Der Krieg in Italien und Ungarn | Inhalt | Die französische auswärtige Politik

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 385-392
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959

Die Niederlage der Piemontesen

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 260 vom 31. März 1849]

<385> *Köln, 30. März. Der Verrat Ramorinos hat seine Früchte getragen. Die piemontesische Armee ist bei Novara vollständig geschlagen und nach Borgomanero, an den Fuß der Alpen zurückgetrieben. Die Östreicher haben Novara, Vercelli und Trino besetzt, und die Straße nach Turin steht ihnen offen.

Es fehlen bis jetzt alle näheren Angaben. Soviel aber steht fest, daß ohne Ramorino, der den Östreichern erlaubte, sich zwischen die verschiedenen piemontesischen Divisionen zu drängen und einen Teil derselben zu isolieren, der Sieg unmöglich war.

Daß Karl Albert ebenfalls Verrat geübt hat, kann nicht bezweifelt werden. Ob aber bloß durch Vermittelung Ramorinos oder auch sonst noch, werden wir erst später erfahren.

Ramorino ist derselbe Abenteurer, der, nach einer mehr als zweideutigen Laufbahn im polnischen Kriege von 1830/31, auf dem Savoyerzuge 1834 an demselben Tage, wo die Sache einen ernsthaften Charakter annahm, mit der ganzen Kriegskasse verschwand, und der später in London dem Ex-Herzog von Braunschweig für 1.200 Pfd. Sterl. einen Plan zur Eroberung Deutschlands machte.

Daß ein solcher Industrieller nur angestellt werden konnte, beweist, wie sehr Karl Albert, der die Republikaner von Genua und Turin mehr fürchtet als die Östreicher, von vornherein schon auf Verrat sann.

Daß man nach dieser Niederlage eine Revolution und die Proklamierung der Republik in Turin erwartet, geht daraus hervor, daß man ihr durch die Abdankung Karl Alberts zugunsten seines ältesten Sohnes <Viktor Emanuel II.> vorzubeugen versucht.

<386> Die Niederlage der Piemontesen ist wichtiger als alle deutschen Kaiserpossen zusammen. Sie ist die Niederlage der gesamten italienischen Revolution. Nach der Besiegung Piemonts kommt die Reihe an Rom und Florenz.

Aber wenn nicht alle Zeichen trügen, so wird gerade diese Niederlage der italienischen Revolution das Signal sein zum Losbruch der europäischen Revolution. Das französische Volk sieht in demselben Verhältnis, als es im Innern des Landes von der eigenen Kontrerevolution mehr und mehr geknechtet wird, die bewaffnete Kontrerevolution des Auslandes seinen Grenzen näher rücken. Dem Junisieg und der Diktatur Cavaignac in Paris entsprach der siegreiche Marsch Radetzkys bis an den Mincio; der Präsidentschaft Bonaparte, Barrot und dem Klubgesetz entspricht der Sieg bei Novara und der Marsch der Österreicher an die Alpen. Paris ist reif zu einer neuen Revolution. Savoyen, das seit einem Jahr seinen Abfall von Piemont und seinen Anschluß an Frankreich vorbereitet, das sich sträubte, am Kriege sich zu beteiligen, Savoyen wird sich Frankreich in die Arme werfen wollen; Barrot und Bonaparte müssen es zurückweisen. Genua, vielleicht Turin, wenn es noch Zeit ist, werden die Republik proklamieren und Frankreichs Hülfe anrufen; und Odilon Barrot wird ihnen gravitätisch zur Antwort geben, er werde die Integrität des sardinischen Gebiets zu schützen wissen.

Aber wenn das Ministerium es nicht wissen will, das Volk von Paris weiß es, daß Frankreich die Östreicher in Turin und Genua nicht dulden darf. Und das Volk von Paris wird sie dort nicht dulden. Es wird auf die Italiener durch eine siegreiche Erhebung antworten, und die französische Armee, die einzige in Europa, die seit dem 24. Februar nicht auf offenem Schlachtfelde stand, wird sich ihm anschließen.

Die französische Armee brennt vor Begierde, die Alpen zu überschreiten und sich mit den Östreichern zu messen. Sie ist nicht gewohnt, einer Revolution entgegenzutreten, die ihr neuen Ruhm und neue Lorbeeren verheißt, die mit der Fahne des Kriegs gegen die Koalition auftritt. Die französische Armee ist nicht "Mein herrliches Kriegsheer".

Die Niederlage der Italiener ist bitter. Kein Volk, außer den Polen, ist so schmählich von der Gewalt übermächtiger Nachbarn erdrückt worden, keins hat so oft und so mutig versucht, den Druck abzuschütteln. Und jedesmal muß dies unglückliche Volk seinen Unterdrückern wieder erliegen; das Ziel aller Anstrengungen, aller Kämpfe ist nichts als neue Niederlagen! Aber wenn diese Niederlage eine Revolution in Paris zur Folge hat und den europäischen Krieg zum Ausbruch bringt, dessen Vorzeichen an allen Ecken und Enden sich zeigen; wenn sie der Anstoß ist zu einer neuen Bewegung über den ganzen <387> Kontinent, einer Bewegung, die diesmal einen andern Charakter haben wird als die des vorigen Jahres - dann haben selbst die Italiener Ursache, sich dazu Glück zu wünschen.

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 261 vom 1. April 1849, Zweite Ausgabe]

*Köln, 1. April. Nach den letzten Berichten, die aus Italien eintreffen, ist die Niederlage der Piemontesen bei Novara keineswegs so entscheidend, wie die nach Paris gesandte telegraphische Depesche berichtet hatte.

Die Piemontesen sind geschlagen, sie sind von Turin abgeschnitten und ins Gebirge geworfen worden. Das ist alles.

Wäre Piemont eine Republik, wäre die Turiner Regierung revolutionär und hätte sie den Mut, zu revolutionären Mitteln zu greifen - es wäre nichts verloren. Aber die italienische Unabhängigkeit geht verloren - nicht an der Unbesiegbarkeit der östreichischen Waffen, sondern an der Feigheit des piemontesischen Königtums.

Wodurch haben die Östreicher gesiegt? Dadurch, daß in der piemontesischen Armee durch den Verrat Ramorinos zwei Divisionen von den übrigen drei getrennt und diese drei isoliert durch die östreichische Überzahl geschlagen wurden. Diese drei Divisionen sind jetzt an den Fuß der Walliser Alpen zurückgedrängt.

Es war von vornherein ein enormer Fehler, daß die Piemontesen den Östreichern bloß eine regelmäßige Armee entgegensetzen, daß sie mit ihnen einen gewöhnlichen, bürgerlichen, honetten Krieg führen wollten. Ein Volk, das sich seine Unabhängigkeit erobern will, darf sich nicht auf die gewöhnlichen Kriegsmittel beschränken. Aufstand in Masse, Revolutionskrieg, Guerillas überall, das ist das einzige Mittel, wodurch ein kleines Volk mit einem großen fertig werden, wodurch eine minder starke Armee in den Stand gesetzt werden kann, der stärkeren und besser organisierten zu widerstehen.

Die Spanier haben es 1807-[18]12 bewiesen, die Ungarn beweisen es noch jetzt.

Chrzanowski war bei Novara geschlagen und von Turin abgeschnitten; Radetzky stand 9 Meilen von Turin. In einer Monarchie, wie Piemont, selbst in einer konstitutionellen, war damit der Feldzug entschieden; man kam um Frieden bei Radetzky ein. Aber in einer Republik war damit gar nichts entschieden. Hätte nicht die unvermeidliche Feigheit der Monarchien, die nie den Mut hat, zu den äußersten revolutionären Mitteln zu greifen, hätte nicht diese Feigheit davon zurückgehalten, die Niederlage Chrzanowskis hätte ein Glück für Italien werden können.

<388> Wäre Piemont eine Republik, die keine Rücksicht auf monarchische Traditionen zu nehmen hätte, so stand ihm ein Weg offen, den Feldzug ganz anders zu beendigen.

Chrzanowski war nach Biella und Borgomanero zurückgetrieben. Dort, wo die Schweizeralpen jeden weitern Rückzug, wo die zwei oder drei engen Flußtäler jede Zerstreuung der Armee so gut wie unmöglich machen, dort war es leicht, die Armee zu konzentrieren und durch einen kühnen Marsch Radetzkys Sieg fruchtlos zu machen.

Wenn die Chefs der piemontesischen Armee revolutionären Mut besaßen, wenn sie wußten, daß in Turin eine revolutionäre, aufs äußerste gefaßte Regierung saß, so war ihre Handlungsweise sehr einfach.

Am Lago Maggiore standen nach der Schlacht von Novara 30[.000] bis 40.000 Mann piemontesischer Truppen. Dies Korps, in zwei Tagen konzentriert, konnte sich in die Lombardei werfen, in der nicht 12.000 Mann Östreicher stehn; es konnte Mailand, Brescia, Cremona besetzen, den allgemeinen Aufstand organisieren, die einzelnen aus dem Venetianischen heranrückenden östreichischen Korps einzeln schlagen und damit Radetzky's ganze Operationsbasis in die Luft sprengen.

Radetzky, statt auf Turin zu marschieren, hätte sofort umdrehen und in die Lombardei zurückkehren müssen, verfolgt von dem Massenaufgebot der Piemontesen, das natürlich die lombardische Insurrektion unterstützen mußte.

Dieser wirkliche Nationalkrieg, ein Krieg, wie ihn die Lombarden im März 1848 führten und womit sie Radetzky hinter den Oglio und Mincio jagten, dieser Krieg hätte ganz Italien in den Kampf gejagt und den Römern und Toskanern ganz andere Energie eingeflößt.

Während Radetzky noch zwischen Po und Tessin stand und sich besann, ob er vorwärts oder rückwärts gehen solle, konnten die Piemontesen und Lombarden bis vor Venedig marschieren, Venedig entsetzen, La Marmora und römische Truppen an sich ziehen, den östreichischen Feldmarschall durch zahllose Guerillasschwärme beunruhigen und schwächen, seine Truppen zersplittern und ihn endlich schlagen. Die Lombardei wartete nur des Einmarsches der Piemontesen; sie erhob sich schon, ohne ihn abzuwarten. Nur die östreichischen Zitadellen hielten die lombardischen Städte im Zaum. Zehntausend Mann Piemontesen waren schon in der Lombardei; wären noch 20[.000]-30.000 hineinmarschiert, so war Radetzkys Rückzug unmöglich.

Aber der Aufstand in Masse, die allgemeine Insurrektion des Volkes, das sind Mittel, vor deren Anwendung das Königtum zurückschreckt. Das sind Mittel, die nur die Republik anwendet - 1793 liefert den Beweis dafür. Das <389> sind Mittel, deren Ausführung den revolutionären Terrorismus voraussetzt, und wo ist ein Monarch gewesen, der sich dazu entschließen konnte?

Was die Italiener also ruiniert hat, das ist nicht die Niederlage von Novara und Vigevano, das ist die Feigheit und Mäßigung, in die die Monarchie sie hineinzwängt. Die verlorne Schlacht von Novara brachte bloß einen strategischen Nachteil: Sie waren von Turin abgeschnitten, während den Österreichern der Weg dahin offen stand. Dieser Nachteil war gänzlich bedeutungslos, wenn der verlorenen Schlacht der wirkliche Revolutionskrieg auf dem Fuße folgte, wenn der Rest der italienischen Armee sich sogleich zum Kern der nationalen Massenerhebung erklärte, wenn der honette strategische Armeekrieg in einen Volkskrieg umgewandelt wurde, wie die Franzosen ihn 1793 führten.

Aber freilich! Revolutionskrieg, Massenerhebung und Terrorismus - dazu wird die Monarchie sich nie verstehen. Eher schließt sie Frieden mit ihrem bittersten, ebenbürtigen Feind, ehe sie sich mit dem Volk verbündet.

Karl Albert mag Verräter sein oder nicht - die Krone Karl Alberts, die Monarchie allein hätte hingereicht, Italien zu ruinieren.

Aber Karl Albert ist Verräter. Durch alle französischen Blätter geht die Nachricht von dem großen europäischen Kontrerevolutionskomplott zwischen sämtlichen Großmächten, von dem Feldzugsplan der Kontrerevolution zur schließlichen Unterdrückung aller europäischen Völker. Rußland und England, Preußen und Österreich, Frankreich und Sardinien haben diese neue Heilige Allianz unterzeichnet.

Karl Albert hatte den Befehl, mit Östreich Krieg anzufangen, sich schlagen zu lassen und dadurch den Östreichern Gelegenheit zu geben, in Piemont, in Florenz, in Rom die "Ruhe" wiederherzustellen und überall standrechtliche Konstitutionen oktroyieren zu lassen. Dafür bekam Karl Albert Parma und Piacenza, die Russen pazifizierten Ungarn; Frankreich sollte Kaiserreich werden, und damit war die Ruhe Europas hergestellt. Das ist, nach französischen Blättern, der große Plan der Kontrerevolution; und dieser Plan erklärt Ramorinos Verrat und erklärt die Niederlage der Italiener.

Die Monarchie aber hat durch den Sieg Radetzkys einen neuen Stoß erhalten. Die Schlacht bei Novara und die darauf folgende Lähmung der Piemontesen beweist, daß ein Volk in den äußersten Fällen, wo es seiner ganzen Kraftanstrengung bedarf, um sich zu retten, durch nichts mehr gehemmt wird, als durch die Monarchie. Wenn Italien nicht an der Monarchie zugrunde gehen soll, so muß vor allem die Monarchie in Italien zugrunde gehen.

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 263 vom 4. April 1849]

<390> * Jetzt endlich liegen die Ereignisse des piemontesischen Feldzugs bis zum Sieg der Österreicher bei Novara offen und deutlich vor uns.

Während Radetzky absichtlich das falsche Gerücht verbreiten ließ, er werde sich auf der Defensive halten und gegen die Adda zurückgehen, zog er in der Stille seine sämtlichen Truppen um Sant Angelo und Pavia zusammen. Er war durch den Verrat der österreichisch-reaktionären Partei in Turin vollständig von allen Plänen und Dispositionen Chrzanowskis, von der ganzen Stellung seiner Armee unterrichtet, wogegen es ihm gelang, die Piemontesen über die seinigen vollständig zu täuschen. Daher die Aufstellung der piemontesischen Armee zu beiden Seiten des Po, die nur darauf berechnet war, von allen Seiten zugleich mit einer konzentrischen Bewegung gegen Mailand und Lodi vorzudringen.

Aber dennoch war bei einem ernsthaften Widerstand im Zentrum der piemontesischen Armee keineswegs an die raschen Erfolge zu denken, die Radetzky jetzt errungen hat. Trat ihm das Korps Ramorino bei Pavia in den Weg, so blieb Zeit genug, ihm den Übergang über den Tessin zu bestreiten, bis Verstärkungen herangezogen waren. Inzwischen konnten die Divisionen, die auf dem rechten Po-Ufer und bei Arona standen, ebenfalls eintreffen; die piemontesische Armee, parallel dem Tessin aufgestellt, deckte Turin und war mehr als hinreichend, die Armee Radetzkys zu Paaren zu treiben. Darauf, daß Ramorino seine Schuldigkeit tun würde, mußte natürlich gerechnet werden.

Er tat sie nicht. Er gestattete Radetzky den Übergang über den Tessin, und damit war das piemontesische Zentrum durchbrochen, waren die jenseits des Po aufgestellten Divisionen isoliert. Damit war eigentlich der Feldzug schon entschieden.

Radetzky stellte nun seine ganze 60.000-70.000 Mann mit 120 Kanonen starke Macht zwischen dem Tessin und der Agogna auf und nahm die fünf den Tessin entlang aufgestellten piemontesischen Divisionen in die Flanke. Die zunächst aufgestellten vier schlug er mit seiner kolossalen Übermacht bei Mortara, Garlasco und Vigevano am 21. zurück, nahm Mortara, zwang dadurch die Piemontesen, sich auf Novara zurückzuziehen, und bedrohte die einzige ihnen noch offne Straße nach Turin, die von Novara über Vercelli und Chivasso.

Diese Straße war aber bereits für die Piemontesen verloren. Um ihre Truppen zusammenzuziehen und namentlich um die am äußersten linken Flügel um Arona aufgestellte Division Solaroli heranziehen zu können, mußten sie <391> Novara zum Knotenpunkt ihrer Operationen machen, während sie sonst hinter der Sesia eine neue Aufstellung nehmen konnten.

Von Turin daher bereits so gut wie abgeschnitten, blieb ihnen nichts, als entweder eine Schlacht bei Novara anzunehmen oder sich in die Lombardei zu werfen, den Volkskrieg zu organisieren und Turin seinem Schicksal, den Reserven und den Nationalgarden zu überlassen. Radetzky würde in diesem Fall sich gehütet haben, weiter vorzudringen.

Dieser Fall setzt aber voraus, daß in Piemont selbst der Aufstand in Masse vorbereitet war, und das war eben nicht der Fall. Die bürgerliche Nationalgarde war bewaffnet; aber die Masse des Volks war waffenlos, so laut sie nach den Waffen verlangte, die in den Arsenalen lagen.

Die Monarchie hatte es nicht gewagt, an dieselbe unwiderstehliche Gewalt zu appellieren, welche Frankreich 1793 rettete.

Die Piemontesen mußten also die Schlacht von Novara annehmen, so ungünstig ihre Stellung und so groß die feindliche Übermacht auch war.

40.000 Piemontesen (zehn Brigaden) mit verhältnismäßig schwacher Artillerie standen der ganzen östreichischen Macht, mindestens 60.000 Mann mit 120 Kanonen, gegenüber.

Die piemontesische Armee war zu beiden Seiten der Straße von Mortara unter den Mauern von Novara aufgestellt.

Der linke Flügel, unter Durando, zwei Brigaden, stutzte sich auf eine ziemlich starke Stellung, Le Bicocca.

Das Zentrum, unter Bès, drei Brigaden, lehnte sich an ein Gehöft, La Cittadella.

Der rechte Flügel, unter Perrone, zwei Brigaden, an das Plateau von Corte Nuove (Straße von Vercelli) angelehnt.

Zwei Reserve-Korps, das eine von zwei Brigaden unter dem Herzog von Genua, das nach dem linken, das zweite von einer Brigade und den Garden, nach dem rechten Flügel zu aufgestellt, unter dem Herzog von Savoyen, jetzigen König.

Die Aufstellung der Östreicher ist nach ihrem Bulletin weniger klar.

Das zweite östreichische Korps unter d'Aspre griff den linken Flügel der Piemontesen zuerst an, während hinter ihm das dritte Korps unter Appel, so wie das Reserve- und das vierte Korps aufmarschierten. Es gelang den Östreichern, ihre Schlachtlinie vollständig zu entfalten und einen konzentrischen Angriff auf alle Punkte der piemontesischen Schlachtordnung zugleich mit solcher Übermacht auszuführen, daß dadurch die Piemontesen erdrückt wurden.

Der Schlüssel der piemontesischen Stellung war die Bicocca; hatten die Östreicher sich ihrer bemächtigt, so wurde das Zentrum und der linke Flügel <392> der Piemontesen zwischen die (nicht befestigte) Stadt und den Kanal eingeschlossen und konnten entweder zersprengt oder gezwungen werden, die Waffen niederzulegen.

Auf den linken piemontesischen Flügel, dessen Hauptstütze die Bicocca war, richtete sich daher auch der Hauptangriff. Hier wurde mit großer Heftigkeit, jedoch lange ohne Resultat gekämpft.

Das Zentrum wurde ebenfalls sehr lebhaft angegriffen. Die Cittadella wurde mehrere Male verloren, und mehrere Male von Bès wiedergenommen.

Als die Östreicher sahen, daß sie hier auf einen zu starken Widerstand stießen, wendeten sie ihre Hauptstärke wieder gegen den piemontesischen linken Flügel. Die beiden piemontesischen Divisionen wurden auf die Bicocca zurückgeworfen und die Bicocca endlich selbst erstürmt. Der Herzog von Savoyen warf sich mit den Reserven auf die Östreicher; umsonst. Die Übermacht der Kaiserlichen war zu groß, die Position war verloren, und damit die Schlacht entschieden. Der einzige Rückzug, der den Piemontesen blieb, war der gegen die Alpen, nach Biella und Borgomanero.

Und diese, durch Verrat vorbereitete und durch Übermacht gewonnene Schlacht nennt die "Kölnische Zeitung", die so lange nach einem Siege der Österreicher geschmachtet,

"eine Schlacht, die in der Kriegsgeschichte für alle Zeiten glänzen wird (!), da der Sieg, den der alte Radetzky davongetragen hat, ein Resultat so geschickt kombinierter Bewegungen und so wahrhaft großartiger Tapferkeit ist, daß seit den Tagen des großen Schlachten-Dämons Napoleon nichts Ähnliches vorgekommen ist (!!!)".

Radetzky, oder vielmehr Heß, sein Generalstabschef, hat sein Komplott mit Ramorino ganz gut durchgeführt, wir geben es zu. Daß allerdings seit Grouchys Verrat bei Waterloo eine so großartige Niederträchtigkeit wie die Ramorinos nicht vorgekommen, ist auch wahr. Aber nicht mit dem "Schlachten-Dämon"(!) Napoleon, sondern mit Wellington gehört Radetzky in dieselbe Klasse: Ihre Siege kosteten beiden von jeher mehr bares Geld als Tapferkeit und Geschicklichkeit.

Auf die übrigen gestern abend von der "Köln[ischen] Z[ei]t[un]g" verbreiteten Lügen, als seien die demokratischen Deputierten von Turin durchgebrannt, als hätten die Lombarden sich wie "feiges Gesindel benommen" usw., gehen wir gar nicht ein. Die letzten Ereignisse haben sie schon widerlegt. Diese Lügen konstatieren weiter nichts als die Freude der "Kölnischen Zeitung" darüber, daß das große Östreich, und noch mit Hülfe des Verrats, das dazu kleine Piemont erdrückt hat.

Geschrieben von Friedrich Engels.