Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 168-169.

1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.

Karl Marx/Friedrich Engels

Ayacucho

 Geschrieben zwischen 21. September und 23. Oktober 1857.
Aus dem Englischen.


["The New American Cyclopædia", Band II]

<168> Ayacucho - Departement in der Republik Peru; Einwohnerzahl 131.921. In der Nähe seiner wichtigsten Stadt, die ebenfalls Ayacucho heißt, wurde die Schlacht geschlagen, die endgültig die Unabhängigkeit Spanisch-Südamerikas sicherte.

Nach der Schlacht von Junin (6. August 1824) versuchte der spanische Vizekönig, General la Serna, durch verschiedene Manöver die Kommunikationen der Armee der Aufständischen unter General Sucre abzuschneiden. Als er damit keinen Erfolg hatte, zog er schließlich seinen Gegner auf die Ebene von Ayacucho, wo die Spanier eine Verteidigungsstellung auf einer Höhe bezogen hatten. Sie zählten 13 Bataillone Infanterie, dazu Artillerie und Kavallerie, insgesamt 9.310 Mann. Am 8. Dezember 1824 kamen die Vorhuten beider Armeen ins Treffen, und am folgenden Tag rückte Sucre mit 5.780 Mann zum Angriff vor. Die zweite kolumbianische Division unter General Cordoba griff den linken Flügel der Spanier an und brachte ihn sogleich in Verwirrung. Die peruanische Division unter General La Mar stieß am linken Flügel auf hartnäckigeren Widerstand und konnte nicht vorrücken, solange die Reserven unter General Lara nicht herangekommen waren. Da der Feind nun überall zurückwich, wurde die Kavallerie zur Verfolgung eingesetzt, welche die spanische Reiterei zerstreute und die Niederlage der Infanterie vollkommen machte. Die Spanier hatten unter den Gefallenen sechs Generale und verloren insgesamt 2.600 Mann an Toten, Verwundeten und Gefangenen, unter den letzteren befand sich der Vizekönig. Die Verluste der Südamerikaner betrugen ein General und 308 Offiziere und Soldaten an Toten und 520 Verwundete, unter ihnen sechs Generale. Am nächsten Tage unterschrieb General Canterac, an den das Kommando der spanischen Armee übergegangen war, die Kapitulation, derzufolge nicht nur er und alle seine Truppen zu Kriegsgefangenen erklärt wurden, sondern auch alle spanischen Truppen in Peru, alle militäri- <169> schen Einrichtungen, die Artillerie und die Magazine sowie ganz Peru, so weit es noch in den Händen der Spanier war (Cuzco, Arequipa, Puno, Quilca etc.), den Aufständischen übergeben werden mußten. Die Truppen, die somit als Kriegsgefangene übergeben wurden, beliefen sich insgesamt auf fast 12.000 Mann. Damit war die spanische Herrschaft endgültig gebrochen, und am 25. August 1825 proklamierte der Kongreß von Chuquisaca die Unabhängigkeit der Republik Bolivien.

Mit "Ayacuchos" bezeichnete man in Spanien Espartero und seine militärischen Kampfgefährten. Ein Teil der um ihn gruppierten Militärkamarilla hatte mit ihm zusammen am Krieg gegen die südamerikanische Insurrektion teilgenommen, wo sie nicht nur durch ihre Waffenbrüderschaft, sondern auch durch die ihnen gemeinsame Abenteuerlust miteinander verbunden waren und sich noch während des Krieges verpflichtet hatten, einander nach ihrer Rückkehr nach Spanien auch in politischen Dingen zu unterstützen. Diese Verpflichtung haben sie, sehr zu ihrem gegenseitigen Vorteil, gewissenhaft eingehalten. Der Spitzname "Ayacuchos" war eine Anspielung darauf, daß Espartero und seine Anhänger wesentlich zu dem unglücklichen Ausgang dieser Schlacht beigetragen hätten. Das ist indessen falsch, obwohl diese Version so emsig verbreitet worden ist, daß ihr sogar heute noch in Spanien allgemein Glauben geschenkt wird. Espartero war bei der Schlacht von Ayacucho nicht nur nicht dabei, sondern er war nicht einmal in Amerika, als sie geschlagen wurde, denn er befand sich auf der Überfahrt nach Spanien, wohin ihn Vizekönig la Serna mit Depeschen für Ferdinand VII. geschickt hatte. Er hatte sich am 5. Juni 1824 in Quilca auf der britischen Brigg "Tiber" eingeschifft, kam am 28. September in Cadiz und am 12. Oktober in Madrid an und segelte dann von Bordeaux aus an demselben 9. Dezember 1824 wieder nach Amerika ab, an dem die Schlacht von Ayacucho ausgetragen wurde. (Siehe Don José Segundo Florez: "Espartero", Madrid 1844, 4 Bd., und Principe: "Espartero", Madrid 1848).