Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 245-246.

1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.

Friedrich Engels

Blindheim

Geschrieben um den 28. Januar 1858.
Aus dem Englischen.


["The New American Cyclopædia", Band III]

<245> Blindheim bzw. Blenheim - ein Dorf etwa 23 Meilen von Augsburg in Bayern, der Schauplatz einer großen Schlacht, die am 13. August 1704 zwischen den Engländern und Österreichern unter Marlborough und Prinz Eugen und den Franzosen und Bayern unter Marschall Tallard, Marsin und dem Kurfürsten von Bayern <Maximilian II. Emanuel> geschlagen wurde. Da die österreichischen Staaten durch eine direkte Invasion seitens Deutschlands bedroht waren, eilte Marlborough ihnen aus Flandern zu Hilfe. Die Alliierten einigten sich, in Italien, den Niederlanden und am Niederrhein in der Defensive zu bleiben und alle ihre verfügbaren Truppen an der Donau zu konzentrieren. Nach der Erstürmung der bayrischen Verschanzungen auf dem Schellenberg überschritt Marlborough die Donau und vereinigte sich mit Eugen, wonach beide sofort zum Angriff auf den Feind losmarschierten. Sie stießen auf ihn hinter dem Sumpfgebiet des Nebelflusses, von den stark besetzten Dörfern Blindheim und Kitzingen flankiert. Die Franzosen hielten den rechten Flügel besetzt, die Bayern den linken. Ihre Schlachtlinie war nahezu fünf Meilen breit; jede Armee hatte ihre Kavallerie an den Flanken, so daß ein Teil des Zentrums von der französischen wie von der bayrischen Kavallerie gebildet wurde. Trotzdem war nach den damals geltenden Regeln der Taktik die Position noch nicht richtig bezogen worden. Die Masse der französischen Infanterie, 27 Bataillone, war in Blindheim zusammengedrängt, demzufolge in einer Position, welche für Truppen damaliger Organisation, die nur für den Kampf in Linie auf freiem Felde verwendet wurden, völlig hoffnungslos war. Der Angriff der Engländer und Österreicher überraschte sie jedoch in dieser gefährlichen Lage, und Marlborough nutzte sehr bald alle Vorteile, die die Gelegenheit ihm bot. Nachdem er Blindheim vergeblich angegriffen hatte, zog er plötzlich seine <246> Hauptmacht zum Zentrum zusammen und durchbrach mit ihr das Zentrum seines Gegners. Eugen wurde leicht mit den auf diese Weise isolierten Bayern fertig und nahm die allgemeine Verfolgung auf, während Marlborough, nachdem er den in Blindheim eingeschlossenen 18.000 Franzosen den Rückweg vollkommen abgeschnitten hatte, diese zur Niederlegung der Waffen zwang. Unter ihnen befand sich Marschall Tallard. Die Gesamtverluste der Franzosen und Bayern betrugen 33.000 Tote, Verwundete und Gefangene, die der Sieger etwa 11.000 Mann. Die Schlacht entschied den Feldzug, Bayern fiel in die Hände der Österreicher, und das Prestige Ludwigs XIV. war dahin.

Diese Schlacht ist in bezug auf die Taktik höchst interessant, da sie sehr deutlich den immensen Unterschied zwischen der damaligen und heutigen Taktik zeigt. Gerade der Umstand, den man jetzt als einen der größten Vorteile für eine Verteidigungsstellung ansehen würde, nämlich der Besitz zweier Dörfer vor den Flanken, war mit Truppen des 18. Jahrhunderts die Ursache der Niederlage. Zu jener Zeit war die Infanterie für ein derartiges Scharmutzieren und einen scheinbar irregulären Kampf, die heute ein von guten Truppen besetztes Dorf mit Steinhäusern nahezu uneinnehmbar machen, vollkommen unfähig. Diese Schlacht wird in Frankreich und auf dem Kontinent gewöhnlich die Schlacht bei Hochstädt genannt, nach einem in der Nähe liegenden Städtchen dieses Namens, das bereits durch eine am 20. September des vorhergehenden Jahres dort geführte Schlacht bekannt wurde.