Londoner Konferenz der Internationalen Arbeiter-Assoziation 18. - 23. September 1871

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 17, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 427-430.

1. Korrektur.
Erstellt am 13.12.1998.

Karl Marx

Beschluß der Londoner Konferenz über die Streitigkeiten in der romanischen Schweiz

Aus dem Französischen.


["L.Égalité" Nr. 20 vom 21. Oktober 1871]

|427| In bezug auf diese Streitigkeiten:

1. Die Konferenz muß sich zunächst mit den Einwänden befassen, die das Föderalkomitee der Jura-Sektionen, die der Romanischen Föderation nicht angehören, vorgebracht hat (siehe den Brief vom 4. September, welcher von dem Föderalkomitee dieser Sektion an die Konferenz gerichtet wurde).

Erster Einwand:

"Nur der allgemeine Kongreß", so heißt es, "der regelmäßig einberufen wird, kann allein die Kompetenz besitzen, eine solch schwerwiegende Angelegenheit wie die der Spaltung in der Romanischen Föderation zu beurteilen."

In Erwägung,

daß im Fall von Zwistigkeiten zwischen Gesellschaften oder Sektionen derselben nationalen Gruppe, oder zwischen Gruppen verschiedener Nationalität, der Generalrat das Recht der Entscheidung hat, vorbehaltlich der Berufung an den nächsten Kongreß, der endgültig entscheidet (siehe Artikel VII der Baseler Kongreßbeschlüsse);

daß gemäß Artikel VI der Baseler Kongreßbeschlüsse der Generalrat ebenfalls das Recht hat, jede Sektion der Internationalen bis zum nächsten Kongreß zu suspendieren;

daß diese Rechte des Generalrats - wenn auch nur theoretisch - vom Föderalkomitee der abgespaltenen Jura-Sektionen anerkannt wurden, weil der Bürger Robin den Generalrat mehrmals im Namen dieses Komitees gebeten hat, eine endgültige Entscheidung in dieser Frage zu fällen (siehe Protokoll des Generalrats);

|428| daß die Rechte der Konferenz, wenn sie auch nicht die gleichen wie die des allgemeinen Kongresses sind, auf jeden Fall größer sind als die des Generalrats;

daß es in Wirklichkeit nicht das Föderalkomitee der Romanischen Föderation, sondern gerade das Föderalkomitee der abgespaltenen Jura-Sektionen war, das durch Vermittlung des Bürgers Robin die Einberufung einer Konferenz gefordert hat, um über diese Streitigkeiten endgültig zu entscheiden (siehe Protokoll des Generalrats vom 25. Juli 1871);

betrachtet die Konferenz aus diesen Gründen den ersten Einwand als erledigt.

Zweiter Einwand:

"Es widerspräche", so heißt es, "der elementarsten Gerechtigkeit, eine Föderation zu verurteilen, der man nicht die Möglichkeit zur Verteidigung gegeben hat ... Wir erfahren heute (am 4. September 1871) indirekt, daß für den 17. September eine außerordentliche Konferenz nach London einberufen ist ... Es war Pflicht des Generalrats, alle regionalen Gruppen davon zu unterrichten; wir wissen nicht, warum er sich uns gegenüber in Schweigen gehüllt hat."

In Erwägung,

daß der Generalrat alle seine Sekretäre angewiesen hatte, die Sektionen der entsprechenden Länder, die sie vertreten, über die Einberufung der Konferenz zu benachrichtigen,

daß der Bürger Jung, korrespondierender Sekretär für die Schweiz, das Komitee der Jura-Sektionen aus den folgenden Gründen nicht informiert hat:

Unter flagranter Verletzung des Beschlusses des Generalrats vom 29. Juni 1870 bezeichnet sich dieses Komitee sogar in seinem letzten Brief an die Konferenz weiterhin als Komitee der Romanischen Föderation;

dieses Komitee hatte das Recht wegen der Entscheidung des Generalrats an den künftigen Kongreß zu appellieren, jedoch nicht das Recht, die Entscheidung des Generalrats zu ignorieren;

folglich existierte es von Rechts wegen nicht für den Generalrat, und der Bürger Jung war nicht berechtigt, es durch direkte Einladung, Delegierte zur Konferenz zu entsenden, anzuerkennen;

der Bürger Jung hat von diesem Komitee keine Antwort auf die im Namen des Generalrats gestellten Fragen erhalten; seit der Aufnahme des Bürgers Robin in den Generalrat wurden die Forderungen des oben genannten Komitees dem Generalrat stets durch den Bürger Robin übermittelt und niemals durch den korrespondierenden Sekretär für die Schweiz.

|429| In weiterer Erwägung,

daß der Bürger Robin im Namen des obengenannten Komitees gefordert hatte, die Streitigkeiten zuerst dem Generalrat und dann - nach abschlägiger Antwort des Generalrats - einer Konferenz zu unterbreiten, so daß der Generalrat und sein korrespondierender Sekretär für die Schweiz guten Grund hatten zu der Annahme, der Bürger Robin würde seine Korrespondenten von der Einberufung der Konferenz informieren, die sie selbst verlangt hatten;

daß die von der Konferenz zur Untersuchung der Schweizer Streitigkeiten ernannte Kommission den Bürger Robin als Zeugen angehört hat; daß alle Dokumente, die beide Teile dem Generalrat unterbreitet hatten, dieser Untersuchungskommission übermittelt wurden; daß unmöglich angenommen werden kann, das obengenannte Komitee sei erst am 4. September von der Einberufung der Konferenz informiert worden, da es bereits im August dem Bürger M... |Malon| angeboten hatte, ihn als Delegierten zur Konferenz zu entsenden;

aus diesen Gründen betrachtet die Konferenz den zweiten Einwand als erledigt.

Dritter Einwand:

"Ein Beschluß", so heißt es, "der die Rechte unserer Föderation annullieren würde, hätte die verhängnisvollsten Folgen für die Existenz der Internationale in unserem Land."

In Erwägung,

daß niemand die Annullierung der Rechte der obengenannten Föderation verlangt hat, betrachtet die Konferenz den dritten Einwand als erledigt.

2. Die Konferenz billigt den Beschluß des Generalrats vom 29. Juni 1870.

Außerdem aber, in Anbetracht der Verfolgungen, denen die Internationale gegenwärtig ausgesetzt ist, ruft die Konferenz den Geist der Solidarität und der Einigkeit an, der jetzt mehr als je die Arbeiter durchdringen sollte.

Sie erteilt den braven Arbeitern der Jura-Sektionen den Rat, sich den Sektionen der Romanischen Föderation wieder anzuschließen. Falls diese Wiedervereinigung nicht tunlich, entscheidet sie, daß die Föderation der ausgetretenen Sektionen den Namen: Föderation des Jura (Fédération Jurassienne) annehmen wird.

|430| Sie kündigt ferner an, daß von nun an der Generalrat gehalten sein wird, öffentlich anzuklagen und zu verleugnen alle angeblichen Organe der Internationalen, welche, nach dem Vorgang des "Progrès" und der "Solidarité", in ihren Spalten vor dem Bourgeoispublikum Fragen besprechen sollten, die nur zur Debatte in den lokalen und föderalen Komitees, im Generalrat oder in den geschlossenen Verwaltungssitzungen der föderalen oder allgemeinen Kongresse geeignet sind.

London, 26, September 1871