eingesetzt werden konnte; die Martinets wollten eine Armee, die sich aus altgedienten Soldaten zusammensetzte und die es hinsichtlich der Pedanterie des Drills, des allgemeinen äußeren Bildes und der Gediegenheit mit den anderen europäischen Armeen aufnehmen konnte. Junge Truppen, die nicht länger als ein Jahr dienen, wären weder für das eine noch für das andere brauchbar. Folglich wurde der Mittelweg eingeschlagen, die dreijährige Dienstzeit, und hieraus erklären sich alle Fehler und Schwächen der preußischen Armee.

Wie wir gesehen haben, steht mindestens die Hälfte der verfügbaren Männer außerhalb der Armee. Sie werden sofort in die Listen des zweiten Aufgebots eingetragen; dieser Truppenkörper, der dadurch nominell enorm anschwillt, wird - welche Potenzen er auch haben mag - von einer Masse von Männern überlaufen, die noch nie eine Muskete in der Hand gehabt haben und nicht besser sind als unausgebildete Rekruten. Diese Reduzierung der wirklichen militärischen Stärke des Landes auf wenigstens die Hälfte ist die erste negative Auswirkung, die sich aus der verlängerten Dienstzeit ergibt.

Aber selbst die Linientruppen und das erste Aufgebot der Landwehr leiden unter diesem System. Von jedem Regiment hat ein Drittel weniger als 3, ein weiteres Drittel weniger als 2 Jahre und das letzte Drittel weniger als 1 Jahr gedient. Nun kann nicht erwartet werden, daß eine derartig zusammen- <442> gesetzte Armee jene militärischen Eigenschaften, jene strikte Unterordnung, jene Standhaftigkeit in den Reihen, jenen Esprit du corps <Korpsgeist> besitzen kann, die die altgedienten Soldaten der englischen, österreichischen, russischen und sogar der französischen Armee auszeichnen. Die Engländer können auf Grund der langen Zeit, die ihre Soldaten dienen müssen, in diesen Dingen sachkundig urteilen und sind der Meinung, daß es 3 Jahre dauert, um einen Rekruten voll und ganz abzurichten.(2) Da also in Friedenszeiten die preußische Armee aus Leuten zusammengesetzt ist, von denen keiner jemals 3 Jahre gedient hat, ist es unumgänglich, daß diese militärischen Eigenschaften des altgedienten Soldaten oder wenigstens etwas, das dem ähnlich ist, dem jungen preußischen Rekruten durch einen unerträglichen Kasernenhofdrill eingebleut werden. Da es dem preußischen Subalternoffizier und dem Sergeanten unmöglich ist, die ihnen übertragene Aufgabe zu lösen, behandeln sie ihre Untergebenen mit einer Roheit und Brutalität, die wegen des damit verbundenen pedantischen Geistes doppelt abstoßend wirken. Diese Pedanterie ist um so unsinniger, weil sie in krassem Gegensatz zu dem klaren und vernünftigen System der vorgeschriebenen Ausbildung steht und weil sich die Pedanten ständig auf die Traditionen Friedrichs des Großen berufen, der eine ganz andere Sorte von Männern für ein ganz anderes taktisches System zu drillen hatte. So wird die wirkliche Schlagkraft im Felde der Genauigkeit auf dem Paradeplatz geopfert; und die preußische Linie als Ganzes kann gegenüber den alten Bataillonen und Eskadronen, die jede europäische Großmacht ihnen beim ersten Ansturm entgegenstellen kann, als nicht gleichwertig betrachtet werden.

Trotz einiger Vorzüge, die keine andere Armee besitzt, ist dies der Fall. Die Preußen wie die Deutschen überhaupt geben gute Soldaten ab. Ein Land, das aus ausgedehnten Ebenen, unterbrochen von langen Höhenzügen, besteht, liefert Material für jede beliebige Waffengattung in Hülle und Fülle. Die allgemeine körperliche Befähigung sowohl für den Dienst in der leichten als auch für den in der Linieninfanterie, die den meisten Deutschen gleichermaßen eigen ist, wird von anderen Nationen kaum erreicht. Das an Pferden reiche Land liefert viele Männer für die Kavallerie, die von Kindheit an im Sattel zu Hause sind. Überlegtes Handeln und Beharrlichkeit befähigen die Deutschen besonders für den Artilleriedienst. Außerdem gehören sie zu den kampflustigsten Völkern der Welt, sie lieben den Krieg um des Krieges willen <443> und suchen ihn oft genug im Ausland, wenn sie ihn nicht im eigenen Lande haben können. Von den Landsknechten <Landsknechten: in "Putnam's Monthly" deutsch> des Mittelalters bis zu den heutigen Fremdenlegionen Frankreichs und Englands haben die Deutschen immer die große Masse jener Söldner gestellt, die nur um des Kampfes willen kämpfen. Wenn die Franzosen die Deutschen an Behendigkeit und Lebhaftigkeit im Angriff übertreffen, die Engländer ihnen an Zähigkeit beim Widerstand überlegen sind, so übertreffen die Deutschen doch alle anderen europäischen Nationen in jener allgemeinen Tauglichkeit für den Militärdienst, die sie auf jeden Fall zu guten Soldaten macht.

Die preußischen Offiziere geben bei weitem das am besten ausgebildete Offizierkorps der Welt ab. Die Prüfungen hinsichtlich des Allgemeinwissens, denen sie sich unterziehen müssen, haben eine weit höheres Niveau als die einer jeden anderen Armee. Brigade- und Divisionsschulen werden unterhalten, um ihre theoretische Ausbildung zu vervollkommnen; für gründliche und speziellere militärische Kenntnisse wird in zahlreichen Einrichtungen gesorgt. Die preußische Militärliteratur hat ein sehr hohes Niveau. Werke dieser Art aus den letzten 25 Jahren beweisen zur Genüge, daß ihre Verfasser nicht nur ihr eigenes Fach völlig beherrschen, sondern daß sie auf dem Gebiet allgemeiner wissenschaftlicher Kenntnisse die Offiziere jeder Armee herausfordern könnten. Eigentlich haben einige von ihnen fast zuviel oberflächliches Wissen in der Metaphysik; das erklärt sich daraus, daß man in Berlin, Breslau oder Königsberg an den Universitäten bei Vorlesungen Offiziere unter den Studenten findet. Clausewitz gehört auf seinem Gebiet ebenso zu den Klassikern der Welt wie Jomini, und die Werke des Ingenieurs Aster bedeuten eine neue Epoche in der Befestigungskunst. Doch der Ausdruck "preußischer Leutnant" ist in ganz Deutschland sprichwörtlich, und der lächerliche Esprit du corps, die Pedanterie und die impertinenten Manieren, die durch den üblichen Umgangston in der Armee geprägt wurden, rechtfertigen das vollauf; denn nirgends gibt es so viele alte, halsstarrige, schikanierende Martinets unter den Offizieren und Generalen wie in Preußen - im übrigen sind die meisten von ihnen Überbleibsel von 1813 und 1815. Nach alldem muß man feststellen, daß der absurde Versuch, das preußische Heer zu dem zu machen, was es niemals sein kann - eine Armee altgedienter Soldaten -, die Qualität des Offiziers ebenso verdirbt wie die des Soldaten und sogar noch mehr.

Die Exerzierreglements der preußischen Armee sind zweifellos die weitaus besten in der Welt. Einfach, folgerichtig, basierend auf einigen Grund- <444> sätzen des gesunden Menschenverstands, lassen sie wenig zu wünschen übrig. Sie sind von Scharnhorstschem Geiste; Scharnhorst war der vielleicht größte Militärorganisator seit Moritz von Nassau. Die Grundsätze für die Führung großer Truppenkörper sind ebenfalls gut. Die wissenschaftlichen Handbücher für den Artilleriedienst jedoch, die den Offizieren offiziell empfohlen werden, sind veraltet und entsprechen keineswegs den Erfordernissen der Gegenwart. Aber dieser Mangel ist auf mehr oder weniger offizielle Werke beschränkt und bezieht sich durchaus nicht. auf die preußische Artillerieliteratur im allgemeinen.

Das Ingenieurkorps erfreut sich mit Recht eines sehr guten Rufes. Aus seinen Reihen ging Aster hervor, der bedeutendste Militäringenieur seit Montalembert. Die Preußen haben von Königsberg und Posen bis Köln und Koblenz eine Reihe von Festungen erbaut, welche die Bewunderung Europas hervorgerufen haben.

Seit den 1843 und 1844 durchgeführten Veränderungen sieht die Ausrüstung der preußischen Truppen nicht gerade sehr ansprechend aus, aber sie ist für die Soldaten sehr bequem. Der Helm bietet einen recht wirksamen Schutz gegen Sonne und Regen, die Uniform sitzt locker und bequem; die Ausrüstung ist besser aufeinander abgestimmt als bei den Franzosen. Die Gardetruppen und die leichten Bataillone (eins in jedem Regiment) sind mit dem Zündnadelgewehr bewaffnet; für den übrigen Teil der Linientruppen wurden die Musketen durch ein sehr einfaches Verfahren in gute Minié-Gewehre umgeändert. Auch die Landwehr wird in 2 bis 3 Jahren das Minié-Gewehr erhalten, aber vorläufig trägt sie noch Perkussionsgewehre. Der Säbel der Kavallerie ist zu breit und gekrümmt - die meisten Hiebe fallen flach. Das Material der Artillerie sowohl hinsichtlich der Geschütze als auch der Lafetten und Pferdegeschirre läßt viel zu wünschen übrig.

Im ganzen stellt die preußische Armee, das heißt die Linientruppen und das erste Aufgebot, eine ansehnliche Truppe dar, die aber keineswegs den Ruhm verdient, mit dem preußische patriotische Autoren prahlen. Wenn die Linie erst auf dem Schlachtfeld ist, wird sie sehr bald die Fesseln des Paradeplatzes abstreifen und nach einigen Treffen ihren Gegnern gewachsen sein. Das erste Aufgebot der Landwehr wird, sobald der alte soldatische Kampfgeist wieder wach geworden und wenn der Krieg populär ist, den besten langgedienten Truppen in Europa ebenbürtig sein. Was Preußen zu fürchten hat, ist ein in der ersten Periode eines Krieges offensiv vorgehender Feind, der ihm besser organisierte Truppen mit längerer Erfahrung entgegenwerfen wird; aber bei einem länger andauernden Kampf wird Preußen mehr erfahrene Soldaten in seinen Armeen haben als irgendein anderer europäischer <445> Staat. Zu Beginn eines Feldzuges wird die Linie den Kern der Armee bilden, aber das erste Aufgebot wird sie bald durch die größere physische Kraft und die höheren militärischen Qualitäten der Leute in den Schatten stellen. Sie sind die wirklich erfahrenen Soldaten Preußens, nicht die bartlosen Jünglinge der Linie. Vom zweiten Aufgebot sprechen wir nicht; es muß erst zeigen, was es kann.

II. Die russische Armee

Auch in Rußland ist in gewisser Hinsicht dafür gesorgt worden, Kader für den Fall des Kriegszustandes aufzustellen, und zwar durch ein dem preußischen Landwehrsystem in einigen Punkten ähnliches Reservesystem. Aber im allgemeinen umfaßt die russische Reserve eine so begrenzte Zahl von Mannschaften, und die Schwierigkeit, sie aus allen Teilen des unendlichen Reiches zusammenzubringen, ist so groß, daß es schon 6 Monate nach der englisch-französischen Kriegserklärung und noch ehe ein einziger Schuß in der Krim abgefeuert worden war, notwendig wurde, dieses System aufzugeben und neue Truppen zu formieren, denen dann weitere Formierungen folgten. Deshalb müssen wir in Rußland die Armee, wie sie bei Ausbruch des Krieges war, von der Armee, wie sie heute ist, unterscheiden.

Die russische Armee ist in Friedenszeiten wie folgt gegliedert:

1. die aktive Armee - 6 Linienkorps, Nr. 1 bis 6;
2. die Reservearmee - 1 Gardekorps, 1 Korps Grenadiere, 2 Reservekorps der Kavallerie;
3. die Sonderkorps - das Kaukasische, das Finnländische, das Orenburger, das Sibirische;
4. die Truppen für den Dienst im Innern - Veteranen, innere Wache, Invaliden und so weiter;
5. die irregulären Truppen.

Hinzu kommt die Reserve, Soldaten, die als beurlaubt entlassen wurden.

Jedes der 6 Linienkorps setzt sich folgendermaßen zusammen: 3 Infanteriedivisionen, von denen jede aus 1 Linienbrigade und 1 Brigade leichte Infanterie besteht, jede Brigade wiederum hat 2 Regimenter und jedes Regiment 4 Linienbataillone; insgesamt 6 Brigaden oder 12 Regimenter, die 48 Bataillone umfassen, dazu 1 Schützenbataillon und 1 Bataillon Sappeure; insgesamt 50 Bataillone. Außerdem gehört dazu 1 Division leichte Kavallerie mit 1 Brigade Ulanen und 1 Brigade Husaren, von denen jede 2 Regimenter bzw. 16 Eskadronen umfaßt; insgesamt 32 Eskadronen. Die Artillerie besteht <446> aus 1 Division mit 3 Brigaden zu Fuß und 1 reitenden Brigade; insgesamt 14 Batterien oder 112 Geschütze; pro Korps insgesamt 50 Bataillone, 32 Eskadronen, 112 Geschütze; Gesamtsumme: 300 Bataillone, 192 Eskadronen, 672 Geschütze.

Die Garden umfassen 3 Divisionen bzw. 6 Brigaden, das sind 12 Regimenter (9 Grenadier- und 3 Karabinierregimenter, das heißt leichte Infanterie); insgesamt 36 Bataillone, da die Garde- und Grenadierregimenter nur 3 Linienbataillone haben. Außerdem gibt es 1 Bataillon Schützen und 1 Bataillon Sappeure und Mineure neben 3 Kavalleriedivisionen (1 Kürassier-, 1 Ulanen-, 1 Husarendivision), die 6 Brigaden bzw. 12 Regimenter umfassen und insgesamt 72 Kavallerieeskadronen ausmachen. Hinzu kommt 1 Artilleriedivision mit 5 Brigaden bzw. 15 Batterien (9 Batterien Fußartillerie, 5 reitende und 1 Raketenbatterie); insgesamt 135 Geschütze. Das Grenadierkorps besteht aus 3 Divisionen bzw. 6 Brigaden, die 12 Regimenter bzw. 36 Bataillone Infanterie, Bataillon Schützen sowie 1 Bataillon Sappeure und Mineure umfassen. Zu diesem Korps gehört auch 1 Division Kavallerie mit 2 Brigaden (Ulanen und Husaren), die aus 4 Regimentern bzw. 32 Eskadronen zusammengesetzt sind. Die Artillerie besteht aus 3 Brigaden zu Fuß und 1 reitenden Brigade mit 14 Batterien insgesamt 112 Geschütze.

Die Reservekavallerie ist wie folgt organisiert: erstes Korps: 3 Divisionen (2 Kürassierdivisionen, 1 Ulanendivision), die 6 Brigaden bzw. 12 Regimenter umfassen; insgesamt 80 Eskadronen (48 Kürassier-, 32 Ulaneneskadronen). Dazu kommt 1 Division reitende Artillerie, bestehend aus 3 Brigaden mit 6 Batterien; insgesamt 48 Geschütze. Zweites Korps: 3 Divisionen (1 Ulanendivision, 2 Dragonerdivisionen) bzw. 6 Brigaden; das sind 12 Regimenter bzw. 1 2 Eskadronen (32 Ulanen-, 80 Dragonereskadronen). Außerdem gibt es 2 Eskadronen reitende Sappeure und Pontoniere sowie 6 Batterien reitende Artillerie mit 48 Geschützen.

Das Kaukasische Korps setzt sich zusammen aus 1 Reservegrenadierbrigade mit 2 Regimentern bzw. 6 Bataillonen; aus 3 Divisionen Infanterie, die 12 Regimenter bzw. 48 Bataillone umfassen; dazu 1 Bataillon Schützen, 1 Bataillon Sappeure sowie 47 Bataillone Kaukasische Linie (Landwehr); insgesamt 103 Bataillone. Die Kavallerie besteht aus 1 Regiment Dragoner mit 10 Eskadronen. Die Artillerie ist 1 Division stark, 10 gewöhnliche und 6 Gebirgsbatterien, insgesamt 180 Geschütze.

Das Finnländische Korps besteht aus 1 Division, die 2 Brigaden bzw. 12 Bataillone Infanterie umfaßt; das Orenburger aus 1 Division mit ebenfalls 2 Brigaden, aber nur 10 Bataillonen; das Sibirische aus 1 Division mit 3 Brigaden bzw. 15 Bataillonen.

<447> Somit kann die Endsumme der regulären Truppen, die in Friedenszeiten tatsächlich unter Waffen stehen, wie folgt angegeben werden:

Bataillone

Eskadronen

Geschütze

6 Linienkorps

300

192

672

Garden

38

72

135

Grenadiere

38

32

112

Reservekavallerie

-

194

96

Kaukasisches Korps

103

10

180

Finnländisches Korps

12

-

-

Orenburger Korps

10

-

-

Sibirisches Korps

15

-

-

516

500

1.195

Die Truppen für den Dienst im Innern bestehen aus 52 Bataillonen der inneren Wache, 800 Kompanien Veteranen und Invaliden, 111/2 Eskadronen Gendarmen und 98 Kompanien Artillerie. Diese Truppen können bei einer Schätzung der verfügbaren Kräfte des Landes kaum mitgerechnet werden

Die irregulären Truppen, meist Kavallerie, bilden die folgenden Divisionen:

1. Donkosaken: 56 Regimenter, jedes 6 Sotnien <Hundertschaften>; insgesamt 336 Sotnien, 13 Batterien;
2. Schwarzmeerkosaken: 72 Sotnien, 9 Bataillone, 3 Batterien;
3, Kaukasische Linienkosaken (am Kuban und Terek): 120 Sotnien und 3 Batterien;
4. Astrachaner Kosaken: 18 Sotnien und 1 Batterie;
5. Orenburger Kosaken: 60 Sotnien, 3 Batterien;
6. Uralkosaken: 60 Sotnien;
7. Baschkirisches Aufgebot: 85 Sotnien, fast nur Baschkiren und Kalmücken;
8. Sibirische Kosaken: 24 Bataillone, 84 Sotnien, 3 Batterien, diese Truppen setzen sich teilweise aus Tungusen, Burjaten usw. zusammen;
9. Asowkosaken, die im Marinedienst stehen;
10. Donaukosaken in Bessarabien: 12 Sotnien;
11. Baikalsee-Kosaken, erst kürzlich gebildet, Gliederung und Stärke unbekannt.

Die Gesamtsumme würde 847 Sotnien (Eskadronen von je 100 Mann, von sto einhundert), 33 Bataillone und 26 Batterien betragen. Das wären <448> etwa 90.000 Mann Kavallerie und 30.000 Mann Infanterie. Aber für wirkliche Kriegszwecke sind an der Westgrenze vielleicht 40.000 bis 50.000 Mann Kavallerie und einige wenige Batterien verfügbar, aber keine Infanterie.

So dürfte die russische Armee (mit Ausnahme der Truppen für den Dienst im Innern) in Friedenszeiten aus 360.000 Mann Infanterie, 70.000 Mann Kavallerie und 90.000 Mann Artillerie bestehen; insgesamt rund 500.000 Mann; außerdem Kosaken, deren Zahl je nach den Umständen verschieden groß ist. Doch von diesen 500.000 Mann können die im Kaukasus, in Orenburg und in Sibirien stationierten Korps für einen Krieg an der Westgrenze des Reiches nicht frei gemacht werden, so daß gegen Westeuropa nicht mehr als 260.000 Mann Infanterie, 70.000 Mann Kavallerie und 50.000 Mann Artillerie mit etwa 1.000 Geschützen eingesetzt werden können, außer etwa 30.000 Kosaken.

Soviel über den Friedensbestand. Für den Fall eines Krieges sind folgende Vorkehrungen getroffen worden: Die volle Dienstzeit betrug je nach den Umständen 20, 22 oder 25 Jahre. Aber nach entweder 10 oder 15 Jahren, je nachdem, werden die Soldaten als beurlaubt entlassen und gehören dann zur Reserve. Die Organisation dieser Reserve war sehr unterschiedlich, aber es scheint jetzt, daß die beurlaubten Soldaten entsprechend ihrer jeweiligen Waffengattung während der ersten 5 Jahre einer Reserveeskadron, einer Reservebatterie oder einem Reservebataillon angehörten (dem 4. eines jeden Regiments in der Garde und bei den Grenadieren und dem 5. in der Linie). Nach Ablauf von 5 Jahren kamen sie zum Depotbataillon ihres Regiments (dem 5. bzw. 6.), zur Depoteskadron oder Depotbatterie. So würde die Einberufung der Reserve die Effektivstärke der Infanterie und Artillerie um ungefähr 50 Prozent steigern, die der Kavallerie um ungefähr 20 Prozent. Diese Reserven sollten von verabschiedeten Offizieren befehligt werden, und die Kader der Reserve waren, wenn auch nicht bis ins einzelne organisiert, dennoch bis zu einem gewissen Grade vorbereitet.

Doch als der Krieg ausbrach, wurde das alles geändert. Obwohl die aktive Armee für den Kampf an der Westgrenze vorgesehen war, mußte sie 2 Divisionen in den Kaukasus schicken. Bevor sich die englisch-französischen Truppen nach dem Osten einschifften, kämpften 3 Korps der aktiven Armee (das 3., 4. und 5.) im Feldzug gegen die Türken. In dieser Zeit wurden die Reserven zwar zusammengezogen, aber es nahm ungeheuer viel Zeit in Anspruch, bis die Mannschaften aus allen Teilen des Reiches zu ihren entsprechenden Sammelpunkten gebracht werden konnten. Die Armeen und Flotten der Alliierten in der Ostsee und im Schwarzen Meer sowie die schwankende Politik Österreichs erforderten energischere Maßnahmen. Die Aushebungen wurden verdoppelt und verdreifacht, und die so zusammengeholte, <449> buntscheckige Masse der Rekruten wurde gemeinsam mit der Reserve zum 4., 5., 6., 7. und 8. Bataillon bei allen Infanterieregimentern formiert; gleichzeitig wurde in der Kavallerie eine ähnliche Verstärkung vorgenommen. So hatten die 8 Korps der Garde, der Grenadiere und der Linie statt 376 jetzt etwa 800 Bataillone, während für je 2 Eskadronen oder Batterien des Friedensbestandes mindestens 1 der Reserve hinzugefügt wurde. Alle diese Zahlen sehen jedoch auf dem Papier furchterregender aus als in Wirklichkeit, weil durch die Korruption der russischen Beamten, die Mißwirtschaft in der Armee und durch die enorm langen Märsche von den Wohnorten der Mannschaften zu den Depots, von diesen zu den Konzentrationspunkten der Korps und von dort aus zum Kriegsgebiet ein großer Teil der Mannschaften ausfällt oder dienstunfähig wird, bevor sie auf den Feind stoßen. Außerdem waren während der beiden letzten Feldzüge die verheerenden Auswirkungen der Krankheiten und die Verluste in den Schlachten sehr ernst. All dieser Tatsachen wegen glauben wir nicht, daß die 1.000 Bataillone, 800 Eskadronen und 200 Batterien der russischen Armee zur Zeit eine Stärke von 600.000 Mann weit übersteigen können.

Doch die Regierung gab sich damit nicht zufrieden. Mit einer Schnelligkeit, die zeigt, wie sehr sie sich der Schwierigkeit bewußt ist, Mannschaften in beträchtlicher Stärke aus den verschiedenen Teilen dieses gewaltigen Reiches zusammenzubringen, ordnete sie die Aushebung der Landwehr an, sobald die 7. und 8. Bataillone aufgestellt waren. Die Landwehr oder Opoltschenie sollte in Drushinas (Bataillonen) zu je 1.000 Mann organisiert werden, und zwar im Verhältnis zur Bevölkerungszahl jeder Provinz; 23 Mann auf je 1.000 männliche Personen, das heißt nahezu 1/4 Prozent der Bevölkerung, mußten dienen. Vorläufig wurde die Opoltschenie nur in den Westprovinzen aufgeboten. Dieses Aufgebot müßte bei einer Bevölkerung von 18.000.000, davon ungefähr 9.000.000 Männer, etwa 120.000 Mann ergeben haben, und das stimmt mit den Berichten aus Rußland überein. Ohne Zweifel wird sich die Landwehr in jeder Hinsicht selbst der neugebildeten Reserve gegenüber als minderwertig erweisen, doch sie ist auf jeden Fall ein wertvoller Zuwachs der Kräfte Rußlands, und wenn sie für den Garnisondienst in Polen eingesetzt wird, können dadurch eine ganze Reihe Linienregimenter frei werden.

Andrerseits sind nicht nur viele Kosaken, sondern selbst eine beträchtliche Zahl Baschkiren, Kalmücken, Kirgisen, Tungusen und andere mongolische Aufgebote an der Westgrenze eingetroffen. Das zeigt, wie frühzeitig sie westwärts dirigiert wurden, denn viele von ihnen mußten einen Marsch von über 12 Monaten zurücklegen, bevor sie in St. Petersburg oder an der Weichsel eintreffen konnten.

<450> So hat Rußland seine militärischen Hilfsquellen beinahe bis zum äußersten beansprucht, und nach zweijährigem Kampf, in dem es keine entscheidende Schlacht verloren hat, kann es mit nicht mehr als 600.000 bis 650.000 Mann regulärer Truppen sowie 100.000 Mann Landwehr und vielleicht 50.000 Mann irregulärer Kavallerie rechnen. Wir wollen damit nicht sagen, daß Rußland seine Kräfte ausgeschöpft habe, aber es besteht kein Zweifel darüber, daß ihm jetzt, nach 2 Jahren Krieg, nicht das möglich ist, was Frankreich nach 20 Jahren Krieg und nach dem völligen Verlust seiner besten Armee im Jahre 1812 möglich war: einen neuen Truppenkörper von 300.000 Mann Stärke hervorzubringen und wenigstens für eine gewisse Zeit den Ansturm des Feindes aufzuhalten. Das zeigt, wie gewaltig der Unterschied zwischen der militärischen Stärke eines dichtbevölkerten und eines dünnbevölkerten Landes ist. Wenn Frankreich an Rußland grenzte, so wären die 66 Millionen Einwohner Rußlands schwächer als die 38 Millionen Franzosen. Daß die 44 Millionen Deutschen den 66 Millionen Untertanen des rechtgläubigen Zaren mehr als ebenbürtig sind, daran besteht nicht der geringste Zweifel.

Die russische Armee wird auf verschiedene Weise rekrutiert. Der größte Teil der Mannschaften wird durch die reguläre Aushebung gestellt, die in dem einen Jahr in den westlichen und das nächste in den östlichen Provinzen des europäischen Rußlands stattfindet. Der allgemeine Prozentsatz beträgt 4 oder 5 Mann auf je 1.000 (männliche) "Seelen", denn in der russischen Volkszählung gilt nur die männliche Bevölkerung, da die Frauen, entsprechend dem orthodoxen Glauben des Ostens, keine "Seelen" sind. Die Soldaten aus der westlichen Hälfte des Reiches dienen 20, die aus der östlichen Hälfte des Reiches 25 Jahre. Die Garde dient 22 Jahre, junge Leute aus den militärischen Ansiedlungen 20 Jahre. Neben diesen Aushebungen sind die Söhne von Soldaten eine ergiebige Quelle für Rekruten. Jeder Sohn, der einem Soldaten während seiner Dienstzeit geboren wird, ist zum Militärdienst verpflichtet. Dieser Grundsatz geht so weit, daß der Staat die neugeborenen Kinder von der Frau eines Soldaten auch dann fordert, wenn dieser schon 5 oder 10 Jahre am anderen Ende des Reiches sein mag. Man nennt diese Soldatenkinder Kantonisten, und die meisten von ihnen werden auf Kosten des Staates erzogen, aus ihren Reihen gehen die meisten Unteroffiziere hervor. Schließlich werden Verbrecher, Vagabunden und andere Taugenichtse von den Gerichten dazu verurteilt, in der Armee zu dienen. Ein Adliger hat das Recht, einen Leibeigenen, wenn er nur diensttauglich ist, in die Armee zu schicken; und auch jeder Vater, der mit seinem Sohn unzufrieden ist, kann das tun. "S'bogom idi pod krasnuju schapku!" - Pack dich mit Gott und setz die rote Mütze <451> auf! - das heißt, geh in die Armee - ist eine gebräuchliche Redensart des russischen Bauern gegenüber einem ungehorsamen Sohn.

Die Unteroffiziere werden, wie wir schon sagten, meistens aus den Soldatensöhnen rekrutiert, die in staatlichen Anstalten erzogen werden. Diese Jungen, die von frühester Kindheit an der militärischen Disziplin unterworfen sind, haben überhaupt nichts mit den Männern gemein, die sie später ausbilden und leiten sollen. Sie bilden eine vom Volk gesonderte Klasse. Sie gehören dem Staat, sie können ohne ihn nicht existieren; einmal auf sich selbst angewiesen, taugen sie zu nichts. Unter der Regierung vorwärtszukommen ist also ihr einziges Ziel. Was in der russischen Zivilverwaltung die unterste Klasse der Beamten ist, die sich aus Söhnen der Beamten zusammensetzt, das sind diese Männer in der Armee: eine Bande hinterlistiger, niedriggesinnter, engstirnig-egoistischer Untergebener mit einer oberflächlichen Schulbildung, die sie beinahe noch verabscheuungswürdiger macht; ehrgeizig aus Eitelkeit und Gewinnsucht, mit Leib und Seele dem Staate verkauft, versuchen sie dennoch täglich und stündlich, den Staat stückweise zu verkaufen, wann immer sie daraus Profit ziehen können. Ein schönes Exemplar dieser Klasse ist der Feldjäger <Feldjäger: in "Putnam's Monthly" deutsch> oder Kurier, der Herrn de Custine während seiner Reisen in Rußland begleitete und der in dem Rußlandbericht dieses Herrn so treffend geschildert wird. Diese Kategorie von Menschen ist es, die auf zivilem wie auf militärischem Gebiet in erster Linie die gewaltige Korruption schürt, die in diesem Lande alle Zweige des öffentlichen Dienstes durchdringt. Doch wie die Dinge liegen, besteht kein Zweifel, daß Rußland -würde es auf dieses System der völligen Besitznahme der Kinder durch den Staat verzichten - nicht die genügende Anzahl ziviler Subalternbeamter und Unteroffiziere für die Armee finden könnte.

Mit der Offiziersklasse steht es vielleicht noch schlimmer. Die Ausbildung für einen zukünftigen Korporal oder Feldwebel ist eine verhältnismäßig billige Sache; aber Offiziere für eine Armee von einer Million Mann auszubilden (das ist die Zahl, für die nach offiziellen Angaben die russischen Kader vorbereitet sein sollten), ist eine kostspielige Angelegenheit. Nichtöffentliche Einrichtungen unternehmen dafür nichts oder nur wenig. Wieder muß der Staat allein für alles aufkommen. Aber er kann offensichtlich nicht eine solche Menge junger Leute ausbilden, wie sie für diesen Zweck gebraucht wird. Infolgedessen sind die Söhne des Adels durch direkten moralischen Zwang verpflichtet, mindestens 5 oder 10 Jahre in der Armee oder in der Zivilverwaltung zu dienen, da jede Familie, in der drei aufeinander- <452> folgende Generationen nicht "gedient" haben, ihr Adelsprivileg verliert und besonders das Recht, Leibeigene zu halten - ein Recht, ohne das ausgedehnter Landbesitz in Rußland mehr als wertlos ist. Dadurch wird eine Unmenge junger Männer mit dem Rang eines Fähnrichs oder Leutnants in die Armee aufgenommen, deren gesamte Bildung bestenfalls in einer gewissen Fertigkeit in französischer Konversation über die gewöhnlichsten Gemeinplätze und einigen oberflächlichen Allgemeinkenntnissen in der elementaren Mathematik, Geographie und Geschichte besteht - wobei ihnen das Ganze lediglich eingebleut wurde, um zu renommieren. Ihnen ist der Dienst eine widerwärtige Notwendigkeit, der man sich wie einer langwierigen ärztlichen Behandlung mit ungeheucheltem Abscheu unterziehen muß, und sobald die vorgeschriebene Dienstzeit vorbei oder der Rang eines Majors erreicht ist, ziehen sie sich zurück und werden in die Stammrollen der Depotbataillone eingetragen. Was die Zöglinge der Militärschulen anbelangt, so werden sie auch nur soweit vollgepfropft, daß sie gerade das Examen bestehen können, und selbst im reinen Fachwissen bleiben sie weit hinter den jungen Leuten der österreichischen, preußischen oder französischen Militärschulen zurück. Andrerseits sind junge Männer mit Talent, Hingabe und Liebe zu ihrer Fachrichtung in Rußland so selten, daß man sich auf sie stürzt, wo immer sie sich zeigen, ganz gleich, ob sie Ausländer oder Einheimische sind. Mit der größten Freizügigkeit versorgt sie der Staat mit allen Mitteln, damit sie ihr Studium abschließen, und läßt sie schnell aufrücken. Man braucht solche Männer, um Europa die russische Zivilisation vorzuführen. Wenn sie literarischen Neigungen nachgehen, so erhalten sie jegliche Ermunterung, solange sie nicht die Grenzen der russischen Staatsinteressen überschreiten, und sie sind es, die das Wenige hervorgebracht haben, das es an Wertvollem in der russischen Militärliteratur gibt. Aber bis zur heutigen Zeit sind die Russen aller Klassen viel zu barbarisch, um an wissenschaftlicher oder geistiger Tätigkeit irgendwelcher Art (außer Intrigen) Gefallen zu finden. Deshalb sind fast alle ihre hervorragenden Leute im Militärdienst entweder Ausländer oder, was beinahe auf dasselbe herauskommt, "Ostseiskije", Deutsche aus den baltischen Provinzen. Der letzte hervorragende Vertreter dieser Klasse war General Todtleben, der Hauptingenieur von Sewastopol, der im Juli an den Folgen einer Verwundung starb . Er war gewiß während der ganzen Belagerung der tüchtigste Mann seines Faches, sowohl im russischen als auch im alliierten Lager, doch er war ein Baltendeutscher von preußischer Herkunft.

Unter diesen Umständen besitzt die russische Armee unter ihren Offizieren die allerbesten und die allerschlechtesten Leute, nur daß erstere in einem unendlich kleineren Verhältnis vorhanden sind. Was die russische Regierung <453> von ihren Offizieren hält, hat sie klar und unmißverständlich in ihren eigenen taktischen Vorschriften gezeigt. Diese schreiben nicht nur vor, wie eine Brigade, eine Division oder ein Armeekorps generell für den Kampf aufgestellt wird, eine sogenannte "Normaldisposition", die der Befehlshaber dem Gelände und anderen Verhältnissen entsprechend abändern muß, sondern sie schreiben verschiedene Normaldispositionen für die verschiedensten Fälle vor, die auftreten könnten, dem General dadurch keinerlei Wahl lassend und ihn in einer Weise bindend, die ihn von einer Verantwortung fast völlig entbindet, Zum Beispiel kann ein Armeekorps den Vorschriften entsprechend in der Schlacht auf 5 verschiedene Arten aufgestellt werden; an der Alma waren die Russen tatsächlich nach einer von diesen - der dritten Disposition - aufgestellt und wurden verständlicherweise geschlagen. Dieser Wahnsinn, abstrakte Regeln für alle möglichen Fälle vorzuschreiben, läßt dem Kommandierenden so wenig Handlungsfreiheit und verbietet ihm in einem solchen Maße selbst die Ausnutzung der Geländevorteile, daß ein preußischer General kritisierend sagte:

"Ein solches System von Vorschriften kann nur in einer Armee geduldet werden, in der die meisten Generale so blöde sind, daß die Regierung ihnen weder ohne weiteres ein uneingeschränktes Kommando übertragen noch sie ihrem eigenen Urteilsvermögen überlassen kann."

Der russische Soldat gehört zu den tapfersten Männern Europas. Seine Zähigkeit kommt fast der der Engländer und gewisser österreichischer Bataillone gleich. Auch er kann sich wie John Bull rühmen, nicht zu merken, wenn er geschlagen ist. Russische Infanteriekarrees haben, nachdem die Kavallerie sie gesprengt hatte, noch eine ganze Zeitlang im Kampf von Mann gegen Mann Widerstand geleistet, und es hat sich immer als leichter erwiesen, die russischen Soldaten niederzuschießen, als sie zurückzutreiben. Sir George Cathcart, der sie 1813 und 1814 als Alliierte und 1854 in der Krim als Feinde kennenlernte, stellt ihnen das ehrenvolle Zeugnis aus, daß sie "zur Panik unfähig" sind. Außerdem ist der russische Soldat kräftig gebaut, gesund und ein guter Marschierer, ein genügsamer Mensch, der beinahe alles essen und trinken kann und seinen Offizieren gehorsamer ist als irgendein anderer Soldat auf der Welt. Dennoch ist die russische Armee nicht sehr rühmenswert. Niemals, seitdem von einem Rußland gesprochen werden kann, haben die Russen eine einzige Schlacht gegen die Deutschen, Franzosen, Polen oder Engländer gewonnen, ohne ihnen zahlenmäßig gewaltig überlegen gewesen zu sein. Bei gleicher Stärke wurden sie stets von jeder Armee geschlagen, außer von der türkischen oder der preußischen. Bei Cetate und <454> Silistria wurden sie sogar von den Türken geschlagen, obwohl diese ihnen zahlenmäßig unterlegen waren.

Die Russen sind vor allem die schwerfälligsten Soldaten der Welt. Sie sind weder für den Dienst in der leichten Infanterie noch für den der leichten Kavallerie geeignet. So hervorragend die Kosaken als leichte Kavallerie in mancher Beziehung sind, zeigen sie sich doch im allgemeinen als so unzuverlässig, daß vor dem Feind immer eine zweite Vorpostenlinie hinter der Vorpostenlinie der Kosaken aufgestellt wird. Außerdem sind die Kosaken zur Attacke völlig ungeeignet. Die regulären Truppen, sowohl die Infanterie als auch die Kavallerie, sind nicht fähig, in aufgelöster Ordnung zu kämpfen. Der Russe, der in allem nachahmt, wird immer das tun, was ihm befohlen wird oder wozu er gezwungen ist, aber er wird nichts tun, wenn er auf eigene Verantwortung handeln soll. In der Tat kann man das schwerlich von einem Menschen erwarten, der niemals wußte, was Verantwortung heißt, und der zu seiner Erschießung mit demselben passiven Gehorsam gehen würde, als wenn ihm befohlen wäre, Wasser zu pumpen oder einen Kameraden auszupeitschen. Den schnellen Blick des Franzosen oder den klaren Menschenverstand des Deutschen von dem russischen Soldaten zu erwarten, wenn er auf Vorposten steht oder in aufgelöster Ordnung kämpft, hieße ihn verhöhnen. Er braucht den Befehl - einen klaren, eindeutigen Befehl -, und wenn er ihn nicht erhält, wird er vielleicht nicht zurückgehen, aber gewiß wird er nicht vorgehen oder seinen eigenen Verstand benutzen.

Die Kavallerie war nie ausgezeichnet, obwohl beträchtliche Kosten und viel Sorgfalt für sie aufgewandt wurden. Weder in den Kriegen gegen die Franzosen noch in dem Krieg gegen Polen hat sich die Kavallerie hervorgetan. Der passive, geduldige, ausdauernde Gehorsam der Russen ist nicht das, was von der Kavallerie verlangt wird. Die hervorstechendste Eigenschaft eines Reiters, der "Schneid", ist gerade das, was den Russen meistenteils fehlt. So ritten die 600 englischen Dragoner mit all der Waghalsigkeit und all dem Mut wirklicher Reiter die russische Artillerie, die Kosaken, Husaren und Ulanen nieder, als sie die zahlenmäßig weit überlegenen Russen bei Balaklawa attackierten, bis sie auf die festen Kolonnen der Infanterie stießen; dann mußten sie sich zurückziehen; doch es ist noch zweifelhaft, wer in dieser Kavallerieschlacht den Namen des Siegers verdient. Hätte man eine solch sinnlose Attacke gegen irgendeine andere Armee unternommen, nicht ein Mann wäre zurückgekehrt; der Feind wäre den Angreifern in die Flanke und in den Rücken gefallen und hätte sie einzeln niedergehauen. Doch die russischen Reiter rührten sich in Erwartung der Angreifer tatsächlich nicht vom Fleck, sie wurden niedergeritten, bevor sie daran dachten, ihre Pferde in Bewegung <455> zu setzen! Wenn irgend etwas das Urteil über die reguläre russische Kavallerie sprechen könnte, so ist es gewiß eine Tatsache wie diese.

Die Artillerie ist mit einem Material unterschiedlicher Qualität ausgerüstet, aber da, wo sie gute Geschütze hat, wird sie ihre Aufgabe gut erfüllen. Sie wird im Felde große Tapferkeit beweisen, aber es wird ihr immer an Intelligenz fehlen. Eine russische Batterie, die ihre Offiziere verloren hat, taugt zu nichts; solange die Offiziere leben, kann sie nur solche Stellungen einnehmen, die durch das Reglement vorgeschrieben und damit oft unsinnig sind. In einer belagerten Festung, wo man geduldig ausharren und sich ständig der Gefahr aussetzen muß, wird sich die russische Artillerie hervortun, und zwar nicht so sehr durch genaues Zielen wie durch Pflichteifer und durch Standhaftigkeit im Feuer. Die gesamte Belagerung Sewastopols beweist das.

Bei der Artillerie und im Geniewesen jedoch sind jene gut ausgebildeten Offiziere zu finden, mit denen Rußland vor Europa prahlt und die wirklich ermutigt werden, ihre Talente frei zu entfalten. Während zum Beispiel in Preußen den besten Leuten, sobald sie Subalterne sind, gewöhnlich von ihren Vorgesetzten derart viel Hindernisse in den Weg gelegt und während alle ihre vorgeschlagenen Verbesserungen als vermessene Versuche, Neuerungen einzuführen, abgetan worden sind, so daß viele von ihnen gezwungen waren, in der Türkei ihren Dienst zu suchen, wo sie die türkische reguläre Artillerie zu einer der besten Europas gemacht haben -, so werden in Rußland all diese Leute ermutigt und machen, wenn sie sich hervortun, eine schnelle und glänzende Karriere. Diebitsch und Paskewitsch waren im Alter von 29 bzw. 30 Jahren Generale, und Todtleben avancierte bei Sewastopol in weniger als 8 Monaten vom Hauptmann zum Generalmajor.

Der große Stolz der Russen ist ihre Infanterie. Sie ist außerordentlich zuverlässig, und es wird immer unangenehm sein, sich mit ihr zu schlagen, wenn sie in Linie, in Kolonne oder hinter Brustwehren eingesetzt ist. Aber hier enden ihre gute Eigenschaften. Die Russen sind für den Dienst der leichten Infanterie fast völlig ungeeignet (die sogenannten Jäger sind nur dem Namen nach leichte Infanterie und die dem leichten Korps beigegebenen 8 Schützenbataillone die einzige wirkliche leichte Infanterie im Heer), sie sind gewöhnlich schlechte .Scharfschützen, gute, aber langsame Marschierer, und ihre Kolonnen werden im allgemeinen so schlecht placiert, daß es immer möglich sein wird, sie mit schwerem Artilleriefeuer wirkungsvoll zu belegen, bevor man sie angreift. Die "Normaldispositionen", von denen die Generale nicht abzuweichen wagen, tragen wesentlich dazu bei. An der Alma zum Beispiel richtete die britische Artillerie fürchterliche Verheerungen unter den russi- <456> schen Kolonnen an, lange bevor sich die gleichfalls schwerfällige britische Linie entwickelt, den Fluß überschritten und sich für den Angriff erneut formiert hatte. Aber selbst der Ruhm einer nicht zu erschütternden Hartnäckigkeit muß mit beträchtlichem Vorbehalt aufgenommen werden, seitdem bei Inkerman 8.000 Mann britische Infanterie in einer nicht fertig ausgebauten und nur nachlässig besetzten Stellung überrascht, im Nahkampf den 15.000 Russen länger als 4 Stunden widerstanden und jeden erneuten Angriff zurückgewiesen hatten. Diese Schlacht muß den Russen gezeigt haben, daß sie auf ihrem ureigensten Gebiet ihren Meister gefunden hatten. Es waren die Tapferkeit der britischen Soldaten und die Intelligenz und Geistesgegenwart der Unteroffiziere und Soldaten, die alle Angriffe der Russen zurückschlugen, und dieser Schlacht wegen müssen wir anerkennen, daß die Briten mit Recht die Ehre für sich in Anspruch nehmen, die beste Linieninfanterie der Welt zu sein.

Die Bekleidung der russischen Armee lehnt sich ziemlich stark an die preußische an. Ihre Ausrüstung ist sehr schlecht aufeinander abgestimmt; nicht nur das Lederzeug für das Bajonett und für die Patronentaschen ist über der Brust gekreuzt, sondern auch die Tragriemen für den Tornister. Allerdings werden gegenwärtig einige Änderungen vorgenommen, aber ob sie diesen Punkt betreffen, wissen wir nicht. Die Handfeuerwaffen sind sehr plump und sind lediglich vor kurzem mit Perkussionskappen versehen worden; das russische Gewehr ist das schwerste und unhandlichste Ding seiner Art. Das Modell des Kavalleriesäbels ist schlecht, und er ist auch schlecht gehärtet. Die neuen Geschütze, die in der Krim eingesetzt worden sind, sollen sehr gut und eine ausgezeichnete Arbeit sein; aber ob das für alle zutrifft, ist sehr zweifelhaft.

Im Grunde trägt die russische Armee noch immer den Stempel einer Einrichtung, die dem allgemeinen Entwicklungsstand des Landes voraus ist, und hat alle Nachteile und Schattenseiten solcher Treibhausprodukte. Im Kleinkrieg sind die Kosaken die einzigen Truppen, die wegen ihrer Aktivität und Unermüdlichkeit gefürchtet werden müssen, aber wegen ihrer Vorliebe fürs Trinken und Plündern sind sie für ihre Befehlshaber sehr unzuverlässig. Bei großen kriegerischen Auseinandersetzungen sind durch die langsamen Bewegungen der Russen deren strategische Manöver wenig zu fürchten, es sei denn, daß sie es mit solch sorglosen Gegnern zu tun haben, wie es die Engländer im vergangenen Herbst gewesen sind. In einer regulären Schlacht werden die Russen den Soldaten hartnäckige Gegner sein, aber den Generalen, die einen Angriff gegen sie führen, keine großen Sorgen bereiten. Die russischen Aufstellungen sind im allgemeinen sehr einfach; sie beruhen auf den <457> vorgeschriebenen Normaldispositionen und sind leicht zu erraten, während der Mangel an Intelligenz sowohl bei Generalen als auch bei Feldoffizieren und die Schwerfälligkeit der Truppen schwierige Manöver auf dem Schlachtfeld zu einem großen Risiko für sie werden lassen.

III. Die kleineren Armeen Deutschlands

Bayern hat 2 Armeekorps mit je 2 Divisionen; jede Division umfaßt 2 Infanteriebrigaden (4 Infanterieregimenter und 1 Schützenbataillon), 1 Kavalleriebrigade mit 2 Regimentern, dazu 3 Brigaden zu Fuß und 1 reitende Batterie. Jedes Armeekorps hat außerdem eine allgemeine Artilleriereserve, bestehend aus 6 Fußbatterien, sowie 1 Abteilung Sappeure und Mineure. So besteht die ganze Armee aus 16 Regimentern mit je 3 Bataillonen, dazu 6 Bataillone Schützen, also insgesamt 54 Bataillone; 2 Kürassierregimenter und 6 Regimenter leichte Dragoner, insgesamt 48 Eskadronen, 2 Regimenter Fußartillerie (aus je 6 Sechspfünder und 6 Zwölfpfünderbatterien) sowie 1 Regiment reitende Artillerie (4 Sechspfünderbatterien), insgesamt 28 Batterien mit je 8 Geschützen, macht 224 Geschütze neben 6 Kompanien Garnisonartillerie und 12 Trainkompanien; hinzu kommen 1 Ingenieurregiment mit 8 Kompanien sowie 2 Sanitätskompanien. Die gesamte Kriegsstärke beträgt 72.000 Mann neben einer Reserve und Landwehr, die jedoch keine Kader besitzen.

Für die Armee des Deutschen Bundes stellt Österreich das 1., 2. und 3. Korps, Preußen das 4., 5. und 6., Bayern das 7. Das 8. Korps wird von Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt gestellt.

Württemberg hat 8 Regimenter Infanterie (16 Bataillone), 4 Regimenter Kavallerie (16 Eskadronen), 1 Regiment Artillerie (4 Fuß- und 3 reitende Batterien mit 48 Geschützen); insgesamt etwa 19.000 Mann bei Kriegsstärke.

Baden unterhält 4 Regimenter (8 Bataillone), 2 Füsilierbataillone, 1 Schützenbataillon, insgesamt 11 Infanteriebataillone, 3 Regimenter oder 12 Eskadronen Kavallerie sowie 4 Fuß- und 5 reitende Batterien, die zusammen 40 Geschütze haben; insgesamt 15.000 Mann bei Kriegsstärke.

Hessen-Darmstadt hat 4 Regimenter oder 8 Bataillone Infanterie, 1 Regiment oder 6 Eskadronen leichte Reiterei und 3 Batterien Artillerie (1 reitende) mit 18 Geschützen; insgesamt 10.000 Mann.

Das einzig Besondere beim 7. und 8. Armeekorps ist, daß sie für die Artillerie die französischen Geschützlafetten übernommen haben. Das <458> 9. Armeekorps des Bundes wird vom Königreich Sachsen, das eine Division stellt, und von Kurhessen und Nassau gebildet, die die zweite aufbringen.

Das Kontingent Sachsens beträgt 4 Brigaden Infanterie mit je 4 Bataillonen und 1 Brigade Schützen zu 4 Bataillonen; daneben 4 Linienbataillone und 1 Schützenbataillon als Reserve, die noch nicht aufgestellt sind; 4 Regimenter leichte Reiterei mit je 5 Eskadronen; 1 Artillerieregiment gleich 6 Fuß- und 2 reitende Batterien; insgesamt 20 Bataillone Infanterie, 20 Eskadronen und 50 Geschütze, also 24.500 Mann bei Kriegsstärke. Kurhessen hat 4 Regimenter oder 8 Bataillone, dazu je 1 Bataillon Füsiliere und Schützen; 2 Eskadronen Kürassiere, 7 Eskadronen Husaren; 3 Batterien, davon 1 reitende. Insgesamt sind das 10 Bataillone, 9 Eskadronen, 19 Geschütze bzw. 12.000 Mann bei Kriegsstärke. Nassau bringt bei Kriegsstärke 7 Bataillone, 2 Batterien oder 7.000 Mann und 12 Geschütze auf.

Hannover und Braunschweig stellen für das 10. Armeekorps die 1. und Mecklenburg, Holstein, Oldenburg sowie die Hansestädte die 2. Division. Hannover stellt 8 Regimenter bzw. 16 Bataillone sowie 4 Bataillone leichte Infanterie, 6 Regimenter mit 24 Eskadronen Kavallerie sowie 4 Fuß- und 2 reitende Batterien; insgesamt 22.000 Mann und 36 Geschütze. Seine Artillerie entspricht der englischen. Braunschweig trägt 5 Bataillone bei, 4 Eskadronen und 12 Geschütze; insgesamt 5.300 Mann. Die kleinen Staaten, die die 2. Division stellen, sind nicht erwähnenswert.

Schließlich bilden die kleinsten der deutschen Duodezstaaten eine Reservedivision. Die gesamte Armee des Deutschen Bundes bei Kriegsstärke kann somit wie folgt in einer Tabelle zusammengefaßt werden:

I. Kontingente

Infanterie

Kavallerie

Geschütze

insgesamt

Österreich

73.501

13.546

192

94.822

Preußen

61.629

11.355

160

79.484

Bayern

27.566

5.086

72

35.600

8. Korps

23.369

4.308

60

30.150

9. Korps

19.294

2.887

50

24.254

10. Korps

22.246

3.572

58

28.067

Reservedivision

11.116

-

-

11.116

insgesamt

238.721

40.754

592

303.493

<459>

II. Reservekontingente

Infanterie

Kavallerie

Geschütze

insgesamt

Österreich

36.750

6.773

96

47.411

Preußen

30.834

5.660

80

39.742

Bayern

13.793

2.543

36

17.800

8. Korps

11.685

2.154

32

15.075

9. Korps

9.702

1.446

25

12.136

10. Korps

11.107

1.788

29

14.019

Reservedivision

5.584

-

-

5.584

insgesamt

119.455

20.364

298

151.767

Das sind natürlich nicht die tatsächlichen bewaffneten Kräfte des Bundes, da Preußen, Österreich und Bayern im Notfall weit mehr als die oben angegebenen Kontingente bereitstellen würden. Die Truppen des 10. Korps und der Reservedivision, vielleicht auch des 9. Korps, würden die Garnisonen bilden, um nicht durch ihre mannigfaltigen Organisationsformen und Eigenheiten die Schnelligkeit der Feldoperationen zu beeinträchtigen. Die militärischen Eigenschaften dieser Armeen sind mehr oder weniger die gleichen wie die der österreichischen und preußischen Soldaten; aber natürlich bieten diese kleinen Truppenkörper keine Gelegenheit, militärische Talente zu entwickeln, und es gibt eine Menge veralteter Einrichtungen.

In einem dritten und abschließenden Artikel werden wir die spanischen, sardinischen, türkischen und anderen Armeen Europas behandeln.

Dritter Artikel

["Putnam's Monthly" Nr. XXXVI, Dezember 1855]

I. Die türkische Armee

<460> Die türkische Armee war zu Beginn des gegenwärtigen Krieges in einem Zustand der Kampffähigkeit, den sie nie vorher erreicht hatte. Die verschiedenen Reorganisations- und Reformversuche seit dem Regierungsantritt Machmuds, seit dem Massaker der Janitscharen und besonders seit dem Frieden von Adrianopel waren zusammengefaßt und in ein System gebracht worden. Das erste und größte Hindernis - die Unabhängigkeit der Paschas, die entlegene Provinzen beherrschten - war weitgehend beseitigt, und im großen und ganzen waren die Paschas auf eine Stellung herabgedrückt worden, die etwa der eines militärischen Befehlshabers eines Bezirks entspricht. Doch ihre Ignoranz, Anmaßung und Raubgier hatte sich in voller Lebenskraft erhalten wie in den besten Tagen der Herrschaft der asiatischen Satrapen. Wenn wir auch in den letzten 20 Jahren wenig von Revolten der Paschas gehört haben, so doch genug von solchen Provinzen, die gegen ihre habgierigen Gouverneure revoltierten, die aus den Reihen der niedrigsten Haussklaven und der "Männer für jede Arbeit" stammten und die ihre neue Stellung dazu ausnutzten, sich durch Erpressungen, Bestechungsgelder und Riesenunterschlagungen öffentlicher Gelder Vermögen anzuhäufen. Es ist klar, daß bei einem solchen Stand der Dinge die Organisation der Armee zu einem großen Teil nur auf dem Papier stehen kann.

Die türkische Armee besteht aus der regulären aktiven Armee (Nisam), der Reserve (Redif), den irregulären Truppen und den Hilfskorps der Vasallenstaaten.

<461> Die Nisam besteht aus 6 Korps (Ordus), die in den Bezirken ausgehoben werden, in denen die Korps stationiert sind, ähnlich den Armeekorps in Preußen, die jeweils in der Provinz liegen, aus der sie rekrutiert werden. Insgesamt gesehen ist die Organisation der türkischen Nisam und Redif, wie wir sehen werden, dem preußischen Vorbild nachgeahmt. Die 6 Ordus haben ihre Hauptquartiere in Konstantinopel, Schumla, Toli-Monastir, Erzerum, Bagdad und Aleppo. Jedes sollte von einem Muschir (Feldmarschall) kommandiert werden und aus 2 Divisionen bzw. 6 Brigaden bestehen, die von 6 Infanterie-, 4 Kavallerieregimentern und 1 Artillerieregiment gebildet werden.

Die Infanterie und Kavallerie sind nach dem französischen System organisiert, die Artillerie nach dem preußischen.

Ein Infanterieregiment besteht aus 4 Bataillonen mit je 8 Kompanien und sollte bei voller Stärke, einschließlich der Offiziere und des Stabes, 3.250 Mann betragen oder 800 Mann pro Bataillon. Vor dem Krieg jedoch überstieg die allgemeine Stärke selten 700 Mann, und in Asien war sie fast immer viel geringer

Ein Kavallerieregiment besteht aus 4 Eskadronen Ulanen und 2 Eskadronen Jäger, wobei jede Eskadron 151 Mann haben sollte. Im allgemeinen lag die Effektivstärke hier sogar noch weiter unter der Sollstärke als bei der Infanterie.

Jedes Artillerieregiment besteht aus 6 reitenden und 9 Fußbatterien zu je 4 Geschützen, so daß es insgesamt 60 Geschütze besaß.

Jedes Korps (Ordu) sollte also 19.500 Mann Infanterie, 3.700 Mann Kavallerie und 60 Geschütze stark sein. In Wirklichkeit sind jedoch 20.000 bis 21.000 Mann insgesamt das äußerste, was je erreicht worden war.

Neben den 6 Ordus gibt es 4 Artillerieregimenter (1 der Reserve und 3 der Festungsartillerie), 2 Regimenter Sappeure und Mineure und 3 Sonderdetachements der Infanterie, die nach Candia, Tunis und Tripolis geschickt wurden, mit einer Gesamtstärke von 16.000 Mann.

Die Gesamtstärke der Nisam oder des regulären stehenden Heeres müßte daher vor dem Kriege folgende gewesen sein:

36

Regimenter Infanterie mit durchschnittl. 2.500 Mann

90.000 Mann

24

Regimenter Kavallerie mit durchschnittl. 660-670 Mann

16.000 Mann

7

Regimenter Feldartillerie

9.000 Mann

3

Regimenter Festungsartillerie

3.400 Mann

2

Regimenter Sappeure und Mineure

1.600 Mann

Detachierte Truppen

  16.000 Mann

136.000 Mann

<462> Nachdem die Soldaten 5 Jahre in der Nisam gedient haben, werden sie nach Hause entlassen und bilden für die folgenden 7 Jahre die Redif oder Reserve. Diese Reserve zählt ebenso viele Ordus, Divisionen, Brigaden, Regimenter usw. wie das stehende Heer; in der Tat ist sie für die Nisam das, was in Preußen das erste Aufgebot der Landwehr für die Linie ist, mit der einzigen Ausnahme, daß in Preußen in größeren Truppenkörpern als der Brigade Linie und Landwehr immer zusammengehören, während sie in der türkischen Organisation getrennt gehalten werden. Die Offiziere und Unteroffiziere der Redif bleiben ständig in den Depots zusammen, und einmal im Jahr wird die Redif zur Übung einberufen, dabei erhält sie die gleiche Entlohnung und Verpflegung wie die Linie. Da aber eine solche Organisation eine gut eingespielte Zivilverwaltung und eine zivilisierte Stufe der Gesellschaft voraussetzt, von denen die Türkei weit entfernt ist, kann die Redif zum großen Teil nur auf dem Papier existieren, und wenn wir deshalb für sie die gleiche Stärke wie für die Nisam rechnen, so werden wir damit sicherlich die höchstmögliche Zahl annehmen.

Die Hilfskontingente umfassen die Truppen aus:

1. den Donaufürstentümern

6.000 Mann

2. Serbien

20.000 Mann

3. Bosnien und der Herzegowina

30.000 Mann

4. Oberalbanien

10.000 Mann

5. Ägypten

40.000 Mann

6. Tunis und Tripolis

  10.000 Mann

insgesamt ungefähr:

116.000 Mann

Diesen Truppen müssen die freiwilligen Baschi-Bosuks hinzugezählt werden, die Kleinasien, Kurdistan und Syrien in großer Anzahl aufbringen kann. Sie sind die letzten Überbleibsel jener Schwärme irregulärer Truppen, die in vergangenen Jahrhunderten Ungarn überfluteten und zweimal vor Wien erschienen. Zumeist Reiterei, haben sie in 2 Jahrhunderten fast ständiger Niederlagen bewiesen, daß sie auch dem am schlechtesten ausgerüsteten europäischen Reiter unterlegen sind. Ihr Selbstvertrauen ist verschwunden, und jetzt sind sie zu nichts anderem zu gebrauchen als die Armee zu umschwärmen, wobei sie die Vorräte verzehren und verschwenden, die für die regulären Truppen bestimmt waren. Ihr Hang zum Plündern und ihre unzuverlässige Natur machen sie selbst für jenen aktiven Vorpostendienst unfähig, den die Russen von ihren Kosaken erwarten; denn die Baschi-Bosuks sind dann, wenn sie am dringendsten gebraucht werden, am wenigsten zu finden. <463> Im gegenwärtigen Kriege wurde es als zweckmäßig angesehen, ihre Stärke zu beschränken, und wir glauben nicht, daß jemals mehr als 50.000 Mann zusammengefaßt wurden.

So kann also die zahlenmäßige Stärke der türkischen Armee zu Beginn des Krieges wie folgt geschätzt werden:

Nisam

136.000 Mann

Redif

136.000 Mann

reguläre Hilfstruppen aus Ägypten und Tunis

50.000 Mann

irreguläre Hilfstruppen aus Bosnien und Albanien

40.000 Mann

Baschi-Bosuks

  50.000 Mann

insgesamt:

412.000 Mann

Von dieser Gesamtsumme muß jedoch wiederum einiges abgezogen werden. Daß die in Europa stationierten Ordus in ziemlich guter Verfassung waren und so vollzählig, wie man es in der Türkei eben erwarten kann, scheint ziemlich sicher zu sein; aber in Asien, in den entlegeneren Provinzen, wo die muselmanische Bevölkerung überwiegt, mögen zwar die Mannschaften bereitstehen, während jedoch weder Waffen noch Ausrüstung, noch Munitionslager vorhanden sind. Die Donauarmee wurde hauptsächlich aus den 3 europäischen Ordus gebildet. Sie waren der Kern dieser Armee, zu dem die europäischen Redifs, das syrische Korps oder zumindest ein beträchtlicher Teil davon sowie eine Anzahl Arnauten, Bosniaken und Baschi-Bosuks hinzukamen. Dennoch ist die übermäßige Vorsicht Omer Paschas - seine noch heute vorhandene Abneigung, die Truppen im Felde zu exponieren - der beste Beweis dafür, daß er nur ein begrenztes Vertrauen in die Fähigkeiten dieser einzigen guten regulären Armee setzt, die die Türkei je besessen hat. In Asien jedoch, wo das alte türkische System der Unterschlagung und Trägheit noch in voller Blüte stand, konnten die 2 Ordus der Nisam, sämtliche Redifs und die Masse der Irregulären zusammengenommen nicht einmal einer russischen Armee widerstehen, die zahlenmäßig weit unterlegen war; sie wurden in jeder Schlacht geschlagen, so daß am Ende des Feldzuges von 1854 die asiatische Armee der Türkei fast aufgehört hatte zu existieren. Daraus geht hervor, daß nicht nur die Organisation in ihren Details, sondern auch ein großer Teil der Truppen selbst in Wirklichkeit nicht bestanden. Die ausländischen Offiziere und Zeitungskorrespondenten in Kars und Erzerum beanstandeten immer wieder den Mangel an Waffen, Ausrüstungsgegenständen, Munition und Lebensmitteln und erklärten unmißverständlich, daß die Ursache in nichts anderem als in der Trägheit, Unfähigkeit und Raubgier der Paschas <464> lag. Die Gelder wurden diesen regelmäßig zugewiesen, aber sie steckten sie stets in ihre eigene Tasche.

Die gesamte Ausrüstung des türkischen regulären Soldaten ist von den westlichen Armeen entlehnt. Den einzigen Unterschied bildet der rote Fes oder das Käppchen, das vielleicht die am wenigsten geeignete Kopfbedeckung für dieses Klima ist, weil sie während der Sommerhitze häufig Sonnenstiche verursacht. Die Qualität der Ausrüstungsstücke ist schlecht, und die Bekleidung muß länger halten, als vorgesehen ist, da die Offiziere gewöhnlich das Geld einstecken, das für Neuanschaffungen bestimmt ist. Die Waffen sowohl für die Infanterie als auch für die Kavallerie sind minderwertig; nur die Artillerie hat sehr gute Feldgeschütze, die in Konstantinopel unter der Leitung europäischer Offiziere und Zivilingenieure gegossen worden sind.

An sich ist der Türke kein schlechter Soldat. Er ist von Natur aus tapfer, außerordentlich abgehärtet, geduldig und unter gewissen Umständen auch gehorsam. Europäische Offiziere, die einmal sein Vertrauen gewonnen haben, können sich auf ihn verlassen, wie Grach und Butler bei Silistria und Iskender Beg (Ilinski) in der Walachei feststellten. Aber das sind Ausnahmen. Im allgemeinen ist der angeborene Haß des Türken gegen den "Giaur" so unauslöschlich und seine Gewohnheiten und Vorstellungen sind von denen eines Europäers so verschieden, daß er sich, solange er als herrschende Nation im Lande verbleibt, keinem Menschen unterwerfen wird, den er im Innersten als unermeßlich tiefer stehend verabscheut. Diesen Widerwillen haben die Türken auch auf die Armeeorganisation ausgedehnt, seitdem diese nach europäischem Vorbild umgestellt wurde. Der einfache Türke haßt die Giaur-Institutionen ebensosehr, wie er die Giaurs selbst haßt. Außerdem sind dem trägen, beschaulichen, fatalistischen Türken die strenge Disziplin, die geregelte Tätigkeit, die ständige Aufmerksamkeit, die in einer modernen Armee verlangt werden, äußerst verhaßte Dinge. Sogar die Offiziere werden eher zulassen, daß die Armee geschlagen wird, als daß sie sich anstrengen und ihren Verstand benutzen. Das ist einer der schlimmsten Charakterzüge der türkischen Armee und würde allein genügen, um sie für jeden offensiven Feldzug unbrauchbar zu machen.

Die Gemeinen und Unteroffiziere werden aus Freiwilligen und durch das Los rekrutiert; für die unteren Dienstgrade der Offiziere werden manchmal Leute aus dem Mannschaftsstand befördert, doch in der Regel werden sie aus den Leibdienern und den Offiziersburschen der höheren Offiziere, den Tschibukschis und Kafeidschis, gewählt. Die Militärschulen in Konstantinopel, die nicht einmal sehr gut sind, können nicht genügend junge Leute für <465> die vakanten Stellen hervorbringen. Hinsichtlich der höheren Dienstgrade existiert eine Günstlingswirtschaft, von der die westlichen Nationen keine Vorstellung haben. Die meisten Generale sind ehemalige tscherkessische Sklaven, die Mignons irgendeines großen Mannes in den Tagen ihrer Jugend. Völlige Ignoranz, Unfähigkeit und Selbstzufriedenheit herrschen unumschränkt, und Hofintrigen sind das Hauptmittel, um zu avancieren. Im Heer wären selbst die wenigen europäischen Generale (Renegaten) nicht akzeptiert worden, wenn man sie nicht unbedingt gebraucht hätte, um zu verhüten, daß die ganze Maschinerie auseinanderfällt. So wie die Dinge liegen, wurden sie unterschiedslos angenommen, sowohl Männer mit wirklichen Verdiensten als auch reine Abenteurer.

Gegenwärtig, nach drei Feldzügen, kann man sagen, daß von der Existenz einer türkischen Armee keine Rede sein kann, ausgenommen die 80.000 Mann der eigentlichen Armee Omer Paschas, von der ein Teil an der Donau und der andere in der Krim steht. Die asiatische Armee besteht aus einem lärmenden Haufen von ungefähr 25.000 Mann, für das Feld untauglich und durch Niederlagen demoralisiert. Der übrige Teil der 400.000 Mann ist wer weiß wohin verschwunden: im Felde oder durch Krankheiten getötet, verwundet, verabschiedet oder zu Räubern geworden. Sehr wahrscheinlich wird dies überhaupt die letzte türkische Armee sein, denn sich von dem Schock zu erholen, den sie durch ihre Allianz mit England und Frankreich erlitten hat, ist mehr, als man von der Türkei erwarten kann.

Die Zeit ist vorbei, da die Kämpfe von Oltenitza und Cetate eine übertriebene Begeisterung für die türkische Tapferkeit hervorriefen. Das untätige Verharren Omer Paschas genügte, um auch über weitere militärische Fähigkeiten der Türken Zweifel zu wecken, die nicht einmal die glänzende Verteidigung von Silistria völlig zerstreuen konnte. Die Niederlagen in Asien, die Flucht aus Balaklawa, die völlig defensive Haltung der Türken in Eupatoria und ihre absolute Untätigkeit im Lager von Sewastopol haben die allgemeine Einschätzung ihrer militärischen Fähigkeiten auf ein richtiges Maß gebracht. Der Zustand der türkischen Armee war derart, daß bis dahin ein Urteil über ihren allgemeinen Wert völlig unmöglich war. Es gab ohne Zweifel einige sehr tapfere und gutgeführte Regimenter, die zu jedem Dienst fähig waren, aber sie waren in beträchtlicher Minderheit. Der großen Masse der Infanterie fehlte der Zusammenhalt, und sie war deshalb zum Felddienst untauglich, obwohl sie hinter Verschanzungen ihren Mann stand. Die reguläre Kavallerie war der jeder europäischen Macht entschieden unterlegen. Die Artillerie war bei weitem der beste Teil des Heeres, und die Regimenter der Feldartillerie hatten einen hohen Stand der Leistungsfähigkeit erreicht, <466> die Leute waren wie für ihre Aufgabe geboren, obwohl bei den Offizieren zweifellos vieles zu wünschen übrigblieb. Wie es scheint, haben die Redifs allgemein an organisatorischen Mängeln gelitten, obwohl die Leute ohne Zweifel willens waren, ihr Bastes zu tun. Von den Irregulären waren die Arnauten und Bosniaken großartige Guerillas, aber nichts weiter; sie eigneten sich am besten zur Verteidigung von Befestigungen, während die Baschi-Bosuks geradezu wertlos waren und sogar mehr als das. Das ägyptische Kontingent scheint ungefähr auf dem gleichen Niveau gewesen zu sein wie die türkische Nisam, das tunesische beinahe für alles unbrauchbar. Bei einer solch buntscheckigen Armee, die so schlecht geführt wurde und in der eine derartige Mißwirtschaft herrschte, ist es kein Wunder, daß sie in drei Feldzügen fast zugrunde gerichtet wurde.

II. Die sardinische Armee

Diese Armee besteht aus 10 Brigaden Infanterie, 10 Bataillonen Schützen, 4 Brigaden Kavallerie, 3 Regimentern Artillerie, 1 Regiment Sappeure und Mineure, einem Korps Karabiniers (Polizeitruppen) und der leichten Reiterei auf der Insel Sardinien.

Die 10 Infanteriebrigaden bestehen aus 1 Brigade Garde mit 4 Bataillonen Grenadiere und 2 Bataillonen Jäger sowie aus 9 Brigaden der Linie, das sind 18 Regimenter zu je 3 Bataillonen. Hinzu kommen 10 Bataillone Schützen (Bersaglieri), eines für jede Brigade; damit hat die sardinische Armee einen weit stärkeren Anteil gut ausgebildeter leichter Infanterie als jede andere Armee.

Außerdem gehört zu jedem Regiment 1 Depotbataillon.

Seit 1849 wurde die Stärke der Bataillone aus finanziellen Gründen sehr vermindert. Bei Kriegsstärke sollte ein Bataillon ungefähr 1.000 Mann stark sein, doch bei Friedensstärke hat es nicht mehr als 400 Mann. Die übrigen sind auf unbegrenzte Zeit beurlaubt worden.

Die Kavallerie umfaßt 4 schwere und 5 leichte Regimenter. Jedes Regiment hat 4 Feldeskadronen und 1 Ersatzeskadron. Bei Kriegsstärke sollten die 4 Feldeskadronen eines Regiments ungefähr 800 Mann umfassen, doch bei Friedensstärke sind es kaum 600.

Die 3 Regimenter Artillerie bestehen aus 1 Regiment Handwerkern und Artilleriespezialisten, 1 Regiment Garnisonartillerie (12 Kompanien) und 1 Feldartillerieregiment (6 Fuß-, 2 reitende und 2 schwere Batterien, jede zu 8 Geschützen). Die Kanonen der leichten Batterien sind Achtpfünder <467> und die Haubitzen Vierundzwanzigpfünder, die Kanonen der schweren Batterien Sechzehnpfünder; insgesamt 80 Geschütze.

Das Sappeur- und Mineurregiment hat 10 Kompanien, das sind ungefähr 1.100 Mann. Die Karabiniers (beritten und zu Fuß) sind für ein so kleines Königreich sehr zahlreich, sie betragen ungefähr 3.200 Mann. Die für den Dienst als Polizeitruppe auf der Insel Sardinien eingesetzte leichte Reiterei ist ungefähr 1.100 Mann stark.

Die sardinische Armee erreichte in dem ersten Feldzug gegen Österreich im Jahre 1848 sicherlich eine Stärke von 70.000 Mann. Im Jahre 1849 waren es nahezu 130.000 Mann. Später wurde sie auf ungefähr 45.000 Mann herabgesetzt. Wie stark sie heute ist, kann man unmöglich sagen, aber es besteht kein Zweifel, daß sie seit dem Abschluß des Vertrages mit England und Frankreich wieder verstärkt wurde.

Diese große Elastizität der piemontesischen Armee, die es ihr erlaubt, die Anzahl der unter Waffen stehenden Leute jederzeit zu erhöhen oder zu vermindern, ergibt sich aus einem Rekrutierungssystem, das dem preußischen sehr ähnlich ist, und Sardinien kann tatsächlich in vieler Beziehung das Preußen Italiens genannt werden. In den Ländern Sardiniens besteht eine ähnliche Verpflichtung für jeden Bürger, in der Armee zu dienen, wie in Preußen, wenn auch im Unterschied dazu Ersatzleute gestellt werden können. Die gesamte Dienstpflicht umfaßt wie in Preußen den aktiven Dienst und eine folgende Periode, in der der Soldat in die Reserve entlassen wird und dort verbleibt; im Kriegsfall kann er jederzeit wieder eingezogen werden. Das System ist ein Mittelding zwischen dem preußischen einerseits und dem Belgiens sowie der kleineren deutschen Staaten andrerseits. So kann bei Einberufung der Reserve die Infanterie von ungefähr 30.000 Mann auf 80.000 Mann und noch darüber erhöht werden. Die Kavallerie und Feldartillerie würde nur wenig verstärkt werden, da die Soldaten dieser Waffengattungen im allgemeinen während der gesamten Dienstzeit bei ihren Regimentern bleiben müssen.

Die piemontesische Armee ist ebensogut und kampfstark wie jede andere europäische Armee. Die Piemontesen sind klein wie die Franzosen, besonders die Infanteristen. Die Gardesoldaten erreichen im Durchschnitt nicht einmal 5 Fuß 4 Zoll, aber durch ihre ansprechende Uniform, ihre militärische Haltung, ihre kräftigen, aber agilen Gestalten und durch ihre feinen italienischen Gesichtszüge machen sie einen besseren Eindruck als manche aus größeren Leuten bestehende Armee. Die Uniformierung und Equipierung der Linien- und Gardeinfanterie richtet sich nach dem französischen Vorbild, mit Ausnahme einiger weniger, von den Österreichern übernommener <468> Details. Die Bersaglieri haben eine besondere Uniform - einen kleinen flachen Filzhut mit einem lang wallenden Federbusch aus Hahnenfedern und einen braunen Waffenrock. Die Kavallerie trägt kurze braune, bis zu den Hüften reichende Röcke. Die Infanterie ist zum größten Teil mit dem Perkussionsgewehr bewaffnet; die Bersaglieri haben kurze Tiroler Büchsen, das sind zwar gute und brauchbare Waffen, aber dem Minié-Gewehr in jeder Beziehung unterlegen. Das erste Glied der Kavallerie war mit Lanzen bewaffnet; ob das heute bei der leichten Kavallerie noch der Fall ist, können wir nicht sagen. Die reitenden Batterien und leichten Fußbatterien haben durch ihr Geschützkaliber von 8 Pfund den anderen europäischen Armeen gegenüber den gleichen Vorteil, den die Franzosen hatten, solange sie dieses Kaliber beibehielten; doch ihre schweren Sechzehnpfünderbatterien machten die sardinische Feldartillerie zur schwersten des Kontinents. Daß diese Geschütze, einmal in Stellung gebracht, ausgezeichnete Dienste leisten können, haben sie an der Tschornaja bewiesen, wo ihr exaktes Feuer beträchtlich zu dem Erfolg der Alliierten beitrug und überall bewundert wurde.

Von allen italienischen Staaten ist Piemont am besten dazu in der Lage, eine gute Armee zu schaffen. Aus den Ebenen des Po und seiner Nebenflüsse kommen vorzügliche Pferde, und dort leben schöne, hochgewachsene Menschen, die größten aller Italiener, hervorragend für den Dienst in der Kavallerie und der schweren Artillerie geeignet. In den Bergen, die diese Ebenen von drei Seiten umgeben, im Norden, Westen und Süden, wohnt ein abgehärtetes Volk, das zwar kleiner an Körpergröße, aber kräftig und beweglich ist, fleißig und scharfsinnig wie alle Bergbewohner. Sie sind es, die die Masse der Infanterie und besonders der Bersaglieri bilden, einer Truppe, die den Vincenner Jägern im Grad der Ausbildung fast gleichkommt, sie aber an körperlicher Kraft und Ausdauer sicherlich übertrifft.

Die Militäranstalten Piemonts sind im großen und ganzen sehr gut, und deshalb haben die Offiziere eine hohe Qualifikation. Noch 1846 hatten jedoch die Aristokratie und der Klerus einen großen Einfluß auf ihre Ernennung. Bis zu dieser Zeit kannte Karl Albert nur zwei Mittel des Regierens - den Klerus und die Armee. In anderen Teilen Italiens war es sogar eine allgemeine Redensart, daß von drei Leuten, denen man in Piemont auf der Straße begegnete, einer ein Soldat, der zweite ein Mönch und nur jeder dritte ein Zivilist war. Heute ist das natürlich vorbei, die Priester besitzen überhaupt keinen Einfluß; die Kriege von 1848 und 1849 haben der Armee gewisse demokratische Züge aufgeprägt, die nicht so leicht zerstört werden können, obwohl der Adel noch viele Offiziersstellen besetzt. Einige britische Krim-Korrespondenten haben in den Zeitungen berichtet, daß die piemontesischen <469> Offiziere beinahe alle "geborene Gentlemen" seien, aber dies ist durchaus nicht der Fall, und wir kennen persönlich mehr als einen piemontesischen Offizier, der vom Gemeinen aufgestiegen ist, und können mit Sicherheit behaupten, daß sich die Masse der Hauptleute und Leutnants jetzt aus Leuten zusammensetzt, die ihre Epauletten entweder durch Tapferkeit im Kampf gegen die Österreicher erworben haben oder die zumindest nicht mit der Aristokratie verbunden sind.

Das größte Kompliment, das nach unserer Auffassung der piemontesischen Armee gezollt werden kann, kommt in der Meinung zum Ausdruck, die einer ihrer ehemaligen Gegner, General Schönhals, Generalquartiermeister der österreichischen Armee in den Jahren 1848/49, ausgesprochen hat. In seinen "Erinnerungen aus dem italienischen Krieg" behandelt dieser General, einer der besten Offiziere der österreichischen Armee und ein heftiger Gegner all dessen, was in irgendeiner Weise nach italienischer Unabhängigkeit riecht, die piemontesische Armee durchweg mit dem höchsten Respekt.

"Ihre Artillerie", sagt er, "besteht aus gewählten Leuten, guten und unterrichteten Offizieren, hat ein gutes Material und ist im Kaliber der unsrigen überlegen ... Die Kavallerie ist keine verächtliche Waffe. Ihr erstes Glied ist mit Lanzen bewaffnet. Der Gebrauch dieser Waffe erfordert aber einen sehr gewandten Reiter, wir möchten daher nicht gerade sagen, daß diese Einführung direkt eine Verbesserung bedeutet. Ihre Schule der Equitation ist jedoch eine sehr gute ... Bei Santa Lucia wurde von beiden Seiten mit großer Tapferkeit gefochten. Die Piemontesen griffen mit großer Lebhaftigkeit und Ungestüm an - sowohl Piemontesen als auch Österreicher vollbrachten viele Taten großen persönlichen Mutes ... Die piemontesische Armee hat das Recht, den Tag von Novara in Erinnerung zu bringen, ohne erröten zu müssen", und so weiter.

Auch der preußische General Willisen, der einige Zeit an dem Feldzug von 1848 teilnahm und kein Freund der italienischen Unabhängigkeit ist, spricht mit Achtung von der piemontesischen Armee.

Schon seit 1848 hat eine gewisse Partei in Italien den König von Sardinien als das zukünftige Oberhaupt der gesamten Halbinsel angesehen. Obwohl wir weit davon entfernt sind, diese Meinung zu teilen, glauben wir doch, daß, wenn Italien einmal seine Freiheit wiedergewinnen wird, die piemontesischen Kräfte das bedeutendste militärische Instrument sein werden, um dieses Ziel zu erreichen, und daß sie zugleich den Kern der zukünftigen italienischen Armee bilden werden. Bevor das geschieht, wird die sardinische Armee wahrscheinlich mehr als eine innere Revolution durchmachen, doch ihre ausgezeichneten militärischen Elemente werden das alles überdauern und werden sogar noch gewinnen, wenn sie in einer wirklichen Nationalarmee aufgehen.

III. Die kleineren italienischen Armeen

<470> Die päpstliche Armee existiert fast nur auf dem Papier. Die Bataillone und Eskadronen sind niemals vollständig und bilden nur eine schwache Division. Außer dieser gibt es ein Regiment Schweizer Garde, die einzigen Truppen, welchen der Staat einiges Vertrauen schenken kann. Die Armeen Toskanas, Parmas und Modenas sind zu unbedeutend, um hier erwähnt zu werden; es möge genügen zu sagen, daß sie im ganzen gesehen nach österreichischem Muster organisiert sind. Außerdem existiert die neapolitanische Armee, für die es auch um so besser ist, je weniger man über sie spricht. Sie hat sich niemals vor dem Feind hervorgetan; ob sie für den König kämpfte wie 1799 oder für eine Verfassung wie 1821, sie hat sich immer dadurch ausgezeichnet, daß sie davongelaufen ist. Selbst in den Jahren 1848 und 1849 wurde der aus Einheimischen bestehende Teil der neapolitanischen Armee überall von den Aufständischen geschlagen, und wären die Schweizer nicht gewesen, so säße König Bomba heute nicht auf seinem Thron. Während der Belagerung Roms rückte Garibaldi mit einer Handvoll Leute gegen die neapolitanische Division vor und schlug sie zweimal. Die Friedensstärke der Armee Neapels wird auf 26.000-27.000 Mann geschätzt, aber 1848 soll sie Berichten zufolge fast 49.000 betragen haben, und bei voller Stärke sollte sie sich auf 64.000 erhöhen. Von allen diesen Truppen sind allein die Schweizer erwähnenswert. Sie bilden 4 Regimenter zu je 2 Bataillonen, und ein vollständiges Bataillon sollte 600 Mann stark sein, das sind 4.800 Mann insgesamt. Doch der Kaderbestand ist jetzt so angewachsen, daß jedes Bataillon ungefähr 1.000 Mann stark ist (das 4. oder Berner Regiment hat allein 2.150 Mann), und die Gesamtzahl kann auf nahezu 9.000 Mann geschätzt werden. Das sind wirklich erstklassige Truppen, die von Offizieren ihres eigenen Landes befehligt werden und in ihrer inneren Organisation und Verwaltung von der neapolitanischen Regierung unabhängig sind. Sie wurden erstmals 1824 oder 1825 in Sold genommen, als der König der Armee, die kurz vorher revoltiert hatte, nicht länger vertraute und es für notwendig erachtete, sich mit einer starken Leibgarde zu umgeben. Die Verträge, "Kapitulationen" genannt, wurden mit den verschiedenen Kantonen auf 30 Jahre abgeschlossen; den Truppen wurden die Schweizer Kriegsgesetze sowie die Schweizer Militärorganisation zugebilligt. Der Sold war dreimal so hoch wie der eines einheimischen neapolitanischen Soldaten. Die Truppen rekrutierten sich aus Freiwilligen aller Kantone; dort waren Rekrutierungsbüros eingerichtet. Den ausscheidenden Offizieren, den Veteranen und den Verwundeten waren Pensionen sicher. Falls der Vertrag nach Ablauf von 30 Jahren nicht erneuert werden sollte, <471> waren die Regimenter aufzulösen. Die jetzige Schweizer Verfassung verbietet die Rekrutierungen für ausländische Dienste, und deshalb wurden die Kapitulationen nach 1848 aufgehoben; man stellte das Anwerben zumindest dem Schein nach in der Schweiz ein, aber in Chiasso und anderen Orten der Lombardei wurden Depots eingerichtet, und mancher Werbeagent setzte sein Geschäft heimlich auf Schweizer Boden fort. Der neapolitanische Staat war so auf Rekruten erpicht, daß er sich nicht scheute, den Abschaum der politischen Flüchtlinge aufzunehmen, die sich damals in der Schweiz aufhielten.

Unter diesen Umständen bestätigte der König von Neapel die Privilegien, die den Schweizer Soldaten durch die Kapitulationen garantiert worden waren, und im August vergangenen Jahres, als die 30 Jahre abgelaufen waren, verlängerte er durch einen besonderen Erlaß diese Privilegien für die gesamte Zeit, in der die Schweizer in seinen Diensten stehen.

IV. Die Schweizer Armee

Die Schweiz hat kein stehendes nationales Heer. Jeder Schweizer muß, wenn er diensttauglich ist, in der Miliz dienen, und diese Masse ist dem Alter entsprechend in drei Aufgebote unterteilt (Auszug, erstes und zweites Aufgebot <Auszug, erstes und zweites Aufgebot: in "Putnam's Monthly" deutsch>). Die jungen Männer werden während der ersten Dienstjahre gesondert zur Ausbildung eingezogen und von Zeit zu Zeit in Lagern zusammengefaßt; aber jeder, der das unbeholfene Marschieren und das unerfreuliche Bild einer noch unausgebildeten Schweizer Abteilung gesehen oder sie mit ihrem Sergeanten während der Ausbildung Witze reißen gehört hat, wird gewiß sofort erkennen, daß die militärischen Qualitäten der Leute nur sehr schwach entwickelt sind. Um die soldatischen Eigenschaften dieser Miliz beurteilen zu können, haben wir nur ein Beispiel, den Sonderbundskrieg <Sonderbundskrieg: in "Putnam's Monthly" deutsch> 1847, dessen Verlauf sich durch außerordentlich geringe Verluste im Verhältnis zu den beteiligten Kräften auszeichnete. Die Organisation der Miliz liegt fast völlig in den Händen der verschiedenen Kantonregierungen, und obwohl ihre allgemeine Organisationsform durch Bundesgesetze festgelegt ist und ein Bundesstab an der Spitze des Ganzen steht, kann bei diesem System ein gewisses Durcheinander und mangelnde Einheitlichkeit nicht ausbleiben, indem es fast unumgänglich verhindert, daß genügend Vorräte angelegt, Verbesserungen eingeführt und wichtige Punkte besonders an der schwachen schweizerisch-deutschen Grenze ständig befestigt werden.

<472> Die militärisch ausgebildeten Schweizer sind wie alle Bergbewohner ausgezeichnete Soldaten, und wo sie auch als reguläre Truppen unter fremder Fahne gedient haben, kämpften sie außerordentlich gut. Da sie aber ziemlich schwer von Begriff sind, brauchen sie die Ausbildung wirklich weit nötiger als die Franzosen oder die Norddeutschen, um Selbstvertrauen und Zusammenhalt zu bekommen. Es ist möglich, daß im Falle eines ausländischen Angriffs auf die Schweiz das Nationalgefühl dies vielleicht wettmachen wird, aber selbst das ist sehr zweifelhaft. Eine reguläre Armee von 80.000 Mann und weniger wäre einer Masse von 160.000 und mehr gewachsen, die die Schweizer vorgeben aufstellen zu können. Im Jahre 1798 besiegten die Franzosen sie mit ein paar Regimentern.

Die Schweizer bilden sich auf ihre Scharfschützen viel ein. Sicherlich gibt es in der Schweiz verhältnismäßig mehr gute Schützen als in jedem anderen europäischen Land, die österreichischen alpinen Besitzungen ausgenommen. Aber wenn man sieht, daß diese sicheren Schützen, wenn sie einberufen werden, fast alle mit plumpen, gewöhnlichen Perkussionsgewehren bewaffnet sind, wird der Respekt vor den Schweizer Scharfschützen beträchtlich gemindert. Die wenigen Schützenbataillone mögen gute Schützen haben, aber ihre kurzen schweren Gewehre (Stutzen <Stutzen: in "Putnam's Monthly" deutsch>) sind im Vergleich zum Minié-Gewehr veraltet und wertlos, und die unbeholfene, langsame Art, sie mit losem Pulver aus einem Horn zu laden, würde den Schweizern nur eine geringe Chance gehen, wenn sie Truppen gegenüberstehen sollten, die mit moderneren Waffen ausgerüstet sind.

Kurz gesagt: Waffen, Ausrüstung, Organisation und Ausbildung, alles ist bei den Schweizern altmodisch und wird es sehr wahrscheinlich solange bleiben, wie die Kantonregierungen in diesen Dingen etwas zu sagen haben.

V. Die skandinavischen Armeen

Obwohl unter einer Krone vereinigt, sind die schwedische und norwegische Armee so unabhängig voneinander wie die beiden Länder, zu denen sie gehören. Im Gegensatz zur Schweiz sind beide das Beispiel für ein alpines Land mit einem stehenden Heer; die skandinavische Halbinsel ist jedoch insgesamt durch den Charakter der Landschaft und die sich daraus ergebende Kargheit sowie durch die dünne Besiedlung des Gebietes der Schweiz so verwandt, daß selbst in der militärischen Organisation beider Länder das gleiche System, und zwar das Milizsystem, vorherrscht.

<473> Schweden hat drei Truppenarten, und zwar Regimenter, die durch Freiwilligenwerbung gebildet werden (värfvade truppar), Provinzialregimenter (indelta truppar) und die Reserve. Die värfvade bestehen aus 3 Regimentern Infanterie mit 6 Bataillonen, 2 Regimentern Kavallerie und 3 Regimentern Artillerie mit 13 Fuß- und 4 reitenden Batterien und zusammen 96 Sechspfündern, 24 Zwölfpfündern und 16 Vierundzwanzigpfündern. Das sind insgesamt 7.700 Mann und 136 Geschütze. In diesen Truppen ist die Artillerie für die gesamte Armee enthalten.

Die indelta bilden 20 Provinzregimenter mit je 2 Bataillonen, einschließlich 5 gesonderten Infanteriebataillonen, und 6 Regimenter, die in ihrer Stärke zwischen 1 und 8 Eskadronen variieren. Die indelta werden auf 33.000 Mann geschätzt.

Die Reserve bildet die Masse der Armee. Falls sie einberufen wird, soll eine Stärke von 95.000 Mann erreichen.

In der Provinz Gotland gibt es außerdem eine Art Miliz, die ständig unter Waffen steht und 7.850 Mann stark ist. Sie hat 21 Kompanien und 16 Geschütze. Die gesamte schwedische Armee umfaßt also ungefähr 140.000 Mann und 150 Feldgeschütze.

Die Freiwilligen für die angeworbenen Regimenter werden im allgemeinen auf 14 Jahre verpflichtet, aber das Gesetz läßt auch Verpflichtungen auf 3 Jahre zu. Die indelta sind eine Art Miliz, die nach ihrer ersten Ausbildung auf den ihnen und ihren Familien zugeteilten Gehöften leben und nur einmal im Jahr für 4 Wochen zur Ausbildung einberufen werden. Ihre Löhnung besteht aus den Erträgen ihrer Gehöfte, aber wenn sie zusammengefaßt werden, erhalten sie eine besondere. Entschädigung. Die Offiziere bekommen in ihren Bezirken liegende Kronländereien als Lehen. Die Reserve setzt sich aus allen diensttauglichen Schweden im Alter von 20 bis zu 25 Jahren zusammen. Sie werden eine kurze Zeit ausgebildet und danach in jedem Jahr 14 Tage einberufen. So trägt also, mit Ausnahme der wenigen värfvade - und der Gotlandtruppen, der größte Teil der Armee - indelta und Reserve - in jeder Hinsicht den Charakter einer Miliz.

Die Schweden spielen in der Kriegsgeschichte eine Rolle, die in gar keinem Verhältnis zu der geringen Bevölkerungszahl steht, aus der sich ihre berühmten Armeen rekrutierten. Gustav Adolf eröffnete durch seine Verbesserungen im Dreißigjährigen Krieg eine neue Ära der Taktik; Karl XII., der mit seiner abenteuerlichen Tollkühnheit sein großes militärisches Talent verdarb, ließ diese Armeen direkt Wunder vollbringen - so zum Beispiel mit der Kavallerie Verschanzungen nehmen. In den späteren Kriegen gegen Rußland bewährten sich die schwedischen Truppen sehr gut. <474> 1813 ließ Bernadotte die Schweden soweit wie möglich die Gefahr meiden; sie waren kaum im Feuer, es sei denn ungewollt, eine Ausnahme war Leipzig, und dort machten sie nur einen unendlich kleinen Teil der Alliierten aus. Die värfvade und selbst die indelta werden zweifellos immer den Ruf des schwedischen Namens aufrechterhalten, doch die Reserve, wenn sie nicht lange vor ihrem Einsatz einberufen und ausgebildet wird, kann nur als eine Armee von Rekruten gelten.

Norwegen hat 5 Brigaden Infanterie, die 22 Bataillone mit 12.000 Mann umfassen, 1 Brigade Kavallerie, bestehend aus 3 Divisionen reitende Jäger mit 1.070 Mann, und 1 Regiment Artillerie von ungefähr 1.300 Mann, neben einer Milizreserve von 9.000 Mann; insgesamt rund 24.000 Mann. Der Charakter dieser Armee unterscheidet sich nicht sehr von dem der schwedischen; ihre einzige Besonderheit sind einige Kompanien Jäger, die mit flachen Schneeschuhen und mit Hilfe eines langen Stockes auf lappländische Art sehr schnell über den Schnee laufen.

Die dänische Armee besteht aus 23 Bataillonen Infanterie (1 Gardebataillon, 12 Linien-, 5 leichte, 5 Jägerbataillone) in 4 Brigaden, jedes Bataillon hat einen Friedensbestand von ungefähr 700 Mann, 3 Brigaden Kavallerie (3 Gardeeskadronen, 6 Dragonerregimenter mit je 4 Eskadronen, wobei eine Eskadron in Friedenszeiten 140 Mann hat); 1 Brigade Artillerie (2 Regimenter bzw. 12 Batterien mit 80 Sechspfündern und 16 Zwölfpfündern) sowie 3 Kompanien Sappeure. Insgesamt sind das 16.630 Mann Infanterie, 2.900 Mann Kavallerie, 2.900 Mann Artillerie und Sappeure sowie 96 Geschütze.

Für den Kriegsstand wird jede Kompanie auf 200, das heißt das Bataillon auf 800 und jede Eskadron auf 180 Mann erhöht, und die Linie wächst auf insgesamt 25.500 Mann an. Außerdem können 32 Bataillone, 24 Eskadronen und 6 Batterien der Reserve einberufen werden, die eine Stärke von 31.500 Mann repräsentieren und die Gesamtstärke auf ungefähr 56.000 oder 57.000 Mann bringen. Selbst diese können jedoch im Notfall noch verstärkt werden, so konnte das eigentliche Dänemark allein, ohne Holstein und Schleswig, während des letzten Krieges 50.000-60.000 Mann aufbringen, und jetzt sind die Herzogtümer wieder der Aushebung durch die Dänen unterworfen.

Die Armee wird durch das Los aus den jungen Männern im Alter von 22 Jahren aufwärts rekrutiert. Die Dienstzeit beträgt 8 Jahre, aber in Wirklichkeit bleiben die Artilleristen 6 Jahre, die Infanteristen der Linie nur 4 Jahre beim Regiment, während sie für den Rest der Zeit zur Reserve gehören. Vom 30. bis zum 38. Lebensjahr bleiben die Soldaten im ersten und dann bis zum 45. Jahr im zweiten Aufgebot der Miliz. Das ist alles sehr schön <475> gedacht, aber in einem Krieg gegen Deutschland würde sich nahezu die Hälfte der Truppen - die aus den Herzogtümern - auflösen und die Waffen gegen ihre jetzigen Kameraden erheben. Gerade diese starke Durchsetzung mit Schleswig-Holsteinern schwächt die dänische Armee so sehr und macht sie bei Zusammenstößen mit Dänemarks mächtigstem Nachbar in Wirklichkeit beinahe null und nichtig.

Die dänische Armee ist seit ihrer Reorganisation 1848/49 gut ausgerüstet, gut bewaffnet und insgesamt auf einen sehr respektablen Stand gebracht worden. Der Däne aus dem eigentlichen Dänemark ist ein guter Soldat und zeigte in fast jedem Treffen des dreijährigen Krieges eine sehr gute Haltung; doch der Schleswig-Holsteiner ist ihm entschieden überlegen. Das Offizierskorps ist im großen und ganzen gut, aber es hat zu viel Aristokratie und zu wenig wissenschaftliche Ausbildung. Ihre Berichte sind liederlich und ähneln denen der britischen Armee, der die dänischen Truppen auch in ihrer mangelnden Beweglichkeit verwandt zu sein scheinen; doch haben sie in letzter Zeit nicht bewiesen, daß sie solche unerschütterliche Standhaftigkeit besitzen wie die Sieger von Inkerman. Die Schleswig-Holsteiner gehören ohne Zweifel zu den besten Soldaten in Europa. Sie sind ausgezeichnete Artilleristen und so kaltblütig im Kampf wie die Engländer, ihre Vettern. Obwohl sie aus dem Flachland stammen, sind sie sehr gute leichte Infanteristen; ihr erstes Schützenbataillon hätte sich im Jahre 1850 mit jeder Truppe seiner Art messen können.

VI. Die holländische Armee

Die holländische Armee umfaßt 36 Bataillone Infanterie in 9 Regimentern mit insgesamt 44.000 Mann; 4 Regimenter Dragoner, aus 20 Eskadronen zusammengesetzt; 2 Eskadronen reitende Jäger sowie 2 Eskadronen Gendarmen, das sind insgesamt 24 Eskadronen Kavallerie mit 4.400 Mann; 2 Regimenter Feldartillerie (5 Fußbatterien Sechspfünder, 6 Fußbatterien Zwölfpfünder, 2 reitende Batterien Sechspfünder und 2 reitende Batterien Zwölfpfünder mit insgesamt 120 Geschützen) und 1 Bataillon Sappeure, zusammen 58.000 Mann, außerdem einige Regimenter in den Kolonien. Aber diese Stärke hat die Armee in Friedenszeiten nicht immer. Unter Waffen bleibt nur ein Stamm, der aus Offizieren, Subalternen und einigen wenigen Freiwilligen besteht. Die große Masse wird, trotz ihrer Verpflichtung, 5 Jahre zu dienen, in ein paar Monaten ausgebildet, dann entlassen und jedes Jahr nur für wenige Wochen einberufen. Außerdem gibt es eine Art Reserve in drei Aufgebeten, die alle dienstfähigen Männer im Alter von 20 bis 35 Jahren <476> umfaßt. Das erste Aufgebot besteht aus ungefähr 53 und das zweite aus 29 Bataillonen Infanterie und Artillerie. Aber diese Truppen sind überhaupt nicht organisiert und können selbst kaum als Miliz angesehen werden.

VII. Die belgische Armee

Die belgische Armee hat 16 Regimenter Infanterie, die außer 1 Reservebataillon für jedes Regiment 49 Bataillone umfassen; insgesamt 46.000 Mann. Die Kavallerie besteht aus 2 Jäger-, 2 Ulanen-, 2 Kürassierregimentern und 1 Regiment Guiden <eine Art Feldjäger>, das sind zusammen 38 Eskadronen, außer 7 Reserveeskadronen; insgesamt 5.800 Mann. Die Artillerie umfaßt 4 Regimenter (4 reitende, 15 Fuß- und 4 Depotbatterien sowie 24 Garnisonkompanien) mit 152 Geschützen, und zwar Sechs- und Zwölfpfündern; die Sappeure und Mineure, 1 Regiment, sind 1.700 Mann stark. Die Gesamtstärke ohne Reserve beträgt 62.000 Mann; durch die Reserve kann sie, wie eine kürzliche Einberufung erwies, auf 100.000 erhöht werden. Die Armee wird durch das Los rekrutiert, und die Dienstzeit beträgt 8 Jahre, aber ungefähr die Hälfte der Zeit wird der Soldat beurlaubt. Die wirkliche Friedensstärke wird deshalb kaum 30.000 Mann erreichen.

VIII. Die portugiesische Armee

Die portugiesische Armee bestand im Jahre 1850 aus folgenden Truppen:

Friedensstärke

Kriegsstärke

Infanterie

18.738

40.401

Kavallerie

3.508

4.676

Artillerie

2.707

4.098

Genietruppen und Stab

728

495

25.681

49.670

Die Artillerie besteht aus 1 Feldregiment mit 1 reitenden Batterie und 7 Fußbatterien, 3 Regimentern Positions- und Festungsartillerie und 5 detachierten Bataillonen auf den Inseln. Sie hat ein Kaliber von 6 und 12 Pfund.

IX. Die spanische Armee

<477> Von allen europäischen Armeen wird der spanischen aus besonderen Gründen von den Vereinigten Staaten großes Interesse entgegengebracht. Wir behandeln daher zum Abschluß dieser Übersicht der militärischen Kräfte Europas diese Armee detaillierter, als dies ihrer Bedeutung nach im Vergleich zur Armee ihrer Nachbarn auf der anderen Seite des Atlantik gerechtfertigt zu sein scheint.

Die spanischen Streitkräfte bestehen aus der Festlandsarmee und den Kolonialarmeen.

Die Festlandsarmee umfaßt 1 Regiment Grenadiere, 45 Regimenter der Linie mit je 3 Bataillonen, 2 Regimenter mit je 2 Bataillonen in Céuta und 18 Bataillone cazadores, das heißt Schützen. Alle diese 160 Bataillone hatten im Jahre 1852 eine Effektivstärke von 72.670 Mann, die dem Staat jährlich 82.692.651 Realen oder 10.336.581 Dollar kosteten. Die Kavallerie bestand im Jahre 1851 aus 16 Regimentern Karabiniers oder Dragonern und Ulanen mit je 4 Eskadronen, dazu 11 Eskadronen cazadores oder leichte Reiterei. Insgesamt sind das 12.000 Mann, die 17.549.562 Realen oder 2.193.695 Dollar kosten.

Die Artillerie besteht aus 5 Regimentern Fußartillerie mit je 3 Brigaden, 1 für jeden Bezirk der Monarchie, außerdem 5 Brigaden schwere, 3 Brigaden reitende und 3 Brigaden Gebirgsartillerie, zusammen 26 Brigaden oder, wie sie jetzt genannt werden, Bataillone. Bei der reitenden Artillerie hat das Bataillon 2, bei der Gebirgs- und Fußartillerie 4 Batterien; insgesamt 92 Fuß- und 6 reitende Batterien mit 588 Feldgeschützen.

Die Sappeure und Mineure bilden 1 Regiment von 1.240 Mann.

Die Reserve besteht aus einem Bataillon (Nr. 4) für jedes Infanterieregiment und einer Ersatzeskadron für jedes Kavallerieregiment.

Die Gesamtstärke - wie sie auf dem Papier stand - betrug im Jahre 1851 103.000 Mann, im Jahre 1843, als Espartero gestürzt wurde, erreichte sie nur 50.000, aber Narváez vergrößerte sie einmal auf über 100.000 Mann. Im Durchschnitt werden 90.000 Mann unter Waffen das Höchste sein.

Die Kolonialarmeen sind folgende:

1. Die Armee von Kuba: 16 Regimenter kampferprobte Infanterie, 4 Kompanien Freiwillige, 2 Regimenter Kavallerie, 2 Bataillone mit 4 Fußbatterien und 1 Bataillon mit 4 Batterien Gebirgsartillerie, 1 Bataillon reitender Artillerie mit 2 Batterien sowie 1 Bataillon Sappeure und Mineure. Außer diesen Linientruppen gibt es eine milicia disciplinada <Disziplinarmiliz (bestehend aus Strafabteilungen)> mit 4 Bataillonen und 4 Eska- <478> dronen sowie eine milicia urbana <städtische Miliz> mit 8 Eskadronen, das sind zusammen 37 Bataillone, 20 Eskadronen und 84 Geschütze. Während der letzten Jahre wurde diese stehende kubanische Armee durch zahlreiche Truppen aus Spanien verstärkt, und wenn wir ihre ursprüngliche Stärke mit 16.000 oder 18.000 Mann annehmen, so werden jetzt vielleicht 25.000 oder 28.000 Mann in Kuba sein. Doch ist das lediglich eine Schätzung.

2. Die Armee von Portorico: 3 Bataillone kampferprobte Infanterie, 7 Bataillone Disziplinarmiliz, 2 Bataillone einheimische Freiwillige, 1 Eskadron dieser Freiwilligen und 4 Batterien Fußartillerie. Der vernachlässigte Zustand der meisten spanischen Kolonien erlaubt keine Schätzung der Stärke dieses Korps.

3. Die Philippinen haben 5 Regimenter Infanterie mit je 8 Kompanien; 1 Regiment Jäger von Luzon; 9 Fußbatterien, 1 reitende und 1 Gebirgsbatterie. 9 Abteilungen mit 5 Bataillonen einheimische Infanterie und andere Provinzialabteilungen, die vorher bestanden, wurden im Jahre 1851 aufgelöst.

Die Armee wird durch das Los rekrutiert, und es ist erlaubt, Ersatzleute zu stellen. Jedes Jahr wird ein Kontingent von 25.000 Mann ausgehoben, doch 1848 wurden drei Kontingente, das heißt 75.000 Mann, einberufen.

Die spanische Armee verdankt ihre jetzige Organisation vor allem Narváez, obwohl das Reglement Karls III. aus dem Jahre 1768 immer noch ihre Grundlage bildet. Narváez hatte den Regimentern ihre alten Provinzialfahnen, die alle verschieden waren, weggenommen und die spanische Fahne in der Armee eingeführt! Auf dieselbe Weise hatte er die alte provinzielle Organisation zerstört, [die Armee] zentralisiert und die Einheit wiederhergestellt. Er wußte aus Erfahrung allzugut, daß in einer Armee, die beinahe nie bezahlt, sogar selten eingekleidet und verpflegt worden war, das Geld der Hauptangelpunkt ist, und deshalb versuchte er auch, eine größere Regelmäßigkeit in die Besoldung und finanzielle Verwaltung der Armee zu bringen. Ob er alles das erreichte, was ihm vorschwebte, ist unbekannt; aber jede Verbesserung, die von ihm in dieser Hinsicht durchgeführt wurde, ging unter der Verwaltung durch Sartorius und dessen Nachfolger schnell verloren. Der normale Zustand "keine Löhnung, keine Verpflegung, keine Bekleidung" wurde in seinem vollen Glanz wiederhergestellt, und die Soldaten liefen in Lumpen und ohne Schuhe herum, während die höheren und die Stabsoffiziere in Röcken einherstolzierten, die von Gold- und Silberlitzen strotzten, oder sogar Phantasieuniformen anlegten, die man in keinem Reglement finden konnte. <479> Wie der Zustand dieser Armee vor 10 oder 12 Jahren war, beschreibt ein englischer Autor folgendermaßen:

"Das Auftreten der spanischen Truppen ist im höchsten Grade unsoldatisch. Der Posten schlendert seine Runde auf und ab, und der Tschako fällt ihm beinahe vom Hinterkopf, das Gewehr nachlässig über die Schultern gehängt, singt er eine heitere Seguidilla <Tanzlied> mit der größten sans façon <(ohne Umstände; hier:) Unbekümmertheit> der Welt frei heraus. Ihm fehlen nicht selten ganze Uniformstücke, oder sein Regimentsrock und dessen untere Fortsetzung sind so hoffnungslos zerfetzt, daß der schieferfarbene Soldatenmantel selbst im schwülen Sommer als Hülle dienen muß; bei jedem Dritten lösen sich die Schuhe in ihre Bestandteile auf, und die nackten Zehen der Männer schauen hervor - so herrlich sieht in Spanien das vida militar <Leben des Soldaten> aus."

Eine von Serrano erlassene Verordnung vom 9. September 1843 schreibt vor:

"Alle Offiziere und Kommandeure der Armee haben sich künftig in der Öffentlichkeit in der Uniform ihres Regiments und mit dem dem Reglement entsprechenden Degen zu zeigen, wenn sie nicht in Zivilkleidern erscheinen. Alle Offiziere dürfen auch nur die entsprechenden Rangabzeichen tragen und keine anderen als die vorgeschriebenen und niemals wieder diese eigenmächtigen Auszeichnungen und den lächerlichen Aufputz zur Schau stellen, mit dem sich einige auszuschmücken beliebten."

Soviel zu den Offizieren. Jetzt zu den Soldaten.

"Brigadegeneral Cordova hat in Cadiz unter seinem Namen eine Geldsammlung begonnen, um einen Fonds zu schaffen, damit jedem der tapferen Soldaten des asturischen Regiments ein Paar Tuchhosen geschenkt werden kann!"

Diese finanzielle Unordnung erklärt, wie es möglich war, daß die spanische Armee seit 1808 fast ununterbrochen rebelliert hat. Doch die wahren Ursachen liegen tiefer. Durch den langen und ohne Unterbrechung geführten Krieg mit Napoleon erlangten die verschiedenen Armeen und ihre Befehlshaber wirklichen politischen Einfluß, und das gab ihnen zunächst einen prätorianischen Zug. Aus der revolutionären Periode waren noch viele energische Männer in der Armee; die Einbeziehung der Guerillas in die regulären Streitkräfte verstärkte dieses Element sogar. So waren die Soldaten und die niedrigen Ränge durchaus noch von revolutionären Traditionen durchdrungen, während die Offiziere an ihren prätorianischen Ansprüchen festhielten. Unter diesen Umständen wurde der Aufstand 1819 bis 1823 regulär vorbereitet, und später, in den Jahren 1833 bis 1834 brachte der Bürgerkrieg die Armee und ihre Führer erneut in den Vordergrund. Da die spanische Armee von <480> allen Parteien als Werkzeug benutzt worden war, wäre es nicht verwunderlich, würde sie selbst eine Zeitlang die Herrschaft übernehmen.

"Die Spanier sind ein kriegerisches, aber kein soldatisches Volk", erklärte Abbé de Pradt. Von allen europäischen Nationen haben sicherlich sie die größte Abneigung gegen militärische Disziplin. Dennoch ist es möglich, daß die Nation, die mehr als hundert Jahre lang wegen ihrer Infanterie berühmt war, einmal wieder eine Armee haben wird, auf die sie stolz sein kann. Doch um das zu erreichen, muß nicht nur das militärische System, sondern mehr noch das öffentliche Leben reformiert werden.


Fußnoten

(1) Als ein Beispiel beziehen wir uns auf das Werk über Feuerwaffen von Oberst Chesney, der als einer der besten Artillerieoffiziere in Großbritannien gilt. <=

(2) Siehe Sir W[illiam] Napier, Krieg auf der Pyrenäenhalbinsel <=