Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1860

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 227-228.

1. Korrektur
Erstellt am 18.09.1998

Karl Marx

Die angespannte Lage auf dem Geldmarkt

Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 6111 vom 24. November 1860]

<227> London, 10. November 1860

Ein längst vorausgesagtes Ereignis ist eingetreten: ein Edelmetallabfluß und als Folge davon eine Erhöhung der Diskontorate. Gestern erhöhte die Bank von England die Diskontorate von 4 auf 41/2%. (Im entsprechenden Monat des Jahres 1859 überstieg die Diskontorate der Bank nicht einmal 3%, trotz der damals riesigen Silbertransporte nach dem Osten, die sich auf 13.234.305 Pfd.St. beliefen.) Augenscheinlich wollte die Bank damit dem Metallabfluß aus ihren Gewölben Einhalt gebieten, deren Reserve am 26. September 16.255.951 Pfd.St. betrug und nun auf 13.897.085 Pfd.St. reduziert worden ist, nicht gerechnet die 43.000 Pfd.St., die gestern der Bank entnommen wurden. Der am 26. September beginnende Abfluß hat sich ständig erhöht, bis er in dieser Woche fast 300.000 Pfd.St. erreicht hat. Die großen Getreideimporte mußten natürlich früher oder später zu einer Abwanderung von Edelmetallen führen, doch da die Einlösung der Getreidewechsel noch nicht fällig ist, kann der gegenwärtige Abfluß nicht darauf zurückgeführt werden; überdies geschieht er zu einer Zeit, da die Diskontorate in London höher ist als in Paris, Amsterdam, Brüssel und Hamburg und der Goldexport als Börsenoperation keinen Profit abwirft.

Wohin geht also das Gold? In die Gewölbe der Bank von Frankreich. Die Diskontorate der Bank von Frankreich beträgt gegenwärtig nur 3%, obwohl dieses Unternehmen seit Ende August ungefähr 4.000.000 Pfd.St. verloren hat, während seine Diskonto-Operationen für August und September um ungefähr 3.000.000 Pfd.St. gestiegen sind. Jede gewöhnliche Bank hätte unter solchen Umständen ihre Diskontorate erhöht, aber Louis Bonaparte, aus Furcht davor, eine sichtbare Unruhe auf dem Geld- <228> markt zu verursachen, befiehlt der Bank, Gold mit Verlust aufzukaufen und will sie zwingen, diese gewiß nicht kaufmännische Operation fortzusetzen. Andererseits beweist die Bank von England, daß sie nicht imstande ist, den gegenwärtigen Abfluß durch Erhöhung des Zinsfußes aufzuhalten. Gestern wurde z.B. dem Issue-Department der Bank kein Barrengold entnommen, aber es wurde eine beträchtliche Menge Sovereigns dem Banking-Department entnommen. Eine der notwendigen Folgen der gepriesenen Bankgesetze des Sir Robert Peel aus den Jahren 1844 und 1845 ist, daß die kaufmännische Öffentlichkeit ständig über den wahren Betrag der exportierten Edelmetalle getäuscht wird, da das Banking-Department keine Berichte über die seiner Kasse entnommenen Sovereigns veröffentlicht.

Die Erhöhung der offiziellen Diskontorate der Bank von England wird, besonders wenn sie fortgeführt wird, die Bank von Frankreich zwingen, dieselbe Richtung einzuschlagen und dadurch Louis Bonaparte daran hindern, den Bankdirektoren weiterhin zu befehlen, Gold mit Verlust anzukaufen, um eine sichtbare Zerrüttung des Geldmarktes zu vertuschen. Der englische Metallabfluß wird jedoch durch diese Eventualität nicht gestoppt werden, da die Getreidewechsel zu gegebener Zeit fällig werden und bar bezahlt werden müssen.