13. Kapitel. Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate. Das Gesetz als solches | Inhalt | 15. Kapitel. Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate. Entfaltung der innern Widersprüche des Gesetzes

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 25, "Das Kapital", Bd. III, Dritter Abschnitt, S. 242 - 250
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1983

VIERZEHNTES KAPITEL
Entgegenwirkende Ursachen

<242> Wenn man die enorme Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit selbst nur in den letzten 30 Jahren, verglichen mit allen frühern Perioden, betrachtet, wenn man namentlich die enorme Masse von fixem Kapital betrachtet, das außer der eigentlichen Maschinerie in die Gesamtheit des gesellschaftlichen Produktionsprozesses eingeht, so tritt an die Stelle der Schwierigkeit, welche bisher die Ökonomen beschäftigt hat, nämlich den Fall der Profitrate zu erklären, die umgekehrte, nämlich zu erklären, warum dieser Fall nicht größer oder rascher ist. Es müssen gegenwirkende Einflüsse im Spiel sein, welche die Wirkung des allgemeinen Gesetzes durchkreuzen und aufheben und ihm nur den Charakter einer Tendenz geben, weshalb wir auch den Fall der allgemeinen Profitrate als einen tendenziellen Fall bezeichnet haben. Die allgemeinsten dieser Ursachen sind folgende:

I. Erhöhung des Exploitationsgrads der Arbeit

Der Exploitationsgrad der Arbeit, die Aneignung von Mehrarbeit und Mehrwert wird erhöht namentlich durch Verlängerung des Arbeitstags und Intensifikation der Arbeit. Diese beiden Punkte sind ausführlich entwickelt in Buch I bei der Produktion des absoluten und des relativen Mehrwerts. Es gibt viele Momente der Intensifikation der Arbeit, die ein Wachstum des konstanten Kapitals gegen das variable, also Fall der Profitrate einschließen, wie wenn ein Arbeiter größre Masse von Maschinerie zu überwachen hat. Hier - wie bei den meisten Prozeduren, die zur Produktion des relativen Mehrwerts dienen - mögen dieselben Ursachen, die ein Wachstum in der Rate des Mehrwerts hervorbringen, einen Fall in der Masse des Mehrwerts, gegebne Größen von angewandtem Gesamtkapital betrachtet, einschließen. Aber es gibt andre Momente der Intensifikation, wie z.B. <243> beschleunigte Geschwindigkeit der Maschinerie, die in derselben Zeit zwar mehr Rohmaterial vernutzen, aber was das fixe Kapital angeht, die Maschinerie zwar schneller aufnutzen, das Verhältnis ihres Werts zum Preis der Arbeit, die sie in Bewegung setzt, indes keineswegs affizieren. Namentlich aber ist es die Verlängerung des Arbeitstags, diese Erfindung der modernen Industrie, welche die Masse der angeeigneten Mehrarbeit vermehrt, ohne das Verhältnis der angewandten Arbeitskraft zu dem von ihr in Bewegung gesetzten konstanten Kapital wesentlich zu verändern, und welche in der Tat eher das letztere relativ vermindert. Sonst ist es bereits nachgewiesen - und bildet das eigentliche Geheimnis des tendenziellen Falls der Profitrate -, daß die Prozeduren zur Erzeugung von relativem Mehrwert im ganzen und großen darauf hinauslaufen: einerseits von einer gegebnen Masse Arbeit möglichst viel in Mehrwert zu verwandeln, andrerseits im Verhältnis zum vorgeschoßnen Kapital möglichst wenig Arbeit überhaupt anzuwenden; so daß dieselben Gründe, welche erlauben, den Exploitationsgrad der Arbeit zu erhöhen, es verbieten, mit demselben Gesamtkapital ebensoviel Arbeit wie früher zu exploitieren. Dies sind die widerstreitenden Tendenzen, die, während sie auf eine Steigerung in der Rate des Mehrwerts, gleichzeitig auf einen Fall der von einem gegebnen Kapital erzeugten Masse des Mehrwerts und daher der Rate des Profits hinwirken. Ebenfalls ist die massenhafte Einführung von Weiber- und Kinderarbeit soweit hier zu erwähnen, als die ganze Familie dem Kapital eine größre Masse Mehrarbeit liefern muß als vorher, selbst wenn die Gesamtsumme des ihr gegebnen Arbeitslohns wächst, was keineswegs allgemein der Fall. - Alles was die Produktion des relativen Mehrwerts fördert durch bloße Verbesserung der Methoden, wie in der Agrikultur, bei unveränderter Größe des angewandten Kapitals, hat dieselbe Wirkung. Hier steigt zwar nicht das angewandte konstante Kapital im Verhältnis zum variablen, soweit wir letzteres als Index der beschäftigten Arbeitskraft betrachten, aber es steigt die Masse des Produkts im Verhältnis zur angewandten Arbeitskraft. Dasselbe findet statt, wenn die Produktivkraft der Arbeit (einerlei ob ihr Produkt in die Konsumtion der Arbeiter eingeht oder in die Elemente des konstanten Kapitals) befreit wird von Verkehrshemmungen, willkürlichen oder im Lauf der Zeit

störend gewordnen Einschränkungen, überhaupt von Fesseln aller Art, ohne daß dadurch zunächst das Verhältnis des variablen zum konstanten Kapital berührt wird.

Es könnte die Frage aufgeworfen werden, ob in den, den Fall der Profitrate hemmenden, ihn in letzter Instanz aber stets beschleunigenden Ursachen einbegriffen sind die temporären, aber sich stets wiederholenden, <244> bald in diesem, bald in jenem Produktionszweig auftauchenden Erhöhungen des Mehrwerts über das allgemeine Niveau für den Kapitalisten, der Erfindungen usw. benutzt, bevor sie verallgemeinert sind. Diese Frage muß bejaht werden.

Die Masse des Mehrwerts, die ein Kapital von gegebner Größe erzeugt, ist das Produkt zweier Faktoren, der Rate des Mehrwerts multipliziert mit der Arbeiterzahl, die zur gegebnen Rate beschäftigt wird. Sie hängt also ab bei gegebner Rate des Mehrwerts von der Arbeiterzahl und bei gegebner Arbeiterzahl von der Rate des Mehrwerts, überhaupt also von dem zusammengesetzten Verhältnis der absoluten Größe des variablen Kapitals und der Rate des Mehrwerts. Nun hat sich gezeigt, daß im Durchschnitt dieselben Ursachen, die die Rate des relativen Mehrwerts erhöhen, die Masse der angewandten Arbeitskraft erniedrigen. Es ist aber klar, daß ein Mehr oder Minder hier eintritt, je nach dem bestimmten Verhältnis, worin diese gegensätzliche Bewegung sich vollzieht, und daß die Tendenz zur Verminderung der Profitrate namentlich geschwächt wird durch Erhöhung der Rate des absoluten, aus Verlängerung des Arbeitstags stammenden Mehrwerts.

Bei der Profitrate hat sich im allgemeinen gefunden, daß dem Sinken der Rate, wegen der steigenden Masse des angewandten Gesamtkapitals, die Zunahme der Profitmasse entspricht. Das gesamte variable Kapital der Gesellschaft betrachtet, ist der von ihm erzeugte Mehrwert gleich dem erzeugten Profit. Neben der absoluten Masse ist auch die Rate des Mehrwerts gewachsen; die eine, weil die von der Gesellschaft angewandte Masse Arbeitskraft gewachsen, die zweite, weil der Exploitationsgrad dieser Arbeit gewachsen. Aber mit Bezug auf ein Kapital von gegebner Größe, z.B. 100, kann die Rate des Mehrwerts wachsen, während die Masse im Durchschnitt fällt; weil die Rate bestimmt ist durch das Verhältnis, worin sich der variable Kapitalteil verwertet, die Masse dagegen bestimmt ist durch den Verhältnisteil, den das variable Kapital vom Gesamtkapital ausmacht.

Das Steigen der Mehrwertsrate - da es namentlich auch unter Umständen stattfindet, wo, wie oben angeführt, keine oder keine verhältnismäßige Vermehrung des konstanten Kapitals gegen das variable stattfindet - ist ein Faktor, wodurch die Masse des Mehrwerts und daher auch die Profitrate mit bestimmt wird. Er hebt nicht das allgemeine Gesetz auf. Aber er macht, daß es mehr als Tendenz wirkt, d.h. als ein Gesetz, dessen absolute Durchführung durch gegenwirkende Umstände aufgehalten, verlangsamt, abgeschwächt wird. Da aber dieselben Ursachen, die die Rate des Mehrwerts erhöhen (selbst die Verlängerung der Arbeitszeit ist ein Resultat der großen <245> Industrie), dahin streben, die von einem gegebnen Kapital angewandte Arbeitskraft zu vermindern, so streben dieselben Ursachen zur Verminderung der Profitrate und zur verlangsamten Bewegung dieser Verminderung. Wenn einem Arbeiter die Arbeit aufgezwungen wird, die rationell nur zwei verrichten können, und wenn dies unter Umständen geschieht, wo dieser eine drei ersetzen kann, so wird der eine soviel Mehrarbeit liefern wie früher zwei, und sofern ist die Rate des Mehrwerts gestiegen. Aber er wird nicht soviel liefern wie vorher drei, und damit ist die Masse des Mehrwerts gefallen. Ihr Fall ist aber kompensiert oder beschränkt durch das Steigen der Rate des Mehrwerts. Wird die gesamte Bevölkerung zu gestiegner Rate des Mehrwerts beschäftigt, so steigt die Masse des Mehrwerts, obgleich die Bevölkerung dieselbe bleibt. Noch mehr bei wachsender Bevölkerung; und obgleich dies verbunden ist mit einem relativen Fall der beschäftigten Arbeiterzahl im Verhältnis zur Größe des Gesamtkapitals, so wird dieser Fall doch gemäßigt oder aufgehalten durch die gestiegne Rate des Mehrwerts.

Ehe wir diesen Punkt verlassen, ist noch einmal zu betonen, daß bei gegebner Größe des Kapitals die Rate des Mehrwerts wachsen kann, obgleich seine Masse fällt, und umgekehrt. Die Masse des Mehrwerts ist gleich der Rate multipliziert mit der Arbeiterzahl; die Rate wird aber nie auf das Gesamtkapital, sondern nur auf das variable Kapital berechnet, in der Tat nur auf je einen Arbeitstag. Dagegen kann bei gegebner Größe des Kapitalwerts die Profitrate nie steigen oder fallen, ohne daß die Masse des Mehrwerts ebenfalls steigt oder fällt.

II. Herunterdrücken des Arbeitslohns unter seinen Wert

Dies wird hier nur empirisch angeführt, da es in der Tat, wie manches andre, was hier aufzuführen wäre, mit der allgemeinen Analyse des Kapitals nichts zu tun hat, sondern in die, in diesem Werk nicht behandelte, Darstellung der Konkurrenz gehört. Doch ist es eine der bedeutendsten Ursachen, die die Tendenz zum Fall der Profitrate aufhalten.

III. Verwohlfeilerung der Elemente des konstanten Kapitals

Alles, was im ersten Abschnitt dieses Buchs über die Ursachen gesagt worden, die die Profitrate erhöhen bei konstanter Mehrwertsrate oder unabhängig von der Mehrwertsrate, gehört hierher. Also namentlich, daß, das Gesamtkapital betrachtet, der Wert des konstanten Kapitals nicht in <246> demselben Verhältnis wächst wie sein materieller Umfang. Z.B. die Baumwollmasse, die ein einzelner europäischer Spinnarbeiter in einer modernen Fabrik verarbeitet, ist gewachsen im kolossalsten Verhältnis zu dem, was ein europäischer Spinner früher mit dem Spinnrad verarbeitete. Aber der Wert der verarbeiteten Baumwolle ist nicht in demselben Verhältnis gewachsen wie ihre Masse. Ebenso mit den Maschinen und andrem fixen Kapital. Kurz, dieselbe Entwicklung, die die Masse des konstanten Kapitals steigert im Verhältnis zum variablen, vermindert, infolge der gesteigerten Produktivkraft der Arbeit, den Wert seiner Elemente und verhindert daher, daß der Wert des konstanten Kapitals, obgleich beständig wachsend, im selben Verhältnis wachse wie sein materieller Umfang, d.h. der materielle Umfang der Produktionsmittel, die von derselben Menge Arbeitskraft in Bewegung gesetzt werden. In einzelnen Fällen kann sogar die Masse der Elemente des konstanten Kapitals zunehmen, während sein Wert gleich bleibt oder gar fällt.

Mit dem Gesagten hängt zusammen die mit der Entwicklung der Industrie gegebne Entwertung des vorhandnen Kapitals (d.h. seiner stofflichen Elemente). Auch sie ist eine der beständig wirkenden Ursachen, welche den Fall der Profitrate aufhalten, obgleich sie unter Umständen die Masse des Profits beeinträchtigen kann durch Beeinträchtigung der Masse des Kapitals, das Profit abwirft. Es zeigt sich hier wieder, daß dieselben Ursachen, welche die Tendenz zum Fall der Profitrate erzeugen, auch die Verwirklichung dieser Tendenz mäßigen.

IV. Die relative Überbevölkerung

Ihre Erzeugung ist unzertrennlich von der und wird beschleunigt durch die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, die sich in der Abnahme der Profitrate ausdrückt. Die relative Überbevölkerung zeigt sich um so auffallender in einem Lande, je mehr die kapitalistische Produktionsweise in ihm entwickelt ist. Sie ist wiederum Grund, einerseits, daß in vielen Produktionszweigen die mehr oder minder unvollständige Unterordnung der Arbeit unter das Kapital fortdauert und länger fortdauert, als dies dem allgemeinen Stand der Entwicklung auf den ersten Blick entspricht; es ist dies Folge der Wohlfeilheit und Masse der disponiblen oder freigesetzten Lohnarbeiter und des größern Widerstandes, den manche Produktionszweige, ihrer Natur nach, der Verwandlung von Handarbeit in Maschinenarbeit entgegensetzen. Andrerseits öffnen sich neue Produktionszweige, <247> besonders auch für Luxuskonsumtion, die eben jene relative, oft durch Überwiegen des konstanten Kapitals in andren Produktionszweigen freigesetzte Bevölkerung als Basis nehmen, ihrerseits wieder auf Überwiegen des Elements der lebendigen Arbeit beruhn und erst nach und nach dieselbe Karriere wie die andren Produktionszweige durchmachen. In beiden Fällen nimmt das variable Kapital eine bedeutende Proportion des Gesamtkapitals ein und ist der Arbeitslohn unter dem Durchschnitt, so daß sowohl Mehrwertsrate wie Mehrwertsmasse in diesen Produktionszweigen ungewöhnlich hoch sind. Da nun die allgemeine Profitrate durch die Ausgleichung der Profitraten in den besondren Produktionszweigen gebildet wird, bringt hier wieder dieselbe Ursache, die die fallende Tendenz der Profitrate erzeugt, ein Gegengewicht gegen diese Tendenz hervor, das ihre Wirkung mehr oder minder paralysiert.

V. Der auswärtige Handel

Soweit der auswärtige Handel teils die Elemente des konstanten Kapitals, teils die notwendigen Lebensmittel, worin das variable Kapital sich umsetzt, verwohlfeilert, wirkt er steigernd auf die Profitrate, indem er die Rate des Mehrwerts hebt und den Wert des konstanten Kapitals senkt. Er wirkt überhaupt in diesem Sinn, indem er erlaubt, die Stufenleiter der Produktion zu erweitern. Damit beschleunigt er einerseits die Akkumulation, andrerseits aber auch das Sinken des variablen Kapitals gegen das konstante und damit den Fall der Profitrate. Ebenso ist die Ausdehnung des auswärtigen Handels, obgleich in der Kindheit der kapitalistischen Produktionsweise deren Basis, in ihrem Fortschritt, durch die innere Notwendigkeit dieser Produktionsweise, durch ihr Bedürfnis nach stets ausgedehnterm Markt, ihr eignes Produkt geworden. Es zeigt sich hier wieder dieselbe Zwieschlächtigkeit der Wirkung. (Ricardo hat diese Seite des auswärtigen Handels ganz übersehn.)

Eine andre Frage - die in ihrer Spezialität eigentlich jenseits der Grenze unsrer Untersuchung liegt - ist die: Wird die allgemeine Profitrate erhöht durch die höhere Profitrate, die das im auswärtigen und namentlich im Kolonialhandel angelegte Kapital macht?

Kapitale, im auswärtigen Handel angelegt, können eine höhere Profitrate abwerfen, weil hier erstens mit Waren konkurriert wird, die von andern Ländern mit mindren Produktionsleichtigkeiten produziert werden, so daß das fortgeschrittnere Land seine Waren über ihrem Wert verkauft, obgleich <248> wohlfeiler als die Konkurrenzländer. Sofern die Arbeit des fortgeschrittnern Landes hier als Arbeit von höherm spezifischen Gewicht verwertet wird, steigt die Profitrate, indem die Arbeit, die nicht als qualitativ höhere bezahlt, als solche verkauft wird. Dasselbe Verhältnis kann stattfinden gegen das Land, wohin Waren gesandt und woraus Waren bezogen werden; daß dies nämlich mehr vergegenständlichte Arbeit in natura gibt, als es erhält, und daß es doch hierbei die Ware wohlfeiler erhält, als es sie selbst produzieren könnte. Ganz wie der Fabrikant, der eine neue Erfindung vor ihrer Verallgemeinerung benutzt, wohlfeiler verkauft als seine Konkurrenten und dennoch über dem individuellen Wert seiner Ware verkauft, d.h., die spezifisch höhere Produktivkraft der von ihm angewandten Arbeit als Mehrarbeit verwertet. Er realisiert so einen Surplusprofit. Was andrerseits die in Kolonien etc. angelegten Kapitale betrifft, so können sie höhere Profitraten abwerfen, weil dort überhaupt wegen der niedrigen Entwicklung die Profitrate höher steht, und ebenfalls, bei Anwendung von Sklaven und Kulis etc., die Exploitation der Arbeit. Warum nun die höhern Profitraten, die in gewissen Zweigen angelegte Kapitale so abwerfen und nach der Heimat abführen, hier, wenn sonst nicht Monopole im Wege stehn, nicht in die Ausgleichung der allgemeinen Profitrate eingehn und daher diese pro tanto erhöhn sollen, ist nicht abzusehn.(36) Es ist dies namentlich nicht abzusehn, wenn jene Zweige der Kapitalanwendung unter den Gesetzen der freien Konkurrenz stehn. Was Ricardo dagegen vorschwebt, ist namentlich dies: mit dem im Ausland erzielten höheren Preis werden dort Waren gekauft und als Retour nach Hause geschickt; diese Waren werden also im Inland verkauft, und es kann dies daher höchstens eine temporäre Extrabevorteilung dieser begünstigten Sphären der Produktion über andre ausmachen. Dieser Schein fällt weg, sobald von der Geldform abgesehn wird. Das begünstigte Land erhält mehr Arbeit zurück im Austausch für weniger Arbeit, obgleich diese Differenz, dies Mehr, wie beim Austausch zwischen Arbeit und Kapital überhaupt, von einer gewissen Klasse eingesackt wird. Soweit also die Profitrate höher ist, weil sie überhaupt höher in dem Kolonialland, mag dies bei günstigen Naturbedingungen desselben mit niedren Warenpreisen Hand in Hand gehn. Ausgleichung findet statt, aber nicht Ausgleichung zum alten Niveau, wie Ricardo meint.

<249> Derselbe auswärtige Handel aber entwickelt im Inland die kapitalistische Produktionsweise, und damit die Abnahme des variablen Kapitals gegenüber dem konstanten, und produziert auf der andern Seite Überproduktion mit Bezug auf das Ausland, hat daher auch wieder im weitern Verlauf die entgegengesetzte Wirkung.

Und so hat sich denn im allgemeinen gezeigt, daß dieselben Ursachen, die das Fallen der allgemeinen Profitrate hervorbringen, Gegenwirkungen hervorrufen, die diesen Fall hemmen, verlangsamen und teilweise paralysieren. Sie heben das Gesetz nicht auf, schwächen aber seine Wirkung ab. Ohne das wäre nicht das Fallen der allgemeinen Profitrate unbegreiflich, sondern umgekehrt die relative Langsamkeit dieses Falls. So wirkt das Gesetz nur als Tendenz, dessen Wirkung nur unter bestimmten Umständen und im Verlauf langer Perioden schlagend hervortritt.

Ehe wir nun weitergehn, wollen wir zur Vermeidung von Mißverständnis noch zwei mehrfach entwickelte Sätze wiederholen.

Erstens: Derselbe Prozeß, der die Verwohlfeilerung der Waren im Entwicklungsgang der kapitalistischen Produktionsweise erzeugt, erzeugt eine Veränderung in der organischen Zusammensetzung des zur Produktion der Waren angewandten gesellschaftlichen Kapitals und infolgedessen den Fall der Profitrate. Man muß also die Verminderung der relativen Kost der einzelnen Ware, auch des Teils dieser Kost, der Verschleiß von Maschinerie enthält, nicht identifizieren mit dem steigenden Wert des konstanten Kapitals, verglichen mit dem variablen, obgleich umgekehrt jede Verminderung in der relativen Kost des konstanten Kapitals, bei gleichbleibendem oder wachsendem Umfang seiner stofflichen Elemente, auf die Erhöhung der Profitrate, d.h. auf Verminderung pro tanto im Wert des konstanten Kapitals, verglichen mit dem in sinkenden Proportionen angewandten variablen Kapital, wirkt.

Zweitens: Der Umstand, daß in den einzelnen Waren, aus deren Gesamtheit das Produkt des Kapitals besteht, die enthaltne zusätzliche lebendige Arbeit in einem abnehmenden Verhältnis zu den in ihnen enthaltnen Arbeitsstoffen und den in ihnen konsumierten Arbeitsmitteln steht; der Umstand also, daß ein stets abnehmendes Quantum zusätzlicher lebendiger Arbeit in ihnen vergegenständlicht ist, weil weniger Arbeit zu ihrer Produktion erheischt mit Entwicklung der gesellschaftlichen Produktionskraft - dieser Umstand trifft nicht das Verhältnis, worin sich die in der Ware enthaltne lebendige Arbeit in bezahlte und unbezahlte teilt. Umgekehrt. Obgleich das Gesamtquantum der in ihr enthaltnen zusätzlichen lebendigen Arbeit fällt, wächst der unbezahlte Teil im Verhältnis zum bezahlten, entweder <250> durch absolutes oder proportionelles Sinken des bezahlten Teils; denn dieselbe Produktionsweise, die die Gesamtmasse der zusätzlichen lebendigen Arbeit in einer Ware vermindert, ist begleitet vom Steigen des absoluten und relativen Mehrwerts. Das tendenzielle Sinken der Profitrate ist verbunden mit einem tendenziellen Steigen in der Rate des Mehrwerts, also im Exploitationsgrad der Arbeit. Nichts alberner daher, als das Sinken der Profitrate aus einem Steigen in der Rate des Arbeitslohns zu erklären, obgleich auch dies ausnahmsweise der Fall sein mag. Die Statistik wird erst durch Verständnis der Verhältnisse, die die Profitrate bilden, befähigt, wirkliche Analysen über die Rate des Arbeitslohns in verschiednen Epochen und Ländern vorzunehmen. Die Profitrate fällt nicht, weil die Arbeit unproduktiver, sondern weil sie produktiver wird. Beides, Steigen der Rate des Mehrwerts und Fallen der Rate des Profits, sind nur besondre Formen, worin sich wachsende Produktivität der Arbeit kapitalistisch ausdrückt.

VI. Die Zunahme des Aktienkapitals

Den obigen fünf Punkten kann noch hinzugefügt werden der folgende, worauf aber zunächst nicht tiefer eingegangen werden kann. Ein Teil des Kapitals wird im Fortschritt der kapitalistischen Produktion, der mit beschleunigter Akkumulation Hand in Hand geht, nur als zinstragendes Kapital berechnet und angewandt. Nicht in dem Sinne, worin jeder Kapitalist, der Kapital ausleiht, sich mit den Zinsen begnügt, während der industrielle Kapitalist den Unternehmergewinn einsteckt. Dies geht die Höhe der allgemeinen Profitrate nichts an, denn für sie ist der Profit = Zins + Profit aller Art + Grundrente, deren Verteilung in diese besondren Kategorien für sie gleichgültig ist. Sondern in dem Sinn, daß diese Kapitale, obgleich in große produktive Unternehmungen gesteckt, nach Abzug aller Kosten nur große oder kleine Zinsen, sogenannte Dividenden abwerfen. Z.B. in Eisenbahnen. Sie gehn also nicht in die Ausgleichung der allgemeinen Profitrate ein, da sie eine geringre als die Durchschnittsprofitrate abwerfen. Gingen sie ein, so sänke diese viel tiefer. Theoretisch betrachtet, kann man sie einrechnen und erhält dann eine geringre Profitrate als die scheinbar existierende und die Kapitalisten wirklich bestimmende, da gerade in diesen Unternehmungen des konstante Kapital im Verhältnis zum variablen am größten.


Fußnoten

(36) A. Smith hat hier recht gegen Ricardo, welcher sagt: "Sie behaupten, daß die Gleichheit der Profite durch das allgemeine Steigen der Profite zustande gebracht werden wird; und ich bin der Meinung, daß die Profite des bevorzugten Gewerbes schnell auf den allgemeinen Stand sinken werden. ("Works", ed. MacCulloch, p. 73.) <=