22. Kapitel. Verwandlung von Mehrwert in Kapital | Inhalt | 23. Kapitel. Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Teil II

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 23, "Das Kapital", Bd. I, Siebenter Abschnitt, S. 640 - 677
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1968

DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL. TEIL I. (ABSCHNITT 1 bis 4)
Das allgemeine Gesetz
der kapitalistischen Akkumulation

1. Wachsende Nachfrage nach Arbeitskraft mit der Akkumulation,
bei gleichbleibender Zusammensetzung des Kapitals

<640> Wir behandeln in diesem Kapitel den Einfluß, den das Wachstum des Kapitals auf das Geschick der Arbeiterklasse ausübt. Der wichtigste Faktor bei dieser Untersuchung ist die Zusammensetzung des Kapitals und die Veränderungen, die sie im Verlauf des Akkumulationsprozesses durchmacht.

Die Zusammensetzung des Kapitals ist in zweifachem Sinn zu fassen. Nach der Seite des Werts bestimmt sie sich durch das Verhältnis, worin es sich teilt in konstantes Kapital oder Wert der Produktionsmittel und variables Kapital oder Wert der Arbeitskraft, Gesamtsumme der Arbeitslöhne. Nach der Seite des Stoffs, wie er im Produktionsprozeß fungiert, teilt sich jedes Kapital in Produktionsmittel und lebendige Arbeitskraft; diese Zusammensetzung bestimmt sich durch das Verhältnis zwischen der Masse der angewandten Produktionsmittel einerseits und der zu ihrer Anwendung erforderlichen Arbeitsmenge andrerseits. Ich nenne die erstere die Wertzusammensetzung, die zweite die technische Zusammensetzung des Kapitals. Zwischen beiden besteht enge Wechselbeziehung. Um diese auszudrücken, nenne ich die Wertzusammensetzung des Kapitals, insofern sie durch seine technische Zusammensetzung bestimmt wird und deren Änderungen widerspiegelt: die organische Zusammensetzung des Kapitals. Wo von der Zusammensetzung des Kapitals kurzweg die Rede ist, ist stets seine organische Zusammensetzung zu verstehn.

Die zahlreichen in einem bestimmten Produktionszweig angelegten Einzelkapitale haben unter sich mehr oder weniger verschiedne Zusammensetzung. Der Durchschnitt ihrer Einzelzusammensetzungen ergibt uns die Zusammensetzung des Gesamtkapitals dieses Produktionszweigs. Endlich <641> ergibt uns der Gesamtdurchschnitt der Durchschnittszusammensetzungen sämtlicher Produktionszweige die Zusammensetzung des gesellschaftlichen Kapitals eines Landes, und von dieser allein in letzter Instanz ist im folgenden die Rede.

Wachstum des Kapitals schließt Wachstum seines variablen oder in Arbeitskraft umgesetzten Bestandteils ein. Ein Teil des in Zusatzkapital verwandelten Mehrwerts muß stets rückverwandelt werden in variables Kapital oder zuschüssigen Arbeitsfonds. Unterstellen wir, daß, nebst sonst gleichbleibenden Umständen, die Zusammensetzung des Kapitals unverändert bleibt, d.h. eine bestimmte Masse Produktionsmittel oder konstantes Kapital stets dieselbe Masse Arbeitskraft erheischt, um in Bewegung gesetzt zu werden, so wächst offenbar die Nachfrage nach Arbeit und der Subsistenzfonds der Arbeiter verhältnismäßig mit dem Kapital und um so rascher, je rascher das Kapital wächst. Da das Kapital jährlich einen Mehrwert produziert, wovon ein Teil jährlich zum Originalkapital geschlagen wird, da dies Inkrement selbst jährlich wächst mit dem zunehmenden Umfang des bereits in Funktion begriffenen Kapitals und da endlich, unter besondrem Sporn des Bereicherungstriebs, wie z.B. Öffnung neuer Märkte, neuer Sphären der Kapitalanlage infolge neu entwickelter gesellschaftlicher Bedürfnisse usw., die Stufenleiter der Akkumulation plötzlich ausdehnbar ist durch bloß veränderte Teilung des Mehrwerts oder Mehrprodukts in Kapital und Revenue, können die Akkumulationsbedürfnisse des Kapitals das Wachstum der Arbeitskraft oder der Arbeiteranzahl, die Nachfrage nach Arbeitern ihre Zufuhr überflügeln und daher die Arbeitslöhne steigen. Dies muß sogar schließlich der Fall sein bei unveränderter Fortdauer obiger Voraussetzung. Da in jedem Jahr mehr Arbeiter beschäftigt werden als im vorhergehenden, so muß früher oder später der Punkt eintreten, wo die Bedürfnisse der Akkumulation anfangen, über die gewöhnliche Zufuhr von Arbeit hinauszuwachsen, wo also Lohnsteigerung eintritt. Klage hierüber ertönt in England während des ganzen fünfzehnten und der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. Die mehr oder minder günstigen Umstände, worin sich die Lohnarbeiter erhalten und vermehren, ändern jedoch nichts am Grundcharakter der kapitalistischen Produktion. Wie die einfache Reproduktion fortwährend das Kapitalverhältnis selbst reproduziert, Kapitalisten auf der einen Seite, Lohnarbeiter auf der andren, so reproduziert die Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter oder die Akkumulation das Kapitalverhältnis auf erweiterter Stufenleiter, mehr Kapitalisten oder größere Kapitalisten auf diesem Pol, mehr Lohnarbeiter auf jenem. Die Reproduktion der Arbeitskraft, die sich dem Kapital <642> unaufhörlich als Verwertungsmittel einverleiben muß, nicht von ihm loskommen kann und deren Hörigkeit zum Kapital nur versteckt wird durch den Wechsel der individuellen Kapitalisten, woran sie sich verkauft, bildet in der Tat ein Moment der Reproduktion des Kapitals selbst. Akkumulation des Kapitals ist also Vermehrung des Proletariats.(70)

Die klassische Ökonomie begriff diesen Satz so wohl, daß A. Smith, Ricardo usw., wie früher erwähnt, die Akkumulation sogar fälschlich identifizieren mit Konsum des ganzen kapitalisierten Teils des Mehrprodukts durch produktive Arbeiter oder mit seiner Verwandlung in zuschüssige Lohnarbeiter. Schon 1696 sagt John Bellers:

"Wenn jemand 100.000 Acres hätte und ebenso viele Pfunde Geld und ebensoviel Vieh, was wäre der reiche Mann ohne den Arbeiter außer selbst ein Arbeiter? Und wie die Arbeiter Leute reich machen, so desto mehr Arbeiter, desto mehr Reiche ... Die Arbeit des Armen ist die Mine des Reichen."(71)

So Bernard de Mandeville im Anfang des 18. Jahrhunderts:

"Wo das Eigentum hinreichend geschützt ist, wäre es leichter, ohne Geld zu leben als ohne Arme, denn wer würde die Arbeit tun?... Wie die Arbeiter vor Aushungerung zu bewahren sind, so sollten sie nichts erhalten, was der Ersparung wert ist. Wenn hier und da einer aus der untersten Klasse durch ungewöhnlichen Fleiß und Bauchkneipen sich über die Lage erhebt, worin er aufgewachsen war, so muß ihn keiner daran hin- <643> dern: ja es ist unleugbar der weiseste Plan für jede Privatperson, für jede Privatfamilie in der Gesellschaft, frugal zu sein; aber es ist das Interesse aller reichen Nationen, daß der größte Teil der Armen nie untätig sei und sie dennoch stets verausgaben, was sie einnehmen ... Diejenigen, die ihr Leben durch ihre tägliche Arbeit gewinnen, haben nichts, was sie anstachelt, dienstlich zu sein außer ihren Bedürfnissen, welche es Klugheit ist zu lindern, aber Narrheit wäre zu kurieren. Das einzige Ding, das den arbeitenden Mann fleißig machen kann, ist ein mäßiger Arbeitslohn. Ein zu geringer macht ihn je nach seinem Temperament kleinmütig oder verzweifelt, ein zu großer insolent und faul ... Aus dem bisher Entwickelten folgt, daß in einer freien Nation, wo Sklaven nicht erlaubt sind, der sicherste Reichtum aus einer Menge arbeitsamer Armen besteht. Außerdem, daß sie die nie versagende Zufuhrquelle für Flotte und Armee, gäbe es ohne sie keinen Genuß und wäre das Produkt keines Landes verwertbar. Um die Gesellschaft" (die natürlich aus den Nichtarbeitern besteht) "glücklich und das Volk selbst in kümmerlichen Zuständen zufrieden zu machen, ist es nötig, daß die große Majorität sowohl unwissend als arm bleibt. Kenntnis erweitert und vervielfacht unsere Wünsche, und je weniger ein Mann wünscht, desto leichter können seine Bedürfnisse befriedigt werden."(72)

Was Mandeville, ein ehrlicher Mann und heller Kopf, noch nicht begreift, ist, daß der Mechanismus des Akkumulationsprozesses selbst mit dem Kapital die Masse der "arbeitsamen Armen" vermehrt, d.h. der Lohnarbeiter, die ihre Arbeitskraft in wachsende Verwertungskraft des wachsenden Kapitals verwandeln und ebendadurch ihr Abhängigkeitsverhältnis von ihrem eignen, im Kapitalisten personifzierten Produkt verewigen müssen. Mit Bezug auf dies Abhängigkeitsverhältnis bemerkt Sir F. M. Eden in seiner "Lage der Armen, oder Geschichte der arbeitenden Klasse Englands":

"Unsere Zone erfordert Arbeit zur Befriedigung der Bedürfnisse, und deshalb muß wenigstens ein Teil der Gesellschaft unermüdet arbeiten ... Einige, die nicht arbeiten, haben dennoch die Produkte des Fleißes zu ihrer Verfügung. Das verdanken diese Eigentümer aber nur der Zivilisation und Ordnung; sie sind reine Kreaturen der bürgerlichen Institutionen.(73) Denn diese haben es anerkannt, daß man die Früchte der <644> Arbeit auch anders als durch Arbeit sich aneignen kann. Die Leute von unabhängigem Vermögen verdanken ihr Vermögen fast ganz der Arbeit andrer, nicht ihrer eignen Fähigkeit, die durchaus nicht besser ist als die der andren; es ist nicht der Besitz von Land und Geld, sondern das Kommando über Arbeit (the command of labour), das die Reichen von den Armen unterscheidet ... Was dem Armen zusagt, ist nicht eine verworfene oder servile Lage, sondern ein bequemes und liberales Abhängigkeitsverhältnis (a state of easy and liberal dependence), und für die Leute von Eigentum hinreichender Einfluß und Autorität über die, die für sie arbeiten ... Ein solches Abhängigkeitsverhältnis ist, wie jeder Kenner der menschlichen Natur weiß, notwendig für den Komfort der Arbeiter selbst. "(74)

Sir F. M. Eden, beiläufig bemerkt, ist der einzige Schüler Adam Smiths, der während des achtzehnten Jahrhunderts etwas Bedeutendes geleistet hat .(75)

 <645> Unter den bisher unterstellten, den Arbeitern günstigsten Akkumulationsbedingungen kleidet sich ihr Abhängigkeitsverhältnis vom Kapital in erträgliche oder, wie Eden sagt, "bequeme und liberale" Formen. Statt intensiver zu werden mit dem Wachstum des Kapitals, wird es nur extensiver, d.h. die Exploitations- und Herrschaftssphäre des Kapitals dehnt <646> sich nur aus mit seiner eigenen Dimension und der Anzahl seiner Untertanen. Von ihrem eignen anschwellenden und schwellend in Zusatzkapital verwandelten Mehrprodukt strömt ihnen ein größerer Teil in der Form von Zahlungsmitteln zurück, so daß sie den Kreis ihrer Genüsse erweitern, ihren Konsumtionsfonds von Kleidern, Möbeln usw. besser ausstatten und kleine Reservefonds von Geld bilden können. So wenig aber bessere Kleidung, Nahrung, Behandlung und ein größeres Peculium das Abhängigkeitsverhältnis und die Exploitation des Sklaven aufheben, so wenig die des Lohnarbeiters. Steigender Preis der Arbeit infolge der Akkumulation des Kapitals besagt in der Tat nur, daß der Umfang und die Wucht der goldnen Kette, die der Lohnarbeiter sich selbst bereits geschmiedet hat, ihre losere Spannung erlauben. In den Kontroversen über diesen Gegen- <647> stand hat man meist die Hauptsache übersehn, nämlich die differentia specifica <den kennzeichnenden Unterschied> der kapitalistischen Produktion. Arbeitskraft wird hier gekauft, nicht um durch ihren Dienst oder ihr Produkt die persönlichen Bedürfnisse des Käufers zu befriedigen. Sein Zweck ist Verwertung seines Kapitals, Produktion von Waren, die mehr Arbeit enthalten, als er zahlt, also einen Wertteil enthalten, der ihm nichts kostet und dennoch durch den Warenverkauf realisiert wird. Produktion von Mehrwert oder Plusmacherei ist das absolute Gesetz dieser Produktionsweise. Nur soweit sie die Produktionsmittel als Kapital erhält, ihren eignen Wert als Kapital reproduziert und in unbezahlter Arbeit eine Quelle von Zuschußkapital liefert, ist die Arbeitskraft verkaufbar.(76) Die Bedingungen ihres Verkaufs, ob mehr oder minder günstig für den Arbeiter, schließen also die Notwendigkeit ihres steten Wiederverkaufs und die stets erweiterte Reproduktion des Reichtums als Kapital ein. Der Arbeitslohn, wie man gesehn, bedingt seiner Natur nach stets Lieferung eines bestimmten Quantums unbezahlter Arbeit auf seiten des Arbeiters. Ganz abgesehn vom Steigen des Arbeitslohns mit sinkendem Preis der Arbeit usw., besagt seine Zunahme im besten Fall nur quantitative Abnahme der unbezahlten Arbeit, die der Arbeiter leisten muß. Diese Abnahme kann nie bis zum Punkt fortgehn, wo sie das System selbst bedrohen würde. Abgesehn von gewaltsamen Konflikten über die Rate des Arbeitslohns, und Adam Smith hat bereits gezeigt, daß im großen und ganzen in solchem Konflikt der Meister stets Meister bleibt, unterstellt ein aus Akkumulation des Kapitals entspringendes Steigen des Arbeitspreises folgende Alternative.

Entweder fährt der Preis der Arbeit fort zu steigen, weil seine Erhöhung den Fortschritt der Akkumulation nicht stört; es liegt darin nichts Wunderbares, denn, sagt A. Smith,

"selbst bei gesunknem Profit vermehren sich die Kapitale dennoch; sie wachsen selbst rascher als vorher ... Ein großes Kapital wächst selbst bei kleinerem Profit im allgemeinen rascher als ein kleines Kapital bei großem Profit. (l.c. I, p. 189.)

<648> In diesem Falle ist es augenscheinlich, daß eine Verminderung der unbezahlten Arbeit die Ausdehnung der Kapitalherrschaft keineswegs beeinträchtigt. - Oder, das ist die andre Seite der Alternative, die Akkumulation erschlafft infolge des steigenden Arbeitspreises, weil der Stachel des Gewinns abstumpft. Die Akkumulation nimmt ab. Aber mit ihrer Abnahme verschwindet die Ursache ihrer Abnahme, nämlich die Disproportion zwischen Kapital und exploitabler Arbeitskraft. Der Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses beseitigt also selbst die Hindernisse, die er vorübergehend schafft. Der Arbeitspreis fällt wieder auf ein den Verwertungsbedürfnissen des Kapitals entsprechendes Niveau, ob dieses nun unter, über oder gleich mit dem Niveau, welches vor Eintritt des Lohnzuwachses als normal galt. Man sieht: Im ersten Fall ist es nicht die Abnahme im absoluten oder proportionellen Wachstum der Arbeitskraft oder Arbeiterbevölkerung, welche das Kapital überschüssig, sondern umgekehrt die Zunahme des Kapitals, welche die exploitable Arbeitskraft unzureichend macht. Im zweiten Fall ist es nicht die Zunahme im absoluten oder proportionellen Wachstum der Arbeitskraft oder der Arbeiterbevölkerung, welche das Kapital unzureichend, sondern umgekehrt die Abnahme des Kapitals, welche die exploitable Arbeitskraft, oder vielmehr ihren Preis, überschüssig macht. Es sind diese absoluten Bewegungen in der Akkumulation des Kapitals, welche sich als relative Bewegungen in der Masse der exploitablen Arbeitskraft widerspiegeln und daher der eignen Bewegung der letztren geschuldet scheinen. Um mathematischen Ausdruck anzuwenden: die Größe der Akkumulation ist die unabhängige Variable, die Lohngröße die abhängige, nicht umgekehrt. So drückt sich in der Krisenphase des industriellen Zyklus der allgemeine Fall der Warenpreise als Steigen des relativen Geldwerts, und in der Prosperitätsphase das allgemeine Steigen der Warenpreise als Fall des relativen Geldwerts aus. Die sog. Currency-Schule schließt daraus, daß bei hohen Preisen zu viel, bei niedrigen zu wenig Geld zirkuliert. <3. und 4. Auflage: bei hohen Preisen zu wenig, bei niedrigen zu viel Geld zirkuliert.> Ihre Ignoranz und völlige Verkennung der Tatsachen (77) finden würdige Parallele in den Ökonomen, welche jene Phänomene der Akkumulation dahin deuten, daß das eine Mal zu wenig und das andre Mal zu viel Lohnarbeiter existieren.

Das Gesetz der kapitalistischen Produktion, das dem angeblichen "natürlichen Populationsgesetz" zugrunde liegt, kommt einfach auf dies her- <649> aus: Das Verhältnis zwischen Kapital, Akkumulation und Lohnrate ist nichts als das Verhältnis zwischen der unbezahlten, in Kapital verwandelten Arbeit und der zur Bewegung des Zusatzkapitals erforderlichen zuschüssigen Arbeit. Es ist also keineswegs ein Verhältnis zweier voneinander unabhängigen Größen, einerseits der Größe des Kapitals, andrerseits der Zahl der Arbeiterbevölkerung, es ist vielmehr in letzter Instanz nur das Verhältnis zwischen der unbezahlten und der bezahlten Arbeit derselben Arbeiterbevölkerung. Wächst die Menge der von der Arbeiterklasse gelieferten und von der Kapitalistenklasse akkumulierten, unbezahlten Arbeit rasch genug, um nur durch einen außergewöhnlichen Zuschuß bezahlter Arbeit sich in Kapital verwandeln zu können, so steigt der Lohn, und alles andre gleichgesetzt, nimmt die unbezahlte Arbeit im Verhältnis ab. Sobald aber diese Abnahme den Punkt berührt, wo die das Kapital ernährende Mehrarbeit nicht mehr in normaler Menge angeboten wird, so tritt eine Reaktion ein: ein geringerer Teil der Revenue wird kapitalisiert, die Akkumulation erlahmt, und die steigende Lohnbewegung empfängt einen Gegenschlag. Die Erhöhung des Arbeitspreises bleibt also eingebannt in Grenzen, die die Grundlagen des kapitalistischen Systems nicht nur unangetastet lassen, sondern auch seine Reproduktion auf wachsender Stufenleiter sichern. Das in ein Naturgesetz mystifizierte Gesetz der kapitalistischen Akkumulation drückt also in der Tat nur aus, daß ihre Natur jede solche Abnahme im Exploitationsgrad der Arbeit oder jede solche Steigerung des Arbeitspreises ausschließt, welche die stetige Reproduktion des Kapitalverhältnisses und seine Reproduktion auf stets erweiterter Stufenleiter ernsthaft gefährden könnte. Es kann nicht anders sein in einer Produktionsweise, worin der Arbeiter für die Verwertungsbedürfnisse vorhandner Werte, statt umgekehrt der gegenständliche Reichtum für die Entwicklungsbedürfnisse des Arbeiters da ist. Wie der Mensch in der Religion vom Machwerk seines eignen Kopfes, so wird er in der kapitalistischen Produktion vom Machwerk seiner eignen Hand beherrscht.(77a)

2. Relative Abnahme des variablen Kapitalteils
im Fortgang der Akkumulation
und der sie begleitenden Konzentration

<650> Nach den Ökonomen selbst ist es weder der vorhandne Umfang des gesellschaftlichen Reichtums noch die Größe des bereits erworbnen Kapitals, die eine Lohnerhöhung herbeiführen, sondern lediglich das fortgesetzte Wachsen der Akkumulation und der Geschwindigkeitsgrad ihres Wachstums (A. Smith, Buch 1, Kap. 8). Bisher haben wir nur eine besondre Phase dieses Prozesses betrachtet, diejenige, in der der Kapitalzuwachs stattfindet bei gleichbleibender technischer Zusammensetzung des Kapitals. Aber der Prozeß schreitet über diese Phase hinaus.

Die allgemeinen Grundlagen des kapitalistischen Systems einmal gegeben, tritt im Verlauf der Akkumulation jedesmal ein Punkt ein, wo die Entwicklung der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit der mächtigste Hebel der Akkumulation wird.

"Dieselbe Ursache, sagt A. Smith, "die die Löhne erhöht, nämlich die Zunahme des Kapitals, treibt zur Steigerung der produktiven Fähigkeiten der Arbeit und setzt eine kleinere Arbeitsmenge instand, eine größere Menge von Produkten zu erzeugen." 

Abgesehn von Naturbedingungen, wie Fruchtbarkeit des Bodens usw., und vom Geschick unabhängiger und isoliert arbeitender Produzenten, das sich jedoch mehr qualitativ in der Güte als quantitativ in der Masse des Machwerks bewährt, drückt sich der gesellschaftliche Produktivgrad der Arbeit aus im relativen Größenumfang der Produktionsmittel, welche ein Arbeiter, während gegebner Zeit, mit derselben Anspannung von Arbeitskraft, in Produkt verwandelt. Die Masse der Produktionsmittel, womit er funktioniert, wächst mit der Produktivität seiner Arbeit. Diese Produktionsmittel spielen dabei eine doppelte Rolle. Das Wachstum der einen ist Folge, das der andren Bedingung der wachsenden Produktivität der Arbeit. Z.B. mit der manufakturmäßigen Teilung der Arbeit und der Anwendung von Maschinerie wird in derselben Zeit mehr Rohmaterial verarbeitet, tritt also größere Masse von Rohmaterial und Hilfsstoffen in den Arbeitsprozeß ein. Das ist die Folge der wachsenden Produktivität der Arbeit. Andrerseits ist die Masse der angewandten Maschinerie, Arbeitsviehs, mineralischen Düngers, Drainierungsröhren usw. Bedingung der wachsenden Produktivität der Arbeit. Ebenso die Masse der in Baulichkeiten, Riesenöfen, Trans- <651> portmitteln usw. konzentrierten Produktionsmittel. Ob aber Bedingung oder Folge, der wachsende Größenumfang der Produktionsmittel im Vergleich zu der ihnen einverleibten Arbeitskraft drückt die wachsende Produktivität der Arbeit aus. Die Zunahme der letzteren erscheint also in der Abnahme der Arbeitsmasse verhältnismäßig zu der von ihr bewegten Masse von Produktionsmitteln oder in der Größenabnahme des subjektiven Faktors des Arbeitsprozesses, verglichen mit seinen objektiven Faktoren.

Diese Veränderung in der technischen Zusammensetzung des Kapitals, das Wachstum in der Masse der Produktionsmittel, verglichen mit der Masse der sie belebenden Arbeitskraft, spiegelt sich wider in seiner Wertzusammensetzung, in der Zunahme des konstanten Bestandteils des Kapitalwerts auf Kosten seines variablen Bestandteils. Es werden z.B. von einem Kapital, prozentweis berechnet, ursprünglich je 50% in Produktionsmitteln und je 50% in Arbeitskraft ausgelegt, später, mit der Entwicklung des Produktivgrads der Arbeit, je 80% in Produktionsmitteln und je 20% in Arbeitskraft usw. Dies Gesetz des steigenden Wachstums des konstanten Kapitalteils im Verhältnis zum variablen wird auf jedem Schritt bestätigt (wie schon oben entwickelt) durch die vergleichende Analyse der Warenpreise, gleichviel ob wir verschiedne ökonomische Epochen bei einer einzigen Nation vergleichen oder verschiedne Nationen in derselben Epoche. Die relative Größe des Preiselements, welches nur den Wert der verzehrten Produktionsmittel oder den konstanten Kapitalteil vertritt, wird in direktem, die relative Größe des andern, die Arbeit bezahlenden oder den variablen Kapitalteil vertretenden Preiselements, wird im allgemeinen in umgekehrtem Verhältnis stehn zum Fortschritt der Akkumulation.

Die Abnahme des variablen Kapitalteils gegenüber dem konstanten oder die veränderte Zusammensetzung des Kapitalwerts zeigt jedoch nur annähernd den Wechsel in der Zusammensetzung seiner stofflichen Bestandteile an. Wenn z.B. heute der in der Spinnerei angelegte Kapitalwert zu 7/8 konstant und 1/8 variabel ist, während er Anfang des 18. Jahrhunderts 1/2 konstant und 1/2 variabel war, so ist dagegen die Masse von Rohstoff, Arbeitsmitteln usw., die ein bestimmtes Quantum Spinnarbeit heute produktiv konsumiert, vielhundertmal größer als im Anfang des 18. Jahrhunderts. Der Grund ist einfach der, daß mit der wachsenden Produktivität der Arbeit nicht nur der Umfang der von ihr vernutzten Produktionsmittel steigt, sondern deren Wert, verglichen mit ihrem Umfang, sinkt. Ihr Wert steigt also absolut, aber nicht proportionell mit ihrem Umfang. Das Wachstum der Differenz zwischen konstantem und variablem Kapital ist daher <652> viel kleiner als das der Differenz zwischen der Masse der Produktionsmittel, worin das konstante, und der Masse Arbeitskraft, worin das variable Kapital umgesetzt wird. Die erstere Differenz nimmt zu mit der letzteren, aber in geringerem Grad.

Übrigens, wenn der Fortschritt der Akkumulation die relative Größe des variablen Kapitalteils vermindert, schließt er damit die Steigerung ihrer absoluten Größe keineswegs aus. Gesetzt, ein Kapitalwert spalte sich anfangs in 50% konstantes und 50% variables Kapital, später in 80% konstantes und 20% variables. Ist inzwischen das ursprüngliche Kapital, sage 6.000 Pfd. St., gewachsen auf 18.000 Pfd. St., so ist sein variabler Bestandteil auch um 1/5 gewachsen. Er war 3.000 Pfd. St., er beträgt jetzt 3.600 Pfd. St. Wo aber früher ein Kapitalzuwachs von 20% genügt hätte, die Nachfrage nach Arbeit um 20% zu steigern, erfordert das jetzt Verdreifachung des ursprünglichen Kapitals.

Im vierten Abschnitt wurde gezeigt, wie die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit Kooperation auf großer Stufenleiter voraussetzt, wie nur unter dieser Voraussetzung Teilung und Kombination der Arbeit organisiert, Produktionsmittel durch massenhafte Konzentration ökonomisiert, schon stofflich nur gemeinsam anwendbare Arbeitsmittel, z.B. System der Maschinerie usw., ins Leben gerufen, ungeheure Naturkräfte in den Dienst der Produktion gepreßt und die Verwandlung des Produktionsprozesses in technologische Anwendung der Wissenschaft vollzogen werden können. Auf Grundlage der Warenproduktion, wo die Produktionsmittel Eigentum von Privatpersonen sind, wo der Handarbeiter daher entweder isoliert und selbständig Waren produziert oder seine Arbeitskraft als Ware verkauft, weil ihm die Mittel zum Selbstbetrieb fehlen, realisiert sich jene Voraussetzung nur durch das Wachstum der individuellen Kapitale oder im Maße, worin die gesellschaftlichen Produktions- und Lebensmittel in das Privateigentum von Kapitalisten verwandelt werden. Der Boden der Warenproduktion kann die Produktion auf großer Stufenleiter nur in kapitalistischer Form tragen. Eine gewisse Akkumulation von Kapital in den Händen individueller Warenproduzenten bildet daher die Voraussetzung der spezifisch kapitalistischen Produktionsweise. Wir mußten sie deshalb unterstellen bei dem Übergang aus dem Handwerk in den kapitalistischen Betrieb. Sie mag die ursprüngliche Akkumulation heißen, weil sie statt historisches Resultat historische Grundlage der spezifisch kapitalistischen Produktion ist. Wie sie selbst entspringt, brauchen wir hier noch nicht zu untersuchen. Genug, sie bildet den Ausgangspunkt. Aber alle Methoden zur Steigerung der gesellschaftlichen <653> Produktivkraft der Arbeit, die auf dieser Grundlage erwachsen, sind zugleich Methoden der gesteigerten Produktion des Mehrwerts oder Mehrprodukts, welches seinerseits das Bildungselement der Akkumulation. Sie sind also zugleich Methoden der Produktion von Kapital durch Kapital oder Methoden seiner beschleunigten Akkumulation. Die kontinuierliche Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital stellt sich dar als wachsende Größe des in den Produktionsprozeß eingehenden Kapitals. Diese wird ihrerseits Grundlage einer erweiterten Stufenleiter der Produktion, der sie begleitenden Methoden zur Steigerung der Produktivkraft der Arbeit und beschleunigter Produktion von Mehrwert. Wenn also ein gewisser Grad der Kapitalakkumulation als Bedingung der spezifisch kapitalistischen Produktionsweise erscheint, verursacht die letztere rückschlagend eine beschleunigte Akkumulation des Kapitals. Mit der Akkumulation des Kapitals entwickelt sich daher die spezifisch kapitalistische Produktionsweise und mit der spezifisch kapitalistischen Produktionsweise die Akkumulation des Kapitals. Diese beiden ökonomischen Faktoren erzeugen, nach dem zusammengesetzten Verhältnis des Anstoßes, den sie sich gegenseitig erteilen, den Wechsel in der technischen Zusammensetzung des Kapitals, durch welchen der variable Bestandteil immer kleiner und kleiner wird, verglichen mit dem konstanten.

Jedes individuelle Kapital ist eine größere oder kleinere Konzentration von Produktionsmitteln mit entsprechendem Kommando über eine größere oder kleinere Arbeiterarmee. Jede Akkumulation wird das Mittel neuer Akkumulation. Sie erweitert mit der vermehrten Masse des als Kapital funktionierenden Reichtums seine Konzentration in den Händen individueller Kapitalisten, daher die Grundlage der Produktion auf großer Stufenleiter und der spezifisch kapitalistischen Produktionsmethoden. Das Wachstum des gesellschaftlichen Kapitals vollzieht sich im Wachstum vieler individuellen Kapitale. Alle andren Umstände als gleichbleibend vorausgesetzt, wachsen die individuellen Kapitale, und mit ihnen die Konzentration der Produktionsmittel, im Verhältnis, worin sie aliquote Teile des gesellschaftlichen Gesamtkapitals bilden. Zugleich reißen sich Ableger von den Originalkapitalen los und funktionieren als neue selbständige Kapitale. Eine große Rolle spielt dabei unter anderm die Teilung des Vermögens in Kapitalistenfamilien. Mit der Akkumulation des Kapitals wächst daher auch mehr oder minder die Anzahl der Kapitalisten. Zwei Punkte charakterisieren diese Art Konzentration, welche unmittelbar auf der Akkumulation beruht oder vielmehr mit ihr identisch ist. Erstens: Die wachsende Konzentration der gesellschaftlichen Produktionsmittel in den Händen indivi- <654> dueller Kapitalisten ist, unter sonst gleichbleibenden Umständen, beschränkt durch den Wachstumsgrad des gesellschaftlichen Reichtums. Zweitens: Der in jeder besondren Produktionssphäre ansässige Teil des gesellschaftlichen Kapitals ist verteilt unter viele Kapitalisten, welche einander als unabhängige und miteinander konkurrierende Warenproduzenten gegenüberstehn. Die Akkumulation und die sie begleitende Konzentration sind also nicht nur auf viele Punkte zersplittert, sondern das Wachstum der funktionierenden Kapitale ist durchkreuzt durch die Bildung neuer und die Spaltung alter Kapitale. Stellt sich die Akkumulation daher einerseits dar als wachsende Konzentration der Produktionsmittel und des Kommandos über Arbeit, so andrerseits als Repulsion vieler individueller Kapitale voneinander.

Dieser Zersplitterung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals in viele individuelle Kapitale oder der Repulsion seiner Bruchteile voneinander wirkt entgegen ihre Attraktion. Es ist dies nicht mehr einfache, mit der Akkumulation identische Konzentration von Produktionsmitteln und Kommando über Arbeit. Es ist Konzentration bereits gebildeter Kapitale, Aufhebung ihrer individuellen Selbständigkeit, Expropriation von Kapitalist durch Kapitalist, Verwandlung vieler kleineren in weniger größere Kapitale. Dieser Prozeß unterscheidet sich von dem ersten dadurch, daß er nur veränderte Verteilung der bereits vorhandnen und funktionierenden Kapitale voraussetzt, sein Spielraum also durch das absolute Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums oder die absoluten Grenzen der Akkumulation nicht beschränkt ist. Das Kapital schwillt hier in einer Hand zu großen Massen, weil es dort in vielen Händen verlorengeht. Es ist die eigentliche Zentralisation im Unterschied zur Akkumulation und Konzentration.

Die Gesetze dieser Zentralisation der Kapitale oder der Attraktion von Kapital durch Kapital können hier nicht entwickelt werden. Kurze tatsächliche Andeutung genügt. Der Konkurrenzkampf wird durch Verwohlfeilerung der Waren geführt. Die Wohlfeilheit der Waren hängt, caeteris paribus <unter sonst gleichbleibenden Umständen>, von der Produktivität der Arbeit, diese aber von der Stufenleiter der Produktion ab. Die größeren Kapitale schlagen daher die kleineren. Man erinnert sich ferner, daß mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise der Minimalumfang des individuellen Kapitals wächst, das erheischt ist, um ein Geschäft unter seinen normalen Bedingungen zu betreiben. Die kleineren Kapitale drängen sich daher in Produktionssphären, deren sich die große Industrie nur noch sporadisch oder unvollkommen <655> bemächtigt hat. Die Konkurrenz rast hier im direkten Verhältnis zur Anzahl und im umgekehrten Verhältnis zur Größe der rivalisierenden Kapitale. Sie endet stets mit Untergang vieler kleineren Kapitalisten, deren Kapitale teils in die Hand des Siegers übergehn, teils untergehn. Abgesehn hiervon bildet sich mit der kapitalistischen Produktion eine ganz neue Macht, das Kreditwesen, das in seinen Anfängen verstohlen, als bescheidne Beihilfe der Akkumulation, sich einschleicht, durch unsichtbare Fäden die über die Oberfläche der Gesellschaft in größern oder kleinem Massen zersplitterten Geldmittel in die Hände individueller oder assoziierter Kapitalisten zieht, aber bald eine neue und furchtbare Waffe im Konkurrenzkampf wird und sich schließlich in einen ungeheuren sozialen Mechanismus zur Zentralisation der Kapitale verwandelt.

Im Maß wie die kapitalistische Produktion und Akkumulation, im selben Maß entwickeln sich Konkurrenz und Kredit, die beiden mächtigsten Hebel der Zentralisation. Daneben vermehrt der Fortschritt der Akkumulation den zentralisierbaren Stoff, d.h. die Einzelkapitale, während die Ausweitung der kapitalistischen Produktion, hier das gesellschaftliche Bedürfnis, dort die technischen Mittel jener gewaltigen industriellen Unternehmungen schafft, deren Durchführung an eine vorgängige Zentralisation des Kapitals gebunden ist. Heutzutage ist also die gegenseitige Attraktionskraft der Einzelkapitale und die Tendenz zur Zentralisation stärker als je zuvor. Wenn aber auch die relative Ausdehnung und Energie der zentralisierenden Bewegung in gewissem Grad bestimmt ist durch die schon erreichte Größe des kapitalistischen Reichtums und die Überlegenheit des ökonomischen Mechanismus, so hängt doch der Fortschritt der Zentralisation keineswegs ab von dem positiven Größenwachstum des gesellschaftlichen Kapitals. Und dies speziell unterscheidet die Zentralisation von der Konzentration, die nur ein andrer Ausdruck für die Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter ist. Die Zentralisation kann erfolgen durch bloße veränderte Verteilung schon bestehender Kapitale, durch einfache Veränderung der quantitativen Gruppierung der Bestandteile des gesellschaftlichen Kapitals. Das Kapital kann hier zu gewaltigen Massen in einer Hand anwachsen, weil es dort vielen einzelnen Händen entzogen wird. In einem gegebnen Geschäftszweig hätte die Zentralisation ihre äußerste Grenze erreicht, wenn alle darin angelegten Kapitale zu einem Einzelkapital verschmolzen wären.(77b) In einer gegebnen Gesellschaft wäre diese Grenze <656> erreicht erst in dem Augenblick, wo das gesamte gesellschaftliche Kapital vereinigt wäre in der Hand, sei es eines einzelnen Kapitalisten, sei es einer einzigen Kapitalistengesellschaft.

Die Zentralisation ergänzt das Werk der Akkumulation, indem sie die industriellen Kapitalisten instand setzt, die Stufenleiter ihrer Operationen auszudehnen. Sei dies letztre Resultat nun Folge der Akkumulation oder der Zentralisation; vollziehe sich die Zentralisation auf dem gewaltsamen Weg der Annexion - wo gewisse Kapitale so überwiegende Gravitationszentren für andre werden, daß sie deren individuelle Kohäsion brechen und dann die vereinzelten Bruchstücke an sich ziehn - oder geschehe die Verschmelzung einer Menge bereits gebildeter, resp. in der Bildung begriffner Kapitale vermittelst des glatteren Verfahrens der Bildung von Aktiengesellschaften - die ökonomische Wirkung bleibt dieselbe. Die gewachsne Ausdehnung der industriellen Etablissements bildet überall den Ausgangspunkt für eine umfassendere Organisation der Gesamtarbeit vieler, für eine breitre Entwicklung ihrer materiellen Triebkräfte, d.h. für die fortschreitende Umwandlung vereinzelter und gewohnheitsmäßig betriebner Produktionsprozesse in gesellschaftlich kombinierte und wissenschaftlich disponierte Produktionsprozesse.

Es ist aber klar, daß die Akkumulation, die allmähliche Vermehrung des Kapitals durch die aus der Kreisform in die Spirale übergehende Reproduktion ein gar langsames Verfahren ist, im Vergleich mit der Zentralisation, die nur die quantitative Gruppierung der integrierenden Teile des gesellschaftlichen Kapitals zu ändern braucht. Die Welt wäre noch ohne Eisenbahnen, hätte sie solange warten müssen, bis die Akkumulation einige Einzelkapitale dahin gebracht hätte, dem Bau einer Eisenbahn gewachsen zu sein. Die Zentralisation dagegen hat dies, vermittelst der Aktiengesellschaften, im Handumdrehn fertiggebracht. Und während die Zentralisation so die Wirkungen der Akkumulation steigert und beschleunigt, erweitert und beschleunigt sie gleichzeitig die Umwälzungen in der technischen Zusammensetzung des Kapitals, die dessen konstanten Teil vermehren auf Kosten seines variablen Teils und damit die relative Nachfrage nach Arbeit vermindern.

Die durch die Zentralisation über Nacht zusammengeschweißten Kapitalmassen reproduzieren und vermehren sich wie die andren, nur rascher, und werden damit zu neuen mächtigen Hebeln der gesellschaftlichen Akku- <657> mulation. Spricht man also vom Fortschritt der gesellschaftlichen Akkumulation, so sind darin - heutzutage - die Wirkungen der Zentralisation stillschweigend einbegriffen.

Die im Lauf der normalen Akkumulation gebildeten Zusatzkapitale (s. Kap. XXII, 1) dienen vorzugsweise als Vehikel zur Exploitation neuer Erfindungen und Entdeckungen, überhaupt industrieller Vervollkommnungen. Aber auch das alte Kapital erreicht mit der Zeit den Moment seiner Erneuerung an Haupt und Gliedern, wo es sich häutet und ebenfalls wiedergeboren wird in der vervollkommneten technischen Gestalt, worin eine geringere Masse Arbeit genügte, eine größere Masse Maschinerie und Rohstoffe in Bewegung zu setzen. Die hieraus notwendig folgende absolute Abnahme der Nachfrage nach Arbeit wird selbstredend um so größer, je mehr die diesen Erneuerungsprozeß durchmachenden Kapitale bereits zu Massen angehäuft sind vermöge der zentralisierenden Bewegung.

Einerseits attrahiert also das im Fortgang der Akkumulation gebildete Zuschußkapital, verhältnismäßig zu seiner Größe, weniger und weniger Arbeiter. Andrerseits repelliert das periodisch in neuer Zusammensetzung reproduzierte alte Kapital mehr und mehr früher von ihm beschäftigte Arbeiter.

3. Progressive Produktion einer relativen Übervölkerung
oder industriellen Reservearmee

Die Akkumulation des Kapitals, welche ursprünglich nur als seine quantitative Erweiterung erschien, vollzieht sich, wie wir gesehn, in fortwährendem qualitativen Wechsel seiner Zusammensetzung, in beständiger Zunahme seines konstanten auf Kosten seines variablen Bestandteils.(77c)

Die spezifisch kapitalistische Produktionsweise, die ihr entsprechende Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, der dadurch verursachte Wechsel in der organischen Zusammensetzung des Kapitals halten nicht nur Schritt mit dem Fortschritt der Akkumulation oder dem Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums. Sie schreiten ungleich schneller, weil die einfache Akkumulation oder die absolute Ausdehnung des Gesamtkapitals von <658> der Zentralisation seiner individuellen Elemente, und die technische Umwälzung des Zusatzkapitals von technischer Umwälzung des Originalkapitals begleitet sind. Mit dem Fortgang der Akkumulation wandelt sich also das Verhältnis von konstantem zu variablem Kapitalteil, wenn ursprünglich 1:1, in 2:1, 3:1, 4: 1, 5: 1, 7:1 usw., so daß, wie das Kapital wächst, statt 1/2 seines Gesamtwerts progressiv nur 1/3, 1/4, 1/5, 1/6, 1/5 usw. in Arbeitskraft, dagegen 2/3, 3/4, 4/5, 5/6, 7/8 usw. in Produktionsmittel umgesetzt wird. Da die Nachfrage nach Arbeit nicht durch den Umfang des Gesamtkapitals, sondern durch den seines variablen Bestandteils bestimmt ist, fällt sie also progressiv mit dem Wachstum des Gesamtkapitals, statt, wie vorhin unterstellt, verhältnismäßig mit ihm zu wachsen. Sie fällt relativ zur Größe des Gesamtkapitals und in beschleunigter Progression mit dem Wachstum dieser Größe. Mit dem Wachstum des Gesamtkapitals wächst zwar auch sein variabler Bestandteil, oder die ihm einverleibte Arbeitskraft, aber in beständig abnehmender Proportion. Die Zwischenpausen, worin die Akkumulation als bloße Erweiterung der Produktion auf gegebner technischer Grundlage wirkt, verkürzen sich. Nicht nur wird eine in wachsender Progression beschleunigte Akkumulation des Gesamtkapitals erheischt, um eine zusätzliche Arbeiterzahl von gegebner Größe zu absorbieren oder selbst, wegen der beständigen Metamorphose des alten Kapitals, die bereits funktionierende zu beschäftigen. Ihrerseits schlägt diese wachsende Akkumulation und Zentralisation selbst wieder um in eine Quelle neuer Wechsel der Zusammensetzung des Kapitals oder abermalig beschleunigter Abnahme seines variablen Bestandteils, verglichen mit dem konstanten. Diese mit dem Wachstum des Gesamtkapitals beschleunigte und rascher als sein eignes Wachstum beschleunigte relative Abnahme seines variablen Bestandteils scheint auf der andren Seite umgekehrt stets rascheres absolutes Wachstum der Arbeiterbevölkerung als das des variablen Kapitals oder ihrer Beschäftigungsmittel. Die kapitalistische Akkumulation produziert vielmehr, und zwar im Verhältnis zu ihrer Energie und ihrem Umfang, beständig eine relative, d.h. für die mittleren Verwertungsbedürfnisse des Kapitals überschüssige, daher überflüssige oder Zuschuß-Arbeiterbevölkerung.

Das gesellschaftliche Gesamtkapital betrachtet, ruft die Bewegung seiner Akkumulation bald periodischen Wechsel hervor, bald verteilen sich ihre Momente gleichzeitig über die verschiednen Produktionssphären. In einigen Sphären findet Wechsel in der Zusammensetzung des Kapitals statt ohne Wachstum seiner absoluten Größe, infolge bloßer Konzentration <3. Auflage: Zentralisation>; in <659> andren ist das absolute Wachstum des Kapitals mit absoluter Abnahme seines variablen Bestandteils oder der von ihm absorbierten Arbeitskraft verbunden; in andren wächst das Kapital bald auf seiner gegebnen technischen Grundlage fort und attrahiert zuschüssige Arbeitskraft im Verhältnis seines Wachstums, bald tritt organischer Wechsel ein und kontrahiert sich sein variabler Bestandteil; in allen Sphären ist das Wachstum des variablen Kapitalteils und daher der beschäftigten Arbeiterzahl stets verbunden mit heftigen Fluktuationen und vorübergehender Produktion von Übervölkerung, ob diese nun die auffallendere Form von Repulsion bereits beschäftigter Arbeiter annimmt oder die mehr unscheinbare, aber nicht minder wirksame, erschwerter Absorption der zuschüssigen Arbeiterbevölkerung in ihre gewohnten Abzugskanäle.(78) Mit der Größe des bereits funktionierenden Gesellschaftskapitals und dem Grad seines Wachstums, mit der Ausdehnung der Produktionsleiter und der Masse der in Bewegung gesetzten Arbeiter, mit der Entwicklung der Produktivkraft ihrer Arbeit, mit dem breiteren und volleren Strom aller Springquellen des Reichtums dehnt sich auch die Stufenleiter, worin größere Attraktion der Arbeiter durch das Kapital mit größerer Repulsion derselben verbunden ist, nimmt die Raschheit der Wechsel in der organischen Zusammensetzung des Kapitals und seiner technischen Form zu, und schwillt der Umkreis der Produk- <660> tionssphären, die bald gleichzeitig, bald abwechselnd davon ergriffen werden. Mit der durch sie selbst produzierten Akkumulation des Kapitals produziert die Arbeiterbevölkerung also in wachsendem Umfang die Mittel ihrer eignen relativen Überzähligmachung.(79) Es ist dies ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümliches Populationsgesetz, wie in der Tat jede besondre historische Produktionsweise ihre besondren, historisch gültigen Populationsgesetze hat. Ein abstraktes Populationsgesetz existiert nur für Pflanze und Tier, soweit der Mensch nicht geschichtlich eingreift.

<661> Wenn aber eine Surplusarbeiterpopulation notwendiges Produkt der Akkumulation oder der Entwicklung des Reichtums auf kapitalistischer Grundlage ist, wird diese Übervölkerung umgekehrt zum Hebel der kapitalistischen Akkumulation, ja zu einer Existenzbedingung der kapitalistischen Produktionsweise. Sie bildet eine disponible industrielle Reservearmee, die dem Kapital ganz so absolut gehört, als ob es sie auf seine eignen Kosten großgezüchtet hätte. Sie schafft für seine wechselnden Verwertungsbedürfnisse das stets bereite exploitable Menschenmaterial, unabhängig von den Schranken der wirklichen Bevölkerungszunahme. Mit der Akkumulation und der sie begleitenden Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit wächst die plötzliche Expansionskraft des Kapitals, nicht nur, weil die Elastizität des funktionierenden Kapitals wächst, und der absolute Reichtum, wovon das Kapital nur einen elastischen Teil bildet, nicht nur, weil der Kredit, unter jedem besondren Reiz, im Umsehn ungewöhnlichen Teil dieses Reichtums der Produktion als Zusatzkapital zur Verfügung stellt. Die technischen Bedingungen des Produktionsprozesses selbst, Maschinerie, Transportmittel usw. ermöglichen, auf größter Stufenleiter, die rascheste Verwandlung von Mehrprodukt in zuschüssige Produktionsmittel. Die mit dem Fortschritt der Akkumulation überschwellende und in Zusatzkapital verwandelbare Masse des gesellschaftlichen Reichtums drängt sich mit Frenesie in alte Produktionszweige, deren Markt sich plötzlich erweitert, oder in neu eröffnete, wie Eisenbahnen usw., deren Bedürfnis aus der Entwicklung der alten entspringt. In allen solchen Fällen müssen große Menschenmassen plötzlich und ohne Abbruch der Produktionsleiter in andren Sphären auf die entscheidenden Punkte werfbar sein. Die Übervölkerung liefert sie. Der charakteristische Lebenslauf der modernen Industrie, die Form eines durch kleinere Schwankungen unterbrochnen zehnjährigen Zyklus von Perioden mittlerer Lebendigkeit, Produktion unter Hochdruck, Krise und Stagnation, beruht auf der beständigen Bildung, größern oder geringem Absorption und Wiederbildung der industriellen Reservearmee oder Übervölkerung. Ihrerseits rekrutieren die Wechselfälle des industriellen Zyklus die Übervölkerung und werden zu einem ihrer energischsten Reproduktionsagentien.

Dieser eigentümliche Lebenslauf der modernen Industrie, der uns in keinem frühern Zeitalter der Menschheit begegnet, war auch in der Kindheitsperiode der kapitalistischen Produktion unmöglich. Die Zusammensetzung des Kapitals veränderte sich nur sehr allmählich. Seiner Akkumulation entsprach also im Ganzen verhältnismäßiges Wachstum der Arbeitsnachfrage. Langsam wie der Fortschritt seiner Akkumulation, verglichen <662> mit der modernen Epoche, stieß er auf Naturschranken der exploitablen Arbeiterbevölkerung, welche nur durch später zu erwähnende Gewaltmittel wegräumbar waren. Die plötzliche und ruckweise Expansion der Produktionsleiter ist die Voraussetzung ihrer plötzlichen Kontraktion; letztere ruft wieder die erstere hervor, aber die erstere ist unmöglich ohne disponibles Menschenmaterial, ohne eine vom absoluten Wachstum der Bevölkerung unabhängige Vermehrung von Arbeitern. Sie wird geschaffen durch den einfachen Prozeß, der einen Teil der Arbeiter beständig "freisetzt", durch Methoden, welche die Anzahl der beschäftigten Arbeiter im Verhältnis zur vermehrten Produktion vermindern. Die ganze Bewegungsform der modernen Industrie erwächst also aus der beständigen Verwandlung eines Teils der Arbeiterbevölkerung in unbeschäftigte oder halbbeschäftigte Hände. Die Oberflächlichkeit der politischen Ökonomie zeigt sich u.a. darin, daß sie die Expansion und Kontraktion des Kredits, das bloße Symptom der Wechselperioden des industriellen Zyklus, zu deren Ursache macht. Ganz wie Himmelskörper, einmal in eine bestimmte Bewegung geschleudert, dieselbe stets wiederholen, so die gesellschaftliche Produktion, sobald sie einmal in jene Bewegung wechselnder Expansion und Kontraktion geworfen ist. Wirkungen werden ihrerseits zu Ursachen, und die Wechselfälle des ganzen Prozesses, der seine eignen Bedingungen stets reproduziert, nehmen die Form der Periodizität an. <In der autorisierten französischen Ausgabe findet sich an dieser Stelle folgende Einschaltung: "Aber erst von der Zeit an, als die mechanische Industrie so tiefe Wurzeln geschlagen hatte, daß sie auf die ganze nationale Produktion einen überwiegenden Einfluß ausübte; als durch sie der Außenhandel dem Binnenhandel den Rang abzulaufen begann; als sich der Weltmarkt sukzessive ausgedehnter Gebiete in der neuen Welt, in Asien und in Australien bemächtigte; als schließlich die industriellen Nationen, die auf die Arena traten, zahlreich genug geworden waren - erst von dieser Zeit an datierten jene sich stets wiedererzeugenden Zyklen, deren aufeinanderfolgende Phasen Jahre umfassen und die immer hinauslaufen auf eine allgemeine Krise, die Ende eines Zyklus und Ausgangspunkt eines neuen ist. Bis jetzt ist die periodische Dauer solcher Zyklen zehn oder elf Jahre, aber es gibt keinerlei Grund, diese Zahl als konstant zu betrachten. Im Gegenteil, aus den Gesetzen der kapitalistischen Produktion, wie wir sie eben entwickelt haben, muß man schließen, daß sie variabel ist und daß die Periode der Zyklen sich stufenweise verkürzen wird."> Ist letztere einmal konsolidiert, so begreift selbst die politische Ökonomie die Produktion einer relativen, d.h. mit Bezug auf das mittlere Verwertungsbedürfnis des Kapitals überschüssigen Bevölkerung als Lebensbedingung der modernen Industrie.

"Gesetzt", sagt H. Merivale, früher Professor der politischen Ökonomie zu Oxford, später Beamter des englischen Kolonialministeriums, "gesetzt, bei Gelegenheit einer <663> Krise raffe die Nation sich zu einer Kraftanstrengung auf, um durch Emigration einige 100.000 überflüssige Arme loszuwerden, was würde die Folge sein? Daß bei der ersten Wiederkehr der Arbeitsnachfrage ein Mangel vorhanden wäre. Wie rasch immer die Reproduktion von Menschen sein mag, sie braucht jedenfalls den Zwischenraum einer Generation zum Ersatz erwachsner Arbeiter. Nun hängen die Profite unsrer Fabrikanten hauptsächlich von der Macht ab, den günstigen Moment lebhafter Nachfrage zu exploitieren und sich so für die Periode der Erlahmung schadlos zu halten. Diese Macht ist ihnen nur gesichert durch Kommando über Maschinerie und Handarbeit. Sie müssen disponible Hände vorfinden; sie müssen fähig sein, die Aktivität ihrer Operationen wenn nötig höher zu spannen oder abzuspannen, je nach dem Stand des Markts, oder sie können platterdings nicht in der Hetzjagd der Konkurrenz das Übergewicht behaupten, auf das der Reichtum dieses Landes gegründet ist."(80)

Selbst Malthus erkennt in der Übervölkerung, die er, nach seiner bornierten Weise, aus absolutem Überwuchs der Arbeiterbevölkerung, nicht aus ihrer relativen Überzähligmachung deutet, eine Notwendigkeit der modernen Industrie. Er sagt:

"Weise Gewohnheiten in bezug auf die Ehe, wenn zu einer gewissen Höhe getrieben unter der Arbeiterklasse eines Landes, das hauptsächlich von Manufaktur und Handel abhängt, würden ihm schädlich sein ... Der Natur der Bevölkerung gemäß kann ein Zuwachs von Arbeitern nicht zu Markt geliefert werden, infolge besondrer Nachfrage, bis nach Verlauf von 16 oder 18 Jahren, und die Verwandlung von Revenue in Kapital durch Ersparung kann sehr viel rascher Platz greifen; ein Land ist stets dem ausgesetzt, daß sein Arbeitsfonds rascher wächst als die Bevölkerung.(81)

<664> Nachdem die politische Ökonomie so die beständige Produktion einer relativen Übervölkerung von Arbeitern für eine Notwendigkeit der kapitalistischen Akkumulation erklärt hat, legt sie, und zwar adäquat in der Figur einer alten Jungfer, dem "beau idéal <schönen Ideal> ihres Kapitalisten folgende Worte an die durch ihre eigne Schöpfung von Zusatzkapital aufs Pflaster geworfnen "Überzähligen" in den Mund:

"Wir Fabrikanten tun für euch, was wir können, indem wir das Kapital vermehren, von dem ihr subsistieren müßt; und ihr müßt das übrige tun, indem ihr eure Zahl den Subsistenzmitteln anpaßt."(82)

Der kapitalistischen Produktion genügt keineswegs das Quantum disponibler Arbeitskraft, welches der natürliche Zuwachs der Bevölkerung liefert. Sie bedarf zu ihrem freien Spiel einer von dieser Naturschranke unabhängigen industriellen Reservearmee.

Bisher wurde unterstellt, daß der Zu- oder Abnahme des variablen Kapitals genau die Zu- oder Abnahme der beschäftigten Arbeiterzahl entspricht.

Bei gleichbleibender oder selbst verminderter Zahl der von ihm kommandierten Arbeiter wächst jedoch das variable Kapital, wenn der individuelle Arbeiter mehr Arbeit liefert und daher sein Arbeitslohn wächst, obgleich der Arbeitspreis gleichbleibt oder selbst sinkt, nur langsamer, als die Arbeitsmasse steigt. Der Zuwachs des variablen Kapitals wird dann Index von mehr Arbeit, aber nicht von mehr beschäftigten Arbeitern. Jeder Kapitalist hat das absolute Interesse, ein bestimmtes Arbeitsquantum aus kleinerer, statt ebenso wohlfeil oder selbst wohlfeiler aus größerer Arbeiterzahl auszupressen. In dem letzten Fall wächst die Auslage von konstantem Kapital verhältnismäßig zur Masse der in Fluß gesetzten Arbeit, im ersten Fall viel langsamer. Je größer die Stufenleiter der Produktion, desto entscheidender dies Motiv. Seine Wucht wächst mit der Akkumulation des Kapitals.

Man hat gesehn, daß die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise und Produktivkraft der Arbeit - zugleich Ursache und Wirkung der Akkumulation - den Kapitalisten befähigt, mit derselben Auslage von variablem Kapital mehr Arbeit durch größere extensive oder intensive Exploitation der individuellen Arbeitskräfte flüssig zu machen. Man hat ferner gesehn, daß er mit demselben Kapitalwert mehr Arbeitskräfte kauft, <665> indem er progressiv geschicktere Arbeiter durch ungeschicktere, reife durch unreife, männliche durch weibliche oder kindliche verdrängt.

Einerseits macht also, im Fortgang der Akkumulation, größeres variables Kapital mehr Arbeit flüssig, ohne mehr Arbeiter zu werben, andererseits macht variables Kapital von derselben Größe mehr Arbeit mit derselben Masse Arbeitskraft flüssig und endlich mehr niedere Arbeitskräfte durch Verdrängung höherer.

Die Produktion einer relativen Übervölkerung oder die Freisetzung von Arbeitern geht daher noch rascher voran als die ohnehin mit dem Fortschritt der Akkumulation beschleunigte technische Umwälzung des Produktionsprozesses und die entsprechende proportionelle Abnahme des variablen Kapitalteils gegen den konstanten. Wenn die Produktionsmittel, wie sie an Umfang und Wirkungskraft zunehmen, in geringerem Grad Beschäftigungsmittel der Arbeiter werden, wird dies Verhältnis selbst wieder dadurch modifiziert, daß im Maß, wie die Produktivkraft der Arbeit wächst, das Kapital seine Zufuhr von Arbeit rascher steigert als seine Nachfrage nach Arbeitern. Die Überarbeit des beschäftigten Teils der Arbeiterklasse schwellt die Reihen ihrer Reserve, während umgekehrt der vermehrte Druck, den die letztere durch ihre Konkurrenz auf die erstere ausübt, diese zur Überarbeit und Unterwerfung unter die Diktate des Kapitals zwingt. Die Verdammung eines Teils der Arbeiterklasse zu erzwungnem Müßiggang durch Überarbeit des andren Teils und umgekehrt, wird Bereicherungsmittel des einzelnen Kapitalisten (83) und beschleunigt zugleich die <666> Produktion der industriellen Reservearmee auf einem dem Fortschritt der gesellschaftlichen Akkumulation entsprechenden Maßstab. Wie wichtig dies Moment in der Bildung der relativen Übervölkerung, beweist z. B. England. Seine technischen Mittel zur "Ersparung" von Arbeit sind kolossal. Dennoch, würde morgen allgemein die Arbeit auf ein rationelles Maß beschränkt und für die verschiednen Schichten der Arbeiterklasse wieder entsprechend nach Alter und Geschlecht abgestuft, so wäre die vorhandne Arbeiterbevölkerung absolut unzureichend zur Fortführung der nationalen Produktion auf ihrer jetzigen Stufenleiter. Die große Mehrheit der jetzt "unproduktiven" Arbeiter müßte in "produktive" verwandelt werden.

Im großen und ganzen sind die allgemeinen Bewegungen des Arbeitslohns ausschließlich reguliert durch die Expansion und Kontraktion der industriellen Reservearmee, welche dem Periodenwechsel des industriellen Zyklus entsprechen. Sie sind also nicht bestimmt durch die Bewegung der absoluten Anzahl der Arbeiterbevölkerung, sondern durch das wechselnde Verhältnis, worin die Arbeiterklasse in aktive Armee und Reservearmee zerfällt, durch die Zunahme und Abnahme des relativen Umfangs der Übervölkerung, durch den Grad, worin sie bald absorbiert, bald wieder freigesetzt wird. Für die moderne Industrie mit ihrem zehnjährigen Zyklus und seinen periodischen Phasen, die außerdem im Fortgang der Akkumulation durch stets rascher aufeinander folgende unregelmäßige Oszillationen durchkreuzt werden, wäre es in der Tat ein schönes Gesetz, welches die Nachfrage und Zufuhr von Arbeit nicht durch die Expansion und Kontraktion des Kapitals, also nach seinen jedesmaligen Verwertungsbedürfnissen regelte, so daß der Arbeitsmarkt bald relativ untervoll erscheint, weil das Kapital sich expandiert, bald wieder übervoll, weil es sich kontrahiert, sondern umgekehrt die Bewegung des Kapitals von der absoluten Bewegung der Bevölkerungsmenge abhängig machte. Dies jedoch ist das <667> ökonomische Dogma. Nach demselben steigt infolge der Kapitalakkumulation der Arbeitslohn. Der erhöhte Arbeitslohn spornt zur rascheren Vermehrung der Arbeiterbevölkerung, und diese dauert fort, bis der Arbeitsmarkt überfüllt, also das Kapital relativ zur Arbeiterzufuhr unzureichend geworden ist. Der Arbeitslohn sinkt, und nun die Kehrseite der Medaille. Durch den fallenden Arbeitslohn wird die Arbeiterbevölkerung nach und nach dezimiert, so daß ihr gegenüber das Kapital wieder überschüssig wird, oder auch, wie andre es erklären, der fallende Arbeitslohn und die entsprechende erhöhte Exploitation des Arbeiters beschleunigt wieder die Akkumulation, während gleichzeitig der niedere Lohn das Wachstum der Arbeiterklasse in Schach hält. So tritt wieder das Verhältnis ein, worin die Arbeitszufuhr niedriger als die Arbeitsnachfrage, der Lohn steigt usw. Eine schöne Bewegungsmethode dies für die entwickelte kapitalistische Produktion! Bevor infolge der Lohnerhöhung irgendein positives Wachstum der wirklich arbeitsfähigen Bevölkerung eintreten könnte, wäre die Frist aber und abermal abgelaufen, worin der industrielle Feldzug geführt, die Schlacht geschlagen und entschieden sein muß.

Zwischen 1849 und 1859 trat, zugleich mit fallenden Getreidepreisen, eine praktisch betrachtet nur nominelle Lohnerhöhung in den englischen Agrikulturdistrikten ein, z.B. in Wiltshire stieg der Wochenlohn von 7 auf 8 sh., in Dorsetshire von 7 oder 8 auf 9 sh. usw. Es war dies Folge des übergewöhnlichen Abflusses der agrikolen Übervölkerung, verursacht durch Kriegsnachfrage, massenhafte Ausdehnung der Eisenbahnbauten, Fabriken, Bergwerke etc. Je niedriger der Arbeitslohn, desto höher drückt sich jedes noch so unbedeutende Steigen desselben in Prozentzahlen aus. Ist der Wochenlohn z.B. 20 sh. und steigt er auf 22, so um 10%; ist er dagegen nur 7 sh. und steigt auf 9, so um 284/7%, was sehr erklecklich klingt. Jedenfalls heulten die Pächter und schwatzte sogar der "London Economist" (84) ganz ernsthaft von "a general and substantial advance" <einer allgemeinen und beträchtlichen Erhöhung"> mit Bezug auf diese Hungerlöhne. Was taten nun die Pächter? Warteten sie, bis die Landarbeiter sich infolge dieser brillanten Zahlung so vermehrt hatten, daß ihr Lohn wieder fallen mußte, wie die Sache sich im dogmatisch ökonomischen Hirn zuträgt? Sie führten mehr Maschinerie ein, und im Umsehn waren die Arbeiter wieder "überzählig" in einem selbst den Pächtern genügenden Verhältnis. Es war jetzt "mehr Kapital" in der Agrikultur an- <668> gelegt als vorher und in einer produktiveren Form. Damit fiel die Nachfrage nach Arbeit nicht nur relativ, sondern absolut.

Jene ökonomische Fiktion verwechselt die Gesetze, welche die allgemeine Bewegung des Arbeitslohns oder das Verhältnis zwischen Arbeiterklasse, d.h. Gesamtarbeitskraft und gesellschaftlichem Gesamtkapital regeln, mit den Gesetzen, welche die Arbeiterbevölkerung unter die besondren Produktionssphären verteilen. Wenn z.B. infolge günstiger Konjunktur die Akkumulation in einer bestimmten Produktionssphäre besonders lebhaft, die Profite hier größer als die Durchschnittsprofite, Zuschußkapital dahin drängt, so steigt natürlich Arbeitsnachfrage und Arbeitslohn. Der höhere Arbeitslohn zieht einen größeren Teil der Arbeiterbevölkerung in die begünstigte Sphäre, bis sie mit Arbeitskraft gesättigt ist und der Lohn auf die Dauer wieder auf sein früheres Durchschnittsniveau oder unter dasselbe fällt, falls der Zudrang zu groß war. Dann hört nicht nur die Einwanderung von Arbeitern in den fraglichen Geschäftszweig auf, sie macht sogar ihrer Auswanderung Platz. Hier glaubt der politische Ökonom zu sehn, "wo und wie", mit Zunahme des Lohns eine absolute Zunahme von Arbeitern, und mit der absoluten Zunahme der Arbeiter eine Abnahme des Lohns, aber er sieht in der Tat nur die lokale Oszillation des Arbeitsmarkts einer besondren Produktionssphäre, er sieht nur Phänomene der Verteilung der Arbeiterbevölkerung in die verschiednen Anlagesphären des Kapitals, je nach seinen wechselnden Bedürfnissen.

Die industrielle Reservearmee drückt während der Perioden der Stagnation und mittleren Prosperität auf die aktive Arbeiterarmee und hält ihre Ansprüche während der Periode der Überproduktion und des Paroxysmus im Zaum. Die relative Übervölkerung ist also der Hintergrund, worauf das Gesetz der Nachfrage und Zufuhr von Arbeit sich bewegt. Sie zwängt den Spielraum dieses Gesetzes in die der Exploitationsgier und Herrschsucht des Kapitals absolut zusagenden Schranken ein. Es ist hier der Ort, auf eine der Großtaten der ökonomischen Apologetik zurückzukommen. Man erinnert sich, daß, wenn durch Einführung neuer oder Ausdehnung alter Maschinerie ein Stück variables Kapital in konstantes verwandelt wird, der ökonomische Apologet diese Operation, welche Kapital "bindet" und ebendadurch Arbeiter "freisetzt", umgekehrt so deutet, daß sie Kapital für den Arbeiter freisetzt. Erst jetzt kann man die Unverschämtheit des Apologeten vollständig würdigen. Was freigesetzt wird, sind nicht nur die unmittelbar durch die Maschine verdrängten Arbeiter, sondern ebenso ihre Ersatzmannschaft und das, bei gewohnter Ausdehnung des Geschäfts auf seiner alten Basis, regelmäßig absorbierte Zuschußkontingent. Sie sind <669> jetzt alle "freigesetzt", und jedes neue funktionslustige Kapital kann über sie verfügen. Ob es sie oder andre attrahiert, die Wirkung auf die allgemeine Arbeitsnachfrage wird Null sein, solange dies Kapital gerade hinreicht, um den Markt von ebensoviel Arbeitern zu befreien, als die Maschinen auf ihn geworfen. Beschäftigt es eine geringere Zahl, so wächst die Menge der Überzähligen; beschäftigt es eine größere, so wächst die allgemeine Arbeitsnachfrage nur um den Überschuß der Beschäftigten über die "Freigesetzten". Der Aufschwung, den Anlage suchende Zusatzkapitale sonst der allgemeinen Arbeitsnachfrage gegeben hätten, ist also in jedem Fall insoweit neutralisiert, wie die von der Maschine aufs Pflaster geworfnen Arbeiter reichen. D.h. also, der Mechanismus der kapitalistischen Produktion sorgt dafür, daß der absolute Zuwachs von Kapital von keiner entsprechenden Steigerung der allgemeinen Arbeitsnachfrage begleitet ist. Und dies nennt der Apologet eine Kompensation für das Elend, die Leiden und den möglichen Untergang der deplacierten Arbeiter während der Übergangsperiode, welche sie in die industrielle Reservearmee bannt! Die Nachfrage nach Arbeit ist nicht identisch mit Wachstum des Kapitals, die Zufuhr der Arbeit nicht mit dem Wachstum der Arbeiterklasse, so daß zwei voneinander unabhängige Potenzen aufeinander einwirkten. Les dés sont pipés. <Die Würfel sind gefälscht.> Das Kapital agiert auf beiden Seiten zugleich. Wenn seine Akkumulation einerseits die Nachfrage nach Arbeit vermehrt, vermehrt sie andrerseits die Zufuhr von Arbeitern durch deren "Freisetzung", während zugleich der Druck der Unbeschäftigten die Beschäftigten zur Flüssigmachung von mehr Arbeit zwingt, also in gewissem Grad die Arbeitszufuhr von der Zufuhr von Arbeitern unabhängig macht. Die Bewegung des Gesetzes der Nachfrage und Zufuhr von Arbeit auf dieser Basis vollendet die Despotie des Kapitals. Sobald daher die Arbeiter hinter das Geheimnis kommen, wie es angeht, daß im selben Maß, wie sie mehr arbeiten, mehr fremden Reichtum produzieren und die Produktivkraft ihrer Arbeit wächst, sogar ihre Funktion als Verwertungsmittel des Kapitals immer prekärer für sie wird; sobald sie entdecken, daß der Intensitätsgrad der Konkurrenz unter ihnen selbst ganz und gar von dem Druck der relativen Übervölkerung abhängt; sobald sie daher durch Trade's Unions usw. eine planmäßige Zusammenwirkung zwischen den Beschäftigten und Unbeschäftigten zu organisieren suchen, um die ruinierenden Folgen jenes Naturgesetzes der kapitalistischen Produktion auf ihre Klasse zu brechen oder zu schwächen, zetert das Kapital und sein Sykophant, der politische Ökonom, über Verletzung des "ewigen" <670> und sozusagen "heiligen" Gesetzes der Nachfrage und Zufuhr. Jeder Zusammenhalt zwischen den Beschäftigten und Unbeschäftigten stört nämlich das "reine" Spiel jenes Gesetzes. Sobald andrerseits, in den Kolonien z.B., widrige Umstände die Schöpfung der industriellen Reservearmee und mit ihr die absolute Abhängigkeit der Arbeiterklasse von der Kapitalistenklasse verhindern, rebelliert das Kapital, samt seinem gemeinplätzlichen Sancho Pansa, gegen das "heilige" Gesetz der Nachfrage und Zufuhr und sucht ihm durch Zwangsmittel unter die Arme zu greifen.

4. Verschiedne Existenzformen der relativen Übervölkerung.
Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation

Die relative Übervölkerung existiert in allen möglichen Schattierungen. Jeder Arbeiter gehört ihr an während der Zeit, wo er halb oder gar nicht beschäftigt ist. Abgesehn von den großen, periodisch wiederkehrenden Formen, welche der Phasenwechsel des industriellen Zyklus ihr aufprägt, so daß sie bald akut in den Krisen erscheint, bald chronisch in den Zeiten flauen Geschäfts, besitzt sie fortwährend drei Formen: flüssige, latente und stockende.

In den Zentren der modernen Industrie - Fabriken, Manufakturen, Hütten und Bergwerken usw. - werden Arbeiter bald repelliert, bald in größerem Umfang wieder attrahiert, so daß im großen und ganzen die Zahl der Beschäftigten zunimmt, wenn auch in stets abnehmendem Verhältnis zur Produktionsleiter. Die Übervölkerung existiert hier in fließender Form.

Sowohl in den eigentlichen Fabriken wie in allen großen Werkstätten, wo Maschinerie als Faktor eingeht oder auch nur die moderne Teilung der Arbeit durchgeführt ist, braucht man massenhaft männliche Arbeiter bis zur Zurücklegung des Jugendalters. Dieser Termin einmal erreicht, bleibt nur eine sehr geringe Anzahl in denselben Geschäftszweigen verwendbar, während die Mehrzahl regelmäßig entlassen wird. Sie bildet ein Element der fließenden Übervölkerung, das mit dem Umfang der Industrie wächst. Ein Teil davon wandert aus und reist in der Tat nur dem auswandernden Kapital nach. Eine der Folgen ist, daß die weibliche Bevölkerung rascher wächst als die männliche, teste England. Daß der natürliche Zuwachs der Arbeitermasse die Akkumulationsbedürfnisse des Kapitals nicht sättigt und sie dennoch zugleich überschreitet, ist ein Widerspruch seiner Bewegung selbst. Es braucht größere Massen Arbeiter im früheren Alter, geringere im männlichen. Der Widerspruch ist nicht schreiender als der andre, daß <671> über Mangel an Händen geklagt wird zur selben Zeit, wo viele Tausende auf dem Pflaster liegen, weil die Teilung der Arbeit sie an einen bestimmten Geschäftszweig kettet.(85) Der Konsum der Arbeitskraft durch das Kapital ist zudem so rasch, daß der Arbeiter von mittlerem Alter sich meist schon mehr oder minder überlebt hat. Er fällt in die Reihen der Überzähligen oder wird von einer höheren auf eine niedrigere Staffel hinabgedrängt. Gerade bei den Arbeitern der großen Industrie stoßen wir auf die kürzeste Lebensdauer.

"Dr. Lee, der Gesundheitsbeamte von Manchester, hat festgestellt, daß in jener Stadt die mittlere Lebensdauer der wohlhabenden Klasse 38, die der Arbeiterklasse nur 17 Jahre ist. In Liverpool beträgt sie 35 Jahre für die erstere, 15 für die Zweite. Es folgt also, daß die privilegierte Klasse eine Anweisung aufs Leben hat (have a lease of life) mehr als doppelt so groß als die ihrer weniger begünstigten Mitbürger."(85a)

Unter diesen Umständen erheischt das absolute Wachstum dieser Fraktion des Proletariats eine Form, welche ihre Zahl schwellt, obgleich ihre Elemente sich schnell abnutzen. Also rasche Ablösung der Arbeitergenerationen. (Dasselbe Gesetz gilt nicht für die übrigen Klassen der Bevölkerung.) Dies gesellschaftliche Bedürfnis wird befriedigt durch frühe Ehen, notwendige Folge der Verhältnisse, worin die Arbeiter der großen Industrie leben, und durch die Prämie, welche die Exploitation der Arbeiterkinder auf ihre Produktion setzt.

Sobald sich die kapitalistische Produktion der Agrikultur, oder im Grad, worin sie sich derselben bemächtigt hat, nimmt mit der Akkumulation des hier funktionierenden Kapitals die Nachfrage für die ländliche Arbeiterbevölkerung absolut ab, ohne daß ihre Repulsion, wie in der nicht agrikolen Industrie, durch größere Attraktion ergänzt wäre. Ein Teil der Landbevölkerung befindet sich daher fortwährend auf dem Sprung, in städtisches oder Manufakturproletariat überzugehn, und in der Lauer auf dieser Verwandlung günstige Umstände. (Manufaktur hier im Sinn aller nichtagrikolen Industrie.)(86) Diese Quelle der relativen Übervölkerung fließt <672> also beständig. Aber ihr beständiger Fluß nach den Städten setzt auf dem Lande selbst eine fortwährend latente Übervölkerung voraus, deren Umfang nur sichtbar wird, sobald sich die Abzugskanäle ausnahmsweise weit öffnen. Der Landarbeiter wird daher auf das Minimum des Salairs herabgedrückt und steht mit einem Fuß stets im Sumpf des Pauperismus.

Die dritte Kategorie der relativen Übervölkerung, die stockende, bildet einen Teil der aktiven Arbeiterarmee, aber mit durchaus unregelmäßiger Beschäftigung. Sie bietet so dem Kapital einen unerschöpflichen Behälter disponibler Arbeitskraft. Ihre Lebenslage sinkt unter das durchschnittliche Normalniveau der arbeitenden Klasse, und grade dies macht sie zur breiten Grundlage eigner Exploitationszweige des Kapitals. Maximum der Arbeitszeit und Minimum des Salairs charakterisieren sie. Wir haben unter der Rubrik der Hausarbeit ihre Hauptgestalt bereits kennengelernt. Sie rekrutiert sich fortwährend aus den Überzähligen der großen Industrie und Agrikultur und namentlich auch aus untergehenden Industriezweigen, wo der Handwerksbetrieb dem Manufakturbetrieb, letztrer dem Maschinenbetrieb erliegt. Ihr Umfang dehnt sich, wie mit Umfang und Energie der Akkumulation die "Überzähligmachung" fortschreitet. Aber sie bildet zugleich ein sich selbst reproduzierendes und verewigendes Element der Arbeiterklasse, das verhältnismäßig größeren Anteil am Gesamtwachstum derselben nimmt als die übrigen Elemente. In der Tat steht nicht nur die Masse der Geburten und Todesfälle, sondern die absolute Größe der Familien in umgekehrtem Verhältnis zur Höhe des Arbeitslohns, also zur Masse der Lebensmittel, worüber die verschiednen Arbeiterkategorien verfügen. Dies Gesetz der kapitalistischen Gesellschaft klänge unsinnig unter Wilden oder selbst zivilisierten Kolonisten. Es erinnert an die massenhafte Reproduktion individuell schwacher und vielgehetzter Tierarten.(87)

<673> Der tiefste Niederschlag der relativen Übervölkerung endlich behaust die Sphäre des Pauperismus. Abgesehn von Vagabunden, Verbrechern, Prostituierten, kurz dem eigentlichen Lumpenproletariat, besteht diese Gesellschaftsschichte aus drei Kategorien. Erstens Arbeitsfähige. Man braucht die Statistik des englischen Pauperismus nur oberflächlich anzusehn, und man findet, daß seine Masse mit jeder Krise schwillt und mit jeder Wiederbelebung des Geschäfts abnimmt. Zweitens: Waisen- und Pauperkinder. Sie sind Kandidaten der industriellen Reservearmee und werden in Zeiten großen Aufschwungs, wie 1860 z.B., rasch und massenhaft in die aktive Arbeiterarmee einrolliert. Drittens: Verkommene, Verlumpte, Arbeitsunfähige. Es sind namentlich Individuen, die an ihrer durch die Teilung der Arbeit verursachten Unbeweglichkeit untergehn, solche, die über das Normalalter eines Arbeiters hinausleben, endlich die Opfer der Industrie, deren Zahl mit gefährlicher Maschinerie, Bergwerksbau, chemischen Fabriken etc. wächst, Verstümmelte, Verkrankte, Witwen etc. Der Pauperismus bildet das Invalidenhaus der aktiven Arbeiterarmee und das tote Gewicht der industriellen Reservearmee. Seine Produktion ist eingeschlossen in der Produktion der relativen Übervölkerung, seine Notwendigkeit in ihrer Notwendigkeit, mit ihr bildet er eine Existenzbedingung der kapitalistischen Produktion und Entwicklung des Reichtums. Er gehört zu den faux frais der kapitalistischen Produktion, die das Kapital jedoch großenteils von sich selbst ab auf die Schultern der Arbeiterklasse und der kleinen Mittelklasse zu wälzen weiß.

Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. Die disponible Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusschichte der Arbeiterklasse und die industrielle Reserve- <674> armee, desto größer der offizielle Pauperismus. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Es wird gleich allen andren Gesetzen in seiner Verwirklichung durch mannigfache Umstände modifiziert, deren Analyse nicht hierher gehört.

Man begreift die Narrheit der ökonomischen Weisheit, die den Arbeitern predigt, ihre Zahl den Verwertungsbedürfnissen des Kapitals anzupassen. Der Mechanismus der kapitalistischen Produktion und Akkumulation paßt diese Zahl beständig diesen Verwertungsbedürfnissen an. Erstes Wort dieser Anpassung ist die Schöpfung einer relativen Übervölkerung oder industriellen Reservearmee, letztes Wort das Elend stets wachsender Schichten der aktiven Arbeiterarmee und das tote Gewicht des Pauperismus.

Das Gesetz, wonach eine immer wachsende Masse von Produktionsmitteln, dank dem Fortschritt in der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit, mit einer progressiv abnehmenden Ausgabe von Menschenkraft in Bewegung gesetzt werden kann - dies Gesetz drückt sich auf kapitalistischer Grundlage, wo nicht der Arbeiter die Arbeitsmittel, sondern die Arbeitsmittel den Arbeiter anwenden, darin aus, daß, je höher die Produktivkraft der Arbeit, desto größer der Druck der Arbeiter auf ihre Beschäftigungsmittel, desto prekärer also ihre Existenzbedingung: Verkauf der eignen Kraft zur Vermehrung des fremden Reichtums oder zur Selbstverwertung des Kapitals. Rascheres Wachstum der Produktionsmittel und der Produktivität der Arbeit als der produktiven Bevölkerung drückt sich kapitalistisch also umgekehrt darin aus, daß die Arbeiterbevölkerung stets rascher wächst als das Verwertungsbedürfnis des Kapitals.

Wir sahen im vierten Abschnitt bei Analyse der Produktion des relativen Mehrwerts: innerhalb des kapitalistischen Systems vollziehn sich alle Methoden zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit auf Kosten des individuellen Arbeiters; alle Mittel zur Entwicklung der Produktion schlagen um in Beherrschungs- und Exploitationsmittel des Produzenten, verstümmeln den Arbeiter in einen Teilmenschen, entwürdigen ihn zum Anhängsel der Maschine, vernichten mit der Qual seiner Arbeit ihren Inhalt, entfremden ihm die geistigen Potenzen des Arbeitsprozesses im selben Maße, worin letzterem die Wissenschaft als selbständige Potenz einverleibt wird; sie verunstalten die Bedingungen, innerhalb deren er arbeitet, unterwerfen ihn während des Arbeitsprozesses der kleinlichst gehässigen Despotie, verwandeln seine Lebenszeit in Arbeitszeit, schleudern sein Weib und Kind unter das Juggernaut-Rad des Kapitals. Aber alle Methoden zur Produktion des Mehrwerts sind zugleich Methoden der Akkumulation, und jede Ausdehnung der Akkumulation wird umgekehrt <675> Mittel zur Entwicklung jener Methoden. Es folgt daher, daß im Maße wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muß. Das Gesetz endlich, welches die relative Übervölkerung oder industrielle Reservearmee stets mit Umfang und Energie der Akkumulation in Gleichgewicht hält, schmiedet den Arbeiter fester an das Kapital als den Prometheus die Keile des Hephästos an den Felsen. Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend. Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol, d.h. auf Seite der Klasse, die ihr eignes Produkt als Kapital produziert.

Dieser antagonistische Charakter der kapitalistischen Akkumulation (88) ist in verschiednen Formen von politischen Ökonomen ausgesprochen, obgleich sie zum Teil zwar analoge, aber dennoch wesentlich verschiedene Erscheinungen vorkapitalistischer Produktionsweisen damit zusammenwerfen.

Der venetianische Mönch Ortes, einer der großen ökonomischen Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, faßt den Antagonismus der kapitalistischen Produktion als allgemeines Naturgesetz des gesellschaftlichen Reichtums.

"Das ökonomisch Gute und ökonomisch Böse halten sich in einer Nation stets das Gleichgewicht (il bene ed il male economico in una nazione sempre all'istessa misura), die Fülle der Güter für einige ist immer gleich dem Mangel derselben für andre (la copia dei beni in alcuni sempre eguale alla mancanza di essi in altri). Großer Reichtum von einigen ist stets begleitet von absoluter Beraubung des Notwendigen bei viel mehr andren. Der Reichtum einer Nation entspricht ihrer Bevölkerung, und ihr Elend entspricht ihrem Reichtum. Die Arbeitsamkeit in einigen erzwingt den Müßiggang in andren. Die Armen und Müßigen sind eine notwendige Frucht der Reichen und Tätigen" usw.(89)

<676> In ganz grober Weise verherrlichte ungefähr 10 Jahre nach Ortes der hochkirchliche protestantische Pfaffe Townsend die Armut als notwendige Bedingung des Reichtums.

"Gesetzlicher Zwang zur Arbeit ist verbunden mit zuviel Mühe, Gewaltsamkeit und Geräusch, während der Hunger nicht nur ein friedlicher, schweigsamer, unaufhörlicher Druck, sondern als natürlichstes Motiv zur Industrie und Arbeit die machtvollste Anstrengung hervorruft."

Alles kommt also darauf an, den Hunger unter der Arbeiterklasse permanent zu machen, und dafür sorgt, nach Townsend, das Bevölkerungsprinzip, das besonders unter den Armen tätig ist.

"Es scheint ein Naturgesetz, daß die Armen zu einem gewissen Grad leichtsinnig (improvident) sind" (nämlich so leichtsinnig, auf die Welt zu kommen ohne goldne Löffel im Mund), "so daß stets welche da sind (that there always may be some) zur Erfüllung der servilsten, schmutzigsten und gemeinsten Funktionen des Gemeinwesens. Der Fonds von menschlichem Glück (the fund of human happiness) wird dadurch sehr vermehrt, die Delikateren (the more delicate) sind von der Plackerei befreit und können höherem Beruf usw. ungestört nachgehn ... Das Armengesetz hat die Tendenz, die Harmonie und Schönheit, die Symmetrie und Ordnung dieses Systems, welches Gott und die Natur in der Welt errichtet haben, zu zerstören."(90)

Fand der venetianische Mönch in dem Schicksalsschluß, der das Elend verewigt, die Existenzberechtigung der christlichen Wohltätigkeit, des Zölibats, der Klöster und frommen Stiftungen, so findet im Gegenteil der protestantische Pfründner darin den Vorwand, die Gesetze zu verdammen, kraft deren der Arme ein Recht auf kärgliche öffentliche Unterstützung besaß.

<677> "Der Fortschritt des gesellschaftlichen Reichtums", sagt Storch, "erzeugt jene nützliche Klasse der Gesellschaft ... welche die langweiligsten, gemeinsten und ekelhaftesten Beschäftigungen ausübt, in einem Wort alles, was das Leben Unangenehmes und Knechtendes hat, auf ihre Schultern nimmt und ebendadurch den andren Klassen die Zeit, die Heiterkeit des Geistes und die konventionelle" (c'est bon! <das ist gut!>) "Charakterwürde verschafft etc."(91)

Storch fragt sich, welches denn eigentlich der Vorzug dieser kapitalistischen Zivilisation mit ihrem Elend und ihrer Degradation der Massen vor der Barbarei? Er findet nur eine Antwort - die Sicherheit!

"Durch den Fortschritt der Industrie und Wissenschaft", sagt Sismondi, "kann jeder Arbeiter jeden Tag viel mehr produzieren als er zu seinem Konsum braucht. Aber zu gleicher Zeit, wahrend seine Arbeit den Reichtum produziert, würde der Reichtum, wäre er berufen, ihn selbst zu konsumieren, ihn wenig geeignet zur Arbeit machen." Nach ihm "würden die Menschen" (d.h. die Nichtarbeiter) "wahrscheinlich auf alle Vervollkommnungen der Künste verzichten wie auf alle Genüsse, die die Industrie uns verschafft, müßten sie diese durch anhaltende Arbeit, wie die des Arbeiters, erkaufen ... Die Anstrengungen sind heute geschieden von ihrer Belohnung; es ist nicht derselbe Mensch, der erst arbeitet und sich dann ausruht: im Gegenteil, eben weil der eine arbeitet, muß der andre sich ausruhn ... Die endlose Vervielfältigung der Produktivkräfte der Arbeit kann also kein andres Resultat haben als die Zunahme des Luxus und der Genüsse der müßigen Reichen."(92)

Destutt de Tracy endlich, der fischblütige Bourgeoisdoktrinär, spricht es brutal aus:

"Die armen Nationen sind die, wo das Volk gut dran ist, und die reichen Nationen sind die, wo es gewöhnlich arm ist."(93)


Fußnoten

(70) Karl Marx, l.c. <Siehe Band 6, S. 410> - "Bei gleicher Unterdrückung der Massen ist ein Land um so reicher, je mehr Proletarier es hat." (Colins, "L'Économie Politique, Source des Révolutions et des Utopies prétendues Socialistes", Paris 1857, t. III, p. 331.) Unter "Proletarier" ist ökonomisch nichts zu versteh. als der Lohnarbeiter, der "Kapital" produziert und verwertet und aufs Pflaster geworfen wird, sobald er für die Verwertungsbedürfnisse des "Monsieur Kapital", wie Pecqueur diese Person nennt, überflüssig ist. "Der kränkliche Proletarier des Urwalds" ist ein artiges Roschersches Phantom. Der Urwäldler ist Eigentümer des Urwalds und behandelt den Urwald, ganz so ungeniert wie der Orang-Utang, als sein Eigentum. Er ist also nicht Proletarier. Dies wäre nur der Fall, wenn der Urwald ihn, statt er den Urwald exploitierte. Was seinen Gesundheitszustand betrifft, steht solcher wohl den Vergleich aus nicht nur mit dem des modernen Proletariers, sondern auch dem der syphilitischen und skrofulösen "Ehrbarkeit". Doch versteht Herr Wilhelm Roscher unter Urwald wahrscheinlich die stammverwandte Lüneburger Heide. <=

(71) "As the Labourers make men rich, so the more Labourers, there will be the more rich men ... the Labour of the Poor being the Mines of the Rich." (John Bellers, l.c.p. 2.) <=

(72) B. de Mandeville, ("The Fable of the Bees", 5th cd., Land. 1728, Remarks, p. 212, 213, 328.) - "Mäßiges Leben und beständige Arbeit sind für den Armen der Weg zum materiellen Glücke" (worunter er möglichst langen Arbeitstag und möglichst wenig Lebensmittel versteht) "und zum Reichtum für den Staat" (nämlich Grundeigentümer, Kapitalisten und ihre politischen Würdeträger und Agenten). ("An Essay on Trade and Commerce", Lond. 1770, p. 54.) <=

(73) " Eden hätte fragen sollen, wessen Kreatur sind denn "die bürgerlichen Institutionen"? Vom Standpunkt der juristischen Illusion betrachtet er nicht das Gesetz als Produkt der materiellen Produktionsverhältnisse, sondern umgekehrt die Produktionsverhältnisse als Produkt des Gesetzes. Linguet warf Montesquieus illusorischen "Esprit des Lois" mit dem einen Wort über den Haufen: "L'esprit des lois, c'est la propriété". <=

(74) Eden, l.c., v. I, 1.1, ch. I, p. l, 2 und Preface, p. XX. <=

(75) Sollte der Leser an Malthus erinnern, dessen "Essay on Population" 1798 erschien, so erinnere ich, daß diese Schrift in ihrer ersten Form nichts als ein schülerhaft oberflächliches und pfäffisch verdeklamiertes Plagiat aus Defoe, Sir James Steuart, Townsend, Franklin, Wallace usw. ist und nicht einen einzigen selbstgedachten Satz enthält. Das große Aufsehn, das dies Pamphlet erregte, entsprang lediglich Parteiinteressen. Die Französische Revolution hatte im britischen Königreich leidenschaftliche Verteidiger gefunden; das "Populationsprinzip", langsam im 18. Jahrhundert herausgearbeitet, dann mitten in einer großen sozialen Krisis mit Pauken und Trompeten verkündet als das unfehlbare Gegengift gegen die Lehren von Condorcet u.a., wurde jubelnd begrüßt von der englischen Oligarchie als der große Austilger aller Gelüste nach menschlicher Fortentwicklung. Malthus, über seinen Erfolg hocherstaunt, gab sich dann daran, oberflächlich kompiliertes Material in das alte Schema zu stopfen und neues, aber nicht von Malthus entdecktes, sondern nur annexiertes, zuzufügen. - Nebenbei bemerkt. Obgleich Malthus Pfaffe der englischen Hochkirche, hatte er das Mönchsgelübde des Zölibats abgelegt. Dies ist nämlich eine der Bedingungen der fellowship <Mitgliedschaft> der protestantischen Universität zu Cambridge. "Daß die Mitglieder der Kollegien verheiratet sind, gestatten wir nicht, sondern sobald jemand eine Frau nimmt, hört er damit auf, Mitglied des Kollegiums zu sein." ("Reports of Cambridge University Commission", p. 172.) Dieser Umstand unterscheidet Malthus vorteilhaft von den andren protestantischen Pfaffen, die das katholische Gebot des Priesterzölibats von sich selbst abgeschüttelt und das "Seid fruchtbar und mehret euch" in solchem Maß als ihre spezifisch biblische Mission vindiziert haben, daß sie überall in wahrhaft unanständigem Grad zur Vermehrung der Bevölkerung beitragen, während sie gleichzeitig den Arbeitern das "Populationsprinzip" predigen. Es ist charakteristisch, daß der ökonomische travestierte Sündenfall, der Adamsapfel, der "urgent appetite", "the checks which tend to blunt the shafts of Cupid" <die "dringliche Begierde, "die Hemmnisse, die die Pfeile Cupidos abzustumpfen suchen">, wie Pfaff Townsend munter sagt, daß dieser kitzlige Punkt von den Herrn von der protestantischen Theologie oder vielmehr Kirche monopolisiert ward und wird. Mit Ausnahme des venetianischen Mönches Ortes, eines originellen und geistreichen Schriftstellers, sind die meisten Populationslehrer protestantische Pfaffen. So Bruckner: "Théorie du Systeme animal", Leyde 1767, worin die ganze moderne Bevölkerungstheorie erschöpft ist und wozu der vorübergehende Zank zwischen Quesnay und seinem Schüler Mirabeau pére <der Ältere> über dasselbe Thema Ideen lieferte, dann Pfaffe Wallace, Pfaffe Townsend, Pfaffe Malthus und sein Schüler, der Erzpfaff Th. Chalmers, von kleineren pfäffischen Skribenten in this line <dieser Art> gar nicht zu reden. Ursprünglich ward die politische Ökonomie betrieben von Philosophen, wie Hobbes, Locke, Hume, Geschäfts- und Staatsleuten, wie Thomas Morus, Temple, Sully, de Witt, North, Law, Vanderlint, Cantillon, Franklin, und theoretisch namentlich, und mit dem größten Erfolg, von Medizinern, wie Petty, Barbon, Mandeville, Quesnay. Noch Mitte des 18. Jahrhunderts entschuldigt sich Rev. Mr. Tucker, ein bedeutender Ökonom für seine Zeit, daß er sich mit dem Mammon beschäftigte. Später, und zwar mit dem "Bevölkerungsprinzip" schlug die Stunde der protestantischen Pfaffen. Als ob er diese Geschäftsverpfuschung geahnt, sagt Petty, der die Population als Basis des Reichtums behandelt und, gleich Adam Smith, abgesagter Pfaffenfeind: "Die Religion blüht am besten, wenn die Priester am meisten kasteit werden, wie das Recht am besten, wo die Advokaten verhungern." Er rät daher den protestantischen Pfaffen, wenn sie einmal dem Apostel Paulus nicht folgen und sich nicht durch das Zölibat "abtöten" wollen, "doch ja nicht mehr Pfaffen zu hecken (not to breed more Churchmen) als die vorhandenen Pfründen (benefices) absorbieren können; d.h. wenn es nur 12.000 Pfründen in England und Wales gibt, ist es unweis, 24.000 Pfaffen zu hecken (it will not be safe to breed 24.000 ministers), denn die 12.000 Unversorgten werden stets einen Lebensunterhalt zu gewinnen suchen, und wie könnten sie das leichter tun, als indem sie unter das Volk gehn und es überreden, die 12.000 Pfründner vergifteten die Seelen, und hungerten selbige Seelen aus, und zeigten ihnen den Holzweg zum Himmel?" (Petty, "A Treatise on Taxes and Contributions", Lond. 1667, p. 57.) Adam Smiths Stellung zum protestantischen Pfaffentum seiner Zeit ist durch folgendes charakterisiert. In "A Letter to A. Smith, L. L. D. On the life, Death and Philosophy of his Friend David Hume. By One of the People called Christians", 4th ed., Oxford 1784, kanzelt Dr. Horne, hochkirchlicher Bischof von Norwich, den A. Smith ab, weil er in einem öffentlichen Sendschreiben an Herrn Strahan seinen "Freund David" (sc. Hume) "einbalsamiere", weil er dem Publikum erzähle, wie "Hume auf seinem Sterbebett sich mit Lukian und Whist amüsierte", und sogar die Frechheit hatte, zu schreiben: "Ich habe Hume stets, sowohl während seines Lebens wie nach seinem Tode so nahe dem Ideal eines vollkommen weisen und tugendhaften Mannes betrachtet, als die Schwäche der menschlichen Natur erlaubt." Der Bischof ruft entrüstet: "Ist es recht von Ihnen, mein Herr, uns als vollkommen weise und tugendhaft den Charakter und Lebenswandel eines Menschen zu schildern, der von einer unheilbaren Antipathie besessen war wider alles, was Religion heißt, und der jeden Nerv anspannte, um, so viel an ihm, selbst ihren Namen aus dem Gedächtnis der Menschen zu löschen?" (l.c.p. 8.) "Aber laßt euch nicht entmutigen, Liebhaber der Wahrheit, der Atheismus ist kurzlebig." (p. 17.) Adam Smith "hat die gräßliche Ruchlosigkeit (the atrocious wickedness), den Atheismus durch das Land zu propagandieren" (nämlich durch seine "Theory of moral sentiments"). "... Wir kennen Eure Schliche, Herr Doktor! Ihr meint's gut, rechnet aber diesmal ohne den Wirt. Ihr wollt uns durch das Beispiel von David Hume, Esq., weismachen, daß Atheismus der einzige Schnaps (cordial) für ein niedergeschlagnes Gemüt und das einzige Gegengift wider Todesfurcht ist ... Lacht nur über Babylon in Ruinen und beglückwünscht nur den verhärteten Bösewicht Pharao!" (l.c.p. 21, 22.) Ein orthodoxer Kopf unter A. Smiths Kollegienbesuchern schreibt nach dessen Tod: "Smiths Freundschaft für Hume verhinderte ihn, ein Christ zu ... Er glaubte Hume alles aufs Wort. Wenn Hume ihm gesagt, der Mond sei ein grüner Käs, er hätt's geglaubt. Er glaubte ihm daher auch, daß es keinen Gott und keine Wunder gebe ... In seinen politischen Prinzipien streifte er an Republikanismus." ("The Bee" by James Anderson, 18 vls., Edinb. 1791-1793, vol. 3, p. 166, 165.) Pfaff Th. Chalmers hat A. Smith in Verdacht, daß er aus reiner Malice die Kategorie der "unproduktiven Arbeiter" eigens für die protestantischen Pfaffen erfand, trotz ihrer gesegneten Arbeit im Weinberg des Herrn. <=

(76) Note zur 2. Ausgabe. "Die Grenze jedoch der Beschäftigung von industriellen wie von ländlichen Arbeitern ist dieselbe: nämlich die Möglichkeit für den Unternehmer, einen Profit aus ihrem Arbeitsprodukt herauszuschlagen. Steigt die Rate des Arbeitslohns so hoch, daß der Gewinn des Meisters unter den Durchschnittsprofit fällt, so hört er auf, sie zu beschäftigen, oder beschäftigt sie nur unter der Bedingung, daß sie eine Herabsetzung des Arbeitslohns zulassen." (John Wade, l.c.p. 240.) <=

(77) Vgl. Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Oekonomie", p. 165 sqq. <siehe Band 13, S. 154 ff.> <=

(77a) "Gehen wir aber nun auf unsere erste Untersuchung zurück, wo nachgewiesen ist ... daß das Kapital selbst nur das Erzeugnis menschlicher Arbeit ist ... so scheint es ganz unbegreiflich, daß der Mensch unter die Herrschaft seines eigenen Produkts - das Kapital - geraten und diesem untergeordnet werden könne; und da dies in der Wirklichkeit doch unleugbar der Fall ist, so drängt sich unwillkürlich die Frage auf: wie hat der Arbeiter aus dem Beherrscher des Kapitals - als Schöpfer desselben - zum Sklaven des Kapitals werden können? (Von Thünen, "Der isolirte Staat", Zweiter Theil, Zweite Abtheilung, Rostock 1863, p. 5, 6.) Es ist das Verdienst Thünens, gefragt zu heben. Seine Antwort ist einfach kindisch. <=

(77b) (Zur 4. Aufl. - Die neuesten englischen und amerikanischen "Trusts" streben dies Ziel bereits an, indem sie versuchen, wenigstens sämtliche Großbetriebe eines Geschäftszweigs zu einer großen Aktiengesellschaft mit praktischem Monopol zu vereinigen. - F. E.}<=

(77c) Note zur 3. Auflage. - In Marx' Handexemplar steht hier die Randbemerkung: "Hier für Späteres zu bemerken: Ist die Erweiterung nur quantitativ, so verhalten sich bei größerem und kleinerem Kapital in demselben Geschäftszweig die Profite wie die Größen der vorgeschossenen Kapitale. Wirkt die quantitative Erweiterung qualitativ, so steigt zugleich die Rate des Profits für das größre Kapital. - F. E.} <=

(78) Der Zensus für England und Wales zeigt u.a.:

Alle in der Agrikultur beschäftigten Personen (Eigentümer, Pächter, Gärtner, Hirten usw. eingeschlossen) - 1851: 2.011.447, 1861: 1.924.110, Abnahme - 87.337. Worsted Manufaktur <Kammgarnweberei> - 1851: 102.714 Personen, 1861: 79.242; Seidenfabrik - 1851 111.940, 1861:101.678; Kattundrucker - 1851: 12.098, 1861:12.556, welche geringe Zunahme trotz des enorm ausgedehnten Geschäfts große proportionelle Abnahme in der Zahl der beschäftigten Arbeiter bedingt. Hutmacher - 1851: 15.957, 1861: 13.814; Strohhut- und Bonnetmacher - 1851: 20.393, 1861: 18.176; Malzer - 1851: 10.566, 1861: 10.677; Lichtgießer - 1851: 4.949, 1861: 4.686. Diese Abnahme ist u.a. der Zunahme der Gasbeleuchtung geschuldet. Kammacher - 1851: 2.038, 1861: 1.478; Holzsäger - 1851: 30.552, 1861: 31.647, geringe Zunahme infolge des Aufschwungs von Sägemaschinen; Nagelmacher - 1851: 26.940, 1861: 26.130, Abnahme infolge der Maschinenkonkurrenz; Arbeiter in Zinn- und Kupferbergwerken - 1851: 31.360, 1861: 32.041. Dagegen: Baumwollspinnereien und Webereien - 1851: 371.777, 1861: 456.646; Kohlenbergwerke - 1851: 183.389, 1861: 246.613. "Die Zunahme von Arbeitern ist im allgemeinen am größten seit 1851 in solchen Zweigen, worin die Maschinerie bisher noch nicht mit Erfolg angewandt worden. ("Census of England and Wales for 1861", vol. III, Lond. 1863, p. 35-39.) <=

(79) Das Gesetz der progressiven Abnahme der relativer Größe des variablen Kapitals, nebst seinen Wirkungen auf die Lage der Lohnarbeiterklasse, ist von einigen ausgezeichneten Ökonomen der klassischen Schule mehr geahnt als begriffen worden. Das größte Verdienst hierin gebührt John Barton, obwohl er, wie alle anderen, das konstante Kapital mit dem fixen, das variable mit dem zirkulierenden zusammenwirft. Er sagt: "Die Nachfrage nach Arbeit hängt von der Vermehrung des zirkulierenden und nicht des fixen Kapitals ab. Wenn es stimmte, daß das Verhältnis zwischen diesen beiden Arten des Kapitals zu allen Zeiten und unter allen Umständen dasselbe ist, dann folgt allerdings daraus, daß die Anzahl der beschäftigten Arbeiter sich nach dem Reichtum des Staates richtet. Aber eine solche Behauptung hat nicht den Anschein von Wahrscheinlichkeit. In dem Maße, wie die Naturwissenschaften gepflegt werden und die Zivilisation sich ausbreitet, wächst das fixe Kapital im Verhältnis zum zirkulierenden immer mehr und mehr an. Die Summe des bei der Produktion eines Stückes britischen Musselins verwendeten fixen Kapitals ist wenigstens hundertmal, wahrscheinlich aber tausendmal größer als jene, die zur Erzeugung eines ähnlichen Stückes indischen Musselins verwendet wird. Und der Anteil des zirkulierenden Kapitals ist hundert- oder tausendmal kleiner ... Wenn die Gesamtheit der jährlichen Ersparnisse dem fixen Kapital zugeschlagen würde, so würden sie sich nicht in einer erhöhten Nachfrage nach Arbeit auswirken." (John Barton, "Observations on the circumstances which influence the Condition of the labouring Classes of Societv", Lond. 1817, p. 16, 17.) "Die gleiche Ursache, die die Nettorevenue des Landes anwachsen läßt, kann gleichzeitig einen Überfluß an Bevölkerung erzeugen und die Lage des Arbeiters verschlechtern." (Ricardo, l.c.p. 469.) Mit der Zunahme des Kapitals "wird die Nachfrage" (nach Arbeit) "verhältnismäßig abnehmen". (l.c.p. 480, Note.) "Der Betrag des Kapitals, der zur Erhaltung von Arbeit bestimmt ist, kann sich ändern, unabhängig von irgendwelchen Veränderungen im Gesamtbetrag des Kapitals ... Große Schwankungen im Ausmaß der Beschäftigung und große Not können häufiger werden in dem Maße, wie das Kapital selbst reichlicher wird." (Richard Jones, "An Introductory Lecture on Pol. Econ.", Lond. 1833, p. 12.) "Nachfrage" (nach Arbeit) "wird steigen ... nicht im Verhältnis zur Akkumulation des Gesamtkapitals ... Jede Vermehrung des zur Reproduktion bestimmten nationalen Kapitals wird deshalb im Laufe des gesellschaftlichen Fortschritts einen stets geringeren Einfluß auf die Lage des Arbeiters haben." (Ramsay. l.c.p. 90, 91.) <=

(80) H. Merivale, "Lectures on Colonization and Colonies", Lond. 1841 and 1842, v. I, p. 146. <=

(81) "Prudential habits with regard to marriage, carried to a considerable extent among the labouring class of a country mainly depending upon manufactures and commerce, might injure it ... From the nature of a population, an increase of labourers cannot be brought into market, in consequence of a particular demand, till after the lapse of 16 or 18 years, and the conversion of revenue into capital, by saving, may take place much more rapidly; a country is always liable to an increase in the quantity of the funds for the maintenance of labour faster than the increase of population. (Malthus, "Princ. of Pol. Econ,", p. 215, 319,320.) In diesem Werk entdeckt Malthus endlich, vermittelst Sismondis, die schöne Dreieinigkeit der kapitalistischen Produktion: Überproduktion - Überpopulation - Überkonsumtion, three very delicate monsters, indeed! <drei sehr delikate Ungeheuer, in der Tat!> Vgl. F. Engels, "Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie", l.c.p. 107 sqq. <Siehe Band 1, S. 518 bis 521> <=

(82) Harriet Martineau, "The Manchester Strike", 1832, p. 101. <=

(83) Selbst während der Baumwollnot von 1863 findet man in einem Pamphlet der Baumwollspinner von Blackburn heftige Denunziation gegen die Überarbeit, die kraft des Fabrikgesetzes natürlich nur erwachsne männliche Arbeiter traf. "Man verlangte in dieser Fabrik von den erwachsenen Arbeitern eine zwölf- bis dreizehnstündige Arbeit täglich, obwohl es Hunderte gibt, die zum Müßiggang gezwungen sind, aber gern einen Teil der Arbeitszeit arbeiten möchten, um ihre Familien erhalten zu können und ihre Arbeitsbrüder vor einem vorzeitigen Tode infolge Überarbeit zu bewahren." "Wir", heißt es weiter, "möchten fragen, ob diese Praxis, Überzeit zu arbeiten, irgendwie erträgliche Verhältnisse zwischen Meistern und 'Dienern' möglich macht? Die Opfer der Überarbeit fühlen die Unbill ebensosehr als die dadurch zu erzwungnem Müßiggang Verdammten (condemned to forced idleness). In diesem Distrikt reicht das zu verrichtende Werk hin, um alle teilweise zu beschäftigen, würde die Arbeit billig verteilt. Wir verlangen nur ein Recht, indem wir die Meister auffordern, allgemein nur kurze Zeit zu arbeiten, wenigstens solange der jetzige Stand der Dinge währt, statt einen Teil zu überarbeiten, während der andre durch Arbeitsmangel gezwungen wird, von der Wohltätigkeit seine Existenz zu fristen." ("Reports of Insp. of Fact., 31st Oct. 1863", p. 8.) - Die Wirkung einer relativen Übervölkerung auf die beschäftigten Arbeiter begreift der Verfasser des "Essay on Trade and Commerce" mit seinem gewohnten unfehlbaren Bourgeoisinstinkt. "Eine andre Ursache der Faulenzerei (idleness) in diesem Königreich ist der Mangel einer hinreichenden Anzahl arbeitender Hände. Sooft durch irgendeine ungewöhnliche Nachfrage für Fabrikate die Arbeitsmasse ungenügend wird, fühlen die Arbeiter ihre eigne Wichtigkeit und wollen sie ihren Meistern ebenfalls fühlbar machen; es ist erstaunlich; aber so depraviert ist die Gesinnung dieser Kerle, daß in solchen Fällen Gruppen von Arbeitern sich kombiniert haben, um ihre Meister dadurch in Verlegenheit zu setzen, daß sie einen ganzen Tag durch faulenzten." ("Essay etc.", p. 27, 28.) Die Kerle verlangten nämlich Lohnerhöhung. <=

(84) "Economist", Jan. 21, 1860 <=

(85) Während im letzten Halbjahr von 1866 80.000 - 90.000 Arbeiter in London außer Arbeit geworfen wurden, heißt es im Fabrikbericht über dasselbe Halbjahr: "Es scheint nicht absolut richtig zu sein, wenn man sagt, daß Nachfrage stets grade in dem Augenblick Zufuhr hervorbringt, da es nötig ist. Auf Arbeit traf das nicht zu, denn viel Maschinerie mußte im letzten Jahre aus Mangel an Arbeitskräften stillstehn." ("Report of Insp. of Fact. for 31st Oct. 1866", p. 81.) <=

(85a) Eröffnungsrede der sanitären Konferenz, Birmingham, 14. Jan. 1875, von J. Chamberlain, damals Mayor der Stadt, jetzt (1883) Handelsminister. <=

(86) "781 Städte" sind aufgezählt im Zensus von 1861 für England und Wales "mit 10.960.998 Einwohnern, während die Dörfer und Landkirchspiele nur 9.105.226 zählen ... Im Jahr 1851 figurierten 580 Städte im Zensus, deren Bevölkerung ungefähr gleich der Bevölkerung der sie umgebenden Landdistrikte war. Während aber in den letzteren die Bevölkerung wahrend der folgenden 10 Jahre nur um eine halbe Million wuchs, wuchs sie in den 580 Städten um 1.554.067. Der Bevölkerungszuwachs in den Landkirchspielen ist 6,5%, in den Städten 17,3%. Der Unterschied in der Rate des Wachstums ist der Wanderung vom Land in die Stadt geschuldet. Drei Viertel des Gesamtwachstums der Bevölkerung gehört den Städten. ("Census etc.", VIII, p. l1, 12.) <=

(87) "Armut scheint die Fortpflanzung zu begünstigen." (A. Smith.) Dies ist sogar eine besonders weise Einrichtung Gottes nach dem galanten und geistreichen Abbe Galiani: "Gott hat es gefügt, daß die Menschen, die die nützlichsten Berufe ausüben, überreichlich geboren werden." (Galiani, l.c.p. 78.) "Elend, bis zum äußersten Grad von Hungersnot und Pestilenz, vermehrt eher das Wachstum der Bevölkerung, statt es zu hemmen." (S. Laing, National Distress", 1844, p. 69.) Nachdem Laing dies statistisch illustriert, fahrt er fort: Befände sich alle Welt in bequemen Umständen, so wäre die Welt bald entvölkert." ("If the people were all in easy circumstances, the world would soon be depopulated.") <=

(88) "Von Tag zu Tag wird es somit klarer, daß die Produktionsverhältnisse, in denen sich die Bourgeoisie bewegt, nicht einen einheitlichen, einfachen Charakter haben, sondern einen zwieschlächtigen; daß in denselben Verhältnissen, in denen der Reichtum produziert wird, auch das Elend produziert wird; daß in denselben Verhältnissen, in denen die Entwicklung der Produktivkräfte vor sich geht, sich eine Repressionskraft entwickelt; daß diese Verhältnisse den bürgerlichen Reichtum, d.h. den Reichtum der Bourgeoisklasse, nur erzeugen unter fortgesetzter Vernichtung des Reichtums einzelner Glieder dieser Klasse und unter Schaffug eines stets wachsenden Proletariats." (Karl Marx, "Misère de la Philosophie", p. 116. <Siehe Band 4, S. 141>) <=

(89) G. Ortes, "Della Economia Nazionale libri sei 1774", bei Custodi, Parte Moderna, t. XXI, p. 6, 9, 22, 25 etc. Ortes Sagt l.c.p. 32: "Statt unnütze Systeme für das Glück der Völker aufzustellen, will ich mich darauf beschränken, die Gründe ihres Unglücks zu untersuchen." <=

(90) "A Dissertation on the Poor Laws. By a Wellwisher of Mankind (The Rev. Mr. J. Townsend), 1786", republished Lond. 1817, p. 15, 39, 41. Dieser "delikate" Pfaffe, dessen eben angeführte Schrift, nebst seiner Reise durch Spanien, Malthus oft seitenlang abschreibt, entlehnte den größten Teil seiner Doktrin aus Sir J. Steuart, den er jedoch verdreht. Z.B. wenn Steuert sagt: "Hier, in der Sklaverei, existierte eine gewaltsame Methode, die Menschheit arbeitsam" (für die Nichtarbeiter) "zu machen ... Die Menschen wurden damals zur Arbeit" (d.h. zur Gratisarbeit für andere) "gezwungen, weil sie Sklaven von andren waren; die Menschen sind jetzt zur Arbeit" (d.h. zur Gratisarbeit für Nichtarbeiter) "gezwungen, weil sie die Sklaven ihrer eignen Bedürfnisse sind", so schließt er deswegen nicht, wie der fette Pfründner, daß - die Lohnarbeiter stets am Hungertuch nagen sollen. Er will umgekehrt ihre Bedürfnisse vermehren und die wachsende Zahl ihrer Bedürfnisse zugleich zum Sporn ihrer Arbeit für "die Delikateren" machen. <=

(91) Storch, l.c., t. III, p. 223. <=

(92) Sismondi, l.c., t. I, p. 79, 80, 85. <=

(93) Destutt de Tracy, l.c.p. 231. "Les nations pauvres, c'est là où le peuple est à son aise; et les nations riches, c'est là où il est ordinairement pauvre." <=