Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1861

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 242-245.

1. Korrektur
Erstellt am 20.09.1998

Friedrich Engels

Die französische Kriegsmacht

Geschrieben Ende Januar 1861.
Aus dem Englischen.


["The Volunteer Journal, for Lancashire and Cheshire" Nr. 22 vom 2. Februar 1861]

<242> Nach dem "Almanach de Gotha", der als große Autorität auf diesem Gebiet gilt, ist der Kriegsfuß der französischen Armee für 1860/1861 wie folgt festgesetzt worden:

1. Infanterie: Garde - 12 Grenadier-, 16 Voltigeur-, 2 Zuavenbataillone und 1 Chasseurbataillon: im ganzen 31 Bataillone. Linie - 103 Regimenter zu je 4 Bataillonen, im ganzen 412 Bataillone; 3 Regimenter Zuaven, 2 der Fremdenlegion, 3 Regimenter Turkos (eingeborene algerische Schützen), jedes Regiment 3 Bataillone - 24 Bataillone; Chasseure - 20 Bataillone; Zephire oder leichte afrikanische (Straf-)Bataillone - 3 Bataillone; pompiers (Feuerwehr) von Paris 1 Bataillon.

Im ganzen 491 Bataillone; oder in Kriegszeiten

515.037 Mann

2. Kavallerie: Garde - 6 Regimenter oder 37 Schwadronen, Linie - 58 Regimenter oder 358 Schwadronen, im ganzen 395 Schwadronen.

100.221 Mann

3. Artillerie: 22 Regimenter - 227 Batterien (146 von ihnen sind Batterien mit 6 Kanonen - 876 Kanonen umfaßt die Feldartillerie)

66.007 Mann

4. Genietruppen

15.443 Mann

5. Train: Sanitätstruppen, Verpflegungswesen

24.561 Mann

6. Gendarmerie

24.172 Mann

7. Stäbe, Invalide, Militärschulen etc.

17.324 Mann

insgesamt

762.765 Mann

Dies ist die Kriegsstärke. Der Friedensfuß ist folgender:

Infanterie

255.248 Mann

Kavallerie

61.023 Mann

Artillerie

39.023 Mann

<243> Genietruppen

7.467 Mann

Train etc.

11.489 Mann

Gendarmerie, Invalide etc.

41.496 Mann

insgesamt

415.746 Mann

Im Januar 1859, kurz bevor der italienische Krieg ausbrach, veröffentlichte der "Constitutionnel" einen offiziellen Status der französischen Armee, der einen Kriegsbestand von 568.000 und einen Friedensbestand von 433.000 Mann zeigte. Wie also war es möglich, innerhalb von zwei Jahren die Kriegsstärke um 200.000 Mann zu erhöhen, während die Friedensstärke tatsächlich vermindert worden ist?

Ferner, das jährliche Kontingent tauglicher junger Männer, das der Armee zur Verfügung steht, beträgt ungefähr 160.000. Von diesen wurden unter Louis-Philippe zwischen 40.000 und 60.000 tatsächlich aufgenommen und für ausreichend befunden, die Stärke der Armee trotz der Verluste in Algerien aufrechtzuerhalten. Späterhin sind 80.000 und sogar 100.000 und mehr einrolliert worden. Das Reich, welches der Frieden ist, verbrauchte doppelt so viel Kanonenfutter wie es die konstitutionelle Monarchie oder die Republik erfordert hatten. Die Dienstzeit beträgt sieben Jahre, aber sogar vorausgesetzt, daß seit kurzem jährlich 100.000 Mann einrolliert worden sind (was über dem Durchschnitt liegt), würde dieses für sieben Jahre nur 700.000 Mann ergeben, und wenn man hiervon die während der Feldzüge und aus anderen Gründen entstandenen Ausfälle abrechnet, würden es kaum 600.000 Mann werden. Wie wurden dann die verbliebenen 163.000 gefunden?

Die Antwort auf diese zwei Fragen ist in den jüngsten Anordnungen des französischen Kaisers enthalten. Vor dem italienischen Krieg wurden die Regimenter, bis dahin aus drei Bataillonen zu je acht Kompanien zusammengesetzt, in vier Bataillone zu je sechs Kompanien formiert; so sind durch bloßes Ändern der Verteilung der 24 Kompanien eines Regiments vier Bataillone statt drei entstanden. Die Stärke eines Bataillons hat ein Maximum; mit über 1.000 Mann ist es zu stark, um von der Stimme eines Mannes kommandiert zu werden, und zu schwerfällig für schnelles Manövrieren. Die Stärke einer Kompanie dagegen ist weit variabler; ob sie 100 oder 250 Mann umfaßt, ist eine beliebige Sache und nicht eine Frage der Notwendigkeit. Durch die Aufstellung der vierten Bataillone in der angedeuteten Weise mit derselben Anzahl von Offizieren und Sergeanten war das Regiment in der Lage, 4.000 statt 3.000 Mann anzumustern, sobald diese gefunden waren. Während des Krieges rückten die Regimenter in der Stärke von drei Kampfbataillonen <244> aus, das vierte bildete das Depotbataillon. So wurden mit den vierten Bataillonen der 100 Linienregimenter Mittel und Wege gefunden, 100.000 Mann mehr unterzubringen als die alten Stämme aufnehmen konnten. Nach dem Kriege wurden die vierten Bataillone aufgelöst, aber sie sind seit kurzer Zeit wieder aufgestellt worden. Drei weitere Infanterieregimenter (101., 102., 103.), die Platz für weitere 17.000 Mann bieten, wurden formiert. Diese neuen Formationen erklären den Zuwachs von 112.000 Mann, und jene 51.000 Mann, deren Verbleib noch zu erklären ist, werden die Zahl sein, die der Armee im Januar 1859 infolge früherer Ausfälle an ihrer vollen Kriegsstärke fehlte. Dies zeigt, daß es jetzt Stämme gibt, die in der französischen Infanterie völlig ausreichen, um die oben erwähnte enorme Anzahl von Soldaten zu organisieren, ohne zu neuen Formationen Zuflucht zu nehmen. Doch wo sind die Soldaten zu finden, die diese neuen Stämme füllen sollen?

Die regulären Einschreibungen der letzten sieben Jahre werden 550.000 bis 600.000 Mann in den Stammrollen gelassen haben. Das jährlich zur Verfügung stehende Kontingent beträgt ungefähr 160.000 Mann. Bei einer Jahresaushebung würden schlimmstenfalls knapp 50.000 Mann fehlen; notfalls gibt es die jungen Männer, die während der letzten sechs Jahre vom Dienst völlig befreit worden sind, weil sie günstige Lose bei der Aushebung zogen. Von diesen könnten mindestens bis zu 300.000 verfügbar gemacht werden, aber da solche Leute in der Regel annehmen, sie seien für immer von der Dienstpflicht befreit, da sie zum Teil verheiratet, zum Teil über das ganze Land verstreut und schwer zu finden sind, wäre eine solche Maßnahme sowohl unpopulär als auch schwierig durchzuführen.

Wie schließt Louis-Napoleon also die Lücke? Indem er eine Modifikation des preußischen Reservesystems einführt. Von den in jedem Jahr zur Verfügung stehenden 160.000 Mann wird ein Teil, sagen wir die Hälfte, genommen, um die Vakanzen des stehenden Heeres aufzufüllen. Der Rest wird in die Reserveliste einrolliert. Sie werden im ersten Jahr zwei Monate, im zweiten und dritten Jahr jeweils einen Monat eingezogen und exerziert. Sie können ebenso wie das aktive Heer im ganzen sieben Jahre lang einberufen werden. Wir haben einigen Grund zu glauben, daß, wenn die Militärärzte nicht überstreng beim Mustern der Soldaten wären - im Kriege dagegen sind sie oft außerordentlich nachsichtig - das jährliche Kontingent von 160.000 tauglichen Soldaten in einem Zuge auf 200.000 erhöht werden könnte, aber das wollen wir gegenwärtig außer acht lassen. 160.000 Mann jährlich würden in sieben Jahren eine Armee von 1.112.000 Mann ergeben, und bei Abzug einer runden Zahl für Ausfälle würden es noch eine Million Soldaten <245> sein. So sehen wir, daß durch das neue, kürzlich eingeführte Reservesystem Louis-Napoleons Truppen in ein paar Jahren aus den bisherigen Organisationsformen herauswachsen werden. Für diese Möglichkeit ist jedoch auch vorgesorgt. In Zukunft sollen alle vier Bataillone eines Regiments Kampfbataillone sein. Ein fünftes Bataillon wird jetzt unter dem Namen Ausbildungsbataillon gebildet, und die Soldaten werden unter dem Vorwand des Exerzierens auf die Reserveliste gesetzt. Diese neue Organisation schafft für weitere 103.000 Mann Platz und erhöht die Anzahl der Soldaten, die durch die bestehenden Korps oder Stämme einbezogen werden können, auf 863.000 Mann.

Damit nicht zufrieden, schlägt die französische Regierung vor, ein weiteres Garderegiment und 17 Regimenter Linieninfanterie aufzustellen. Diese 18 Regimenter sind 90 weitere Bataillone oder 90.000 Mann.

Nach dem, was schon jetzt bekannt ist, sind wir sicher, daß vor Ablauf dieses Jahres die französische Armee so organisiert sein wird, daß sie in der Lage ist, in ihren Bataillonen, Schwadronen und Batterien mindestens 953.000 Mann bequem unterzubringen, Und was das Finden der Soldaten, die diese Einrichtungen auffüllen sollen, betrifft, so haben wir gesehen, daß bis zu 700.000 Mann sogar in diesem Jahr gefunden werden können, ohne auf die in früheren Jahren entlassenen zurückgreifen zu müssen. Aber wenn die allgemeine Dienstpflicht im aktiven Heer oder der Reserve einmal gilt, wird es leicht sein, dasselbe Prinzip auf die in den letzten sechs Jahren entlassenen Personen anzuwenden (Napoleon hat dasselbe zu seiner Zeit immer wieder getan), und dann kann es keinen Zweifel geben, daß sämtliche 953 000 Mann bald zusammengebracht sein werden.

Das ist also der Mann, der unbeabsichtigt die Freiwilligen-Bewegung hervorrief, auf die er durch die ruhige und geräuschlose Organisierung einer Armee von einer Million Mann antwortet und zur gleichen Zeit zwanzig Panzerfregatten auf Stapel legt, um vielleicht einen Teil jener Armee über den Kanal zu eskortieren.