Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 469-489.

1. Korrektur
Erstellt am 31.08.1998.

VI. Vogt und die "Neue Rheinische Zeitung" | Inhalt | VIII. Dâ-Dâ Vogt und seine Studien

VII. Die Augsburger Kampagne


<469> Kurz nachdem der Kantonbürger von Thurgau seinen italienischen Krieg beendet hatte, eröffnete der Kantonbürger von Bern seine Augsburger Kampagne.

"Dort" (zu London) "war es von jeher die Marxsche Clique, welche den größten Teil der Korrespondenzen" (der 'Allgemeinen Zeitung') "besorgte und seit dem Jahre 1849 ununterbrochen mit der 'Allgemeinen Zeitung' in Beziehung stand." (p. 194 d. "Hptb.".)

Obgleich Marx selbst erst seit Ende 1849, nämlich seit seiner zweiten Ausweisung aus Frankreich, in London haust, scheint die "Marxsche Clique" von jeher in London gehaust zu haben, und obgleich die Marxsche Clique "von jeher den größten Teil der Korrespondenzen der 'Allgemeinen Zeitung' besorgt" hat, so stand sie dennoch erst "seit dem Jahre 1849 ununterbrochen" mit der "Allgemeinen Zeitung" "in Beziehung". Jedenfalls zerfällt die Vogtsche Chronologie - und dies ist nicht zu verwundern, da der Mann vor 1848 "noch nicht an politische Beschäftigung dachte" (p. 225, l.c.) - in zwei große Perioden, nämlich die Periode "von jeher" bis 1849 und die Periode von 1849 bis zu "diesem" Jahr.

Ich redigierte von 1842 bis 1843 die alte "Rheinische Zeitung", die der "Allgemeinen Zeitung" einen Krieg auf Leben und Tod machte. Von 1848 bis 1849 eröffnete die "Neue Rheinische Zeitung" die Polemik wieder. Was bleibt also für die Periode "von jeher bis 1849" außer der Tatsache, daß Marx "von jeher" die "Allgemeine Zeitung" bekämpfte, während Vogt, von 1844 bis 1847, ihr "ständiger Mitarbeiter" war? (S. p. 225 d. "Hptb.".)

Nun zur zweiten Periode der Vogtschen Weltgeschichte.

Ich stand von London aus "ununterbrochen mit der 'Allgemeinen Zeitung' in Beziehung", "ununterbrochen seit dem Jahre 1849", weil "vom Jahre 1852" ein gewisser Ohly Londoner Hauptkorrespondent der "Allgemeinen Zeitung" war. Ohly stand nun zwar in keiner Beziehung zu mir, weder vor noch nach 1852. Ich habe ihn nie in meinem Leben gesehn. Soweit er über- <470> haupt in der Londoner Flüchtlingsschaft figurierte, war es als Mitglied des Kinkelschen Emigrationsvereins. Dies ändert jedoch nichts an der Sache, denn:

"Früheres Orakel des englisch gelernt habenden Altbayern Altenhöfer war mein" (Vogts) "engerer Landsmann, der blonde Ohly, der von kommunistischer Grundlage aus höhere poetische Standpunkte in Politik und Literatur zu gewinnen suchte und anfangs in Zürich, vom Jahre 1852 aber in London so lange Hauptkorrespondent der 'Allgemeinen Zeitung' war, bis er endlich im Irrenhause endete." (p. 195 d. "Hptb,".)

Mouchard Edouard Simon verwelscht diese Vogtiade, wie folgt:

"En voici d'abord un qui de son point de départ communiste, avait cherché à s'élever aux plus hautes conceptions de la politique."' ("Höhere poetische Standpunkte in Politik" ging über die Kräfte selbst eines Edouard Simon,) "A en croire M. Vogt, cet adepte fut l'oracle de la Gazette d'Augsbourg jusqu'en 1852, époque ou il mourut dans une maison de fous."' (p. 529, "Revue contemporaine", Band XIII, Paris 1860.)

<"Wir haben es da vor allem mit einem Mann zu tun, der, anfänglich Kommunist, sich zu höheren Auffassungen von der Politik zu erheben versucht hatte." - "Wenn man Herrn Vogt glauben darf, war dieser Zauberkünstler das Orakel der 'Augsburger Zeitung' bis 1852, dem Zeitpunkt, wo er in einem Irrenhaus starb."

"Operam et oleum perdidi", kann Vogt von seinem "Hauptbuch" und seinem Ohly ausrufen. Während er selbst seinen "engeren Landsmann" von 1852 aus London mit der "Allgemeinen Zeitung" korrespondieren läßt, bis er "endlich im Irrenhause endet", sagt Edouard Simon, "wenn man Vogt glaube, sei Ohly das Orakel der 'Allgemeinen Zeitung' gewesen bis 1852, zu welcher Epoche er" (der nebenbei bemerkt noch lebt) "in einem Irrenhause starb." Aber Edouard Simon kennt seinen Karl Vogt, Edouard weiß, daß, wenn man sich einmal entschließt, seinem Karl zu "glauben", es ganz und gar gleichgültig ist, was man ihm glaubt, das, was er sagt, oder das Gegenteil von dem, was er sagt.

"Herr Liebknecht", sagt Karl Vogt, "ersetzte ihn", nämlich den Ohly, "als Korrespondent in der 'Allgemeinen Zeitung'." "Erst seitdem Liebknecht öffentlich als Mitglied der Marxschen Partei proklamiert war, wurde er von der 'Allgemeinen Zeitung' als Korrespondent aufgenommen." (p. 169, l.c.)

Jene Proklamation fand statt während des Kölner Kommunistenprozesses, also Ende 1852.

In der Tat wurde Liebknecht im Frühling 1851 Mitarbeiter am "Morgenblatt", worin er über die Londoner Industrieausstellung berichtete. Durch die Vermittlung des "Morgenblatts" erhielt er im September 1855 die Korrespondenz für die "Allgemeine Zeitung".

<471> "Seine" (Marx') "Genossen schreiben keine Zeile, wovon er nicht vorher in Kenntnis gesetzt worden wäre." (p. 194, l.c.)

Der Beweis ist einfach: "Er" (Marx) "beherrscht seine Leute unbedingt" (p. 195), während Vogt seinem Fazy und Konsorten unbedingt gehorcht. Wir stoßen hier auf eine Eigentümlichkeit der Vogtschen Mythenbildung. Überall Gießner oder Genfer Zwergmaßstab, kleinstädtischer Rahmen und Schweizer Kneipenduft. Winkelgemütliche Klüngelwirtschaft naiv von Genf nach der Weltstadt London übertragend, läßt er den Liebknecht "keine Zeile" im Westend schreiben, wovon ich in Hampstead, vier Meilen ab, "nicht vorher in Kenntnis gesetzt worden wäre". Und denselben La Guéronnière-Dienst leiste ich täglich einer Schar andrer über ganz London zerstreuter und in alle Welt korrespondierender "Genossen". Welch erquickender Lebensberuf und - wie einträglich!

Vogts Mentor Edouard Simon, zwar nicht mit Londoner, doch wenigstens mit Pariser Verhältnissen vertraut, gibt mit unverkennbarem Künstlertakt der Zeichnung seines unbeholfenen "Freundes vom Lande" einen großstädtischen Schwung:

"Marx, comme chef de la société, ne tient pas lui-même la plume, mais ses fidèles n'écrivent pas une ligne sans l'avoir consulté: La Gazette d'Augsbourg sera d'autant mieux servie." (p. 529, l.c.) Also "Marx, als Chef der Gesellschaft, schreibt nicht selbst, aber seine Getreuen schreiben keine Zeile, ohne ihn vorher zu Rat zu ziehn. Die 'Augsburger Zeitung' wird um so besser bedient."

Empfindet Vogt die ganze Feinheit dieser Korrektur? Ich hatte mit Liebknechts Londoner Korrespondenz in die "Allgemeine Zeitung" grade so viel zu schaffen als mit Vogts Pariser Korrespondenz in die "Allgemeine Zeitung". Übrigens war Liebknechts Korrespondenz durchaus lobenswert - kritische Darstellung der englischen Politik, die er in der "Allgemeinen Zeitung" ganz so schilderte wie in gleichzeitigen Korrespondenzen für radikale deutsch-amerikanische Blätter. Vogt selbst, der ganze Jahrgänge der "Allgemeinen Zeitung" ängstlich nach Verfänglichem in Liebknechts Briefen durchmaust hat, beschränkt die Kritik ihres Inhalts darauf, daß Liebknechts Korrespondenzzeichen "zwei dünne schiefgestellte Striche" seien. (p. 196 d. "Hptb.")

Die schiefe Stellung der Striche bewies allerdings, daß es schief mit der Korrespondenz stand, und nun gar die "Dünne"! Hätte Liebknecht statt zwei "dünner Striche" wenigstens zwei rundliche Fettaugen in sein Korrespondenzwappen gemalt! Wenn aber an der Korrespondenz kein andrer Makel haftet als "zwei dünne schiefgestellte Striche", so bleibt das Be- <472> denken, daß sie überhaupt in der "Allgemeinen Zeitung" erschien. Und warum nicht in der "Allgemeinen Zeitung"? Die "Allgemeine Zeitung" läßt bekanntlich die verschiedenartigsten Standpunkte zu Wort kommen, wenigstens auf neutralen Gebieten wie dem der englischen Politik, und gilt zudem im Ausland als das einzige deutsche Organ von mehr als lokaler Bedeutung. Liebknecht konnte getrost Londoner Briefe in dasselbe Blatt schreiben, worin Heine seine "Pariser", Fallmerayer seine "Orientalischen Briefe" schrieb. Vogt berichtet, daß auch unflätige Personen an der "Allgemeinen Zeitung" mitarbeiten. Er selbst war bekanntlich ihr Mitarbeiter von 1844 bis 1847.

Was nun mich selbst und Friedrich Engels betrifft - ich erwähne Engels, weil wir beide nach einem gemeinsamen Plane und nach vorheriger Verabredung arbeiten -, so traten wir allerdings 1859 gewissermaßen "in Beziehung" zur "Allgemeinen Zeitung". Ich publizierte nämlich während der Monate Januar, Februar und März 1859 eine Reihe Leitartikel in der "New York Tribune", worin unter anderm "die mitteleuropäische Großmachtstheorie" der "Allgemeinen Zeitung" und ihre Behauptung, daß die Fortdauer der östreichischen Herrschaft in Italien ein deutsches Interesse sei, einer ausführlichen Kritik unterworfen wurden. Engels, kurz vor dem Ausbruch des Kriegs, und im Einverständnis mit mir, publizierte "Po und Rhein", Berlin 1859, ein Pamphlet, das speziell gegen die "Allgemeine Zeitung" gerichtet ist und, in Engels' Worten zu reden (p. 4 seiner Broschüre "Savoyen, Nizza und der Rhein", Berlin 1860), militärisch-wissenschaftlich nachwies, "daß Deutschland kein Stück von Italien zu seiner Verteidigung brauche und daß Frankreich, wenn bloß militärische Gründe gelten sollten, allerdings noch viel stärkere Ansprüche auf den Rhein habe als Deutschland auf den Mincio". Diese Polemik gegen die "Allgemeine Zeitung" und ihre Theorie von der Notwendigkeit der östreichischen Gewaltherrschaft in Italien ging bei uns jedoch Hand in Hand mit der Polemik gegen die bonapartistische Propaganda. Ich wies z.B. ausführlich in der "Tribune" nach (s. z.B. Februar 1859), daß die finanziellen und innern politischen Zustände des "bas empire" bei einem kritischen Punkt angelangt seien, wo nur noch ein auswärtiger Krieg die Herrschaft des Staatsstreichs in Frankreich und damit der Kontrerevolution in Europa verlängern könne. Ich zeigte nach, daß die bonapartistische Befreiung Italiens nur ein Vorwand sei, Frankreich unterjocht zu halten, Italien dem Staatsstreich zu unterwerfen, die "natürlichen Grenzen" Frankreichs nach Deutschland zu ver- <473> legen, Östreich in ein russisches Instrument zu verwandeln und die Völker in einen Krieg der legitimen mit der illegitimen Kontrerevolution hineinzuzwingen. Alles dies geschah, bevor der Ex-Reichs-Vogt von Genf aus in die Posaune stieß.

Seit Wolffs Artikel in der "Revue der Neuen Rheinischen Zeitung" (1850) hatte ich überhaupt die "abgerundete Natur" vollständig vergessen. Wieder erinnert wurde ich an den heitern Gesellen im Frühjahr 1859, eines Aprilabends, als Freiligrath mir einen Brief Vogts nebst beigelegtem politischem "Programm" zu lesen gab. Dies war keine Indiskretion, denn Vogts Sendschreiben war bestimmt "zur Mitteilung" an die Freunde, nicht Vogts, sondern des Adressaten.

Auf die Frage, was ich in dem "Programm" finde, antwortete ich: "Kannegießerei". Ich erkannte den alten Spaßvogel sofort wieder in seinem Anliegen an Freiligrath, Herrn Bucher als politischen Korrespondenten für das beabsichtigte Genfer Propagandablatt zu werben. Vogts Brief war vom 1. April 1859 datiert. Bucher hatte bekanntlich seit Januar 1859 in seiner Londoner Korrespondenz für die Berliner "National-Zeitung" dem Vogtschen Programm absolut widersprechende Ansichten vertreten; aber dem Mann von der "kritischen Unmittelbarkeit" erscheinen alle Kühe grau.

Nach diesem Ereignis, das ich zu unwichtig hielt, irgendeinem Menschen davon zu sprechen, erhielt ich Vogts "Studien zur gegenwärtigen Lage Europas", eine Jammerschrift, die mir keinen Zweifel über seinen Zusammenhang mit der bonapartistischen Propaganda ließ.

Am Abend des 9. Mai 1859 befand ich mich auf der Plattform eines öffentlichen Meetings, das David Urquhart aus Anlaß des italienischen Kriegs abhielt. Noch vor Eröffnung des Meetings schritt eine ernsthaftige Figur gewichtig auf mich zu. An dem Hamletausdruck ihrer Physiognomie erkannte ich sogleich, daß "etwas faul im Staate Dänemark" sei. Es war dies der homme d'état <Staatsmann> Karl Blind. Nach einigen vorläufigen Redensarten kam er auf Vogts "Umtriebe" zu sprechen und versicherte mit kopfschüttelnder Emphase, daß Vogt bonapartistische Subsidien für seine Propaganda erhalte, daß einem süddeutschen Schriftsteller, den er mir "leider" nicht nennen könne, 30.000 Gulden zur Bestechung von Vogt angeboten worden - ich sah nicht recht ein, welcher süddeutsche Schriftsteller 30.000 Gulden wert sei -, daß Bestechungsversuche in London vorgefallen, daß schon im Jahre 1858 zu Genf, in einer Zusammenkunft zwischen Plon-Plon, Fazy und Konsorten, der italienische Krieg beraten und der russische Großfürst <474> Konstantin als künftiger König von Ungarn bezeichnet worden sei, daß Vogt auch ihn (Blind) zur Mitarbeit an seiner Propaganda aufgefordert, daß er Beweise für die landesverräterischen Umtriebe Vogts besitze. Blind begab sich zurück auf seinen Sitz an die andre Ecke der Plattform zu seinem Freunde J. Fröbel; das Meeting begann, und D. Urquhart suchte in ausführlicher Rede den italienischen Krieg als die Frucht russisch-französischer Intrige darzustellen.(1)

<475> Gegen Schluß des Meetings kam Dr. Faucher, auswärtiger Redakteur des "Morning Star" (Organ der Manchesterschule), auf mich zu und erzählte mir, ein neues deutsch-londoner Wochenblatt "Das Volk" sei eben erschienen. Das von Herrn A. Scherzer herausgegebene und von Edgar Bauer redigierte Arbeiterblatt "Die Neue Zeit" sei infolge einer Intrige Kinkels, des Herausgebers des "Hermann", untergegangen. Hiervon benachrichtigt, habe Biscamp, bisher Korrespondent der "Neuen Zeit", seine Lehrerstelle im Süden Englands aufgegeben, um in London "Das Volk" dem "Hermann" gegenüberzustellen. Der deutsche Arbeiterbildungsverein und einige andere Londoner Vereine unterstützten das Blatt, das natürlich, wie alle ähnlichen Arbeiterblätter, gratis redigiert und geschrieben werde. Er selbst, Faucher, obgleich als free-trader der Tendenz des "Volk" fremd, wolle kein Monopol in der deutschen Londoner Presse dulden und habe daher mit andern Bekannten in London ein Finanzkomitee zur Unterstützung des Blattes gegründet. Biscamp habe sich bereits schriftlich um literarische Beiträge an den ihm bisher unbekannten Liebknecht gewendet usw. Schließlich forderte mich Faucher um Teilnahme am "Volk" auf.

Obgleich Biscamp seit 1852 in England lebte, waren wir uns bisher fremd geblieben. Einen Tag nach dem Urquhart-Meeting führte ihn Liebknecht in meinem Hause ein. Der Aufforderung, für das "Volk" zu schreiben, konnte ich zunächst aus Zeitmangel nicht nachkommen, versprach aber, meine deutschen Freunde in England zu Abonnements, Geldzuschüssen und literarischen Beiträgen aufzufordern. Im Laufe der Unterhaltung kamen wir auf das Urquhartsche Meeting zu sprechen, das auf Vogt führte, dessen "Studien" Biscamp bereits kannte und richtig würdigte. Ich teilte ihm und Liebknecht den Inhalt des Vogtschen "Programms" und der Blindschen Enthüllungen mit, bemerkte aber mit Bezug auf die letztern, daß es süddeutsche Manier sei, das Kolorit hoch aufzutragen. Zu meiner Überraschung brachte Nr. 2 des "Volk" (14. Mai) einen Artikel unter dem Titel "Der Reichsregent als Reichsverräter" (s. "Hauptbuch", Dokumente, p. 17, 18), worin Biscamp zwei der von Blind angeführten Tatsachen erwähnt – die 30.000 Gulden, die er jedoch auf 4.000 herabsetzt, und den bonapartistischen Ursprung der Vogtschen Operationsgelder. Im übrigen bestand sein Artikel aus Witzen in der Manier der "Hornisse", die er 1848/49 zusammen mit Heise in Kassel redigiert hatte. Der Londoner Arbeiterbildungsverein, wie ich lange nach Erscheinen des "Hauptbuchs" (s. Beilage 8) erfuhr, hatte unterdes einen seiner Führer, Herrn Scherzer, <476> beauftragt, die Arbeiterbildungsvereine in der Schweiz, Belgien und den Vereinigten Staaten zur Unterstützung des "Volk" und zum Kampf gegen die bonapartistische Propaganda aufzufordern. Den obenerwähnten Artikel des "Volk" vom 14. Mai 1859 überschickte Biscamp selbst durch die Post dem Vogt, der zugleich Herrn A. Scherzers Rundschreiben durch sein eignes Ranickel erhielt.

Vogt mit seiner bekannten "kritischen Unmittelbarkeit" dichtete mich sofort als Demiurg in das ihm widrige Gewebe hinein. Ohne weiteres veröffentlichte er daher den Grundriß seiner spätern Geschichtsklitterung in der öfter zitierten "Außerordentlichen Beilage zu No. 150 des Schweizer Handels-Couriers". Dies Urevangelium, worin zuerst die Mysterien von der Schwefelbande, den Bürstenheimern, Cherval usw. offenbart wurden unter dem Datum Bern, 23. Mai 1859 (also neueren Datums als das Mormonenevangelium), führte den Titel "Zur Warnung" und schloß sich sachgemäß an ein Stück Übersetzung aus einer Broschüre des berüchtigten E. About an.(2)

Vogts anonymes Urevangelium "Zar Warnung" wurde, wie schon früher bemerkt, auf mein Ersuchen im "Volk" abgedruckt.

Anfang Juni verließ ich London, um Engels in Manchester zu besuchen, wo eine Subskription von ungefähr 25 Pfund Sterling für das "Volk" zusammenkam. Fr. Engels, W. Wolff, ich, endlich 3 deutsche zu Manchester ansässige Ärzte, deren Namen in einem von mir nach Berlin gesandten gerichtlichen Dokumente stehn, lieferten diesen Zuschuß, dessen "Beschaffenheit" den "neugierigen" Vogt zu einem "Blick über den Kanal hinüber" nach Augsburg und Wien (p. 212 des "Hptb.") veranlaßt. Über die Londoner Sammlungen des ursprünglichen Finanzkomitees mag Vogt sich bei Dr. Faucher erkundigen.

Vogt lehrt p. 225 des "Hauptbuchs":

"Es war aber von jeher ein Kunstgriff der Reaktion, von den Demokraten zu verlangen, daß sie alles umsonst tun sollten, während sie selbst" (nämlich nicht die Demokraten, sondern die Reaktion) "für sich das Privilegium, sich bezahlen zu lassen und bezahlt zu werden in Anspruch nehmen."

<477> Welch reaktionärer Kunstgriff des "Volk" also, nicht nur umsonst redigiert und geschrieben zu werden, sondern seine Mitarbeiter obendrein noch zahlen zu lassen! Wenn das kein Beweis für die Verbindung zwischen "Volk" und Reaktion ist, so steht dem Karl Vogt sein Verstand still.

Während meines Aufenthaltes in Manchester trug sich ein entscheidend wichtiges Ereignis in London zu. Liebknecht fand nämlich in Hollingers (Drucker des "Volks") Setzerei den Korrekturbogen des anonymen und gegen Vogt gerichteten Flugblatts "Zur Warnung", las es flüchtig durch, erkannte sofort Blinds Enthüllungen wieder und erfuhr dann auch noch zum Überfluß von Setzer A. Vögele, daß Blind das in seiner eignen Handschrift geschriebene Manuskript dem Hollinger zum Druck übergeben habe. Die auf dem Abzug befindlichen Korrekturen waren nicht minder in Blinds Handschrift. Zwei Tage später erhielt Liebknecht von Hollinger den Korrekturabzug, den er der "Allgemeinen Zeitung" einsandte. Der Satz des Flugblatts blieb stehn und diente später zum Wiederabdruck desselben in Nr. 7 des "Volk" (vom 18. Juni 1859).

Mit der Veröffentlichung der "Warnung" durch die "Allgemeine Zeitung" beginnt des Ex-Reichs-Vogts Augsburger Kampagne. Er verklagte die "Allgemeine Zeitung" wegen Abdrucks des Flugblatts.

Im "Hauptbuch" (p. 227/228) travestiert Vogt Müllners: "bin's bin's, bin der Räuber Jaromir". Nur übersetzt er aus dem Sein ins Haben.

"Ich habe geklagt, weil ich im voraus wußte, daß die ganze Hohlheit, Nichtigkeit und Erbärmlichkeit jener Redaktion, die sich anmaßt, 'Vertreterin hochdeutscher Bildung' zu sein, an den Tag kommen mußte, ich habe geklagt, weil ich im voraus wußte, daß der Zusammenhang dieser wohllöblichen Redaktion und der von ihr in den Himmel gehobenen östreichischen Politik mit der Schwefelbande und dem Auswurfe der Revolution an die Öffentlichkeit kommen mußte",

und noch vier nachfolgende "ich habe geklagt". Der geklagt habende Vogt wird erhaben, oder Longin behält recht mit der Ansicht, daß es nichts Trockneres in der Welt gibt als einen Wassersüchtigen.

"Die persönliche Rücksicht", ruft die "abgerundete Natur", "war das geringste Motiv meiner Klage."

In der Wirklichkeit trugen sich die Dinge jedoch anders zu. Kein Kalb konnte sich ängstlicher vor der Schlachtbank sträuben als Karl Vogt vor der Anklagebank. Während seine "engern" Freunde, das Ranickel, Reinach (früher die wandelnde chronique scandaleuse über Vogt) und der schwatz- <478> schweifige Rumpfparlamentler Mayer aus Eßlingen, ihn in seiner Scheu vor der Anklagebank bestätigten, erhielt er dringende Mahnungen von Zürich, mit der "Klage" vorzugehn. Bei dem Lausanner Arbeiterfest erklärte ihm der Pelzhändler Roos vor Zeugen, er könne ihn nicht mehr achten, wenn er nicht prozediere. Vogt aber steifte sich: Er frage den Teufel nach der Augsburger und Londoner Schwefelbande und werde schweigen. Plötzlich jedoch sprach er. Verschiedene Zeitungen brachten die Anzeige seines Prozesses, und das Ranickel äußerte:

"Die in Stuttgart hätten ihm" (dem Vogt) "ja seine Ruhe gelassen. Seine" (Ranickels) "Zustimmung sei nicht dabei."

Übrigens, da sich der "Abgerundete" einmal in der Klemme befand, schien eine Klage gegen die "Allgemeine Zeitung" unstreitig das meistversprechende Manöver. Vogts Selbstapologie gegen einen Angriff von J. Venedey, der ihn bonapartistischer Umtriebe beschuldigt hatte, sah das Licht der Welt im Bieler "Handels-Courier" vom 16. Juni 1859, traf also in London ein nach dem Erscheinen des anonymen Flugblatts, das mit der Drohung endete:

"Sollte aber Vogt, was er kaum wagen kann, ableugnen wollen, so wird auf diese Enthüllung eine Nr. 2 folgen."

Vogt hatte nun abgeleugnet, und was nicht folgte, war Enthüllung Nr. 2. Nach dieser Seite hin also gesichert, konnte ihm nur noch Unheil drohen von den lieben Bekannten, die er hinreichend kannte, um auf ihre feige Rücksichtsnahme zu rechnen. Je mehr er sich durch eine Klage öffentlich preisgab, desto sichrer durfte er auf ihre Diskretion Wechsel ziehn, denn in dem "flüchtigen Reichsregenten" stand gewissermaßen das ganze Rumpfparlament am Pranger.

Parlamentler Jacob Venedey plaudert p. 27/28 seines "Pro domo und Pro patria gegen Karl Vogt", Hannover 1860, aus der Schule wie folgt:

"Außer den in Vogts Darstellung seines Prozesses mitgeteilten Briefen habe ich einen andern Brief Vogts gelesen, der viel klarer als jener an Dr. Loening die Stellung Vogts als Gehülfe derer, die den Krieg in Italien zu lokalisieren sich's was kosten ließen, offenlegte. Ich habe mir aus diesem Briefe für meine Überzeugung ein paar Stellen abgeschrieben, die ich leider hier nicht veröffentlichen darf, weil der, an welchen der Brief gerichtet war, sie mir unter dem Versprechen, sie nicht zu veröffentlichen, mitgeteilt hat. Persönliche und Parteirücksichten haben das Treiben Vogts in dieser Angelegenheit in einer Weise zu decken gesucht, die mir weder der Partei noch der Mannespflicht dem Vater- <479> lande gegenüber gerechtfertigt erscheint. Dieses Zurückhalten von vielen Seiten ist Ursache, daß Vogt nach wie vor mit frecher Stirn als deutsches Parteihaupt aufzutreten wagt. Mir aber scheint es, als ob grade hierdurch die Partei, zu der Vogt stand, halbwegs mitverantwortlich für sein Treiben würde."(3)

Wenn also das Wagnis eines Prozesses gegen die "Allgemeine Zeitung" überhaupt nicht übergroß war, bot andrerseits eine Offensive in dieser Richtung dem General Vogt die allergünstigste Operationsbasis. Es war Östreich, das den Reichs-Vogt durch die "Allgemeine Zeitung" verschrie, und Östreich im Bund mit den Kommunisten! So erschien der Reichs-Vogt als interessantes Opfer einer ungeheuerlichen Koalition zwischen den Feinden des bürgerlichen Liberalismus. Und die kleindeutsche Presse, dem Reichs-Vogt schon gewogen, weil er ein Mindrer des Reichs ist, würde ihn jubelnd aufs Schild heben!

Anfang Juli 1859, kurz nach meiner Rückkehr von Manchester, suchte mich Blind auf infolge eines hier gleichgültigen Vorfalls. Fidelio Hollinger und Liebknecht waren seine Begleiter. In dieser Zusammenkunft sprach ich meine Überzeugung aus, daß er der Verfasser des Flugblatts "Zur Warnung" sei. Er beteuerte das Gegenteil. Ich wiederholte Punkt für Punkt seine Mitteilungen vom 9. Mai, die in der Tat den ganzen Inhalt des Flugblatts bildeten. Alles das gab er zu, aber trotz alledem sei er nicht der Verfasser des Flugblatts.

Ungefähr einen Monat später, im August 1859, zeigte mir Liebknecht ein Schreiben der Redaktion der "Allgemeinen Zeitung", worin er dringend um Beweismittel für die im Flugblatt "Zur Warnung" enthaltenen Anklagepunkte angegangen ward. Auf sein Verlangen entschloß ich mich, ihn nach St. John's Wood zur Wohnung Blinds zu begleiten, der, wenn er auch nicht der Verfasser des Flugblatts war, jedenfalls schon Anfang Mai wußte, was das Flugblatt der Welt erst Anfang Juni verriet, und zudem sein Wissen "beweisen" konnte. Blind war abwesend. Er befand sich in einem Seebad. Liebknecht unterrichtete ihn daher schriftlich von dem Zwecke unsres Besuchs. Keine Antwort. Liebknecht schrieb einen zweiten Brief. Endlich langte folgendes staatsmännische Aktenstück an:

<480> "Lieber Herr Liebknecht!

Ihre beiden Briefe, irrig adressiert, kamen mir fast gleichzeitig zu. Wie Sie begreifen werden, wünsche ich keineswegs, mich in die Angelegenheiten einer mir gänzlich fremden Zeitung zu mischen. Im vorliegenden Fall um so weniger, da ich an der erwähnten Sache, wie schon früher bemerkt, gar keinen Anteil hatte. Was die im Privatgespräch vorgekommenen Bemerkungen betrifft, die Sie anführen, so sind dieselben offenbar ganz falsch aufgefaßt worden, und es waltet darüber ein Irrtum ob, auf den ich einmal bei Gelegenheit mündlich will zu sprechen kommen. Indem ich bedaure, daß Sie den Gang mit Marx zu mir hin vergeblich machten,

bleibe ich mit aller Achtung der Ihrige K. Blind

St. Leonard's, 8. September"

Diese diplomatisch-kühle Note, wonach Blind an der Denunziation gegen Vogt "gar keinen Anteil hatte", erinnerte mich an einen Artikel, der anonym am 27. Mai 1859 in der "Free Press" zu London erschienen war und in deutscher Übersetzung folgendermaßen lautet:

"Der Großherzog Konstantin als künftiger König von Ungarn

Ein Korrespondent, der seine Visitenkarte beilegt, schreibt uns: Mein Herr!

Bei dem letzten Meeting (3) in der Musikhalle zugegen, hörte ich die über Großherzog Konstantin gemachte Äußerung. Ich bin imstande, Ihnen eine andere Tatsache mitzuteilen. So lange rückwärts als letzten Sommer detaillierte Prinz Jérôme-Napoléon einigen seiner Vertrauten zu Genf einen Angriffsplan gegen Östreich und eine in Aussicht stehende Remodellierung der Karte Europas. Ich kenne den Namen eines Schweizer Senators, dem er das Thema auseinandergesetzt hat. Prinz Jérôme erklärte damals, daß, dem entworfenen Plane gemäß, der Großherzog Konstantin König von Ungarn werden solle.

Ich kenne ferner Versuche, die im Beginn des gegenwärtigen Jahres gemacht wurden, um für den russisch-napoleonischen Plan sowohl einige exilierte deutsche Demokraten wie auch einflußreiche Liberale in Deutschland zu gewinnen. Große Geldvorteile wurden ihnen als Bestechung angeboten. (Large pecuniary advantages were held out to them as a bribe.) Ich bin glücklich zu sagen, daß diese Anerbietungen mit Entrüstung abgewiesen wurden." (S. Beil. 9.)

Dieser Artikel, worin Vogt zwar nicht genannt, aber unverkennbar für die deutsche Emigration zu London bezeichnet war, gibt in der Tat den Kern des später erschienenen Flugblatts "Zur Warnung". Der Verfasser <481> des "künftigen Königs von Ungarn", den patriotischer Pflichteifer zur anonymen Denunziation Vogts trieb, mußte natürlich die goldne Gelegenheit gierig greifen, die ihm der Augsburger Prozeß in den Schoß warf, die Gelegenheit, den Verrat gerichtlich vor den Augen von ganz Europa zu enthüllen. Und wer war der Verfasser des "künftigen Königs von Ungarn"? Bürger Karl Blind. Das hatten mir Form und Inhalt des Artikels schon im Monat Mai verraten, und das ward jetzt offiziell bestätigt von dem Redakteur der "Free Press", Herrn Collet, sobald ich ihm die Bedeutung der schwebenden Streitfrage auseinandergesetzt und Blinds diplomatische Note mitgeteilt hatte.

Am 17. September 1859 gab der Setzer Herr A. Vögele mir eine schriftliche Erklärung (abgedruckt "Hauptbuch", Dokumente, Nr. 30, 31), worin er bezeugt, keineswegs, daß Blind der Verfasser des Flugblatts "Zur Warnung" sei, wohl aber, daß er selbst (A. Vögele) und sein Geschäftsgeber Fidelio Hollinger das Flugblatt in des Hollinger Druckerei setzten, daß das Manuskript in Blinds Handschrift geschrieben war und daß Blind ihm von Hollinger gelegentlich als Verfasser des Flugblatts bezeichnet worden sei.

Auf Vögeles Erklärung und den "Künftigen König von Ungarn" gestützt, schrieb Liebknecht nun noch einmal an Blind um "Beweise" für die von diesem Staatsmann in der "Free Press" denunzierten Tatsachen und zeigte ihm gleichzeitig an, daß jetzt ein Beweisstück über seine Teilnahme an der Herausgabe des Flugblatts "Zur Warnung" vorliege. Statt eine Antwort an Liebknecht, schickte Blind Herrn Collet zu mir. Herr Collet sollte mich in Blinds Namen auffordern, keinen öffentlichen Gebrauch von meiner Kenntnis über die Autorschaft des besagten Artikels in der "Free Press" zu machen. Ich erwiderte, daß ich mich zu nichts verpflichten könne. Meine Diskretion werde gleichen Schritt halten mit Blinds Bravour.

Unterdes nahte der Termin für die Eröffnung des Prozesses in Augsburg heran. Blind schwieg. Vogt in seinen verschiedenen öffentlichen Erklärungen hatte versucht, das Flugblatt und den Beweis für die Angaben des Flugblatts mir als dem geheimen Urheber zuzuwälzen. Zur Abwehr dieses Manövers, zur Rechtfertigung Liebknechts und zur Verteidigung der "Allgemeinen Zeitung", die meiner Ansicht nach mit der Denunziation Vogts ein gutes Werk getan hatte, ließ ich die Redaktion der "Allgemeinen Zeitung" durch Liebknecht wissen, ich sei bereit, ihr ein auf den Ursprung des Flugblatts "Zur Warnung" bezügliches Schriftstück zu übermachen, falls sie mich schriftlich darum ersuche. So begab sich der "lebhafte Schriftwechsel, den jetzt grade Marx mit Herrn Kolb führt", wie Vogt p.194 des "Hauptbuch" <482> erzählt.(5) Dieser mein "lebhafter Briefwechsel mit Herrn Kolb" bestand nämlich aus zwei Briefen des Herrn Orges an mich, beide vom selben Datum, worin er mich um das versprochene Schriftstück ersucht, welches ihm dann auch mit ein paar Zeilen meinerseits zugesandt ward.(6)

Beide Briefe des Herrn Orges, eigentlich nur die Doppelausgabe desselben Briefs, trafen am 18. Oktober 1859 zu London ein, während die Gerichtsverhandlungen zu Augsburg schon am 24. Oktober stattfinden sollten. Ich schrieb daher sofort an Herrn Vögele, um ihm für den nächsten Tag ein Rendezvous im Lokal des Marlborough Polizeigerichts anzuberaumen, wo er seiner Erklärung über das Flugblatt "Zur Warnung" die gerichtliche Form eines Affidavit (7) geben sollte. Mein Brief traf ihn nicht rechtzeitig. Am 19. Oktober (8) mußte ich daher wider meine ursprüngliche Absicht der "Allgemeinen Zeitung" statt eines Affidavit die früher erwähnte schriftliche Erklärung vom 17. September einschicken.(9)

Die Gerichtsverhandlungen in Augsburg verliefen sich, wie bekannt, in eine wahre Komödie der Irrungen. Das Corpus delicti war das von der "Allgemeinen Zeitung" abgedruckte und von W. Liebknecht ihr zugesandte Flugblatt "Zur Warnung". Herausgeber und Verfasser des Flugblatts spielten aber Blindekuh; Liebknecht konnte seine zu London befindlichen Zeugen <483> nicht vor die Schranken eines Augsburger Gerichts bannen, die Redakteure der "Allgemeinen Zeitung" perorierten in ihrer juristischen Verlegenheit politisch geschmackloses Kauderwelsch, Dr. Hermann gab die Jagdgeschichten der "abgerundeten Natur" über die Schwefelbande, das Lausanner Fest usw. zum besten, und der Gerichtshof endlich wies Vogts Klage ab, weil Kläger sich in der zuständigen Instanz geirrt hatte. Die Wirren erreichten ihren Höhepunkt, als der Prozeß zu Augsburg geschlossen war und der Bericht darüber mit der "Allgemeinen Zeitung" zu London ankam. Blind, der bisher sein staatskluges Schweigen unverbrüchlich gehalten hatte, springt nun plötzlich auf die Arena der Öffentlichkeit, aufgescheucht durch das von mir beigebrachte Zeugnis des Setzers Vögele. Vögele hatte nicht erklärt, daß Blind der Verfasser des Flugblatts sei, sondern nur, daß er ihm als solcher von Fidelio Hollinger bezeichnet worden. Vögele erklärte dagegen kategorisch, daß das Manuskript des Flugblatts in der ihm bekannten Handschrift Blinds geschrieben und in Hollingers Druckerei gesetzt und gedruckt sei. Blind konnte der Verfasser des Flugblatts sein, obgleich es weder in Blinds Handschrift geschrieben noch in Hollingers Druckerei gesetzt war. Umgekehrt konnte das Flugblatt von Blind geschrieben und von Hollinger gedruckt sein, obgleich Blind nicht der Verfasser war.

In No. 313 der "Allgemeinen Zeitung", unter dem Datum London, 3. Novbr. (s. "Hptb.", Dokumente, S. 37, 38), erklärt Bürger und Staatsmann Blind, er sei nicht der Verfasser des Flugblatts, und als Beweis "veröffentlicht" er "folgendes Dokument":

"a) Ich erkläre hiermit die in No. 300 der 'Allgemeinen Zeitung' enthaltene Behauptung des Setzers Vögele, als sei das dort erwähnte Flugblatt 'Zur Warnung' in meiner Druckerei gedruckt worden oder als sei Herr Karl Blind der Urheber desselben, für eine böswillige Erfindung.

3, Litchfield Street, Soho London, 2. Novbr. 1859

Fidelio Hollinger"

"b) Der Unterzeichnete, der seit 11 Monaten in No. 3, Litchfield Street, wohnt und arbeitet, gibt seinerseits Zeugnis für die Richtigkeit der Aussagen des Herrn Hollinger.

London, 2. Novbr. 1859

J. F. Wiehe, Schriftsetzer"

Vögele hatte nirgendwo behauptet, Blind sei der Urheber des Flugblatts. Fidelio Hollinger erdichtet also erst Vögeles Behauptung, um sie hinterher für eine "böswillige Erfindung" zu erklären. Andrerseits, wenn das Flugblatt nicht in Hollingers Druckerei gedruckt war, woher wußte selbiger Fidelio Hollinger, daß Karl Blind nicht der Verfasser?

<484> Und wie kann nun gar der Umstand, daß er "seit 11 Monaten" (rückwärts vom 2. November 1859) bei Hollinger "wohnt und arbeitet", den Setzer Wiehe befähigen, die "Richtigkeit dieser Aussage des Fidelio Hollinger" zu bezeugen?

Meine Antwort auf diese Erklärung Blinds (No. 325 der "Allgemeinen Zeitung", siehe "Hptb.", Dokumente, p.39, 40) schloß mit den Worten: "Die Verlegung des Prozesses von Augsburg nach London würde das ganze mystère <Geheimnis> Blind-Vogt lösen."

Blind, mit der ganzen sittlichen Entrüstung einer verwundeten schönen Seele, kehrt zur Attacke zurück in "Beilage zur 'Allgemeinen Zeitung' vom 11. Dezbr. 1859":

"Indem ich mich wiederholt" (man halte dies im Gedächtnis) "auf die von den Druckereibesitzer Herrn Hollinger und den Schriftsetzer Wiehe gezeichneten Dokumente berufe, erkläre ich zum letztenmal die jetzt nur noch als Insinuation auftretende Unterstellung, als sei ich der Verfasser des oft erwähnten Flugblatts, für eine platte Unwahrheit. In den andern Angaben über mich befinden sich die gröbsten Entstellungen."

In einer Nachschrift zu dieser Erklärung bemerkt die Redaktion der "Allgemeinen Zeitung", die "Diskussion interessiere das größere Publikum nicht weiter", und ersucht daher "die betreffenden Herren, die dies angeht, auf etwaige weitere Entgegnungen zu verzichten", was die "abgerundete Natur" am Schlusse des "Hauptbuchs" dahin kommentiert:

"Mit andern Worten: Die Redaktion der 'Allgemeinen Zeitung' ersucht die als platte Lügner hingestellten Herren Marx, Biscamp,(10) Liebkecht, sich und die 'Allgemeine Zeitung' nicht fernerhin zu blamieren."

<485> So endete vorläufig die Augsburger Kampagne.

In den Ton seiner Lausiade zurückfallend, läßt Vogt den "Setzer Vögele" vor mir und Liebknecht "ein falsches Zeugnis" ablegen. (p. 195 des "Hptb.".) Den Ursprung des Flugblatts aber erklärt er daraus, daß Blind

"Verdachtskonzeptionen ausgeheckt und herumgeklatscht haben mag. Daraus schmiedete dann die Schwefelbande Pamphlet und weitere Artikel, die sie dem in die Enge getriebenen Blind auf den Kopf zusagten." (p. 218 1.c.)

Wenn nun der Reichs-Vogt seine unentschiedene Kampagne nicht, wie er aufgefordert war, in London wieder eröffnete, so geschah das teils, weil London "ein Winkel" ist (p. 229 des "Hptb."), teils aber, weil die betreffenden Parteien sich "gegenseitig der Unwahrheit ziehen". (l.c.)

Die "kritische Unmittelbarkeit" des Mannes hält die Einmischung der Gerichte nur dann für passend, wenn die Parteien nicht über die Wahrheit streiten. Ich überspringe nun 3 Monate, um den Faden meiner Erzählung Anfang Februar 1860 wieder aufzunehmen. Vogts "Hauptbuch" war damals noch nicht in London angelangt, wohl aber die Blütenlese der Berliner "National-Zeitung", worin es unter anderm heißt:

"Die Partei Marx konnte nun sehr leicht die Autorschaft des Flugblatts auf Blind wälzen, eben weil und nachdem dieser im Gespräch mit Marx und in dem Artikel der 'Free Press' sich in ähnlichem Sinne geäußert hatte, mit Benutzung dieser Blindschen Aussagen und Redewendungen konnte das Flugblatt geschmiedet werden, so daß es wie sein Fabrikat aussah."

Blind, der, wie Falstaff die Diskretion für den bessern Teil der Tapferkeit, so Schweigen für die ganze Kunst der Diplomatie hält, Blind begann von neuem zu schweigen. Um ihm die Zunge zu lösen, veröffentlichte ich ein englisches Zirkular mit meiner Namensunterschrift unter dem Datum London, den 4. Februar 1860. (Siehe Beilage 11.)

Dies Zirkular, an den Redakteur der "Free Press" adressiert, sagt u.a.:

"Bevor ich weitere Schritte ergreife, muß ich die Gesellen bloßstellen, die offenbar in Vogts Hände gespielt haben. Ich erkläre daher öffentlich, daß die Erklärung Blinds, Wiehes und Hollingers, wonach das anonyme Flugblatt nicht in Hollingers Geschäftslokal, 3, Litchfield Street, Soho, gedruckt wurde, eine infame Lüge ist."(11) Nachdem ich meine Beweismittel aufgestellt, ende ich mit den Worten:

<486> "Folglich erkläre ich abermals den obengenannten Karl Blind für einen infamen Lügner (deliberate liar). Bin ich im Unrecht, so kann er mich leicht durch einen Appell an einen englischen Gerichtshof widerlegen."

Am 6. Februar 1860 reproduzierte ein Londoner Tagesblatt ("Daily Telegraph") - ich werde später darauf zurückkommen - unter dem Titel "The Journalistic Auxiliaries of Austria" (Die journalistischen Helfershelfer Östreichs) die Blütenlese der "National-Zeitung". Ich aber leitete einen Prozeß wegen Verleumdung gegen die "National-Zeitung" ein, gab dem "Telegraph" Notiz einer ähnlichen Klage und begann das nötige gerichtliche Material zu beschaffen.

Unter dem 11. Februar 1860 gab Setzer Vögele ein Affidavit vor dem Polizeigericht in Bow Street. Es wiederholt den wesentlichen Inhalt seiner Erklärung vom l 7. Septbr. 1859, nämlich, daß das Manuskript des Flugblatts in Blinds Handschrift geschrieben und in Hollingers Druckerei, teils von ihm selbst (Vögele), teils von F. Hollinger gesetzt worden. (Siehe Beilage 12.)

Ungleich wichtiger war das Affidavit des Setzers Wiehe, auf dessen Zeugnis Blind sich wiederholt, und mit stets wachsendem Selbstgefühl, in der "Allgemeinen Zeitung" berufen hatte.

Außer dem Original (siehe Beilage 13) folgt daher hier eine wortgetreue Übersetzung:

"An einem der ersten Tage des letzten Novembers – ich erinnere mich nicht mehr genau des Datums – des Abends zwischen 9 und 10 Uhr, wurde ich aus meinem Bett herausgeholt von Herrn F. Hollinger, in dessen Haus ich damals wohnte und bei dem ich als Setzer beschäftigt war. Er reichte mir ein Schriftstück dar, des Inhalts, daß ich während der vorhergehenden 11 Monate ununterbrochen von ihm beschäftigt worden sei und daß während dieser ganzen Zeit ein gewisses deutsches Flugblatt 'Zur Warnung' nicht gesetzt und gedruckt worden sei in Herrn Hollingers Druckerei, 3, Litchfield Street, Soho. In meinem verwirrten Zustand und ohne Kenntnis über die Wichtigkeit der Transaktion erfüllte ich seinen Wunsch und kopierte und unterzeichnete das Dokument. Herr Hollinger versprach mir Geld; aber ich habe nichts erhalten. Während dieser Transaktion wartete Herr Karl Blind, wie meine Frau mich später unterrichtete, in Herrn Hollingers Zimmer. Ein paar Tage später rief mich Frau Hollinger vom Essen und führte mich in das Zimmer ihres Mannes, wo ich Herrn Blind allein fand. Er präsentierte mir dasselbe Dokument, das Herr Hollinger mir zuvor präsentiert hatte, und bat mich dringend (entreated me), eine zweite Kopie zu schreiben und zu unterzeichnen, da er deren zwei bedürfe, die eine für sich selbst und die andere zur Veröffentlichung in der Presse. Er fügte hinzu, daß er sich mir dankbar zeigen werde. Ich kopierte und zeichnete wiederum das Schriftstück.

Ich erkläre hiermit die Wahrheit der obigen Aussage und ferner:

<487> l. daß ich während der im Dokumente erwähnten 11 Monate sechs Wochen lang nicht von Herrn Hollinger beschäftigt wurde, sondern von einem gewissen Ermani;

2. ich arbeitete nicht in Herrn Hollingers Geschäft, grade zur Zeit als das Flugblatt 'Zur Warnung' veröffentlicht ward;

3. ich hörte damals von Herrn Vögele, der damals für Herrn Hollinger arbeitete, daß er, Vögele, zusammen mit dem Herrn Hollinger selbst, das fragliche Flugblatt setzte und daß das Manuskript in Blinds Handschrift war;

4. der Satz des Flugblatts stand noch, als ich in Hollingers Geschäft wieder eintrat. Ich selbst brach ihm um, für den Wiederabdruck des Flugblatts 'Zur Warnung' in dem deutschen Blatte 'Das Volk', gedruckt von Herrn Hollinger, 3, Litchfield Street, Soho. Das Flugblatt erschien in No. 7 des 'Volk', d.d. 18. Juni 1859;

5. ich sah, wie Herr Hollinger Herrn Wilhelm Liebknecht, wohnhaft 14, Church Street, Soho, den Korrekturbogen des Pamphlets 'Zur Warnung' gab, auf welchem Korrekturbogen Herr Karl Blind mit seiner eignen Hand 4 oder 5 Druckfehler korrigiert hatte. Herr Hollinger schwankte, ob er den Korrekturbogen dem Herrn Liebknecht geben solle, und sobald sich Herr Liebknecht entfernt hatte, drückte Hollinger mir und meinem Mitarbeiter Vögele sein Bedauern aus, den Korrekturbogen aus der Hand gegeben zu haben.

Johann Friedrich Wiehe

Erklärt und gezeichnet durch besagten
Friedrich Wiehe im Polizeigericht von Bow Street
an diesem 8. Tage des Februar l860 vor mir,

J. Henry, Richter am besagten Gericht." (Police Court)
(Bow Street)

Es war durch die beiden Affidavits der Setzer Vögele und Wiehe bewiesen, daß das Manuskript des Flugblatts in Blinds Handschrift geschrieben, in Hollingers Druckerei gesetzt und eine Korrektur von Blind selbst besorgt war.

Und der homme d'état schrieb an Julius Fröbel unter dem Datum London, 4. Juli 1859:

"Gegen Vogt ist hier, ich weiß nicht durch wen, eine heftige Anklage auf Bestochenheit erschienen. Es finden sich darin mehrere angebliche Fakta, von denen wir früher nichts gehört."

Und derselbe homme d'état schrieb an Liebknecht am 8. Septbr. 1859, daß

"er an der erwähnten Sache gar keinen Anteil hatte".

Nicht zufrieden mit diesen Leistungen hatte Bürger und Staatsmann Blind obendrein eine falsche Erklärung geschmiedet, wofür er unter Vorhaltung von Geldversprechungen von seiten Fidelio Hollingers, künftigen Dankes von seiner eignen Seite, die Unterschrift des Setzers Wiehe erschlich.

<488> Dies sein eignes Fabrikat mit der erschlichenen Unterschrift und in Gesellschaft von Fidelio Hollingers falschem Zeugnis sandte er nicht nur der "Allgemeinen Zeitung" ein, sondern "beruft" sich "wiederholt" auf diese "Dokumente" in einer zweiten Erklärung und wirft mir mit Bezug auf diese "Dokumente" und in sittlichster Entrüstung "platte Unwahrheit" an den Kopf. Die beiden Affidavits Vögeles und Wiehes ließ ich abschriftlich in verschiedenen Kreisen zirkulieren, worauf in Blinds Hause eine Zusammenkunft stattfand, zwischen Blind, Fidelio Hollinger und Blinds Hausfreund, Herrn D. M. Karl Schaible, einem braven, stillen Mann, der in Blinds staatsmännischen Operationen gewissermaßen den zahmen Elefanten spielt. In der Nummer vom 15. Februar 1860 des "Daily Telegraph" erschien nun ein später in deutschen Zeitungen abgedruckter Paragraph, der in der Übersetzung lautet:

"Das Vogt-Pamphlet

An den Herausgeber des 'Daily Telegraph'!

Mein Herr! Infolge irriger Angaben, die in Umlauf gesetzt wurden, fühle ich Herrn Blind sowohl wie Herrn Marx die förmliche Erklärung geschuldet, daß keiner von beiden der Verfasser des einige Zeit vorher gegen Professor Vogt zu Genf gerichteten Flugblatts ist. Dieses Flugblatt stammt von mir her, und auf mir haftet die Verantwortlichkeit. Ich bedaure, sowohl mit Rücksicht auf Herrn Marx als Herrn Blind, daß von mir unkontrollierbare Umstände mich verhindert haben, diese Erklärung früher zu machen.

London, 14. Februar 1860

Karl Schaible, M. D."

Herr Schaible sandte mir diese Erklärung zu. Ich erwiderte die Höflichkeit umgehend durch Übersendung der Affidavits der Setzer Vögele und Wiehe und schrieb ihm zugleich, seine (Schaibles) Erklärung ändere nichts, weder an den falschen Zeugnissen, die Blind der "Allgemeinen Zeitung" eingeschickt, noch an Blinds conspiracy <Verschwörung> mit Hollinger zur Erschleichung von Wiehes Unterschrift für das geschmiedete falsche Schriftstück.

Blind fühlte, daß er sich diesmal nicht auf dem sichern Boden der "Allgemeinen Zeitung" befand, sondern im bedenklichen Gerichtsbann von England. Wollte er die Affidavits und die darauf beruhenden "groben Injurien" meines Zirkulars entkräften, so mußten er und Hollinger Gegenaffidavits geben, aber mit der Felonie ist nicht zu spaßen.

Eisele Blind ist nicht Verfasser des Flugblatts, denn Beisele Schaibele erklärt sich öffentlich als Verfasser. Blind hat nur das Manuskript des Flug- <489> blatts geschrieben, es nur bei Hollinger drucken lassen, den Probebogen nur eigenhändig korrigiert und nur falsche Zeugnisse zur Widerlegung dieser Tatsachen mit Hollinger geschmiedet und an die "Allgemeine Zeitung" expediert. Aber doch verkannte Unschuld, denn er ist nicht Verfasser oder Urheber des Flugblatts. Er funktionierte nur als Beisele Schaibeles Schreiber. Eben darum wußte er auch am 4. Juli 1859 nicht, "durch wen" das Flugblatt in die Welt geschleudert worden, und hatte er am 8. September 1859 "an der erwähnten Sache gar keinen Anteil". Zu seiner Beruhigung also: Beisele Schaible ist der Verfasser des Flugblatts im literarischen Sinn, aber Eisele Blind ist der Verfasser im technischen Sinn des englischen Gesetzes und der verantwortliche Herausgeber im Sinne aller zivilisierten Gesetzgebung. Habeat sibi! <Soll es so sein!>

An Herrn Beisele Schaible noch ein Wort zum Abschied.

Das von Vogt im Bieler "Handels-Courier" gegen mich unter dem Datum Bern, 23. Mai 1859, veröffentlichte Pasquill trug die Überschrift "Zur Warnung". Das Anfang Juni 1859 von Schaible verfaßte und von seinem Sekretär Blind geschriebne und herausgegebne Flugblatt, worin Vogt als "bestechender" und "bestochen seiender" Agent Louis Bonapartes mit Angabe ganz bestimmter Details denunziert wird, trägt ebenfalls die Überschrift "Zur Warnung". Es ist ferner unterzeichnet: X. Obgleich X in der Algebra die unbekannte Größe vorstellt, bildet es zufällig auch den letzten Buchstaben meines Namens. Bezweckten etwa Überschrift und Unterschrift des Flugblatts, Schaibles "Warnung" als meine Replik auf Vogts "Warnung" erscheinen zu lassen? Schaible hatte eine Enthüllung Nr. II versprochen, sobald Vogt Enthüllung Nr. I abzuleugnen wage. Vogt leugnete nicht nur ab; er stellte auf Schaibles "Warnung" hin eine Verleumdungsklage an. Und die Nr. II des Herrn Schaible fehlt bis zur Stunde. Schaible hatte auf den Kopf seines Flugblatts die Worte gedruckt: "Zur gefälligen Verbreitung". Und als Liebknecht nun so "gefällig" war, die "Verbreitung" durch die "Allgemeine Zeitung" zu geben, banden "unkontrollierbare Umstände" von Juni 1859 bis Februar 1860 Herrn Schaible die Zunge, die ihm erst durch die Affidavits im Polizeigericht von Bow Street gelöst ward.

Wie dem auch sei, Schaible, der ursprüngliche Denunziant Vogts, hat die Verantwortlichkeit für die Angaben des Flugblatts jetzt öffentlich übernommen. Statt mit dem Siege von Verteidiger Vogt schließt die Augsburger Kampagne daher mit der endlichen Erscheinung von Angreifer Schaible auf dem Kampfplatz.


Fußnoten von Marx

(1) Die Angriffe der Marxschen Clique auf Lord Palmerston leitet Vogt natürlich aus meinem Gegensatz gegen seine eigenwichtige Person und deren "Freunde" ("Hptbuch", p. 212) her. Es scheint daher passend, hier kurz meines Verhältnisses zu D. Urquhart und seiner Partei zu gedenken. Urquharts Schriften über Rußland und gegen Palmerston hatten mich angeregt, aber nicht überzeugt. Um zu einer festen Ansicht zu gelangen, unterwarf ich "Hansards .Parliamentary Debates" und die diplomatischen "Blue Books" von 1807 bis 1850 einer mühsamen Analyse. Die erste Frucht dieser Studien war eine Reihe Leitartikel in der "New York Tribune" (Ende 1853), worin ich Palmerstons Zusammenhang mit dem Petersburger Kabinett aus seinen Transaktionen mit Polen, der Türkei, Zirkassien etc. nachwies. Kurz nachher ließ ich diese Arbeiten in dem von Ernest Jones redigierten Chartistenorgan "The People's Paper" abdrucken und fügte neue Abschnitte über Palmerstons Tätigkeit hinzu. Unterdes hatte auch der "Glasgow Sentinel" einen dieser Artikel ("Palmerston and Poland") abgedruckt, der die Aufmerksamkeit des Herrn D. Urquhart auf sich zog. Infolge einer Zusammenkunft, die ich mit ihm hatte, veranlaßte er Herrn Tucker in London zur Herausgabe eines Teils jener Artikel in Pamphletform. Diese Palmerston-Pamphlets wurden später in verschiedenen Auflagen zu 15[.000] bis 20.000 Exemplaren vertrieben. Infolge meiner Analyse des "Blue Book" über den Fall von Kars - sie erschien im Londoner Chartistenblatt (April 1856) - übersandte mir das Foreign Affairs Committee zu Sheffield ein Anerkennungsschreiben. (Siehe Beilage 7.) Bei einer Durchmusterung im Britischen Museum befindlicher diplomatischer Manuskripte entdeckte ich eine Reihe englischer Aktenstücke, die sich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Epoche Peters des Großen erstrecken, das stetige geheime Zusammenwirken zwischen den Kabinetten von London und Petersburg enthüllen, die Zeit Peters des Großen aber als Geburtsstätte dieses Zusammenhangs erscheinen lassen. Von einer ausführlichen Arbeit über diesen Gegenstand habe ich bisher nur die Einleitung drucken lassen unter dem Titel "Revelations of the diplomatic history of the 18th Century" <"Enthüllungen über die diplomatische Geschichte des 18. Jahrhunderts">. Sie erschien erst in der Sheffield, später in der London "Free Press", beides urquhartische Organe. Letzteres hat seit seiner Gründung gelegentliche Beiträge von mir erhalten. Meine Beschäftigung mit Palmerston und der englisch-russischen Diplomatie überhaupt ereignete sich also, wie man sieht, ohne die leiseste Ahnung, daß hinter Lord Palmerston Herr Karl Vogt steht. <=

(2) Ein Wort über den Bieler Commis voyageur, den Winkel-Moniteur des "flüchtigen Reichsregenten". Verleger und Redakteur des Bieler "Handels-Courier" ist ein gewisser Ernst Schüler, politischer Flüchtling von 1838, Posthalter, Weinhändler, Faillit, und dermalen wieder bei Kasse, indem sein von dem britisch-französisch-schweizerischen Werbegeschäft während des Krimkriegs subventioniertes Blatt nunmehr 1.200 Abonnenten zählt. <=

(3) Siehe auch p. 4 des zitierten Pamphlets, wo es heißt: "Dieses 'Rechnungtragen' aus Parteirücksichten, die moralische Haltlosigkeit, die darin liegt, sich im engern Kreise zu gestehn, daß Vogt ein schändliches Spiel mit dem Vaterlande [...] getrieben hat, und dann diesem Vogt zu erlauben, offen diejenigen der Verleumdung anzuklagen, die nichts gesagt, als was sie alle wissen und denken und wofür sie die Beweise kennen und in der Hand haben, das ekelt mich an usw." <=

(4) Es war dies das oben erwähnte am 9. Mai von D. Urquhart abgehaltene Meeting. <=

(5) Allerdings erwähnt Herr Kolb in Nr. 319 der "Allgemeinen Zeitung" "einen sehr ausführlichen Brief des Herrn Marx, den er nicht drucke". Dieser "ausführliche Brief" ist jedoch abgedruckt in der Hamburger "Reform" No. 139, Beilage vom 19. November I859. Der "ausführliche Brief" war eine von mir für das Publikum bestimmte Erklärung, die ich auch der Berliner "Volks-Zeitung" zuschickte. <=

(6) Mein Begleitschreiben und Vögeles Erklärung findet man "Hauptbuch", Dokumente, p. 30, 31; die Briefe des Herrn Orges an mich in Beilage 10. <=

(7) Affidavit heißt eine gerichtliche Erklärung an Eides Statt, die, wenn falsch, alle gesetzlichen Folgen des Meineids nach sich zieht. <=

(8) Da ich unleserlich schreibe, ließ man vor dem Augsburger Gericht meinen vom 19. Oktober datierten Brief vom 29. Oktober her datieren. Vogts Advokat, Dr. Hermann, Vogt selbst, die würdige Berliner "National-Zeitung" et hoc genus omne <und die ganze Sippschaft> von der "kritischen Unmittelbarkeit" zweifelten keinen Augenblick, daß ein Brief, der zu London am 29. Oktober geschrieben ward, schon am 24. Oktober zu Augsburg vorliegen konnte. <=

(9) Daß dies Quidproquo rein dem Zufall – nämlich dem verspäteten Eintreffen meines Briefs bei Vögele – geschuldet war, wird man aus dessen späterm Affidavit vom 11. Februar 1860 ersehn. <=

(10) Biscamp hatte unter dem Datum London, den 20. Oktober, einen Brief über die Vogtsche Affäre an die Redaktion der "Allgemeinen Zeitung" geschickt, worin er sich schließlich als Korrespondent anbot. Dieser Brief ward mir erst aus der "Allgemeinen Zeitung" selbst bekannt. Vogt erfindet eine Moraltheorie, wonach Unterstützung eines untergegangenen Blattes mich verantwortlich macht für die nachträglichen Privatbriefe seines Redakteurs. Um wieviel mehr wäre Vogt verantwortlich für Kolatscheks "Stimmen der Zeit", da er bezahlter Mitarbeiter von Kolatscheks "Monatsschrift" war. Solange Biscamp das Volk" herausgab, bewies er die größte Aufopferung, indem er eine langjährige Stellung verließ, um die Redaktion zu übernehmen, unter sehr drückenden Verhältnissen gratis redigierte, endlich Korrespondenzen bei deutschen Blättern, wie der "Kölnischen Zeitung" z.B., in die Schanze schlug, um seiner Überzeugung gemäß wirken zu können. Alles andere ging und geht mich nichts an. <=

(11) Im Englischen sage ich: "deliberate lie". Die "Kölnische Zeitung" übersetzte: "infame Lüge". Ich nehme die Übersetzung an, obgleich "durchtriebene Lüge" dem Original näherkommt. <=