Saragossa - Paris | Inhalt | Der Fall von Metz

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 17, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 150-153.

Erstellt am 13.12.1998.
1. Korrektur.

Friedrich Engels

Über den Krieg - XXV


["The Pall Mall Gazette" Nr. 1780 vom 27. Oktober 1870]

|150| Während die Verhandlungen über einen Waffenstillstand in der Schwebe sind, wird es angebracht sein, die Positionen der verschiedenen Armeekorps der deutschen Armeen ausfindig zu machen, die nicht allgemein bekannt zu sein scheinen. Wir sagen: der deutschen Armeen, denn von den französischen ist sehr wenig zu sagen. Was nicht in Metz eingeschlossen ist, besteht fast ausschließlich aus frisch Ausgehobenen, deren Organisation niemals veröffentlicht worden ist und die sich notwendig von Tag zu Tag ändert. Überdies macht der Charakter dieser Truppen, die sich in allen Treffen mehr oder weniger ungeeignet für das Feld zeigen, ihre Organisation sowie ihre zahlenmäßige Stärke fast uninteressant.

Was die Deutschen anbetrifft, so wissen wir, daß sie mit dreizehn norddeutschen Armeekorps (einschließlich der Garde), einer Division Hessen, einer Division Badenser, einer Division Württemberger und zwei Armeekorps Bayern ausmarschiert sind. Die 17. Division des IX. norddeutschen Korps (von der eine Brigade aus Mecklenburgern besteht) blieb an der Küste zurück, solange die französische Flotte in der Ostsee war. An ihrer Stelle wurde die 25., die hessische Division, dem IX. Korps eingefügt, was bis auf den heutigen Tag so geblieben ist. Mit der 17. Division blieben neun Divisionen der Landwehr in der Heimat (eine von der Garde und je eine für die acht altpreußischen Provinzen; die Zeit, die seit 1866 verstrich, als das preußische System in ganz Norddeutschland eingeführt wurde, hat gerade zur Ausbildung der notwendigen Zahl von Reservisten gereicht, aber noch nicht zur Bildung von Landwehr). Als die Zurückberufung der französischen Flotte und die Vervollständigung der vierten Linienbataillone diese Kräfte verfügbar machten, wurden neue Armeekorps aus ihnen gebildet und nach Frankreich gesandt. Wir werden kaum |151| vor Kriegsende die Einzelheiten über die Formierung all dieser Armeekorps erfahren, aber was in der Zwischenzeit durchgesickert ist, gibt uns einen ziemlich klaren Einblick in den allgemeinen Charakter des Plans. Vor Metz haben wir unter Prinz Friedrich Karl das I., II., III., VII., VIII., IX. und X. Armeekorps, von denen das IX. im Augenblick aus der 18. und 25. Division besteht, außerdem zwei Landwehrdivisionen: die 1. (ostpreußische) unter General Kummer; die Nummer der anderen ist nicht bekannt - im ganzen sechzehn Infanteriedivisionen.

Vor Paris stehen unter dem Kronprinzen das V., VI. und XI. norddeutsche Korps, die beiden bayrischen Korps und die Gardelandwehrdivision; unter dem Kronprinzen von Sachsen das IV. und XII. norddeutsche Korps und die preußische Garde; unter dem Großherzog von Mecklenburg das XIII. Korps und die württembergische Division. Das XIII. Armeekorps ist aus der oben erwähnten 17. Division und einer Landwehrdivision gebildet worden. Von diesen Truppen, die alles in allem zwanzig Divisionen zählen, sind vier Divisionen zu Sonderaufgaben abkommandiert worden: Erstens von der Tann mit zwei bayrischen Divisionen und der 21. norddeutschen Division (des XI. Korps) nach Süden und Westen; mit den Bayern hält er Orléans und die Loire-Linie, während die 32. Division (unter General Wittich) Châteaudun und Chartres nacheinander besetzt hat. Zweitens ist die 17. Division nach dem Nordosten von Paris geschickt worden; sie hat Laon, Soissons, Beauvais, St. Quentin usw. besetzt. Andere Truppen - wahrscheinlich fliegende Kolonnen, hauptsächlich aus Kavallerie - sind fast bis an die Tore von Rouen vorgerückt. Wenn wir diese Truppen einer weiteren Division gleichsetzen, so haben wir im ganzen fünf Divisionen, die von der Armee vor Paris abkommandiert sind, um das Land zu säubern, Vieh und Proviant beizutreiben, der Bildung von bewaffneten Scharen vorzubeugen und irgendwelche neuen Truppenteile fernzuhalten, die die Regierung von Tours möglicherweise absenden könnte. So würden für die unmittelbare Einschließung fünfzehn Divisionen Infanterie oder siebeneinhalb Armeekorps verbleiben.

Außer dem XIII. Armeekorps befehligt der Großherzog von Mecklenburg alle detachierten Truppen in der Champagne und den anderen besetzten Distrikten westlich von Lothringen, die Garnisonen von Sedan, Reims, Épernay, Châlons, Vitry und die Truppen, die Verdun belagern. Diese bestehen aus Landwehr, hauptsächlich aus der 8. Landwehrdivision. Die Garnisonen im Elsaß und in Lothringen, fast sämtlich Landwehr, stehen unter dem Kommando der Militärgouverneure dieser Provinzen. Außerdem sind noch Truppen längs der Eisenbahnlinien und großen Straßen auf- |152| gestellt, deren ausschließliche Aufgabe es ist, sie instand und für die Militärtransporte offenzuhalten; diese Truppen, die aus Detachements der verschiedenen Linienkorps bestehen und mindestens die Stärke einer Division haben, unterstehen dem "Etappenkommandanten" |"Etappenkommandanten" in der "P.M.G." deutsch|.

Die badische Division und eine weitere Landwehrdivision sind zum XIV. Armeekorps vereinigt worden, das jetzt unter General von Werder auf Besançon vorrückt, während General Schmeling mit der 4. Reservedivision gerade Schlettstadt erfolgreich belagert hat und gegenwärtig Neu-Breisach einnimmt. Hier finden wir erstmalig eine "Reservedivision" erwähnt, die nach preußischer Militärterminologie von einer Landwehrdivision wesentlich verschieden ist. Tatsächlich haben wir somit sechs von den neun Landwehrdivisionen aufgezählt, und es ist anzunehmen, daß die Besatzung des Elsaß, Lothringens und eines Teils der Rheinfestungen von den drei anderen gestellt wird. Die Anwendung des Ausdrucks "Reservedivision" zeigt, daß die vierten Linienbataillone jetzt allmählich auf französischem Boden ankommen. Es werden neun oder in einigen Fällen zehn für jedes Armeekorps sein; aus ihnen sind ebenso viele Reservedivisionen gebildet worden, die wahrscheinlich dieselbe Nummer tragen wie das Armeekorps, dem sie zugehören. So wird die 4. Reservedivision aus den vierten Bataillonen des IV. Armeekorps formiert worden sein, das in der Provinz Sachsen rekrutiert wurde. Diese Division bildet einen Teil des neuen XV. Armeekorps. Über die andere Division wissen wir nichts - wahrscheinlich ist es eine der drei, mit denen General Löwenfeld gerade von Schlesien nach Straßburg aufgebrochen ist; die anderen beiden würden dann das XVI. Armeekorps bilden. Zusammen würde das vier von den dreizehn Reservedivisionen ausmachen, während neun in Norddeutschland zurückgeblieben und noch verfügbar sind.

Was die zahlenmäßige Stärke dieser Truppenkörper anbetrifft, so dürften die norddeutschen Bataillone vor Paris gewiß wieder auf ihre volle Stärke von durchschnittlich 750 Mann gebracht worden sein; die bayrischen sollen schwächer sein. Die Kavallerie wird kaum mehr als durchschnittlich 100 Säbel je Schwadron haben, anstatt 150; alles in allem wird ein Armeekorps vor Paris durchschnittlich 25.000 Mann betragen, so daß dort die ganze Armee gegenwärtig etwa 190.000 Mann zählen wird. Die Bataillone vor Metz müssen wegen der zahlreichen Krankheitsfälle schwächer sein und werden kaum 700 Mann zählen, die der Landwehr kaum 500 Mann.

|153| Die polnische Presse hat in letzter Zeit begonnen, einen beträchtlichen Anteil an dem preußischen Waffenruhm für sich zu beanspruchen. Die Wahrheit ist die: Die Gesamtzahl der polnisch sprechenden Bevölkerung in Preußen beträgt etwa zwei Millionen oder ein Fünfzehntel der ganzen norddeutschen Bevölkerung; wir fügen noch die "Wasserpolacken" aus Oberschlesien und die Masuren aus Ostpreußen hinzu, die sehr erstaunt wären, wenn sie hören würden, daß man sie als Polen bezeichnet. Das I., II., V. und VI. Korps haben eine Beimischung von polnischen Soldaten, aber vorherrschend ist das polnische Element gegenwärtig nur in einer Division des V. und vielleicht in einer Brigade des VI. Korps. Die Politik der preußischen Regierung ging dahin, das polnische Element in der Armee möglichst auf eine große Zahl von Korps zu verteilen. So sind die Polen aus Westpreußen auf das I. und II. Korps und die aus Posen auf das II. und V. Korps aufgeteilt, wobei stets dafür gesorgt worden ist, daß die Mehrzahl der Soldaten in jedem Korps Deutsche sind.

Die Bezwingung von Verdun wird jetzt energisch in Angriff genommen. Die Stadt und die Zitadelle sind nicht sehr stark befestigt, haben aber tiefe wasserführende Gräben. Am 11. und 12. Oktober wurde die Besatzung aus den die Festung umgebenden Ortschaften vertrieben und die Einschließung vollendet. Am 13. begann ein Bombardement aus 48 Geschützen und Mörsern (französischen, in Sedan erbeuteten), die zwischen 700 und 1.300 Yard von den Werken entfernt aufgestellt waren. Am 14. kamen einige alte französische 24pfünder aus Sedan an und am folgenden Tag einige neue preußische gezogene 24pfünder, die Toul bezwungen hatten. Sie waren am 18. Oktober in voller Tätigkeit. Die Stadt scheint schwer zu leiden, weil sie sehr eng gebaut ist.