8. Kapitel. Fixes Kapital und zirkulierendes Kapital | Inhalt | 10. Kapitel. Theorien über fixes und zirkulierendes Kapital. Physiokraten u. A. Smith

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 24, "Das Kapital", Bd. II, 2. Abschnitt, S. 183 - 188
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1963

NEUNTES KAPITEL
Der Gesamtumschlag des vorgeschoßnen Kapitals. Umschlagszyklen

<183> Wir haben gesehn, daß die fixen und flüssigen Bestandteile des produktiven Kapitals verschiedenartig und zu verschiednen Perioden umschlagen, ebenso daß die verschiednen Bestandteile des fixen Kapitals in demselben Geschäft je nach ihrer verschiednen Lebens-, daher Reproduktionszeit, wieder verschiedne Umschlagsperioden haben. (Über die wirkliche oder scheinbare Verschiedenheit im Umschlag verschiedner Bestandteile des flüssigen Kapitals in demselben Geschäft, siehe am Schluß dieses Kapitels sub 6.)

1. Der Gesamtumschlag des vorgeschoßnen Kapitals ist der Durchschnittsumschlag seiner verschiednen Bestandteile; Berechnungsmodus weiter unten. Soweit es sich nur um verschiedne Zeitperioden handelt, ist natürlich nichts einfacher als ihren Durchschnitt zu ziehn; aber:

2. es findet hier nicht nur quantitativer, sondern qualitativer Unterschied statt.

Das in den Produktionsprozeß eingehende flüssige Kapital überträgt seinen ganzen Wert auf das Produkt und muß daher beständig, durch den Verkauf des Produkts, in natura ersetzt werden, soll der Produktionsprozeß ohne Unterbrechung vorsichgehn. Das in den Produktionsprozeß eingehende fixe Kapital überträgt nur Teil seines Werts (den Verschleiß) auf das Produkt und fährt trotz des Verschleißes fort, im Produktionsprozeß zu fungieren; es braucht daher nur in kürzern oder längern Intervallen, jedenfalls nicht so oft wie das flüssige Kapital, in natura ersetzt zu werden. Diese Ersatznotwendigkeit, der Reproduktionstermin, ist nicht nur quantitativ verschieden für die verschiednen Bestandteile des fixen Kapitals, sondern, wie wir gesehn haben, ein Teil des länger dauernden, vieljährigen fixen Kapitals kann jährlich oder in kürzern Intervallen ersetzt und dem alten fixen Kapital in natura hinzugefügt werden; bei fixem Kapital andrer Beschaffenheit kann der Ersatz nur nach Ende seiner Lebenszeit auf einmal stattfinden.

<184> Es ist daher nötig, die Sonderumschläge der verschiednen Teile des fixen Kapitals auf gleichartige Form des Umschlags zu reduzieren, so daß sie nur noch quantitativ, der Umschlagsdauer nach, verschieden sind.

Diese qualitative Dieselbigkeit findet nicht statt, wenn wir P ... P - die Form des kontinuierlichen Produktionsprozesses - zum Ausgangspunkt nehmen. Denn bestimmte Elemente von P müssen beständig in natura ersetzt werden, andre nicht. Wohl aber gibt die Form G ... G´ diese Dieselbigkeit des Umschlags. Nehmen wir z.B. eine Maschine zum Wert von 10.000 Pfd.St., die zehn Jahre dauert, wovon sich also jährlich 1/10 = 1.000 Pfd.St. in Geld rückverwandelt. Diese 1.000 Pfd.St. haben sich im Lauf eines Jahres aus Geldkapital in produktives Kapital und Warenkapital und aus diesem in Geldkapital rückverwandelt. Sie sind zu ihrer ursprünglichen Geldform zurückgekehrt, wie das flüssige Kapital, wenn wir es unter dieser Form betrachten, und es ist dabei gleichgültig, ob das Geldkapital von 1.000 Pfd.St. wieder am Ende des Jahres in die Naturalform einer Maschine rückverwandelt wird oder nicht. Bei der Berechnung des Gesamtumschlags des vorgeschoßnen produktiven Kapitals fixieren wir daher alle seine Elemente in der Geldform, so daß die Rückkehr zur Geldform den Umschlag schließt. Wir betrachten den Wert immer als in Geld vorgeschossen, selbst beim kontinuierlichen Produktionsprozeß, wo diese Geldform des Werts nur die des Rechengelds ist. So können wir dann den Durchschnitt ziehn.

3. Es folgt, daß selbst wenn der bei weitem größre Teil des vorgeschoßnen produktiven Kapitals aus fixem Kapital besteht, dessen Reproduktions-, also auch Umschlagszeit, einen vieljährigen Zyklus umfaßt, dennoch der während des Jahres umgeschlagene Kapitalwert infolge der wiederholten Umschläge des flüssigen Kapitals während des Jahres größer sein kann als der Gesamtwert des vorgeschoßnen Kapitals.

Das fixe Kapital sei = 80.000 Pfd.St., seine Reproduktionszeit = 10 Jahre, so daß 8.000 Pfd.St. davon jährlich zu ihrer Geldform zurückkehren oder es 1/10 seines Umschlags vollzieht. Das flüssige Kapital sei = 20.000 Pfd.St. und schlage fünfmal im Jahre um. Das Gesamtkapital ist dann = 100.000Pfd.St. Das umgeschlagne fixe Kapital ist = 8.000 Pfd.St.; das umgeschlagne flüssige Kapital = 5 * 20.000 = 100.000 Pfd.St. Also ist das während des Jahres umgeschlagne Kapital = 108.000 Pfd.St., größer um 8.000 Pfd.St. als das vorgeschoßne Kapital. 1 + 2/25 des Kapitals hat umgeschlagen.

4. Der Wertumschlag des vorgeschoßnen Kapitals trennt sich also von seiner wirklichen Reproduktionszeit oder der realen Umschlagszeit seiner Bestandteile. Ein Kapital von 4.000 Pfd.St. schlage z.B. fünfmal im Jahre <185> um. Das umgeschlagne Kapital ist dann 5 * 4.000 = 20.000 Pfd.St. Was aber am Ende jedes Umschlags zurückkehrt, um wieder von neuem vorgeschossen zu werden, ist das ursprünglich vorgeschoßne Kapital von 4.000 Pfd.St. Seine Größe wird nicht verändert durch die Anzahl der Umschlagsperioden, während deren es von neuem als Kapital fungiert. (Abgesehn vom Mehrwert.)

In dem Beispiel sub 3 also ist nach der Voraussetzung am Ende des Jahres in die Hand des Kapitalisten zurückgekehrt a) eine Wertsumme von 20.000 Pfd.St., die er von neuem in den flüssigen Bestandteilen des Kapitals auslegt, und b) eine Summe von 8.000 Pfd.St., die sich durch den Verschleiß vom Wert des vorgeschoßnen fixen Kapitals losgelöst hat; daneben existiert nach wie vor dasselbe fixe Kapital im Produktionsprozeß fort, aber mit dem verminderten Wert von 72.000 Pfd.St. statt 80.000 Pfd.St. Es bedürfte also noch neunjähriger Fortsetzung des Produktionsprozesses, bis das vorgeschoßne fixe Kapital sich ausgelebt und sowohl als Produktbildner wie Wertbildner ausfungiert hat und ersetzt werden muß. Der vorgeschoßne Kapitalwert hat also einen Zyklus von Umschlägen zu beschreiben, im gegebnen Fall z.B. einen Zyklus von zehn jährlichen Umschlägen - und zwar ist dieser Zyklus bestimmt durch die Lebenszeit, daher die Reproduktionszeit oder Umschlagszeit des angewandten fixen Kapitals.

In demselben Maße also, worin sich mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise der Wertumfang und die Lebensdauer des angewandten fixen Kapitals entwickelt, entwickelt sich das Leben der Industrie und des industriellen Kapitals in jeder besondren Anlage zu einem vieljährigen, sage im Durchschnitt zehnjährigen. Wenn einerseits die Entwicklung des fixen Kapitals dieses Leben ausdehnt, so wird es andrerseits abgekürzt durch die beständige Umwälzung der Produktionsmittel, die ebenfalls mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise beständig zunimmt. Mit ihr daher auch der Wechsel der Produktionsmittel und die Notwendigkeit ihres beständigen Ersatzes infolge des moralischen Verschleißes, lange bevor sie physisch ausgelebt sind. Man kann annehmen, daß für die entscheidendsten Zweige der großen Industrie dieser Lebenszyklus jetzt im Durchschnitt ein zehnjähriger ist. Doch kommt es hier nicht auf die bestimmte Zahl an. Soviel ergibt sich: Durch diesen eine Reihe von Jahren umfassenden Zyklus von zusammenhängenden Umschlägen, in welchen das Kapital durch seinen fixen Bestandteil gebannt ist, ergibt sich eine materielle Grundlage der periodischen Krisen, worin das Geschäft aufeinanderfolgende Perioden der Abspannung, mittleren Lebendigkeit, Über- <186> stürzung, Krise durchmacht. Es sind zwar die Perioden, worin Kapital angelegt wird, sehr verschiedne und auseinanderfallende. Indessen bildet die Krise immer den Ausgangspunkt einer großen Neuanlage. Also auch die ganze Gesellschaft betrachtet - mehr oder minder eine neue materielle Grundlage für den nächsten Umschlagszyklus.(22a)

5. Über die Berechnungsweise des Umschlags lassen wir einen amerikanischen Ökonomen sprechen.

"In einigen Geschäftszweigen wird das ganze vorgeschoßne Kapital mehrere Mal innerhalb eines Jahres umgeschlagen oder zirkuliert; in einigen andren schlägt ein Teil mehr als einmal im Jahr um, ein andrer Teil nicht so häufig. Es ist die Durchschnittsperiode, die sein ganzes Kapital gebraucht, um durch seine Hand zu passieren oder um einmal umzuschlagen, wonach ein Kapitalist seinen Profit berechnen muß. Angenommen, jemand habe in einem bestimmten Geschäft die Hälfte seines Kapitals in Gebäuden und Maschinerie angelegt, welche einmal in zehn Jahren erneuert werden; ein Viertel in Werkzeugen etc., die in zwei Jahren erneuert werden; das letzte Viertel, ausgelegt in Arbeitslöhnen und Rohstoffen, wäre zweimal im Jahre umgeschlagen. Sein ganzes Kapital sei 50.000 Dollars. Dann wird seine Jahresauslage sein:

50.000

= 25.000 Doll. in

10 Jahren =

2.500 Doll. in 1 Jahr

2

50.000

= 12.500 Doll. in

2 Jahren =

6.250 Doll. in 1 Jahr

4

50.000

= 12.500 Doll. in

1/2 Jahren =

25.000 Doll. in 1 Jahr

4

1 Jahr =

33.750 Doll.

Die Durchschnittszeit also, in der sein ganzes Kapital einmal umgeschlagen wird, ist 16 Monate ... Nehmen wir einen andern Fall: Ein Viertel des Gesamtkapitals von 50.000 Doll. zirkuliert in 10 Jahren; ein Viertel in 1 Jahr; die übrige Hälfte zweimal in 1 Jahr. Dann wird die jährliche Auslage sein:

12.500

=

1.250 Doll.

10

12.500

=

12.500 Doll.

20.000 * 2

=

50.000 Doll.

In einem Jahr umgeschlagen

=

63.750 Doll."

(Scrope, "Pol. Econ.", edit. Alonzo Potter, New York 1841, p.142, 143.)

<187> 6. Wirkliche und scheinbare Verschiedenheiten im Umschlag der verschiednen Teile des Kapitals. - Derselbe Scrope sagt an derselben Stelle [p. 141]:

"Das Kapital, das ein Fabrikant, Landwirt oder Kaufmann in der Zahlung von Arbeitslöhnen auslegt, zirkuliert am schnellsten, da es vielleicht einmal in der Woche, wenn seine Leute wöchentlich bezahlt werden, durch die wöchentlichen Einkünfte aus seinen Verkäufen oder bezahlten Fakturen umgeschlagen wird. Das in Rohstoffen oder fertigen Vorräten ausgelegte zirkuliert weniger rasch; es mag zweimal oder viermal im Jahr umschlagen, je nach der Zeit, die zwischen dem Einkauf der einen und dem Verkauf der andern verbraucht wird, vorausgesetzt, daß er auf gleiche Kreditfrist kauft und verkauft. Das in Werkzeugen und Maschinen steckende Kapital zirkuliert noch langsamer, da es im Durchschnitt vielleicht nur einmal in fünf oder zehn Jahren umgeschlagen, d.h. konsumiert und erneuert wird; obwohl manche Werkzeuge schon in einer einzigen Reihe von Operationen aufgebraucht werden. Das in Gebäuden, z.B. Fabriken, Läden, Lagerhäusern, Scheunen, in Straßen, Bewässerungsanlagen etc. ausgelegte Kapital scheint überhaupt kaum zu zirkulieren. In der Tat aber werden auch diese Anlagen vollständig ebensosehr wie die früher erwähnten aufgebraucht während sie zur Produktion beitragen, und müssen reproduziert werden, damit der Produzent seine Operationen fortführen kann. Nur mit dem Unterschied, daß sie langsamer konsumiert und reproduziert werden als die übrigen ... Das in ihnen angelegte Kapital schlägt vielleicht erst in 20 oder 50 Jahren um."

Scrope verwechselt hier den durch Zahlungstermine und Kreditverhältnisse für den individuellen Kapitalisten bewirkten Unterschied im Fluß bestimmter Teile des flüssigen Kapitals mit den aus der Natur des Kapitals hervorgehenden Umschlägen. Er sagt, der Arbeitslohn muß wöchentlich gezahlt werden durch die wöchentlichen Einkünfte aus den bezahlten Verkäufen oder Fakturen, Erstens ist hier zu bemerken, daß mit Bezug auf den Arbeitslohn selbst Unterschiede eintreten, je nach der Länge des Zahlungstermins, d.h. der Länge der Zeit, wofür der Arbeiter dem Kapitalisten Kredit zu geben hat; also je nachdem der Zahlungstermin des Lohns wöchentlich, monatlich, dreimonatlich, halbjährlich usw. Es gilt hier das früher entwickelte Gesetz: "Die notwendige Masse des Zahlungsmittels (also des auf einen Schlag vorzuschießenden Geldkapitals) steht im geraden <1. und 2. Auflage: umgekehrten> Verhältnis zur Länge der Zahlungsperioden." (Buch I. Kap. III, 3, b, Seite 124. <siehe Band 23, S. 156>)

Zweitens: In das wöchentliche Produkt geht die Gesamtheit nicht nur des in seiner Produktion durch die Wochenarbeit zugesetzten Neuwerts ein, sondern ebenso der Wert der im Wochenprodukt aufgezehrten Roh- <188> und Hilfsstoffe. Mit dem Produkt zirkuliert dieser in ihm enthaltne Wert. Durch den Verkauf dieses Produkts erhält er die Geldform und muß von neuem in dieselben Produktionselemente umgesetzt werden. Es gilt dies ebensowohl von der Arbeitskraft wie von Roh- und Hilfsstoffen. Aber man hat bereits gesehn (Kap. VI, II., 1.), daß die Kontinuität der Produktion einen Vorrat von Produktionsmitteln erheischt, verschieden für verschiedne Geschäftszweige, und im selben Geschäftszweig wieder verschieden für verschiedne Bestandteile dieses Elements des flüssigen Kapitals, z.B. für Kohle und Baumwolle. Obgleich daher diese Stoffe beständig in natura ersetzt werden müssen, brauchen sie nicht beständig neu gekauft zu werden. Wie oft sich der Kauf erneuert, hängt von der Größe des angelegten Vorrats ab, wie lange er vorhält, bis er erschöpft ist. Bei der Arbeitskraft findet solches Einlegen von Vorrat nicht statt. Die Rückverwandlung in Geld geht für den in Arbeit ausgelegten Kapitalteil Hand in Hand mit der des in Hilfs- und Rohstoff ausgelegten. Aber die Rückverwandlung des Geldes, einerseits in Arbeitskraft, andrerseits in Rohstoffe, geht getrennt vor sich wegen der besondren Kauf- und Zahlungstermine dieser beiden Bestandteile, von denen der eine als produktiver Vorrat in längern Terminen gekauft wird, der andre, die Arbeitskraft, in kürzern, z.B. wöchentlich. Andrerseits muß der Kapitalist neben dem Produktionsvorrat einen Vorrat fertiger Waren halten. Abgesehn von Verkaufsschwierigkeiten etc. ist z.B. eine bestimmte Masse auf Bestellung zu produzieren. Während der letzte Teil derselben produziert wird, wartet der schon fertige auf dem Speicher bis zur Zeit, wo die Bestellung ganz ausgeführt werden kann. Andre Unterschiede im Umschlag des flüssigen Kapitals entstehn, sobald einzelne Elemente desselben länger als andre in einem vorläufigen Stadium des Produktionsprozesses (Austrocknung von Holz usw.) verharren müssen.

Das Kreditwesen, auf das Scrope hier Bezug nimmt, wie das Handelskapital, modifiziert den Umschlag für den einzelnen Kapitalisten. Auf gesellschaftlicher Stufenleiter modifiziert es ihn nur, soweit es nicht nur die Produktion, sondern auch die Konsumtion beschleunigt.


(22a) "Die städtische Produktion ist an den Turnus der Tage gebunden, die ländliche hingegen an den Turnus der Jahre." (Adam H. Müller, "Die Elemente der Staatskunst", Berlin 1809, III., S. 178.) Dies ist die naive Vorstellung der Romantik von Industrie und Agrikultur. <=