Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1861

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 285-288.

1. Korrektur
Erstellt am 20.09.1998

Friedrich Engels

Das Kriegsministerium und die Freiwilligen

Geschrieben Anfang Juni 1861.
Aus dem Englischen.


["The Volunteer Journal, for Lancashire and Cheshire" Nr. 40 vom 8. Juni 1861]

<285> Wir glauben, daß in ganz Großbritannien unter den Freiwilligen nirgends größere Bereitwilligkeit und größeres Entgegenkommen herrschte, allen Befehlen und Anweisungen des Kriegsministeriums nachzukommen, eine richtige Einstellung gegenüber der regulären Armee einzunehmen und die Bewegung mit den Behörden zusammenarbeiten zu lassen, als in Lancashire und dort neben anderen Städten in Manchester. Als man anordnete, die Zeughäuser auszurüsten, wurde der Befehl ausgeführt, obwohl das in einer großen Stadt unvermeidlich beträchtliche Schwierigkeiten mit sich bringt. Welche Befehle man auch gab, sie wurden sofort und ohne Murren ausgeführt. Wenn unsere Freiwilligen in großen Massen zusammenkamen, griffen sie dem Wunsch des Herzogs von Cambridge vor und baten die Militärbehörden des Bezirkes, das Kommando zu übernehmen und die Brigaden zu organisieren. Das Bedürfnis, etwas zu leisten, ließ unsere Freiwilligen in Lancashire jedes Eingreifen der Regierung günstig beurteilen; sie wußten, daß vor allem Einheitlichkeit und Regelmäßigkeit notwendig sind, und sie betrachteten jedes Zirkular des Kriegsministeriums als einen Schritt vorwärts, um diese Notwendigkeit zu sichern. Das "Volunteer Journal" hat von seiner ersten Nummer an nicht aufgehört, willigen und freudigen Gehorsam den Anweisungen des Kriegsministeriums gegenüber anzuempfehlen und die großen Vorteile völliger Übereinstimmung zwischen den Freiwilligen und den lokalen wie zentralen Militärbehörden hervorzuheben. Während in anderen Gegenden, besonders in London, mysteriöse Gerüchte umliefen über den verderblichen Einfluß der Horse Guards, über die Versuche der Behörden, einen Keil dazwischen zu treiben etc., <286> sind wir niemals auch nur für einen Augenblick von solchen Erwägungen beeinflußt worden. Wir haben dem Oberbefehlshaber, dem Kriegsminister und allen ihren Untergebenen vollen Glauben an ihre Aufrichtigkeit geschenkt, wenn sie ihre Bereitschaft erklärten, die Bewegung in jeder nur möglichen Art und Weise zu unterstützen.

Wir können aber unsere Augen nicht vor der Tatsache verschließen, daß sich in der letzten Zeit ein oder zwei kleine Dinge ereignet haben, die den Eindruck erwecken, als ob tatsächlich eine Meinungsänderung maßgeblicher Männer über die Freiwilligen-Bewegung eingetreten sei, besonders seit Lord de Grey and Ripon als stellvertretender Kriegsminister zurückgetreten ist. Vor einigen Wochen - wir glauben, es war am Pfingstmontag - hielt Lord Ranelagh im Regent's Park Revue derjenigen Londoner Freiwilligen ab, die seiner Aufforderung folgten. Wir haben nun mehr als einmal Lord Ranelaghs Versuche, General zu spielen, streng verurteilt <Siehe "Die Freiwilligen-Generale" und "Brighton und Wimbledon">. Er hätte sich an Oberst McMurdo, den Generalinspekteur der Freiwilligen, wenden können, die Revue seiner Leute abzuhalten oder einen anderen qualifizierten Offizier zu diesem Zweck zu empfehlen. Aber, ob nun berechtigt oder nicht, er ging mit seinen Soldaten zum Park; die Sache war öffentlich angekündigt worden und so allgemein bekannt, daß sich eine große Masse von Zuschauern versammelte. Darunter waren Leute, die sich schändlich benahmen; sie drängten sich um die Freiwilligen, durchbrachen ihre Reihen, machten Evolutionen unmöglich, warfen Steine, und einige versuchten sogar, wie festgestellt worden ist, die Pferde der Offiziere mit spitzen Instrumenten zu verletzen. Als dies begann, schauten die leitenden Offiziere natürlich nach der Polizei aus, aber von den 6.000 Mann, die die Armee Sir Richard Maynes bilden, war, wie uns mitgeteilt wird, nicht ein Mann da! Die Folge war, daß Lord Ranelaghs Revue infolge der Störung ein völliger Mißerfolg wurde. Wenn es möglich gewesen wäre, die Revue fortzusetzen, hätte es durchaus passieren können, daß sie sich ganz von selbst ebenso als Mißerfolg erwiesen hätte, wie es Lord Ranelaghs frühere Versuche stets getan haben. Unter diesen Umständen aber wurde Lord Ranelagh zum Märtyrer gemacht und dem Mitgefühl aller Freiwilligen stark empfohlen.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die völlige Abwesenheit der Polizei bei dieser öffentlich angekündigten Revue nicht ganz zufällig war. Es ist in der Presse festgestellt worden, daß sie Anweisungen gehabt haben muß, sich fernzuhalten, und wir wissen, daß man in London unter den <287> Freiwilligen ganz allgemein annimmt, daß die Horse Guards etwas mit dieser Affäre zu tun hatten und daß bei diesen der Wunsch besteht, die Freiwilligen-Bewegung auf jede mögliche Weise zu unterminieren. Die Gemüter sind in London über diese Angelegenheit sehr erregt, und wir gestehen, daß die Tatsachen - die man, soweit wir wissen, niemals auch nur versucht hat zu entschuldigen oder zu erklären - sehr geeignet sind, solche Empfindungen hervorzurufen.

In dieser Woche haben wir eine weitere Sache zu registrieren, die gewiß nicht danach aussieht, als ob die Behörden beabsichtigen, ihr Versprechen einzulösen, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die Freiwilligen zu unterstützen. Es wurde vor einiger Zeit angekündigt, daß eins unserer Regimenter von Manchester beabsichtigte, für kurze Zeit ins Lager zu gehen. Wir glauben, diese Ankündigung erfolgte erst, als man sicher war, daß die Sache durchgeführt werden konnte. Es wird allgemein berichtet, daß man bei den Behörden mündlich einen Antrag auf Zelte etc. gestellt hatte, daß dieser Antrag genehmigt wurde und darüber hinaus die Bedingungen der Genehmigung festgesetzt worden waren. Wir glauben, zu diesen Abmachungen kam man vor nicht mehr als zwei bis drei Wochen. Daraufhin wurden alle weiteren Abmachungen getroffen: über den Platz für das Lager, die Kantine, die Offiziersmesse und über andere Dinge; und nachdem alles in Ordnung ist und der formale Antrag auf die Zelte eingereicht wird, macht die Regierung plötzlich einen Rückzug und erklärt, sie könne überhaupt keine Zelte liefern!

Natürlich stößt das den ganzen Plan um, und die den Regimentern verursachten Ausgaben und Mühen sind sämtlich umsonst. Wir alle wissen, daß die Freiwilligen-Regimenter alle Ursache haben, mit ihrem kleinen Bankguthaben - wenn überhaupt eines vorhanden ist - sehr sorgfältig hauszuhalten. Es wird uns mitgeteilt, daß so viele Freiwilligen-Regimenter sich bei der Regierung um Zelte bemüht hätten, daß sie unmöglich Zelte für alle aufbringen könne und daß deshalb an kein Korps welche geliefert werden könnten. Ob das zutrifft oder nicht, die Regierung sollte wissen, daß ein Vertrag ein Vertrag ist und daß spätere Begebenheiten sie nicht von bereits übernommenen Verpflichtungen befreien konnten. Aber ein Gerücht, das jetzt in Manchester genauso in Umlauf zu kommen scheint wie in London, besagt, daß dies ein müßiger Vorwand sei und die Regierung nicht wünsche, daß die Freiwilligen überhaupt ins Feldlager gingen, daß selbst dann, wenn die fraglichen Korps Zelte oder Baracken auf eigene Kosten und aus unabhängiger Quelle beschafften, das Lager höheren Orts nicht gern gesehen würde.

<288> Solche Vorkommnisse sind sicherlich nicht geeignet, jenes herzliche Verhältnis zwischen den Behörden und den Freiwilligen zu fördern, das für den weiteren Erfolg der Bewegung so wesentlich ist. Die Bewegung ist zu mächtig, als daß eine Regierung sie unterdrücken könnte; aber Mangel an Vertrauen in die Behörden seitens der Freiwilligen und versteckte Opposition seitens der Behörden können sehr bald beträchtliche Verwirrung schaffen und den Fortschritt der Freiwilligen-Bewegung eine Zeitlang hemmen. Dies sollte nicht geduldet werden. Eine große Anzahl von Freiwilligen-Offizieren ist im Parlament. Sie sollten als Abgeordnete auftreten und dafür Sorge tragen, daß die Regierung Erklärungen abgibt, die sofort die Sache richtigstellen und den Freiwilligen zeigen, daß sie freundschaftliche Unterstützung statt versteckter Feindseligkeit zu erwarten haben.

F. E.