Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1861

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 301-303.

1. Korrektur
Erstellt am 20.09.1998

Friedrich Engels

Eine militärische Kritik an der Newtoner Revue

Geschrieben Anfang August 1861.
Aus dem Englischen.


["The Volunteer Journal, for Lancashire and Cheshire" Nr. 49 vom 10. August 1861]

<301> Die Newtoner Revue des vergangenen Jahres war ein großer Erfolg, ein um so größerer, als sie von Schwierigkeiten aller Art betroffen worden war. Es war der erste Versuch, die Freiwilligen von Lancashire zu einem Truppenkörper zu vereinen. Die Vorkehrungen der Eisenbahn waren alles andere, als was sie hätten sein sollen; der Boden war in einem abscheulichen Zustand; das Wetter war sehr schlecht. Trotz alledem lief die Sache an gewöhnlich gut ab, und unsere Freiwilligen gingen naß, hungrig und durstig nach Hause, aber mit dem stolzen Bewußtsein, daß sie jedermann mit der besonnenen, festen und soldatischen Weise überrascht hatten, in der sie ihre Aufgabe ausgeführt hatten.

Kann man das gleiche von der diesjährigen Revue sagen? Wir fürchten, nein. Die Vorkehrungen der Eisenbahn waren ausgezeichnet, der Boden war in prachtvollem Zustand, das Wetter war schön; die Freiwilligen hatten noch ein weiteres Jahr Exerzierausbildung erhalten; und doch sind wir überzeugt, daß die meisten von ihnen mit weniger Befriedigung über ihr Tagewerk und den Erfolg des Tages nach Hause gingen als im vorigen Jahr. Wessen Schuld war das?

Als die Truppen auf dem Gelände ankamen, waren die Fahnen, die den Platz der verschiedenen Brigaden kennzeichneten, an Ort und Stelle, und im allgemeinen wurden die Gehilfen der Bataillone sofort plaziert. Aber eine ganze Reihe von Bataillonen, besonders die, welche zuerst ankamen, ließ man umhermarschieren, Halt machen, wieder marschieren und wieder für längere Zeit Halt machen, bevor sie auf ihre vorgesehenen Stellen geführt wurden. Die Folge war, daß Korps, die eine halbe bis eine Stunde vor dem Beginn der Revue auf dem Gelände waren, nicht Zeit fanden, die Gewehre <302> zusammenzusetzen und die Leute auch nur für einige Minuten zu beurlauben, um sich zu erfrischen. Das war sicherlich nicht die Schuld der Bataillonskommandeure.

Nach dem allgemeinen Salut begannen die Evolutionen. Aber es gab überhaupt kaum Evolutionen. Die erste Brigade deployierte und gab eine Serie von Schüssen ab, eine Kompaniesalve vom Zentrum nach der Flanke, eine Bataillonssalve, drei Salven Gliederfeuer. Inzwischen deployierte die zweite Brigade und löste, nachdem das Schießen vorüber war, die erste Linie ab. Dies geschah, indem sich beide Linien zu vieren formierten und die zweite Linie zu vieren durch die Zwischenräume der ersten marschierte. Das Reglement selbst charakterisiert diese Bewegung als eine nur für Paradezwecke geeignete, die niemals im Einsatz angewendet werden soll (S.113). Dann machte die zweite Brigade dieselben Schießübungen durch, während die dritte Brigade deployierte, um eine zweite Linie zu bilden, und die erste Brigade in Kolonnen nach hinten zurückging, Wir bemerkten, daß die erste Brigade dazu eine Weile brauchte und erst abrückte, als das Schießen der zweiten Brigade fast vorüber war. Dann rückten die dritte und danach die vierte Brigade vor und waren mit dem Schießen an der Reihe, wonach der ganze Truppenkörper in Masse Kolonnen bildete und vorbeimarschierte.

So gab es, das ist offensichtlich, statt der Evolutionen nur zwei Punkte, in denen die anwesenden Freiwilligen ihre Tüchtigkeit beweisen konnten: im Schießen und im Marschieren. Wir verwahren uns nun dagegen, daß man ein Platzpatronenschießen zum Kriterium für die Beurteilung eines solchen Truppenkörpers von Freiwilligen macht, wie er in Newton versammelt war. Es gab Regimenter, die ungeheure Mengen von Platzpatronen verschossen haben und infolgedessen seit langem beachtliche Erfolge im Schießen kurzer, voller Salven erreichten. Es gab andere, die ebensogut waren, vielleicht noch besser, und die im Kornpanie- und Bataillonsexerzieren sowie im Scheibenschießen ihre Aufgabe erfüllen, die aber früher kaum jemals Platzpatronen geschossen hatten. Und es gab eine große Zahl der kleinen Korps vom Lande, aus Anlaß dieser Veranstaltung in Bataillone formiert, die niemals eine Gelegenheit gehabt hatten, eine Bataillonssalve abzugeben aus dem sehr einfachen Grunde, weil mit ihnen bisher noch kein Bataillonsexerzieren durchgeführt werden konnte. Salvenschießen, soweit es nur nach dem Klang und nicht nach der Wirkung beurteilt wird, ist von allen Aufgaben des Soldaten bei weitem die leichteste; ein in allen anderen Beziehungen sicheres Bataillon wird es in kürzester Zeit lernen, und wenn die große Mehrheit der anwesenden Bataillone <303> sehr schlechte Salven abgab, müssen wir wirklich sagen, daß uns das sogar gefällt; zeigt es doch, daß sie ihre Zeit nicht damit vergeudet haben, eine Kunst zu üben, die sie jederzeit innerhalb einer Woche lernen können und die sehr geeignet ist, in Spielerei und Schaustellerei auszuarten.

Der einzige Vorteil des Programms war, daß die gesamte anwesende Infanterie etwas zu tun bekam. In jeder anderen Beziehung war es wirklich sehr dürftig. Es gab kein Tirailleurgefecht, kaum Evolutionen, und die angesetzte Leistungsprobe war nicht nur eine Täuschung, sondern für die Masse der anwesenden Korps durchaus ungerecht. Was den prächtigen Kavallerieangriff anbelangt, der das Manöver abschloß, so sagen wir lieber nichts dazu. Das Publikum nahm ihn als einen Mordsspaß.

Beim Vorbeimarsch stellten wir wieder die ständige Schwache der Freiwilligen fest - die prächtige Mißachtung der Distanz. Nur ein Regiment marschierte vorbei, das mehr oder weniger die richtige Distanz einhielt; es war aber nicht das gleiche Regiment, das sich durch seine Salven besonders ausgezeichnet hatte. Wir glauben, daß richtiges Abstandhalten beim gegenwärtigen Stand der Ausbildung sowohl schwieriger als auch wichtiger ist als genaue Salven. Im ganzen zeigte der Vorbeimarsch weniger Fortschritt seit dem letzten Jahre, als man hätte erwarten können, aber wir müssen feststellen, daß in dieser Hinsicht die kleineren Korps vom Lande den größten Fortschritt gemacht hatten. Dies verdient um so mehr öffentliche Anerkennung, da diese kleinen Korps gegen die größten Schwierigkeiten zu kämpfen haben, meistens keine Unterstützung durch einen Instruktor haben und ihnen keine höhere militärische Autorität zur Seite steht als ihr Exerzier-Unteroffizier.

Wir stellten mit Bedauern bei den Lancashire-Freiwilligen die Verbreitung des Scharlachrockes und sogar der Bärenfellmütze fest; es scheint auf ein Bestreben nach Gepränge hinzudeuten, das der Bewegung nicht dienlich sein kann. Das ist jedoch ein Gegenstand, der uns von Newton weit weg führen würde, und wir werden daher bei irgendeiner anderen Gelegenheit darauf zurückkommen.

F. E.